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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 27.03.2007
Aktenzeichen: 6 AuslA. 69/06
Rechtsgebiete: IRG


Vorschriften:

IRG § 80
Bei einer Auslieferung eines deutschen Staatsangehörigen nach Polen bedarf es im Hinblick auf § 607 j der polnischen Strafverfahrensgesetzbuches keiner Zusicherung der polnischen Behörden für eine Rücküberstellung mehr, wenn die Bewilligung der Auslieferung von einer Rücküberstellung im Falle einer Verurteilung abhänigig gemacht wird.
Tenor:

Die Auslieferung des polnischen und deutschen Staatsangehörigen D. (L.) E., geboren am 25.9.1970 in H., nach Polen zum Zwecke der Strafverfolgung wegen der im Europäischen Haftbefehl des Bezirksgerichts G. vom 21.8.2006, Az. V Kop 12/06, unter den Ziffern 3 bis 5 bezeichneten, am 29.7.1999, 28.12.1998 und 10.1.1999 begangenen Straftaten wird für zulässig erklärt.

Der Auslieferungshaftbefehl des Senats vom 26.1.2007, Az. 6 AuslA. 69/06 - 2/07, wird wieder in Vollzug gesetzt.

Gründe:

I.

Gegen den Verfolgten besteht ein Europäischer Haftbefehl des Bezirksgerichts G./Polen vom 21.08.2006 (IV KOP 12/06). Darin wird unter anderem um Festnahme und Auslieferung des Verfolgten zur Strafverfolgung wegen folgender Taten ersucht:

1. Am 29.07.1999 soll er einem unbekannten Täter geholfen haben, ein zuvor in O. gestohlenes Kraftfahrzeug Mazda Xedos, amtliches Kennzeichen XXX XXXX, zu veräußern, indem er versuchte, das Fahrzeug nach Weißrussland zu überführen. Dabei soll er am Grenzübergang einen falschen Fahrzeugschein und eine gefälschte notarielle Erklärung des Halters vorgelegt haben.

2. Am 28.12.1998 soll er in G. die Unterschrift der I. L. unter einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug Mercedes, amtliches Kennzeichen XXX XXX3, gefälscht haben.

3. Das vorgenannte Kraftfahrzeug, das sich in seinem Besitz befand, soll er sich am 10.01.1999 angeeignet und an einen S. A. verkauft haben, ohne hierzu berechtigt zu sein.

Der Verfolgte ist auch deutscher Staatsangehöriger. Er ist 1990 nach Y. gezogen, wo er seitdem durchgehend gemeldet ist. Derzeit lebt er im Haushalt seiner Eltern. Er hat ein Gewerbe "Im- und Export mit Futtermitteln für Tiere, Autozubehör, Kfz-Handel" angemeldet.

Der Senat hat am 26.1.2007 einen Auslieferungshaftbefehl erlassen, auf den wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird. Durch Beschluss vom selben Tage hat der Senat den Auslieferungshaftbefehl gegen Auflagen und Weisungen außer Vollzug gesetzt.

Der Verfolgte wurde zu den Auslieferungsunterlagen am 13.2.2007 durch das Amtsgericht Y. angehört. Er hat sich mit der vereinfachten Auslieferung nicht einverstanden erklärt und auf die Einhaltung des Grundsatzes der Spezialität nicht verzichtet. Der Verfolgte hat mit Schriftsatz seines Beistandes vom 13.2.2007 eine Gegenvorstellung gegen den Auslieferungshaftbefehl angebracht und diese mit Schriftsatz seines Beistandes vom 22.3.2007 weiter begründet.

Die Generalstaatsanwaltschaft Köln beantragt nunmehr, die Auslieferung des Verfolgten nach Polen hinsichtlich der eingangs genannten Taten für zulässig zu erklären und den Auslieferungshaftbefehl wieder in Vollzug zu setzen.

II.

Dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft ist zu entsprechen. Die Auslieferung des Verfolgten nach Polen ist zulässig.

Der Europäische Haftbefehl des Bezirksgerichts G. vom 21.08.2006 ist nach §§ 79 Abs. 1, 83 a Abs. 1 IRG als Auslieferungsersuchen der polnischen Behörden anzusehen. Er enthält die nach § 83 a Abs. 1 IRG notwendigen Angaben. Insbesondere werden die dem Verfolgten zur Last gelegten Taten unter Angabe der einschlägigen Gesetzesbestimmungen hinreichend konkretisiert. Die Gesetzesbestimmungen sind dem Senat bekannt.

Auf die Strafbarkeit nach deutschem Recht kommt es gemäß § 81 Nr. 4 IRG nicht an, weil es sich bei den verfolgten Taten nach dem Recht des ersuchenden Staates jeweils um eine Katalogtat i. S. des Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. EG Nr. L 190 S. 1) handelt, nämlich Handel mit gestohlenen Kraftfahrzeugen. Die gegen diese Wertung geäußerten Einwendungen des Verfolgten sind nicht begründet. Die Straftaten haben sehr wohl den Handel mit gestohlenen Kraftfahrzeugen zum Gegenstand. Im Übrigen wäre die Auslieferung auch dann zulässig, wenn es sich um keine Katalogtaten im vorbeschriebenen Sinne handeln würde. Die Taten sind nämlich sowohl nach deutschem als auch nach polnischem Strafrecht mit Strafe bedroht.

Es ist unerheblich, dass die Taten nach deutschem Recht verjährt sein könnten, denn gemäß Art. 4 des deutsch-polnischen Vertrages vom 17.07.2003 über die Ergänzung des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13.12.1957 (BGBl 2004 II, 522) ist zur Beurteilung der Verjährung ausschließlich das Recht der ersuchenden Vertragspartei maßgebend. Diese Bestimmung gilt gemäß § 1 Abs. 4 S. 3 IRG auch nach dem Inkrafttreten des Europäischen Haftbefehlsgesetzes. Danach bleiben völkerrechtliche Vereinbarungen i. S. des § 1 Abs. 3 IRG anwendbar, soweit der neue achte Teil - also die §§ 78 bis 83i IRG - keine abschließenden Regelungen enthalten. Da der achte Teil des IRG die Verjährungsfrage nicht berührt und Art. 4 PL-ErgV EuAlÜbk die Auslieferung im vorliegenden Fall überhaupt erst ermöglicht, wird § 9 Nr. 2 IRG somit durch diese Norm verdrängt. (OLG Düsseldorf NStZ-RR 2007, 113 f.).

Der Zulässigkeit der Auslieferung wegen der oben genannten, im Europäischen Haftbefehl zu Ziff. 3 bis 5 genannten Taten steht auch nicht § 80 Abs. 1 und Abs. 2 IRG entgegen. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob der Verfolgte neben der deutschen auch noch die polnische Staatsangehörigkeit hat. Allein die deutsche Staatsangehörigkeit veranlasst die Beachtung der besonderen Anforderungen des § 80 Abs. 1 und Abs. 2 IRG. Die oben genannten Taten weisen einen maßgeblichen Bezug zum ersuchenden Mitgliedsstaat aus. Sie wurden ausschließlich in Polen begangen. Der Senat sieht es auch als gesichert an, dass die polnischen Behörden im Falle der Verhängung einer Freiheitsstrafe oder sonstigen Sanktion den Verfolgten auf dessen Wunsch zur Vollstreckung nach Deutschland zurücküberstellen werden. Hierfür genügt entgegen der Auffassung des Verfolgten die in § 607 j des polnischen Strafverfahrensgesetzbuches enthaltene Bestimmung. Danach wird das Vollstreckungsverfahren in Polen nicht eingeleitet, wenn die verfolgte Person unter der Bedingung überwiesen wird, dass die Vollstreckung einer Strafe oder eines anderen Freiheitsentzugs in dem überstellenden Staat eingeleitet wird. Der Senat geht davon aus, dass die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Bewilligungsentscheidung die Auslieferung des Verfolgten von einer Rücküberstellung im Falle einer Verurteilung abhängig machen wird. Damit sind die Voraussetzungen des § 607 j des polnischen Strafverfahrensgesetzbuches erfüllt. Einer darüber hinaus gehenden Zusicherung der polnischen Behörden bedarf es nicht (vgl. BT-Ds. 15/1718 S. 16).

Weitere Umstände, die einer Zulässigkeit der Auslieferung entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich. Dagegen spricht auch nicht, dass sich der Verfolgte nach seinen Angaben in Polen in dem gegen ihn laufenden Ermittlungsverfahren anwaltlich vertreten lässt. Damit steht noch nicht fest, dass der Verfolgte bereit ist, sich freiwillig nach Polen zu begeben, um sich selbst dort den Ermittlungen zu stellen. Dazu wäre der von der Auslieferungshaft verschonte Verfolgte längst in der Lage gewesen. Es wäre ihm ohne weiteres möglich gewesen, nach Polen zu reisen oder zumindest den dortigen Behörden sein Erscheinen anzubieten, um den Fortgang des Verfahrens zu ermöglichen. Da er dies nicht unternommen hat, ist seine Auslieferung erforderlich. Eine andere Beurteilung ist auch nicht im Hinblick auf die den polnischen Behörden vorgeworfene Verfahrensverschleppung geboten. Die Annahme eines rechtsstaatswidrigen Verfahrens in Polen rechtfertigt sich aus dem Vorbringen des Verfolgten keinesfalls. Hinzu tritt die naheliegende Annahme, dass der Verfahrensablauf in Polen auch maßgeblich durch die fortwährende Abwesenheit des Verfolgten beeinträchtigt wird.

III.

Darüber hinaus ist auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft der Auslieferungshaftbefehl vom 26.1.2007 wieder in Vollzug zu setzen. Dies dient der Durchführung der Überstellung des Verfolgten nach Polen. Eine weitere Verschonung kommt in diesem Zusammenhang nicht mehr in Betracht, weil nach dem Gesagten nicht davon auszugehen ist, dass sich der Verfolgte freiwillig nach Polen begeben und sich den dortigen Behörden stellen wird.

Die Gegenvorstellung gibt aus den obigen Gründen keine Veranlassung zu einer anderen Entscheidung über den Auslieferungshaftbefehl.

Ende der Entscheidung

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