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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 11.05.2009
Aktenzeichen: 5 U 256/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 288
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 15. November 2006 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 11 O 197/05 - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Schmerzensgeldbetrag von 25.000 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4.7.2005 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin sämtliche materiellen und künftigen immateriellen Schäden aus der ab dem 8.7.2002 durchgeführten Behandlung zu ersetzen hat, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 2/5 und der Beklagten zu 3/5 auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die am 6.2.1948 geborene Klägerin litt an Harninkontinenz. Aus diesem Grund erfolgte am 9.7.2002 in der Frauenklinik der Beklagten eine Kolposuspensionsplastik nach Burch, bei der die Blase auf der rechten Seite verletzt und übernäht wurde. Postoperativ kam es unter anderem zu einer Erhöhung der Temperatur, des CRP-Werts sowie des Kreatinin-Werts. Ein hinzugezogener Arzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde diagnostizierte eine akute Verschlechterung einer chronischen Sinusitis. Eine am 14.7.2002 durchgeführte Ultraschalluntersuchung der Blase und der Nieren ergab keinen pathologischen Befund. Bei der Ultraschalluntersuchung vom 22.7.2002 war die rechte Niere unauffällig, während in der linken Niere ein Nierenstau I. Grades bestand. Am 23.7.2002 wurde die Klägerin entlassen.

Am 14.8.2002 stellte die Klägerin sich ambulant im Klinikum der Beklagten vor. Nach einer Ultraschalluntersuchung der Nieren wurden dokumentiert, dass diese ohne Befund seien.

Am 2.9.2002 suchte die Klägerin wegen Flankenschmerzen den Facharzt für Urologie Dr. E auf, der eine Harnstauungsniere links feststellte und die Klägerin in das Krankenhaus C überwies. Dort stellten die behandelnden Ärzte während des stationären Aufenthalts vom 5.9.2002 bis 12.9.2002 die Diagnose eines Harnstaus links II. bis III. Grades, worauf sie eine Nierenfistel zur Ableitung des Urins anlegten. Während des stationären Aufenthalts der Klägerin im Krankenhaus C vom 28.10.2002 bis 9.11.2002 wurde die linke Niere der Klägerin am 29.10.2002 entfernt. Am 20.2.2004 und 13.7.2004 erfolgten jeweils Eingriffe wegen eines Narbenbruchs.

Die Klägerin hat behauptet, dass bei der Übernähung der intraoperativ verletzten Blase auch ihr linker Harnleiter vernäht worden sei. Der am 22.7.2002 festgestellte Harnstau sei nicht ausreichend beachtet worden. Auch am 14.8.2002 seien trotz ihrer Beschwerden keine Maßnahmen ergriffen worden. Die Klägerin hat ein Schmerzensgeld von mindestens 45.000 € für angemessen erachtet.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, ihr ein angemessenes Schmerzensgeld aus der ärztlichen Behandlung vom Juli 2002 nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagte ihr sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, soweit sie nicht auf Dritte (Krankenversicherung, Sozialversicherungsträger, usw.) übergegangen sind, auszugleichen hat.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist dem Vorwurf eines Behandlungsfehlers entgegengetreten.

Das Landgericht hat das gynäkologische Gutachten von Prof. Dr. N vom 9.5.2006 (Bl. 87 ff. d.A.) eingeholt, an dem Dr. I mitgewirkt hat, und alsdann Dr. I angehört (Bl. 137 ff. d.A.).

Daraufhin hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Behandlungsfehler seien nicht erwiesen. Insbesondere habe, nachdem am 22.7.2002 eine Stauung der linken Niere festgestellt worden sei, weder eine weitere Abklärung erfolgen noch eine Kontrolle in einem kürzeren Abstand vereinbart werden müssen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie eine unzureichende Sachaufklärung rügt. Nachdem am 22.7.2002 ein Nierenstau links I. Grades diagnostiziert worden sei, sei es erforderlich gewesen, engmaschige Kontrolluntersuchungen durchzuführen. Entgegen dem im Klinikum der Beklagten erhobenen Untersuchungsbefund habe auch am 14.8.2008 ein Harnstau vorgelegen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils

1. die Beklagte zu verurteilen, ihr ein angemessenes Schmerzensgeld aus der ärztlichen Behandlung vom Juli 2002 nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagte ihr sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, soweit sie nicht auf Dritte (Krankenversicherung, Sozialversicherungsträger, usw.) übergegangen sind, auszugleichen hat.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Der Senat hat das urologische Gutachten von Prof. Dr. F vom 7.2.2008 (Bl. 229 ff. d.A.) nebst ergänzender Stellungnahme vom 16.7.2008 (Bl. 284 ff.) eingeholt und den Sachverständigen angehört (Bl. 360 ff. d.A.).

II.

Die Berufung hat zum überwiegenden Teil Erfolg.

Die Klägerin kann von der Beklagten die Zahlung eines Schmerzensgeldbetrages von 25.000 € nebst Zinsen verlangen. Der Feststellungsantrag ist, soweit er sich auf materielle und künftige immaterielle Schäden der Klägerin bezieht, gerechtfertigt. Im Übrigen unterliegt die Klage der Abweisung.

1. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat ein Behandlungsfehler der für die Beklagte tätigen Ärzte dazu geführt, dass der Klägerin im Oktober 2002 die linke Niere entfernt worden ist.

a) Aus den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. F folgt, dass die behandelnden Ärzte spätestens am 22.7.2002 oder unmittelbar danach, als das Ergebnis der sonografischen Untersuchung und die klinischen Befunde übereinstimmend für eine Abflussbehinderung der linken Niere sprachen, eine weitere Abklärung, etwa durch ein intravenöses Urogramm oder eine Computertomografie, hätten vornehmen oder veranlassen müssen (Bl. 233, 364 d.A.).

Der Verdacht eines nicht nur vorübergehenden Nierengeschehens, beispielsweise einer intra- oder postoperativen Abknickung des Harnleiters, gründete sich - so der Sachverständige Prof. Dr. F weiter - auf die vier zusammen zu betrachtenden Symptome Fieber (10.7.2002 über 38 Grad C, dann bis zum 14.7.2002 erhöhte Temperatur), massive CRP-Erhöhung (11.7.2002 196 mg/dl, Rückgang bis zum 19.7.2002 auf 83 mg/dl bei einem normalen Wert von 5 mg/dl), Kreatinin-Erhöhung (präoperativ 1,0 mg/dl, am 11.7.2002 und 12.7.2002 jeweils 1,4 mg/dl) und Nierenschmerzen sowie auf den am 22.7.2002 sonografisch festgestellten Harnstau I. Grades in der linken Niere (Bl. 233, 285, 364 d.A.). Eine Schädigung des Harnleiters war als zwar seltene, aber typische Komplikation nach einer Kolposuspensionsplastik auch in Betracht zu ziehen (Bl. 286 d.A.).

Gegenüber dieser den Senat überzeugenden Beurteilung hat die Beklagte keine durchgreifenden Einwendungen erhoben. Nachdem die Beklagte in ihrer Stellungnahme zum Gutachten vom 7.2.2008 Flankenschmerzen der Klägerin auf der linken Körperseite überhaupt in Abrede gestellt hat, hat der Sachverständige Prof. Dr. F auf die unter dem 12.7.2002 in den Krankenakten erfolgte Eintragung "Keine Nierenschmerzen mehr" verwiesen. Daraus folgt, dass zuvor Nierenschmerzen bestanden haben und von der Klägerin gegenüber den behandelnden Ärzten geäußert worden sind. Im weiteren Verlauf des Rechtsstreits hat die Beklagte daraufhin nur noch geltend gemacht, dass ab dem 12.7.2002 keine Flankenschmerzen mehr vorgelegen hätten. Im Übrigen verweist die Beklagte, vor allem im Schriftsatz vom 6.4.2009, im Kern darauf, dass sich jedes der vier oben genannten Symptome ohne weiteres ohne Nierengeschehen und Abflussbehinderung erklären lasse. Flankenschmerzen müssten keine renale Genese haben, während eine Temperaturerhöhung und ein erhöhter CRP-Wert durch einen beliebigen Infekt - hier habe eine vom Hals-Nasen-Ohren-Arzt festgestellte Nasennebenhöhlenentzündung vorgelegen - bedingt sein könnten. Eine Erhöhung des Kreatinin-Werts lasse sich etwa durch Dehydrierung, Fieber und geringe Flüssigkeitszufuhr erklären. Davon, dass die Symptome Fieber, CRP-Erhöhung, Kreatinin-Erhöhung und Nierenschmerzen einzeln betrachtet anders als ein Hinweis auf ein Nierengeschehen verstanden werden können, geht jedoch auch der Sachverständige Prof. Dr. F aus (Bl. 234, 285, 364 d.A.). Die ihrerseits sachverständig beratene Beklagte vermag demgegenüber nicht aufzuzeigen, dass sich die vor dem oder bis zum 22.7.2002 vorliegenden Symptome Fieber, CRP-Erhöhung, Kreatinin-Erhöhung und Nierenschmerzen bei zusammenfassender Bewertung unter Berücksichtigung des am 22.7.2002 festgestellten Harnstaus differentialdiagnosisch mit gleicher oder gar höherer Wahrscheinlichkeit im Sinne eines bestimmten anderen Krankheitsbildes als einem Nierengeschehen deuten lassen.

Der Beurteilung des Sachverständigen Prof. Dr. F gebührt der Vorrang vor den hiervon abweichenden Ausführungen von Prof. Dr. N/Dr. I und der Gutachterkommission im Bescheid vom 9.3.2005 (Bl. 11 ff. d.A.). Danach soll eine Abklärung am oder unmittelbar nach dem 22.7.2002 nicht erforderlich und eine Kontrolle nach zwei Wochen bzw. am 14.8.2002 ausreichend gewesen sein kann. Der Sachverständige Prof. Dr. F hat dazu nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass die Sachverständigen Prof. Dr. N/Dr. I und die Gutachterkommission die Bedeutung der für ein Nierengeschehen und eine Reduktion der Nierenfunktion sprechenden Erhöhung des Kreatinin-Werts nicht diskutiert und beachtet haben (vgl. Bl. 236 d.A.). Es ist ferner widersprüchlich, wenn Prof. Dr. N/Dr. I einerseits annehmen, dass eine sich bei Entlassung der Klägerin eventuell abzeichnende Harnleiterkompression mit konsekutivem Nierenstau binnen zwei Wochen zu einer irreparablen Schädigung der Niere führen könne (Bl. 100, 138 d.A.), andererseits aber die Anordnung einer Kontrolle in zwei Wochen als nicht behandlungsfehlerhaft ansehen wollen (Bl. 138 d.A.). Kontrolltermine sind zeitlich offensichtlich so zu bestimmen, dass gegebenenfalls erforderliche Reaktionen und Maßnahmen vor dem Eintritt irreparabler Schäden erfolgen können.

b) Es ist anzunehmen, dass das Unterlassen der am 22.7.2002 oder unmittelbar danach zur Abklärung eines Nierengeschehens gebotenen Befunderhebung zum Funktionsverlust der linken Niere der Klägerin geführt und die Entfernung des Organs (mit-)verursacht hat.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei einem - hier vorliegenden - Verstoß gegen die Pflicht zur Erhebung oder Sicherung medizinisch zweifelsfrei gebotener Befunde eine Beweislastumkehr gerechtfertigt, wenn die unterlassene Abklärung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einen so deutlichen und gravierenden Befund ergeben hätte, dass sich dessen Verkennung als fundamental oder die Nichtreaktion auf ihn als grob fehlerhaft darstellen müsste (vgl. BGHZ 132, 47, 52 ff.). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.

aa) Nach der Beurteilung durch den Sachverständigen Prof. Dr. F hätte man durch die am 22.7.2002 oder unmittelbar danach gebotenen Untersuchungen, etwa ein intravenöses Urogramm oder eine Computertomografie, mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Einengung des linken Harnleiters unmittelbar vor der Blase oder im Blasenwandbereich erkannt (Bl. 234, 365 d.A.).

Dafür, dass sich am 22.7.2002 oder unmittelbar danach ein solcher Befund nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ergeben hätte, sondern kein pathologischer Befund oder der Befund einer passageren Abflussstörung erhoben worden wäre, spricht entgegen der Auffassung der Beklagten nicht das Ergebnis der Ultraschalluntersuchung vom 14.8.2002.

Zwar soll danach auch die linke Niere der Klägerin ohne Befund gewesen sein. Der Senat geht aber mit dem Sachverständigen Prof. Dr. F davon aus, dass die Harnstauung mit hoher Wahrscheinlichkeit auch am 14.8.2002 vorlag, jedoch nicht erkannt wurde (Bl. 234, 285, 361 f. d.A.). Der Sachverständige Prof. Dr. F hat dies damit begründet, dass eine Harnstauungsniere links am 22.7.2002 und sodann wieder am 2.9.2002 festgestellt worden sei. Vor diesem Hintergrund sei eine kontinuierlich vorliegende Abflussbehinderung viel wahrscheinlicher als eine nicht auszuschließende passagere Ursache für den am 22.7.2002 beobachteten Harnstau (Bl. 361 d.A.). Dies gelte insbesondere auch deshalb, weil der im Ergebnis eingetretene Funktionsverlust der linken Niere - bei der Untersuchung vom 10.9.2002 erbrachte diese nur 15 % der Gesamtclearence - bei nicht vorliegender vollständiger Obstruktion lediglich durch eine über einen längeren Zeitraum vorliegende Abflussstörung zu erklären sei (Bl. 362 d.A.). Wie der Sachverständige Prof. Dr. F in Auseinandersetzung mit dem Schriftsatz der Beklagten vom 6.4.2009 weiter dargelegt hat, kann der Kreatinin-Wert von 0,99 mg/dl, der am 20.8.2002 bestimmt worden ist, aufgrund der Leistung der nicht geschädigten rechten Niere und der bei nicht vollständiger Abflussbehinderung vorhandenen Restfunktion der linken Niere erzielt werden (Bl. 362, 363 d.A.).

Diese Ausführungen überzeugen. Ein Ablauf, bei dem eine Abflussstörung binnen weniger Wochen entsteht, vollständig abklingt und wieder entsteht, erscheint unwahrscheinlich, zumal konkret denkbare Ursachen für einen solchen Hergang des Geschehens auch von der Beklagten nicht näher benannt werden.

Die von der Beklagten beantragte Vernehmung von Zeugen (Bl. 322, 260 d.A.) zu Inhalt und Ergebnis der Ultraschalluntersuchung vom 14.8.2002, insbesondere die Vernehmung des Untersuchers Dr. L, war nicht erforderlich. Erhebliche Anknüpfungstatsachen, die zwischen den Parteien streitig sind, hat die Beklagte in diesem Zusammenhang nicht vorgetragen. Dass ein negativer Befund erhoben worden ist, ist dokumentiert und unstreitig. Weitere Einzelheiten der sonografischen Untersuchung und ihrer Ergebnisse sind von der Beklagten nicht dargelegt worden, was damit übereinstimmt, dass eine Erinnerung des Arztes Dr. L an Einzelheiten des Vorgangs nach mehr als sechs Jahren nicht zu erwarten ist. Ob der negative Befund seinerzeit zutreffend oder fehlerhaft erhoben worden ist, ist nicht von den damals untersuchenden und behandelnden Ärzten, sondern vom Senat nach sachverständiger Beratung aufgrund einer Würdigung aller Umstände zu beurteilen.

bb) Die behandelnden Ärzte hätten, wie Prof. Dr. F dargelegt hat, grob behandlungsfehlerhaft gehandelt, wenn die Obstruktion erkannt worden wäre, aber die notwendige Reaktion, nämlich die Anlage einer "inneren Harnleiterschiene" oder die Anlage einer Nierenfistel, unterblieben wäre (Bl. 234 d.A.). Dass auf eine diagnostizierte nicht passagere Abflussstörung einer Niere umgehend reagiert werden muss, liegt auf der Hand.

cc) Eine Beweiserleichterung in Gestalt einer Beweislastumkehr würde lediglich dann nicht zu Gunsten der Klägerin eingreifen, wenn feststehen würde, dass ein Kausalzusammenhang zwischen dem festgestellten Behandlungsfehler und dem Funktionsverlust der linken Niere mit anschließender Entfernung des Organs äußerst unwahrscheinlich ist.

Den entsprechenden Beweis hat die Beklagte nicht erbracht. Der Sachverständige Prof. Dr. F hat dargelegt, dass bei einem Erkennen der Obstruktion und einer Ableitung am 22.7.2002 der Nierenschaden mit großer Wahrscheinlichkeit nicht messbar gewesen wäre oder sich die Niere jedenfalls vollständig erholt hätte (Bl. 235 d.A., 365 d.A.). Auch der am 14.8.2008 erhobene Untersuchungsbefund spricht nicht durchgreifend gegen einen Kausalzusammenhang zwischen Behandlungsfehler und Nierenverlust. Die an diesem Tag getroffene Feststellung, dass die linke Niere ohne Befund sei, war, wie vorstehend aufgezeigt worden ist, mit hoher Wahrscheinlichkeit unzutreffend.

dd) Der Umstand, dass die im Oktober 2002 im Krankenhaus C vorgenommene Entfernung der linken Niere der Klägerin möglicherweise nicht indiziert war (vgl. die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. F Bl. 363 d.A.), unterbricht den Zurechnungszusammenhang nicht. Die Beklagte, die für die im weitgehenden Funktionsverlust der linken Niere liegende Gesundheitsbeeinträchtigung der Klägerin einzustehen hat, haftet auch insoweit, als der Schaden durch einen Behandlungsfehler der nachbehandelnden Ärzte vertieft oder ausgeweitet worden sein sollte.

2. Der Senat hält einen Schmerzensgeldbetrag von 25.000 € zum Ausgleich der von der Klägerin erlittenen immateriellen Schäden für erforderlich und ausreichend.

Dabei hat er entscheidend den Verlust der linken Niere berücksichtigt. Ferner hat er in die Bewertung einbezogen, dass sich die Klägerin im Herbst 2002 zweimal für stationäre Aufenthalte in das Krankenhaus C begeben musste und dass infolge des Eingriffs zur Entfernung der linken Niere Narbenbrüche entstanden sind, die im Februar und Juli 2004 operiert wurden. Der vom Senat zuerkannte Betrag von 25.000 € orientiert sich insbesondere an dem dem Urteil des OLG Koblenz vom 17.2.2005 - 5 U 349/04 (VersR 2005, 655 ff.) zugrunde liegenden Fall, in dem bei Verlust einer Niere ein gleich hohes Schmerzensgeld zugesprochen worden ist.

Der Feststellungsantrag ist, soweit er sich auf materielle und künftige immaterielle Schäden der Klägerin bezieht, gerechtfertigt. Soweit der Antrag vergangene immaterielle Schäden umfasst, sind solche durch das zugesprochene Schmerzensgeld von 25.000 € abgegolten.

3. Die Zinsentscheidung beruht auf § 288 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die entscheidungserheblichen Fragen sind in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärt oder solche des Einzelfalls.

Berufungsstreitwert: 50.000 € (Antrag zu 1: 45.000 €; Antrag zu 2: 5.000 €)

Ende der Entscheidung

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