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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 01.09.2004
Aktenzeichen: 5 W 99/04
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 314
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 935
ZPO § 940
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss der 23. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 30.06.2004 - 23 O 301/04 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des zweiten Rechtszugs zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vollstreckbar.

Gründe: I. Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Krankheitskosten- und eine Krankentagegeldversicherung. Der versicherte Tagessatz beläuft sich auf 255,65 EUR. Im Jahre 2003 erkrankte er u. a. an einem depressiven Syndrom. Die Beklagte zahlte antragsgemäß vom 8. Dez. 2003 bis zum 3.Juni 2004 Tagegeld. Im Mai 2004 beauftragte sie einen Detektiv, der sich am 11. Mai 2004 in der vom Kläger in L betriebenen Anwaltskanzlei meldete und um Beratung in einer Sorgerechtsangelegenheit bat, die ihm der Kläger zuteil werden ließ und wofür er ein Honorar von 50;-EUR vereinnahmte. Daraufhin kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 21. Juni 2004 "den Versicherungsvertrag" unter Berufung auf § 314 BGB fristlos, weil der Kläger während der Arbeitsunfähigkeit seine berufliche Tätigkeit ausgeübt habe. Der Kläger hat im Wege der einstweiligen Verfügung Zahlung des vereinbarten Krankentagegelds ab 4. Juni 2004 vorläufig längstens bis zum 4. Dez. 2004 begehrt und geltend gemacht, dass er auf die Zahlungen dringend angewiesen sei, weil er andernfalls die Kanzlei ab 1.Juli 2004 schließen müsse. Der Kanzleiunterhalt erfordere monatlich einen Betrag von rund 9.000;-EUR. Seine Tochter, eine zugelassene Rechtsanwältin, die ihn in der Kanzlei vertrete und dafür vereinbarungsgemäß ein Monatsgehalt von 2.500;- EUR beanspruchen könne, erhalte nur eine geringe Abschlagszahlung. Im ersten Quartal 2004 habe die Kanzlei nur Einnahmen von knapp 7.000;- EUR monatlich erzielt. Sonstige liquide Mittel habe er nicht, die Möglichkeiten von Kreditaufnahmen seien erschöpft. Die Kündigung sei unwirksam. Er habe trotz Arbeitsunfähigkeit am 11.5.2004 in seiner Kanzlei nach dem Rechten sehen wollen. Da seine Tochter einen dringenden Termin gehabt habe, habe er aus einem Impuls heraus die - im Übrigen völlig insuffiziente - Beratung, für die er auch kein Honorar hätte haben wollen, übernommen. Das Landgericht hat den Antrag im Beschlusswege zurückgewiesen, weil eine Leistungsverfügung im Rahmen eines privaten Versicherungsverhältnisses nicht zugelassen sei. Im Übrigen fehle es an einem Verfügungsanspruch, soweit es um künftige Tagegeldansprüche gehe. Dagegen wendet sich der Kläger mit der sofortigen Beschwerde. Er beschränkt seinen Anspruch auf den Zeitraum 4. Juni bis 19. Juli 2004 und begehrt außerdem den Ausspruch, dass die Krankheitskostenversicherung "bis zur Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache wegen Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung aufrecht erhalten bleibe". Die Beklagte tritt den Anträgen entgegen. II. Die gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde, über die der Senat nach durchgeführter mündlicher Verhandlung durch Urteil zu entscheiden hat (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 922 Rn 14), ist form- und fristgerecht eingelegt worden und damit insgesamt zulässig. Sie bleibt in der Sache allerdings ohne Erfolg.

1. Der vorläufige Rechtsschutz nach §§ 935, 940 ZPO dient der Sicherung eines Individualanspruchs und der einstweiligen Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses. Die vorläufige Befriedigung des Hauptanspruchs, um die es hier im wesentlichen geht, kann nur ausnahmsweise beansprucht werden, wenn der Gläubiger auf die sofortige Erfüllung dringend angewiesen ist und die Erwirkung eines Titels im ordentlichen Verfahren wegen der unvermeidlichen zeitlichen Verzögerung nicht zumutbar ist, weil zwischenzeitlich irreversible Fakten geschaffen würden oder der Verweis auf das ordentliche Verfahren praktisch einer Rechtsverweigerung gleichkäme ( vgl. Senat, NJW-RR 95, 546 ). Die Ausnahme muss auf Notfälle wie eine existenzielle Gefährdung des Gläubigers beschränkt bleiben, denn die vorläufige Befriedigung führt regelmäßig zu einem endgültigen Rechtsverlust des Schuldners, weil jener einen Rückforderungsanspruch nach Obsiegen in der Hauptsache nur selten durchsetzen können wird. Führt die Erfüllungsverweigerung lediglich zu (auch schwerwiegenden) Vermögensschäden, bleibt der Gläubiger regelmäßig auf die spätere Geltendmachung von Schadensersatz verwiesen und kann nicht zu deren Abwendung gleichsam vorbeugend sofortige Erfüllung verlangen. In Literatur und Rechtsprechung sind deshalb Befriedigungsverfügungen anerkannt, die zur Abwendung von existenziellen Notlagen auf vorläufige Zahlung von Unterhalt, Gehalt oder (Haftpflicht)Renten, aber auch z. B. von Arztkosten gerichtet sind ( vgl. Baumbach-Lauterbach-Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 940 Rn 42; Münchener- Kommentar - Heinze, ZPO, 2. Aufl. , § 935 Rn. 44, 237, jeweils mit Rechtsprechungsnachweisen ). Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann nach Auffassung des Senats entgegen der Ansicht des Landgerichts auch ein Anspruch auf Zahlung von Krankentagegeld Gegenstand einer einstweiligen Verfügung sein, wobei je nach Lage des Falles Dauer und/oder Höhe zu begrenzen sein werden.

Im Streitfall sind die Voraussetzungen freilich nicht dargetan. Der Kläger benötigt die Tagegelder nicht zur Deckung des Lebensunterhalts im Sinne der Abwendung einer existenziellen Notlage, denn er verfügt über in seinem Eigentum stehenden Wohnraum und kann durch Teilhabe an den Einkünften seiner berufstätigen Ehefrau seine notwendigen Bedürfnisse decken. Er macht denn auch ( lediglich ) geltend, dass die Tagegelder ihn in den Stand setzen sollen, den Kanzleibetrieb aufrecht zu erhalten, weil eine Lücke zwischen den Einnahmen, die durch den Einsatz seiner Tochter erzielt werden ( etwa 7.000;- EUR monatlich ), und den monatlichen Kanzleikosten von rund 9.000;- EUR bestehe, die er schließen müsse. Das rechtfertigt es jedoch nicht, die Beklagte mit einer Befriedigungsverfügung zu belasten. Der Kläger befindet sich insoweit in der Lage eines jeglichen Gläubigers, dem infolge Nichterfüllung seines behaupteten Anspruchs wirtschaftliche Nachteile drohen und der darauf verwiesen bleibt, später Ersatz der durch die Zahlungsverweigerung schuldhaft verursachten Schäden zu verlangen. Im Streitfall kommt hinzu, dass der Kläger selbst vorträgt, bis 3. Juni 2004 in der Lage gewesen zu sein, seine Verpflichtungen zu erfüllen ( durch Rücklagen und Kreditmittel ), und seit Mitte August wieder arbeiten zu können, und zwar zunächst 4 , dann 6 Stunden und ab Ende September 2004 wieder vollschichtig. Danach droht keine vollständige Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz, mag der Kläger auch gezwungen sein, sein Grundeigentum zu veräußern, um aufgelaufene und künftige Verbindlichkeiten bedienen zu können, wie er in der mündlichen Verhandlung erklärt hat. 2. Der Kläger kann auch nicht im Wege der einstweiligen Verfügung die Feststellung beanspruchen, dass seine Krankheitskostenversicherung einstweilen fortbestehe, weil es insoweit an einem Regelungsbedürfnis ( Verfügungsgrund ) fehlt. In der Krankheitskostenversicherung kann der Versicherungsnehmer grundsätzlich nur Erstattung der notwendigen Behandlungskosten verlangen. Der Kläger mag also angefallene Arztkosten bei der Beklagten zur Erstattung geltend machen. Falls jene die Erstattung verweigert, wird er den Klageweg beschreiten müssen, wobei nach Maßgabe der obigen Ausführungen auch ein einstweiliger Rechtsschutz in Betracht kommt. Im Rahmen dieser Auseinandersetzung wird dann die Berechtigung der Kündigung zu prüfen sein. Bei dieser Sachlage besteht kein Bedürfnis für eine einstweilige Vorabentscheidung. Nur am Rande sei deshalb angemerkt, dass die fristlose Kündigung der Krankheitskostenversicherung, die nach dem Schreiben vom 21.6.2004 nicht einmal eindeutig erklärt ist, nach Würdigung der in diesem Verfahren bekannt gewordenen Umstände nicht wirksam sein dürfte. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Zulassung der Revision kommt nicht in Betracht, weil das Urteil des Senats nicht anfechtbar ist, § 542 Abs. 2 ZPO (vgl. BGH NJW 2003, 1531). Streitwert für den zweiten Rechtszug: Leistungsantrag: 11.759,90 EUR Feststellungsantrag: 3.000,00 EUR.

Ende der Entscheidung

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