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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 26.11.2003
Aktenzeichen: 5 U 72/03
Rechtsgebiete: InsO, ZPO
Vorschriften:
InsO § 41 | |
InsO § 45 | |
InsO § 46 | |
ZPO § 287 |
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Anlage zum Protokoll vom 26. November 2003
Verkündet am 26. November 2003
In dem Rechtsstreit
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 5. November 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Rosenberger sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr. Thurn und Mangen
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 12. März 2003 verkündete Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 23 O 282/02 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 116.488,65 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 5. Juli 2002 zu zahlen; im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 9% und die Beklagte zu 91% zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch die gegnerische Partei gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn die andere Partei nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Der am 21. Oktober 1935 geborene Kläger verlangt von der Beklagten die Auszahlung einer Lebensversicherung, die sein früherer Arbeitgeber, die Q GmbH, zur Sicherung der Ansprüche aus einer mit Wirkung vom 1. Januar 1991 erteilten Pensionszusage bei der Beklagten abgeschlossen hat. Die Ansprüche aus der Lebensversicherung verpfändete die Q GmbH unter dem 26. November 1991 an den Kläger. Der Kläger schied durch Aufhebungsvertrag vom 23.7./7.9.1998 zum 31. Dezember 1998 aus den Diensten der Q GmbH aus. Über deren Vermögen wurde am 28. Dezember 2000 die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet. Die Beklagte verweigert die zum 1. Januar 2001 fällig gewordene Kapitalleistung aus der Lebensversicherung in Höhe von 123.664,55 €.
Das Landgericht hat der auf Zahlung dieses Betrages gerichteten Klage mit Urteil vom 12. März 2003, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Pensionszusage sei spätestens mit der Aufhebung des Arbeitsvertrages, in dem ausdrücklich geregelt sei, dass die Zusage von der dort vereinbarten Abfindung ausgenommen sei, unverfallbar geworden. Die Pensionszahlungen seien mit Vollendung des 65. Lebensjahres am 21. Oktober 2000 fällig geworden. Aufgrund der Pfändungsvereinbarung könne der Kläger die Auszahlung der Lebensversicherung an sich verlangen.
Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten, mit der sie den Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt. Die Beklagte ist weiterhin der Auffassung, dass dem Kläger gegen die Q GmbH Ansprüche aus der Pensionszusage vom 11. Dezember 1991 nicht zustehen, so dass der Verpfändungsvereinbarung vom 26. November 1991 keine zu sichernde Forderung zugrunde liege. Soweit der Kläger meine, entgegen dem Wortlaut der Zusage vom 11. Dezember 1991 sei mit Rücksicht darauf, dass er (durch Gehaltsverzicht) die Beiträge der zur Rückdeckung der Pensionszusage abgeschlossenen Lebensversicherung zu tragen habe, von einer sofortigen Unverfallbarkeit der Zusage auszugehen, müsse berücksichtigt werden, dass die Zusage in Kenntnis der Finanzierung der Lebensversicherung geschlossen worden sei und gleichwohl für die Unverfallbarkeit nur auf die Bestimmungen des BetrAVG Bezug genommen worden sei. Auch aus dem Aufhebungsvertrag vom 23.7./7.9.1998 sei keine Modifizierung der Pensionszusage herzuleiten; es sollten nur etwaige bereits erworbene Versorgungsansprüche von der Abfindungsklausel ausgenommen werden. Demgegenüber könne nicht angenommen werden, dass eine Abänderung der ursprünglichen Zusage gewollt gewesen sei. Und wenn dies der Fall gewesen sein sollte, sei von einer neuen Schuld auszugehen, die von der ursprünglichen Forderungsverpfändung nicht erfasst werde. Eine - erforderliche - Neubestellung des Pfandrechts sei nicht erfolgt.
Der Kläger, der die Zurückweisung der Berufung beantragt, ist demgegenüber der Ansicht, auch ohne eine ausdrückliche Vereinbarung in der Pensionszusage vom 11. Dezember 1991 sei davon auszugehen, dass diese sofort unverfallbar gewesen sei, weil die Beiträge zur Lebensversicherung alleine von ihm aufgebracht werden sollten und auch tatsächlich aufgebracht worden seien. Eine derartige Auslegungsregel sei im Rahmen von Direktversicherungen anerkannt; sie müsse auch dann zur Anwendung kommen, wenn bei einer Rückdeckungsversicherung die Beiträge vom Arbeitnehmer geleistet würden. Jedenfalls aber seien die Ansprüche aus der Pensionszusage mit dem Aufhebungsvertrag vom 23.7./7.9.1998 unverfallbar geworden. Es sei klar gewesen, dass zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen der Unverfallbarkeit nach dem BetrAVG nicht vorgelegen hätten. Wenn von der Abfindungsvereinbarung gleichwohl die Pensionszusage ausgenommen worden sei, könne dies nur bedeuten, dass die Parteien damit die Unverfallbarkeit vereinbart oder zumindest bekräftigt hätten. Eine Forderungsauswechslung liege insoweit nicht vor. Aus den getroffenen Vereinbarung sei zu folgern, dass ihm bei Pfandreife die Leistung aus der Lebensversicherung zustehe.
Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Beklagten hat nur zu einem geringen Teil Erfolg.
Der Kläger ist berechtigt, sich aufgrund der Verpfändungsvereinbarung vom 26. November 1991 aus der fälligen Lebensversicherungsleistung zu befriedigen. Das Pfandrecht an der Forderung auf Auskehrung der Versicherungsleistung ist mit dem Verpfändungsvertrag vom 26. November 1991 wirksam bestellt worden.
Das Pfandrecht ist auch entstanden, was voraussetzt, dass eine zu sichernde Forderung besteht. Die zu sichernden Forderungen sind die Ansprüche des Klägers gegen die Q GmbH aus der Pensionszusage vom 11. Dezember 1991. Dem Kläger steht gegen die Q GmbH trotz seines Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis vor Vollendung des 65. Lebensjahres ein Pensionsanspruch in Höhe von monatlich 2.000,- DM zu. Allerdings hat er mit Rücksicht auf sein Ausscheiden im Jahr 1998 die in Ziffer 4. der Pensionszusage geregelten Voraussetzungen für die Unverfallbarkeit der Zusage nicht erfüllt, denn die Pensionszusage bestand weder 10 Jahre lang noch bestand sie 3 Jahre lang nach einer mindestens 12-jährigen Betriebszugehörigkeit. Ob die Pensionszusage - wie der Kläger meint - mit Rücksicht auf unstreitigen Umstand, dass er die Beiträge zur Lebensversicherung aus eigenen Mitteln aufzuwenden hatte, sofort unverfallbar war, erscheint angesichts der eindeutig anderslautenden Regelung in Ziffer 4. der Pensionszusage zweifelhaft, bedarf aber keiner Entscheidung. Mit dem Landgericht ist der Senat der Auffassung, dass der Kläger und die Q GmbH mit der Aufhebungs- und Abfindungsvereinbarung aus dem Jahr 1998 die Pensionszusage vom 11. Dezember 2001 modifiziert haben. Zu diesem Zeitpunkt war klar, dass der Kläger die Voraussetzungen der Unverfallbarkeitsbestimmungen des BetrAVG nicht mehr erfüllen konnte. Wenn gleichwohl im Rahmen der Aufhebungs- und Abfindungsvereinbarung vom 23.7./7.9.1998 geregelt wurde, dass Ansprüche aus der Pensionszusage von der Abfindungsregelung "ausgenommen" sein sollten, so kann dies bei verständiger Würdigung und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger die Beiträge zu der zur Rückdeckung abgeschlossenen Lebensversicherung alleine getragen hatte, nur bedeuten, dass die Pensionszusage trotz des vorzeitigen Ausscheidens erfüllt werden sollte; damit ist Unverfallbarkeit eingetreten.
Der Kläger hat somit seit Erreichen des 65. Lebensjahres im Oktober 2000 gegen die Q GmbH ein Anspruch auf Zahlung einer Pension in Höhe von 2.000,- DM monatlich. Zwar war in Ziffer 4. der Pensionszusage geregelt, dass dem Kläger bei Unverfallbarkeit nach dem BetrAVG und vorzeitigem Ausscheiden nur ein "Teilanspruch" zustehen sollte. Es ist aber nicht ersichtlich, dass die Parteien den Pensionsanspruch mit der 1998 getroffenen Aufhebungs- und Abfindungsvereinbarung kürzen wollten. Dementsprechend ist dem Kläger auch über eine etwaige Änderung der Höhe des Anspruchs nichts mitgeteilt worden, wie es in Ziffer 4. Satz 2 der Pensionszusage vorgesehen war.
Die durch das Pfandrecht gesicherte, teils fällige, teils erst künftig fällig werdende Forderung ist somit die mit der Vereinbarung aus 1998 modifizierte Pensionszusage aus dem Jahr 1991. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist durch die Abreden betreffend die Pensionszusage mit dem oben beschriebenen Inhalt in der Vereinbarung aus 1998 keine neue Schuld begründet worden. Wenn dies der Fall wäre, wäre allerdings - worauf die Beklagte zutreffend hinweist - eine Neubestellung des Pfandrechts erforderlich geworden. Nach §§ 1273 Abs. 2, 1210 Abs. 1 Satz 2 BGB schaden indes Erweiterungen der zu sichernden Forderung dann nicht, wenn (was hier der Fall ist) Schuldner und Verpfänder personenidentisch sind. Um eine solche Erweiterung der ursprünglichen Forderung und nicht um eine neue Schuld handelt es sich hier: An der grundsätzlich erteilten Pensionszusage in Höhe von 2.000,- DM pro Monat ab Erreichen des 65. Lebensjahres hat sich nichts geändert, lediglich die Voraussetzungen, unter denen diese trotz vorzeitigen Ausscheidens gezahlt werden sollte, sind abgeändert worden. Das ist keine neue Schuld (vgl. Staudinger-Wiegand, BGB, 13. Bearb., § 1210, Rdn. 10 zum vergleichbaren Fall der Erhöhung eines Kreditrahmens).
Nach der Verpfändungsvereinbarung ist der Kläger zur Befriedigung aus der fälligen Lebensversicherung unter folgenden Voraussetzungen berechtigt:
"Wird die Gläubigerin vor oder nach dem Eintritt des Versorgungsfalles insolvent im Sinne des § 7 des Betriebsrentengesetzes oder ist sie aus einem anderen Grund aus der Versorgungszusage mit mehr als einer fälligen Leistung im Rückstand (Pfandreife), so sind die Pfandgläubiger nach Maßgabe ihrer Rangstellung gemäß §§ 1282, 1283 BGB berechtigt, sich aus der/den verpfändeten Versicherung(en) zu befriedigen, wenn Versorgungsleistungen erstmals oder weiterhin fällig werden."
Der Insolvenzfall liegt vor. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hindert den Kläger auch nicht an einer Einziehung der Forderung, weil ihm insoweit ein Absonderungsrecht zusteht (§ 50 Abs. 1 InsO) und er zur Einziehung nach § 173 InsO berechtigt ist.
Allerdings besteht die Berechtigung zur Einziehung nach § 1282 Abs. 1 Satz 2 BGB nur, soweit es zur Befriedigung erforderlich ist. Ohne Berücksichtigung der Insolvenz der Q GmbH würde dies bedeuten, dass der Kläger das Recht zur Einziehung der Versicherungsleistung derzeit nur bis zur Höhe der bislang fällig gewordenen Rentenansprüche gegen die Q GmbH hat.
Allerdings sind vorliegend die Besonderheiten des eröffneten Insolvenzverfahrens zu berücksichtigen. Nach § 41 Abs. 1 InsO werden künftig erst fällig werdende Forderungen gegen den Insolvenzschuldner im Wege einer Fiktion fällig gestellt. Das gilt auch für Forderungen, die durch ein zur Absonderung berechtigendes Pfandrecht gesichert sind (BGHZ 31, 337, 340 f.; OLG Hamm, WM 1996, 1928). Das bedeutet, dass - jedenfalls bei eingetretenem Versorgungsfall - die Forderungen aus einer Pensionszusage insgesamt fällig werden, wobei deren Wert nach § 45 InsO unter Anwendung der anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik zu schätzen ist (vgl. Braun/Bäuerle, InsO, § 45, Rdn. 7; s. auch MünchKomm-InsO/Lwowski-Bitter, § 45, Rdn. 5). Bei Versorgungsansprüchen ist zu kapitalisieren.
Nach der Rechtsprechung des BAG ist eine Abzinsung von 5,5% grundsätzlich nicht zu beanstanden (BAG, ZIP 1989, 319, 320). Allerdings ist ein Abzinsungssatz damit nicht zwingend vorgegeben. Entgegen der Auffassung des Klägers kann aber zur Ermittlung des angemessenen Abzinsungssatzes nicht auf den gesetzlichen Zinssatz von 4 bzw. 5 % für nicht fällige, durch den Insolvenzfall aber fällig gestellte Forderungen gemäß § 41 Abs. 2 InsO i.V.m. §§ 246 BGB bzw. 352 HGB) abgestellt werden. Dies hatte das BAG zwar in der genannten Entscheidung als eine mögliche Lösung angesprochen, jedoch mit Recht zu bedenken gegeben, dass die Bestimmung auf Rentenansprüche, deren Dauer ungewiss sei, nicht ohne weiteres anwendbar sei. Auch der Senat hält einen Rückgriff auf den Zinssatz des § 41 Abs. 2 InsO für nicht sachgerecht. § 46 Satz 1 InsO verweist zwar bei wiederkehrenden Leistungen auf § 41 InsO und damit auch auf den dort festgelegten Zinssatz. Nach Satz 2 des § 46 InsO ist bei wiederkehrenden Leistungen, deren Dauer unbestimmt ist, deren Wert indes nach § 45 InsO zu schätzen; hier fehlt eine Bezugnahme auf den Zinssatz des § 41 Abs. 2 InsO. Der Senat hält es für richtig, den Abzinsungssatz nach dem für die voraussichtliche Dauer der Rentenzahlung wahrscheinlich erzielbaren durchschnittlichen Anlagezins zu bestimmen. Hierbei ist zwar zu berücksichtigen, dass derzeit bei mittelfristigen Geldanlagen nur ein geringes Zinsniveau herrscht. Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass die Zinsen bei mittel- oder längerfristigen Anlagen auch noch in über 10 Jahren deutlich unter 5% liegen werden. Dem Senat erscheint daher eine Abzinsung von 5% angemessen.
Bei einer Abzinsung von 5% ergibt sich ein Kapitalisierungsfaktor von 9,493. (vgl. Geigel, Haftpflichtrecht, 23. Aufl., Anhang I, S. 1563) Dem Kläger steht somit gegen die Q GmbH ein Anspruch auf Zahlung von 227.832,- DM (2.000,- DM x 12 x 9,493) = 116.488,65 € zu. In dieser Höhe kann er die Versicherungsleistung einziehen.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
Berufungsstreitwert: 123.664,55 €
Ende der Entscheidung
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