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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 10.11.2003
Aktenzeichen: 5 U 87/03
Rechtsgebiete: BGB, VVG
Vorschriften:
BGB § 124 | |
BGB § 288 | |
BGB § 291 | |
BGB § 372 | |
BGB § 372 S. 2 | |
BGB § 372 S. 2, 2. Alt. | |
BGB § 398 | |
BGB § 409 | |
BGB § 409 Abs. 1 | |
VVG § 176 Abs. 1 |
5 U 87/03
Anlage zum Protokoll vom 10. November 2003
Verkündet am 10. November 2003
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 27. Oktober 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Rosenberger, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Thurn und den Richter am Oberlandesgericht Mangen
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 2.4.2003 (23 O 411/02) abgeändert und wie folgt gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.505,70 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 15. Oktober 2002 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt Auszahlung des Rückkaufswertes einer gekündigten Lebensversicherung des X. N., der seine Ansprüche aus der Lebensversicherung zur Sicherung eines Darlehens an die Rechtsvorgängerin der Klägerin abgetreten hatte. Nachdem Herr N. die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben auf einen Schadensersatzanspruch seinerseits hingewiesen hatte, der eine Entlassung aus dem Darlehensvertrag beinhalte und auch die Abtretung der Lebensversicherung betreffe, hinterlegte die Beklagte den Rückkaufswert in Höhe von 8.505,70 € bei dem Amtsgericht Köln. Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Hinterlegung der Beklagten sei gemäß § 372 S. 2 BGB zulässig gewesen und habe schuldbefreiende Wirkung gehabt, da die erforderliche Ungewissheit über die Person des Gläubigers auch aus möglichen schuldrechtlichen Ansprüchen auf Rückgängigmachung einer erfolgten Abtretung resultieren könne.
Der Kläger verfolgt mit der Berufung sein erstinstanzliches Begehren weiter. Er rügt insbesondere, das Landgericht sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, auch aus schuldrechtlichen Schadensersatzansprüchen auf Rückabtretung könne sich die für eine Hinterlegung erforderliche Ungewissheit ergeben. Zudem habe das Landgericht übersehen, dass keine ausreichenden Anhaltspunkte für das Bestehen eines solchen Schadensersatzanspruches vorhanden gewesen seien.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.
Die Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin den Rückkaufswert der Lebensversicherung L 21 014 732/2 00 in Höhe von 8.505,70 € zu zahlen. Der Versicherungsnehmer N. hat seine Ansprüche aus der Lebensversicherung am 20.12.1991 wirksam gemäß § 398 BGB an die Rechtsvorgängerin der Klägerin abgetreten und die Abtretung der Beklagten angezeigt. Nach Kündigung der Lebensversicherung steht damit der Klägerin ein Anspruch auf Auszahlung des Rückkaufswertes aus §§ 176 Abs. 1 VVG, 398 BGB zu.
Die Beklagte ist von ihrer Leistungspflicht nicht gemäß §§ 372, 376, 378 BGB dadurch befreit worden, dass sie den geschuldeten Betrag unter Verzicht auf das Recht der Rücknahme hinterlegt hat. Diese Hinterlegung hat keine schuldtilgende Wirkung, da sie nicht die Voraussetzungen des § 372 BGB erfüllt.
Von den gesetzlichen Hinterlegungsgründen kommt hier nur ein solcher nach § 372 S. 2, 2. Alt. BGB in Betracht. Danach ist der Schuldner zur Hinterlegung berechtigt, wenn er infolge einer nicht auf Fahrlässigkeit beruhenden Ungewissheit über die Person des Gläubigers seine Verbindlichkeit nicht mit Sicherheit erfüllen kann. Die Hinterlegung ist dabei nicht bereits dann zulässig, wenn der Schuldner ohne Fahrlässigkeit meint zur Hinterlegung befugt zu sein. Eine unrichtige Vorstellung von den gesetzlichen Voraussetzungen der Hinterlegung kann den objektiven Mangel dieser Voraussetzungen nicht ersetzen (BGHZ 7, 302, 305; BGH, WM 1985, 912; Westermann in Erman, BGB, 10. Aufl. 2000, § 372 Rn. 2). Die gesetzlichen Hinterlegungsvoraussetzungen müssen also tatsächlich vorliegen.
Eine Ungewissheit über die Person des Gläubigers liegt nicht schon dann vor, wenn mehrere Forderungsinhaber auftreten. Vielmehr müssen Umstände hinzutreten, die beim Schuldner zu objektiv verständlichen Zweifeln über die Person des Gläubigers geführt haben (vgl. BGHZ 7, 302, 303; BGH, WM 1985, 912; NJW 1997, 1501, 1502). Solche Zweifel können insbesondere entstehen, wenn der Anspruch vom ursprünglichen Gläubiger abgetreten wurde und in der Folge Unklarheit hinsichtlich der Wirksamkeit der Abtretung besteht (vgl. BGH, NJW 1997, 1501, 1502; ebenso bereits RGZ 70, 88, 90; RGZ 89, 401, 402). Dies ist regelmäßig nach erfolgter Anfechtung einer Abtretung anzunehmen, wenn Streit darüber besteht, ob diese begründet war (RGZ 89, 401, 402). Dabei sind Zweifel an der Person des Gläubigers auch dann nicht ausgeschlossen, wenn dem Schuldner - wie hier - die Abtretung angezeigt wurde, so dass er im Falle der Leistung an den neuen Gläubiger in jedem Fall gemäß § 409 Abs. 1 BGB von seiner Leistungspflicht frei geworden wäre. § 409 BGB begründet für den Schuldner nur ein Recht, aber keine Pflicht zur Leistung an den Scheinberechtigten und schließt eine Befugnis zur Hinterlegung nicht aus (BGH, NJW 1997, 1501, 1502; BGH, NJW 2001, 231, 232).
Vorliegend sind gleichwohl keine Umstände gegeben, die bei der Beklagten objektiv verständliche Zweifel an der Person des Gläubigers begründen konnten.
Die Beklagte musste auch nach dem anwaltlichen Schreiben des Versicherungsnehmers N. davon ausgehen, dass der Anspruch auf Auszahlung des Rückkaufswertes der Klägerin zustand. Es stand nicht in Frage, dass die Abtretung der Ansprüche aus der Lebensversicherung an die Klägerin wirksam war. Eine Anfechtung ist unstreitig nicht erfolgt und aufgrund des erkennbaren Ablaufs der Frist des § 124 BGB auch nicht mehr möglich. Der Versicherungsnehmer hat die Beklagte vielmehr nur darauf hingewiesen, dass ihm aufgrund täuschender Angaben bei Abschluss des Darlehensvertrages ein Schadensersatzanspruch gegen die Rechtsvorgängerin der Klägerin aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen zustehe, der dazu führe, dass der Versicherungsnehmer aus allen Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag zu entlassen sei. Dies beinhalte auch eine Abtretung der Rechte aus der Lebensversicherung. Aus diesem Hinweis kann nicht geschlossen werden, dass der Versicherungsnehmer die Abtretung als solche für unwirksam halte. Das Schreiben kann nur so verstanden werden, dass der Versicherungsnehmer auf den seiner Ansicht nach bestehenden schuldrechtlichen Anspruch auf Vertragsaufhebung und damit auch auf Rückabtretung hinweist. Zu dieser Erkenntnis hätte bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt auch die Beklagte kommen müssen - zumindest mit Hilfe ihrer Rechtsabteilung. Zur Einschaltung ihrer Rechtsabteilung war die Beklagte im Rahmen ihrer Sorgfaltsanforderungen verpflichtet (vgl. BGH, NJW 2003, 1809, 1810; Wenzel in Münchener Kommentar, 4. Aufl. 2001, § 372 Rn. 11).
Unabhängig von der Frage, ob die Angaben in dem Schreiben dafür ausreichen, dass die Beklagte vom Bestehen des behaupteten Schadensersatzanspruchs ausgehen durfte, genügt ein solcher Anspruch auf Rückabtretung nicht zur Begründung von Zweifeln an der Gläubigereigenschaft der Klägerin.
Soweit die Kammer davon ausgegangen ist, dass auch der Streit über einen möglichen schuldrechtlichen Anspruch auf Rückabtretung zu hinreichenden Zweifeln über die Person des Gläubigers führen kann, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Vielmehr müssen sich im Falle eines Streits um eine Abtretung die Zweifel auf die dingliche Wirkung der Abtretung in Gestalt des Übergangs der Gläubigerstellung beziehen. Die Hinterlegung dient allein dazu, dem Schuldner ein Erfüllungssurrogat zu bieten, wenn ansonsten die Erfüllung auf Schwierigkeiten stößt (vgl. BGH, NJW 2003, 1809, 1810). Die Erfüllung ist aber ohne weiteres möglich, wenn im Zeitpunkt der Leistung die Person des Gläubigers feststeht. Deshalb setzt die Hinterlegung nach § 372 S. 2 BGB voraus, dass im Zeitpunkt der Leistung der gegenwärtige dinglich berechtigte Forderungsinhaber nicht hinreichend sicher feststellbar ist. Dementsprechend kann etwa eine Anfechtung einer Zuwendung an den Zedenten nach dem Anfechtungsgesetz mangels dinglicher Wirkung nichts an der Gläubigerstellung des Zessionars ändern und führt nicht zu einer Ungewissheit im Sinne von § 372 S. 2 BGB (BGH, WM 1985, 912, 913). Offen bleiben kann hier die Sonderfrage, ob demzufolge auch bei einer Anfechtbarkeit einer Abtretung bis zur Anfechtung die Person des Gläubigers hinreichend feststeht, so dass die bloße Möglichkeit der Anfechtung die Hinterlegung nicht rechtfertigt (so Zeiss in Soergel, BGB, 12. Aufl. 1990, § 372 Rn. 3; Olzen in Staudinger, BGB, 13. Bearbeitung 1995, § 372 Rn. 16). Entscheidend ist nur, dass allein ein schuldrechtlicher Anspruch auf Rückabtretung - anders als eine Unwirksamkeit der Abtretung - keine Zweifel an der gegenwärtigen Person des Gläubigers begründen kann. Ein solcher Anspruch hat lediglich zur Folge, dass der derzeitige Gläubiger verpflichtet ist, seine Forderung wieder an den ursprünglichen Gläubiger zurück abzutreten. Die dingliche Berechtigung des neuen Gläubigers wird nicht berührt. Solange - wie hier - eine Rückabtretung unstreitig noch nicht durchgeführt wurde, steht der Zessionar der wirksam erfolgten Abtretung als Gläubiger fest.
Eine Ungewissheit über die Person des Gläubigers kann schließlich auch nicht dadurch begründet werden, dass der Beklagten aufgrund des möglichen Schadensersatzanspruchs des Versicherungsnehmers auf Rückabtretung Einwendungen gegen die Forderung der Klägerin zustehen könnten. Solche Einwendungen können zum einen nicht zu einer Ungewissheit über die Person des Gläubigers, sondern nur über den Bestand oder die Durchsetzbarkeit der Forderung führen (vgl. OLG Frankfurt, WM 1988, 214, 215; weniger klar BGH, NJW 1997, 1501, 1502). Zweifel über das Bestehen der Schuld stellen aber keinen Hinterlegungsgrund dar, da sie nicht die Frage betreffen, wem eine bestimmte Schuld zusteht (BGH, WM 1980, 1386; Zeiss in Soergel, BGB, 12. Aufl. 1990, § 372 Rn. 4 a. E.; Wenzel in Münchener Kommentar, BGB, 4. Aufl. 2001, § 372 Rn. 10; vgl. auch BGH, NJW 2003, 1809, 1810). Zum anderen kann die Beklagte etwaige Einwendungen des Versicherungsnehmers aus dessen Verhältnis zur Klägerin ohnehin nicht geltend machen. Auch bei einer Sicherungsabtretung stehen dem Schuldner aus der zu Grunde liegenden Sicherungsabrede zwischen Alt- und Neugläubiger keine Einwendungen zu (BGH, NJW 1974, 185, 186).
Sonstige Einwendungen der Beklagten gegen den Zahlungsanspruch der Klägerin sind nicht ersichtlich.
Der Anspruch auf die Prozesszinsen ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Zulassung der Revision ist mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht veranlasst. Die entscheidungserhebliche Frage, ob schuldrechtliche Ansprüche auf Rückabtretung zu Zweifeln über die Person des Gläubigers im Sinne von § 372 S. 2 BGB führen können, ist nach der Gesetzeslage klar zu verneinen. Gegenteilige Auffassungen werden - soweit ersichtlich - weder aber - noch höchstrichterlich vertreten.
Ende der Entscheidung
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