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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 13.02.2002
Aktenzeichen: 5 U 95/01
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 847 |
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 13.02.2002
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 25.04.2001 - 11 0 243/97 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten bleibt vorbehalten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abzuwenden, und zwar die des Klägers zu 1) in Höhe von 26.500 € und die der Kläger zu 2) und 3) in Höhe von jeweils 35.000 €, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Den Parteien wird gestattet, eine Sicherheitsleistung auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer bundesdeutschen Großbank oder öffentlich rechtlichen Sparkasse zu erbringen.
Tatbestand:
Die Kläger machen als Ehemann bzw. Kinder Schadensersatzansprüche, insbesondere in Form von Unterhaltsschadensrenten, wegen des Todes ihrer Ehefrau/Mutter geltend, der im Anschluss an eine bei der Beklagten durchgeführte Koloskopie und hiernach auftretenden kardiopulmonalen Komplikationen eintrat, die nach Ansicht der Kläger auf Behandlungsfehlern der in der Klinik der Beklagten tätigen Ärzte beruhen.
Die Ehefrau/Mutter der Kläger, geboren am 06.08.1964, litt bereits seit mehreren Jahren an der Darmerkrankung Morbus Crohn. Am 08.07.1992 wurde sie wegen krampfartiger Bauchschmerzen im Krankenhaus der Beklagten aufgenommen. Der Anamnese zufolge bestand bei ihr ferner eine chronische/asthmatische Bronchitis. Ihm Rahmen einer radiologischen Untersuchung wurde am 16.07.1992 eine langstreckige Stenose im terminalen Ileum diagnostiziert. Zu deren Abklärung und zur Klärung der weiteren Vorgehensweise wurde am 24.07.1992 eine Koloskopie durchgeführt.
Diese Koloskopie wurde für den Morgen des 24.07.1992 angesetzt. Unmittelbar vor ihrer Durchführung wurden der Patientin die Medikamente Dormicum und Ketanest intravenös injiziert. Während der Darmspiegelung war die Patientin an ein Pulsoxymeter angeschlossen. Die Untersuchung wurde vom Oberarzt der Gastroenterologischen Klinik der Beklagten, dem Zeugen Dr. R., durchgeführt. Neben diesem waren zwei weitere Ärzte zugegen, die nach den eigenen Erklärungen der Beklagten jedoch nur zu Fortbildungszwecken anwesend und nicht mit konkreten Aufgaben betraut waren; ferner befanden sich die Zeugin O. als Pflegepersonal sowie ein Pfleger, der Zeuge R., zunächst im Untersuchungsraum. Nach Abschluss der Koloskopie begab sich der Zeuge Dr. R. zur Erledigung des Diktates des Untersuchungsergebnisses in einen Nebenraum; die Zeugin O. verlies ebenfalls zunächst den Untersuchungsraum, um die zur Anwendung gelangten Geräte zu reinigen und zu überprüfen. Auch einer der vorher anwesenden Ärzte entfernte sich. Im Raum verblieben demzufolge noch der Zeuge Dr. B. sowie der Zeuge R.; letzterer wurde aufmerksam, als kurze Zeit nach Abschluss der Koloskopie das Pulsoxymeter aufgrund eines Tonsignals einen Abfall der Sauerstoffsättigung anzeigte. Der Zeuge Dr. B. verabreichte daraufhin intravenös Anexate; kurz darauf kam es nach vorübergehender Besserung zu einer neuerlichen Ateminsuffizienz mit Atemstillstand und gleichzeitigem Herz-Kreislauf-Versagen.
Der nunmehr aufgrund Zurufs in den Untersuchungsraum zurückgekehrte Zeuge Dr. R. intubierte die Patientin. Wegen der Pulslosigkeit wurde eine mechanische Reanimation eingeleitet. Die inzwischen ebenfalls wieder im Untersuchungsraum befindliche Zeugin O. hatte ihrerseits einen Notfallkoffer mitgebracht. Aus diesem wurde der Defibrillator, der auch über einen Monitor zur Herzfrequenzmessung verfügt, angelegt. Außerdem wurde der Versuch unternommen, die Sauerstoffversorgung mit einer Ambubeutel-Beatmung zu gewährleisten. Zu diesem Zeitpunkt erschienen sodann die zwischenzeitlich benachrichtigten beiden Ärzte der Intensivstation, die Zeugen Dr. F. und Dr. M.. Sie verbrachten die Patientin vom in der ersten Etage gelegenen Untersuchungsraum in die Intensivstation auf der fünften Etage.
Auf der Intensivstation wurde die Patientin nach einem ca. fünfminütigem Transport an das Beatmungsgerät und einen EKG-Monitor angeschlossen. Aufgrund eines hierbei abgeleiteten Kammerflimmerns wurde die Patientin dort defibrilliert. Daraufhin stellte sich der Sinusrythmus wieder ein; anschließend wurde das zwischenzeitlich aus dem Tubus austretende schaumige Blut aus der Lunge der Patientin abgesaugt.
In der Folgezeit stellte sich bei der Patientin ein hypoxischer Hirnschaden heraus. Eine am 26.07.1992 durchgeführte Computertomografie des Gehirns ergab einen kompletten Gewebsuntergang des Hirnstammes sowie von Teilen des Kleinhirns. Noch am gleichen Tag wurde aufgrund einer Ultraschalluntersuchung des Herzens eine Herzschädigung mit erheblich eingeschränkter linksventrikulärer Funktion festgestellt.
Am 28.07.1992 wurde der Hirntod festgestellt und die intensivmedizinische Behandlung eingestellt; kurz darauf trat der Tod ein.
In dem daraufhin eingeleiteten Ermittlungsverfahren wurden Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. A. und Prof. Dr. K. eingeholt; nachdem diese zu dem Ergebnis gelangten, dass die in der postendoskopischen Phase getroffenen Maßnahmen nicht sorgfaltswidrig gewesen seien und selbst bei - unterstelltem - Sorgfaltsverstoß dessen Ursächlichkeit für den Todeseintritt nicht mit der im Strafverfahren erforderlichen Sicherheit zu beweisen sei, wurde das Ermittlungsverfahren gegen die behandelnden Ärzte eingestellt.
Die Kläger machen vor dem Hintergrund des vorgenannten Geschehens Unterhaltsschadenrenten in unterschiedlicher Höhe sowie ferner Beerdigungskosten in Höhe von 5.529,58 DM geltend und haben hierzu vorgetragen: Es sei im Rahmen der Durchführung der Koloskopie und der Nachsorge zu verschiedenen Behandlungsfehlern gekommen; so sei die Patientin während und nach Durchführung der endoskopischen Untersuchung nicht ausreichend überwacht worden. Sie sei aufgrund der verabreichten Medikamente narkotisiert gewesen, und die vor diesem Hintergrund gebotenen anästhesiologischen Standards seien nicht eingehalten worden; es hatten nämlich keine regelmäßige Blutdruckmessung, EKG-Überwachung, Dokumentation und punktuelle Blutgasanalysen stattgefunden. Außerdem sei die angesichts der konkreten Situation gebotene Notfallbereitschaft nicht gewährleistet gewesen, obwohl diese nach der Gebrauchsinformation bei Verabreichung des Medikamentes Dormicum geboten sei. Fehlerhaft sei nach Auftreten des Notfalls nicht schon auf Station defibrelliert worden. Die Beatmung von Hand mit reinem Sauerstoff sei unzureichend gewesen, auch sei der zu lange Transportweg von der Endoskopie zur Intensivstation der Beklagten als Organisationsmangel zu werten, der ebenfalls zum Tode der Patientin beigetragen habe.
Die Kläger haben beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
1. an den Kläger zu 1) 24.028,11 DM nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen;
2. an die Klägerin zu 2) 37.235,79 DM nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen;
3. an den Kläger zu 3) 37.235,79 DM nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen;
4. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger zu 1) beginnend am 1/97 und auch zukünftig, den sich aus seinen Einkünften zu berechnenden Unterhaltsschaden aus Anlass des Todes seiner Ehefrau B.
B. zu zahlen;
5. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Kläger zu 2) und 3) eine monatliche Geldrente unter Berücksichtigung der Höhe der an die Kläger zu 2) und 3)gezahlte Waisenrente bis zum Abschluss ihrer Berufsausbildung beginnend mit Juli 1997 zu zahlen sowie 6. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger 5.529,58 DM nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, es seien maximal 5 mg Dormicum und maximal 50 mg Ketanest gespritzt worden; demzufolge sei keine Narkose, sondern lediglich eine Sedierung bewirkt worden. Die vorgenannten Mittel seien auch für Asthmatiker gut geeignet.
Die apparative und personelle Überwachung der Patientin sei ausreichend gewesen. Puls und Sauerstoffsättigung seien in hinreichendem Maße über das während der Koloskopie angeschlossene Pulsoxymeter kontrolliert worden. Das Einstellen der Alarmgrenze des Pulsoxymeters bei einem Sauerstoffabfall unter 90 % sei zutreffend gewesen.
Der die Koloskopie durchführende Oberarzt Dr. R. habe angesichts seiner ausgeübten Tätigkeitsbereiche - auch auf der Intensivstation - über eine ausreichende Erfahrung mit sedierten bzw. narkotisierten Patienten und Notfallsituationen verfügt; dies gelte auch hinsichtlich des Pflegepersonals. Die technische Ausstattung sei ebenfalls ausreichend gewesen, weil die Möglichkeit zur Intubation und Beatmung ebenso bestanden habe wie die Möglichkeit zur Ableitung eines EKGs und der Defibrillation. Die Durchführung der Untersuchung sei ohne besondere Komplikationen und Zwischenfälle erfolgt; die Patientin sei während der gesamten Untersuchung ansprechbar gewesen und habe auf entsprechende Aufforderungen - beispielsweise zum Lagewechsel - adäquat reagiert. Die Überwachung durch den Pfleger R. und den im Behandlungsraum verbliebenen Arzt Dr. B. nach Abschluss der Untersuchung sei ausreichend gewesen.
Die Injektion von einer Ampulle Anexate und die nasale Applikatin von Sauerstoff durch eine Sonde nach dem ersten Alarm des Pulsoxymeters aufgrund eines Abfalls der Sauerstoffsättigung unter 90 % sei sachgerecht gewesen; im übrigen habe die Patientin anschließend auf Ansprache regelrecht reagiert. Nach dem zweiten Abfall der Sauerstoffsättigung sei der Zeuge Dr. R. sofort eingeschritten und habe die Patientin intubiert und gleichzeitig an den Defibrillator unter Monitorüberwachung angeschlossen. Auch sei die Patientin zeitgleich durch Herzdruckmassage reanimiert worden. Am Monitor seien keine eindeutigen Herzaktionen zu identifizieren gewesen.
Nach dem Eintreffen der Intensivärzte Dr. F. und Dr. M. hätten diese die mechanische Reanimation übernommen und die Patientin unter Aufrechterhaltung der Herzdruckmassage und der Sauerstoffapplikation mittels Ambubeutel über den liegenden Tubus auf die Intensivstation verlegt, wo die weiteren Intensivmaßnahmen eingeleitet worden seien.
Die Kammer hat nach Einholung von Sachverständigengutachten und Vernehmung von Zeugen durch Urteil vom 25.04.2001 der Klage in dem aus dem landgerichtlichen Tenor ersichtlichen Umfang stattgegeben und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, jedenfalls im Zusammenhang mit dem Auftreten der Ateminsuffizienz bei der Patientin seien den Ärzten der Beklagten in mehrfacher Hinsicht Verstöße gegen ärztlichen Behandlungsstandard unterlaufen, die zum Teil als grobe Behandlungsfehler einzustufen seien mit der Folge einer Beweiserleichterung zugunsten der Kläger hinsichtlich der Kausalität des Behandlungsfehlers für den eingetretenen Gesundheitsschaden der Patientin. So sei die gewählte Reihenfolge der getroffenen Notfallmaßnahmen nach dem Auftreten der ersten Ateminsuffizienz gegen 10.20 Uhr behandlungsfehlerhaft gewesen; nach den Feststellungen der Sachverständigen Dr. A. und Prof. Dr. P. hätte man nämlich zunächst prüfen müssen, ob die Atemwege selbst frei oder aufgrund einer mechanischen Verschiebung der Zunge oder des Kiefers blockiert waren; anschließend hätte man Sauerstoff geben müssen und, wenn die ersten beiden Maßnahmen nicht gewirkt hätte, Anexate als Antagoniste des Medikaments Dormikum spritzen können. Behandlungsfehlerhaft sei auch die unterlassene Überwachung der Patientin im Anschluss an die erstmals aufgetretene Ateminsuffizienz durch eine kontinuierliche Überwachung des Herz-Kreislaufs mittels einer EKG-Ableitung und einer Blutdruckmessung gewesen. Während die Überprüfung der Sauerstoffsättigung durch das weiterhin angelegte Pulsoximeter ausreichend gewesen sei, hätte es unbedingt einer parallel hierzu laufenden Überwachung der Kreislaufsituation bedurft, weil sich im Zusammenhang mit der aufgetretenen Ateminsuffizienz nicht nur Probleme mit der Sauerstoffversorgung, sondern korrespondierend hierzu auch Probleme mit der Aufrechterhaltung eines ausreichenden Kreislaufs hätten ergeben können. Insbesondere der letztgenannte Fehler sei schon als grob mit der Folge einer Beweislastumkehr zu werten. Fehlerhafterweise sei auch nach der zweiten Ateminsuffizienz immer noch keine Blutdruckmessung vorgenommen worden; hierzu sei auch nichts dokumentiert, obwohl ein solches Vorgehen dokumentationspflichtig sei. Hinsichtlich der vom Landgericht ferner angenommenen Behandlungsfehler wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.
Gegen dieses, am 02.05.2001 zugestellte Urteil, auf das wegen aller Einzelheiten des Tatbestandes und der Begründung verwiesen wird, hat die Beklagte am 28.05.2001 Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 30.07.2001 - mit einem an diesem Tag eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und beantragt umfassende Klageabweisung.
In der Sache macht die Beklagte - ohne im Rahmen der Berufungsbegründung Angriffe zur Höhe der zuerkannten Beträge zu führen - geltend, das landgerichtliche Urteil beruhe auf unzutreffenden Tatsachengrundlagen, und auch die Feststellungen der erstinstanzlichen Sachverständigen beruhten auf Unterstellungen und Lehrbuchwissen und stünden zudem in Widerspruch zu den im Strafverfahren tätigen Gutachtern, insbesondere Prof. Dr. K., weshalb die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens geboten sei.
Die Dokumentation sei im Wesentlichem nicht zu beanstanden. Es fehlten im Ergebnis lediglich präzise Angaben zur Höhe der Medikation vor Durchführung der Koloskopie, die sich aber aus den Bekundungen des Zeugen Dr. R. ergäben und außerdem daraus, dass die Patientin während des gesamten Untersuchungszeitraums ansprechbar gewesen und demzufolge nicht so sediert gewesen sei, wie es zum Beispiel der erstinstanzliche Sachverständige Prof. Dr. P. angenommen habe.
Zu einer weitergehenden Dokumentation habe auch keine Zeit bestanden, weil angesichts des Notfalles vorrangig die Aufmerksamkeit auf die hier erforderlichen Maßnahmen gerichtet worden sei. Im Übrigen sei bei einer ansprechbaren Patientin eine Dokumentation der Überwachung der Vitalfunktion unnötig. Davon abgesehen habe Dr. R. als der die Koloskopie durchführende Arzt noch am Tage des Vorfalles ein Protokoll der Ereignisse geschrieben, was eine Dokumentation im Ergebnis ersetze.
Nennenswerte Fehler seien nicht festzustellen. Unter dem Druck der Ereignisse habe man die erforderlichen Maßnahmen getroffen und keine Zeit gehabt, diese im Detail zu dokumentieren. Eine Überwachung mittels EKG sei nicht erforderlich gewesen, weil insoweit das Pulsoxymeter die ausreichenden und erforderlichen Informationen erbracht habe. Dieses reagiere auf Kreislaufprobleme wesentlich früher als eine EKG-Anzeige. Außerdem wären bei notwendiger Reanimation die Elektroden eines EKGs eher hinderlich gewesen.
Die Patientin sei auch in ausreichendem Maße überwacht worden. Auf das akustische Zeichen des Pulsoxymeters sei schließlich sofort mit der Gabe von Anexate adäquat reagiert worden. Nach der zweiten Ateminsuffizienz habe Dr. R. genau das richtige getan, nämlich sofort intubiert, wobei der Tubus aufgrund nachträglicher Feststellungen auch korrekt gesessen habe. Vor diesem Hintergrund sei ein vom Sachverständigen für erforderlich gehaltenes Absaugen nicht geboten gewesen; wäre nämlich der Atemweg versperrt gewesen, hätte sich der Tubus überhaupt nicht richtig legen lassen.
Eine kontinuierliche EKG-Messung sei nach dem zweiten Notfall nicht möglich gewesen; statt dessen habe Dr. R. die Kreislauffunktion auf dem Monitor des Defibrillators beobachtet; hieraus hätten sich keine konkreten Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer Defibrillation schon in der Endoskopieabteilung ergeben. Vielmehr sei diese richtigerweise in der Intensivabteilung erfolgt. Es entspreche auch dem Standard im Haus der Beklagten, solchen Notfällen durch eine unverzügliche Behandlung in der Intensivstation im gleichen Hause zu begegnen.
Die Beklagte beantragt,
unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen,
hilfsweise,
ihr zu gestatten, eine etwaige Zwangsvollstreckung über Sicherheitsleistung abzuwenden, die auch die Bürgschaft einer Deutschen Großbank, Sparkasse oder Genossenschaftsbank erbracht werden kann.
Die Kläger beantragen,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Auch die Kläger wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen, treten den Ausführungen der Beklagten in allen Punkten entgegen und machen ferner auf den Gesichtspunkt einer Haftung wegen Aufklärungsmängeln aufmerksam. Hierzu tragen sie vor, eine Aufklärung ihrer Ehefrau/Mutter hinsichtlich einer möglichen Sedierung sei nur dahingehend erfolgt, dass, falls erforderlich, eine Beruhigungs- oder Schmerzspritze verabreicht werde. Auf irgendwelche Risiken dieser Behandlung sei die Erblasserin nicht hingewiesen worden; auch seien ihr keine Behandlungsalternativen vor Augen geführt worden. Grundsätzlich hätte man eine Koloskopie auch ohne nennenswerte Sedierung durchführen können, dies um so mehr vorliegend, als die Erblasserin ohnehin unter einer chronischen Bronchitis und Bronchialasthma gelitten habe, was dem behandelnden Arzt Dr. R. nach seinem eigenen Eingeständnis bekannt gewesen sei. Ebenso hätte man die Patientin darauf hinweisen können, es sei möglich, die Koloskopie unter Hinzuziehung eines Anästhesisten und unter Einhaltung des anästhesiologischen Standards durchzuführen, wofür sie sich mit Sicherheit entschieden hätte.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung, mit der die Beklagte das erstinstanzliche Erkenntnis nur hinsichtlich des Anspruchsgrundes angreift, hat in der Sache keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil ist richtig, die Begründung überzeugend. Der Senat nimmt hierauf zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen Bezug (§ 543 Abs. 1 ZPO).
Das Berufungsvorbringen gibt lediglich zu folgenden ergänzenden Bemerkungen Anlass:
Die Verurteilung der Beklagten zum Schadensersatz ist schon deshalb gerechtfertigt, weil die Behandler der Beklagten es unterlassen haben, die Patientin bereits im Koloskopieuntersuchungsraum zu defibrillieren. Weder der nach eigenen Angaben in der Intensivmedizin erfahrene Untersucher noch die herbeigeeilten Intensivmediziner haben es versucht, die Herztätigkeit mittels des sogenannten Elektroschocks in Gang zu setzen. Dieses Unterlassen war eindeutig behandlungsfehlerhaft.
Es steht außer Frage, dass die Defibrillation eingesetzt werden muss, wenn Kammerflimmern vorliegt. Ob dieser Zustand gegeben war, steht allerdings nicht fest. Das geht zu Lasten der Behandler. Die Nichtfeststellbarkeit beruht nämlich auf einem Befunderhebungs bzw. -sicherungsmangel, so dass zugunsten der Kläger ein reaktionspflichtiges Ergebnis zu vermuten ist, weil dieses nach Lage der Sache hinreichend wahrscheinlich ist (vgl. BGH NJW 83, 333 f.; 96, 1589; 99, 3408). Nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. P., Prof. Dr. R. und Dr. A. hätte nach dem ersten Zwischenfall (Ateminsuffizienz), spätestens aber anlässlich des kurze Zeit später erneut eintretenden Atemstillstands, ein EKG angelegt und geschrieben werden müssen (Blatt 241, 343, 515 d. A.). Hierdurch hätte sich ein auftretendes Kammerflimmern feststellen lassen (Dr. A., Blatt 515 d. A.). Das leuchtet auch ein. Mag auch der Untersucher anhand des Monitors nicht sicher gewesen sein, ob ein Kammerflimmern oder eine Asystolie vorgelegen hat, so hätte eine kontinuierliche Aufzeichnung Klarheit bringen können, jedenfalls für die nach wenigen Minuten herbeigeeilten Intensivmediziner. Dass eine Aufzeichnung problemlos, nämlich durch "Betätigen eines Knopfes", möglich gewesen wäre, hat die Beklagte selbst eingeräumt (Blatt 653 d. A.). Anderweitige Reanimationsmaßnahmen standen dem nicht entgegen, denn tatsächlich waren die Elektroden zwecks Ableitung eines EKG's im Zuge des zweiten Zwischenfalls angelegt worden. Warum nicht wenigstens die Intensivmediziner noch im Koloskopieraum versucht haben, den Befund abzuklären und statt dessen eine ca. fünfminütige Zeitverzögerung durch Verlegung der Patientin in die fünf Stockwerke höher gelegene Intensivstation in Kauf genommen haben, ist schlechterdings nicht nachvollziehbar. Sowohl EKG-Aufzeichnungsgerät als auch Defibrillator standen zur Verfügung. Ist danach das Auftreten des Kammerflimmerns bereits im Untersuchungsraum zu unterstellen, stellt sich das Unterlassen der Defibrillation als grober Fehler dar, so dass der Nachweis, dass auch dies am weiteren Kausalverlauf nichts geändert hätte, der Beklagten obliegt. Dieser Nachweis ist nicht geführt. Im Gegenteil ergibt sich aus dem weiteren Verlauf, dass die Defibrillation vermutlich zum Erfolg geführt hätte.
Im übrigen ist das Unterlassen der Defibrillation durch den Untersucher bzw. die herbeigeeilten Intensivmediziner auch unter der Voraussetzung grob fehlerhaft, dass nicht sicher feststellbar war, ob zu diesem Zeitpunkt ein Kammerflimmern oder eine Asystolie vorlag. Der Sachverständige Prof. Dr. P. hat unmissverständlich unter Bezugnahme auf die 1991 erschienenen Richtlinien für Wiederbelebung und Notfallversorgung der Bundesärztekammer dargelegt, dass bei fehlender Differenzialdiagnose zwischen Kammerflimmern und Asystolie eine Elektrodefibrillation durchgeführt werden müsse, da in dieser Maßnahme die größten noch vorhandenen Chancen für den Patienten lägen. Die dagegen von der Beklagten vorgebrachten Einwände vermögen nicht zu überzeugen. Es mag sein, dass eine Defibrillation bei Asystolie keinen Erfolg bringt. Darum geht es aber nicht, denn hinter einer Asystolie "verbirgt" sich oftmals ein Kammerflimmern, wie der Sachverständige Prof. Dr. P. unwidersprochen dargelegt hat (Blatt 243 d. A.). Ist das der Fall, erhöhen sich die Chancen des Patienten, wenn nicht, gereicht ihm der Einsatz des Defibrillators jedenfalls nicht zum Nachteil. Dazu passt die zeugenschaftliche Bekundung des Untersuchers, er würde defibrilliert haben, wenn nicht die Intensivmediziner die weitere Behandlung übernommen hätten. Prof. Dr. P. hat das Unterlassen der Defibrillation als schlechthin unverständlich bezeichnet (Blatt 545 d. A.), was unter Würdigung aller dargelegten Umstände den Vorwurf eines groben Behandlungsfehlers trägt (vgl. hierzu BGH NJW 2001, 2792; 2794 f.).
Der Senat hat, ebenso wie das Landgericht, keine Bedenken, den überzeugenden Feststellungen der Sachverständigen Prof. Dr. P., Prof. Dr. R. und Dr. A. zu folgen. Die Beklagte hat keine durchgreifenden Anhaltspunkte vorgetragen, wonach die Sachverständigen ihrer Bewertung einen unrichtigen Sachverhalt zugrundegelegt haben könnten. Sie hat die Richtigkeit der Schlussfolgerungen der Sachverständigen auch nicht durch Aufzeigen anderweitiger wissenschaftlicher Erkenntnisse ernsthaft in Zweifel zu ziehen vermocht. Schließlich nimmt sie zu Unrecht die ihr im Ergebnis günstige Beurteilung des Sachverständigen Prof. Dr. K. in Anspruch. Zum einen haben sich die gerichtlichen zugezogenen Sachverständigen mit dessen im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens eingeholten Gutachten überzeugend auseinandergesetzt und dargelegt, warum sie dem in einzelnen Punkten nicht folgen können. Darüber hinaus stehen die Feststellungen von Prof. Dr. K. im entscheidenden Punkt auch durchaus in Einklang mit denen von Prof. Dr. P. und Dr. A., denn auch Prof. Dr. K. hat für die postnarkotische Phase im Regelfall eine Überwachung von Blutdruck und Herztätigkeit, letzteres mittels EKG, gefordert und sein Unverständnis darüber zum Ausdruck gebracht, dass die Patientin erst auf der Intensivstation defibrilliert worden ist ("es sei nicht ersichtlich, weshalb die Patientin nicht im Koloskopieraum defibrilliert worden ist").
Ob die Beklagte auch aufgrund einer unzureichenden Risikoaufklärung haftet, wie die Kläger im Berufungsrechtszug erstmals meinen, kann nach allem dahinstehen.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Wert der Beschwer der Beklagten: über 30.678 € (= über 60.000,00 DM).
Ende der Entscheidung
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