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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 17.03.2008
Aktenzeichen: 5 W 66/07
Rechtsgebiete: ZPO, EGBGB, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 127 Abs. 4
ZPO § 167
EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1
BGB § 195
BGB § 204 Abs. 1 Nr. 14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 29.10.2007 gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 25.09.2007 - 9 O 286/07 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.

Die von der Antragstellerin beabsichtigte Rechtsverfolgung hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO. Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass die Ansprüche der Antragstellerin auf Schmerzensgeld und auf Ersatz aller weiteren materiellen und immateriellen Schäden, die ihr aus der Behandlung vom 4.3.1994 im N-Hospital F noch entstehen werden, verjährt sind.

Soweit es um vertragliche Ansprüche auf Ersatz materiellen Schadens geht, ist mit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB die vom 1.1.2002 an zu berechnende dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB an die Stelle der ursprünglichen dreißigjährigen Verjährungsfrist (§ 195 BGB a.F.) getreten. Die Klägerin, vertreten durch ihre sorgeberechtigte Mutter, hatte zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von den ihren Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Die Gutachterkommission für Ärztliche Behandlungsfehler hat in ihrem Schreiben vom 31.1.1996 (Anlage 11, Bl. 51 ff. d.A.) an die Mutter der Antragstellerin einen schadensursächlichen Behandlungsfehler der Ärzte des N-Hospitals F festgestellt. Soweit Ansprüche aus unerlaubter Handlung, insbesondere auf Zahlung eines (weiteren) Schmerzensgeldes, in Betracht kommen, ist die maßgebliche dreijährige Verjährungsfrist jedenfalls vom 1.1.2002 an zu berechnen. Ob sie schon zuvor begonnen hat (Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB, § 852 Abs. 1 BGB a.F.) und - unter Berücksichtigung von Hemmungs- und Unterbrechungstatbeständen - am 1.1.2002 teilweise abgelaufen war, kann dahinstehen.

Die Verjährung ist durch die Einreichung des Prozesskostenhilfeantrags vom 19.7.2007 und die Veranlassung seiner Bekanntgabe nicht rechtzeitig gemäß §§ 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB, 167 ZPO gehemmt worden. Die Antragsgegner sind auch nicht durch den mit Schreiben vom 26.3.2007 (Anlage 13, Bl. 91 d.A.) bis zum 31.12.2007 erklärten Verzicht auf die Erhebung der Einrede der Verjährung daran gehindert, sich auf Verjährung zu berufen. Der Verzicht galt nicht für den - hier gegebenen - Fall, dass Verjährung zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung, also am 26.3.2007, bereits eingetreten war.

Zwischen dem 1.1.2002 und dem 26.3.2007 lagen bei einer maßgeblichen Verjährungsfrist von drei Jahren oder 36 Monaten mehr als 62 Monate. Ein Verjährungseintritt wäre daher nur dann zu verneinen, wenn die Verjährung in diesem Zeitraum für mehr als 26 Monate durch Verhandlungen (§ 203 BGB) gehemmt gewesen wäre. Dies ist nicht der Fall. Sonstige Hemmungsgründe hat die Antragstellerin nicht dargetan.

Die Antragsgegner haben die Korrespondenz zwischen dem früheren Bevollmächtigten der Antragstellerin und ihrer Haftpflichtversicherung im Schriftsatz vom 16.8.2007 umfassend und in tatsächlicher Hinsicht unwidersprochen dargestellt. Danach fand ein Meinungsaustausch über die streitgegenständlichen Ansprüche dadurch statt, dass die Haftpflichtversicherung auf das Schreiben des Bevollmächtigten vom 29.11.2002 (Bl. 75 d.A.) unter dem 5.12.2002 (Bl. 77 d.A.) ein schriftliches Abfindungsangebot unterbreitete (mindestens 7 Tage Hemmung), auf das Schreiben des Bevollmächtigten vom 15.9.2005 (Bl. 80 d.A.) am 26.9.2005 (Bl. 81 d.A.) die Namen und Anschriften der behandelnden Ärzte zwecks Einholung von Attesten erbat (mindestens 12 Tage Hemmung) und auf den Anruf des Bevollmächtigen vom 7.4.2006 am gleichen Tag (Bl. 82 d.A.) mündlich ein erneutes Abfindungsangebot abgab (mindestens 1 Tag Hemmung). Die Angebote bzw. Anfragen der Haftpflichtversicherung blieben auf Seiten der Antragstellerin jeweils ohne eine hierauf bezogene Reaktion. In die vorgenannten Hemmungszeiträume (insgesamt mindestens 20 Tage) ist daher jeweils eine für eine Antwort angemessene Zeit einzurechen. Lässt der Gläubiger Verhandlungen einschlafen, sind sie in dem Zeitpunkt beendet, in dem der nächste Schritt nach Treu und Glauben zu erwarten gewesen wäre (BGHZ 152, 298 ff.; BGH VersR 1986, 490 ff.). Selbst wenn man eine Reaktionszeit von jeweils drei Monaten oder sogar eine - offensichtlich weit übersetzte - Dauer von jeweils sechs Monaten als angemessen ansehen würde, wäre die Verjährung im Streitfall nur für knapp 10 oder 19 Monate, nicht aber wie erforderlich für mehr als 26 Monate gehemmt gewesen.

Weitere oder gar durchgehende Verhandlungen zwischen den Parteien sind nicht deshalb anzunehmen, weil die Haftpflichtversicherung der Antragsgegner auf die jeweilige Bitte des Bevollmächtigten der Antragstellerin mit Schreiben vom 9.12.2003 (Bl. 78 d.A.) bis zum 31.12.2004, mit Erklärung vom 30.12.2004 (Bl. 78 d.A.) bis zum 30.6.2005, mit Schreiben vom 28.6.2005 (Bl. 79 d.A.) bis zum 31.12.2005 und mit Schreiben vom 26.9.2005 (Bl. 81 d.A.) bis zum 31.12.2006 auf die Erhebung der Einrede der Verjährung verzichtet hat. Das Landgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass durch bloße Verjährungsverzichtserklärungen noch keine Verhandlungen über einen Anspruch stattfinden (vgl. OLG Düsseldorf ZGA 2004, 118 ff.; Palandt/Heinrichs, BGB § 203 Rdn. 2). Ein Verjährungsverzicht soll einen Meinungsaustausch ermöglichen, sofern die Verjährung des Anspruchs droht, oder er kann dazu dienen, dem Berechtigten noch eine weitere Frist für die Prüfung einzuräumen, ob er den Anspruch weiter verfolgen will (OLG Düsseldorf aaO).

Eine Kostentscheidung ist für das Beschwerdeverfahren gemäß § 127 Abs. 4 ZPO nicht veranlasst.

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