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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 11.03.2004
Aktenzeichen: 5 W 146/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 141
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

5 W 146/03

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Rosenberger sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr. Thurn und Mangen

am 11. März 2004

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Ordnungsgeldbeschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 2. Juli 2003 - 9 O 137/03 - aufgehoben.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von der beklagten Versicherung die Auszahlung der Versicherungssumme aus einer Kapitallebensversicherung. Die Parteien streiten darum, ob der Klägerin als Alleinerbin des verstorbenen Versicherungsnehmers der Anspruch auf Auszahlung zusteht oder ob dem ein vom Versicherungsnehmer verfügtes Bezugsrecht entgegensteht.

Zu dem auf den 2. Juli 2003 anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung hatte das Landgericht das persönliche Erscheinen der Klägerin und "eines besonders bevollmächtigten, sachorientierten Vertreters der Beklagten" angeordnet. Den Termin konnte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten nicht wahrnehmen, weil er im Stau steckengeblieben war. Für die Beklagte war sonst niemand erschienen. Antragsgemäß erging gegen die Beklagte ein Versäumnisurteil; ferner wurde gegen sie wegen unentschuldigten Fernbleibens vom Termin ein Ordnungsgeld in Höhe von 300,- € verhängt.

Unter dem 14. Juli 2003 beantragte die Beklagte die Aufhebung des Ordnungsgeldbeschlusses vom 2. Juli 2003 und legte zugleich gegen den Beschluss sofortige Beschwerde ein. Zur Begründung trug sie vor, zur Wahrnehmung des Termins am 2. Juli 2003 habe sie ihren Prozessbevollmächtigten unter dem 17. Juni 2003 eine Vollmacht gemäß § 141 Abs. 3 ZPO erteilt; Rechtsanwalt N, der für sie im Termin habe auftreten sollen, sei zur Aufklärung des Sachverhalts imstande und zu einem Vergleichsabschluss ermächtigt gewesen. Nur weil Rechtsanwalt N zu dem Termin nicht erschienen sei, sei sie nicht vertreten gewesen. Im übrigen sei es wegen dessen Fernbleibens zu einer Verhandlung nicht gekommen, so dass die gleichwohl erfolgte Verhängung eines Ordnungsgeldes den Anschein einer Ungehorsamsstrafe habe.

Das Landgericht hat den Aufhebungsantrag mit Beschluss vom 28. Juli 2003 zurückgewiesen und der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss vom 2. Juli 2003 nicht abgeholfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es spiele keine Rolle, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten am 2. Juli 2003 nicht erschienen sei, weil die Beklagte ohnehin nicht vorgehabt habe, den Termin wahrzunehmen. Die Entsendung eines Vertreters sei nur dann ausreichend, wenn dieser zur Sachaufklärung fähig sei. Vertreter könne zwar grundsätzlich auch der umfassend informierte Prozessbevollmächtigte sein; sein Wissensstand entspreche jedoch regelmäßig nicht dem der Partei, wenn er nur in seiner Eigenschaft als Prozessvertreter mit dem Verfahrensgegenstand in Berührung gekommen sei. Insoweit reiche die pauschale Behauptung der Beklagten, Rechtsanwalt N sei zu einer Sachaufklärung in der Lage gewesen, nicht aus. Es sei auch nicht ermessensfehlerhaft, ein Ordnungsgeld gegen die Beklagte zu verhängen, obwohl in dem Termin am 2. Juli 2003 ein Versäumnisurteil ergangen sei. Die Sanktion des Ordnungsgeldes sei aufgrund der durch das Zivilprozessrechtsreformgesetz gestärkten materiellen Prozessleitung vielmehr verstärkt auch dann auszusprechen, wenn es trotz Ausbleibens der Partei zu einer Entscheidung des Rechtsstreits komme.

II.

Die in entsprechender Anwendung von § 380 Abs. 3 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten hat in der Sache Erfolg.

Die auf § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO gestützte Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen die beklagte Versicherung ist nicht gerechtfertigt.

Es ist bereits zweifelhaft, ob die formellen Voraussetzungen für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gewahrt sind. Das Landgericht hat weder das persönliche Erscheinen der Beklagten noch eines gesetzlichen Vertreters angeordnet, sondern das Erscheinen "eines besonders bevollmächtigten, sachorientierten Vertreters der Beklagten". Wer damit gemeint sein sollte, bleibt unklar. Es fehlt auch jede Angabe dazu, zu welchen Punkten die Kammer eine Aufklärung für erforderlich hielt; das ist zumindest dann unentbehrlich, wenn das Gericht den Vertreter nicht namentlich benennt, sondern die Auswahl der Partei überlässt. Ferner ist nicht ersichtlich, ob die Beklagte auf die Folgen des Ausbleibens in der Ladung hingewiesen worden ist (vgl. zu all dem bereits den Senatsbeschl. v. 21. Juli 2003 - 5 W 75/03).

Jedenfalls aber ist die Verhängung eines Ordnungsgeldes im vorliegenden Fall ermessensfehlerhaft. Das Ordnungsgeld durfte bereits deswegen nicht festgesetzt werden, weil im Termin am 2. Juli 2003, zu dem für die Beklagte niemand erschienen war, ein Versäumnisurteil ergangen ist. § 141 ZPO verfolgt vorrangig den Zweck, eine Aufklärung des Sachverhalts zu erleichtern und das Verfahren zu fördern (vgl. OLG Hamm, OLGR 1997, 235, 236). Erscheint der Prozessbevollmächtigte einer auch persönlich geladenen Partei - sei es bewusst oder infolge unvorhergesehener Umstände - nicht mit der Folge, dass gegen sie ein Versäumnisurteil ergeht, ist die Sache damit, ohne dass es in diesem Termin einer weiteren Sachverhaltsaufklärung bedarf, entscheidungsreif. Dann aber fehlt eine Rechtfertigung zur Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen die nicht erschienene Partei. Auch die durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27. Juli 2001 ausgeweitete Pflicht des Gerichts zur materiellen Prozessleitung ändert daran nichts, denn diese kommt nicht zur Geltung, wenn im Wege eines Versäumnisurteils ohnehin auf der Grundlage des Vorbringens der erschienenen Partei zu entscheiden ist. Ein gleichwohl gegen die nicht erschienene Partei verhängtes Ordnungsgeld hätte ausschließlich Strafcharakter; das aber ist nicht der maßgebliche Grund für die in § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO vorgesehene Sanktion (vgl. dazu OLG Hamm, aaO; OLG Brandenburg, MDR 2001, 411; LAG Niedersachsen, MDR 2002, 1333, 1334).

Unabhängig davon erweist sich die Verhängung des Ordnungsgeldes hier auch deshalb als fehlerhaft, weil die Beklagte zu dem Termin am 2. Juli 2003 ihren Prozessbevollmächtigten gemäß § 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO als Vertreter entsenden wollte. Bei einer Vertreterbestellung ist die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen die Partei nur dann gerechtfertigt, wenn der entsandte Vertreter auch tatsächlich nicht imstande ist, zur Aufklärung des Sachverhalts beizutragen oder die gebotenen Erklärungen abzugeben; nur dieses Risiko trägt die Partei (vgl. OLG Frankfurt, NJW 1991, 2090; Musielak-Stadler, ZPO, 3. Aufl., § 141, Rdn. 18; Stein/Jonas-Leipold, ZPO, 21. Aufl., § 141, Rdn. 27; Zöller-Greger, ZPO, 24. Aufl., § 141, Rdn. 17). Es geht nicht an, die mangelnde Eignung des Prozessbevollmächtigten einer Partei als deren nach § 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO entsandter Vertreter ohne weiteres zu unterstellen, ohne dass überhaupt der Versuch einer Sachverhaltsaufklärung stattgefunden hat. Soweit im übrigen verlangt wird, der Prozessbevollmächtigte müsse über die "normale" Unterrichtung durch seine Partei hinaus mit der Sache besonders intensiv vertraut sein, dürfte dies für einen ständig für eine Versicherung auftretenden Rechtsanwalt eher anzunehmen sein, da es - anders als bei einer Naturalpartei - regelmäßig nicht auf persönliche, private Kenntnisse ankommt; jedenfalls ist es keineswegs zwingend, dass die Sachbearbeiter einer Versicherung, die häufig nur mit Teilaspekten eines Versicherungsfalles befasst sind, über bessere Kenntnisse als der umfassend unterrichtete Versicherungsanwalt verfügen.

Da es im vorliegenden Fall im Termin vom 2. Juli 2003 nicht zu einer Sachverhaltserörterung gekommen ist, durfte ein Ordnungsgeld nicht verhängt werden. Dass Rechtsanwalt N zu diesem Termin nicht rechtzeitig erschienen ist, ist für sich genommen kein Grund zur Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen die Beklagte, weil das Fernbleiben hinreichend entschuldigt war.

Ende der Entscheidung

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