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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 14.01.2009
Aktenzeichen: 6 AuslA 6/09
Rechtsgebiete: IRG


Vorschriften:

IRG § 10 Abs. 1 Satz 2
IRG § 10 Abs. 2
IRG § 35
IRG § 35 Abs. 1 Nr. 1
IRG § 35 Abs. 1 Nr. 2
IRG § 35 Abs. 1 Satz 2
IRG § 35 Abs. 2 Satz 2
IRG § 80
IRG § 81 Nr. 1
IRG § 83 a Abs. 1
IRG § 83 b Abs. 2
IRG § 83 h Abs. 2 Nr. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Auslieferung des marokkanischen Staatsangehörigen Z. C. aus Deutschland nach Frankreich zur Strafverfolgung wegen der ihm in dem Europäischen Haftbefehl des Staatsanwalts des Landgerichts in B. vom 30. 10. 2008 (Nr. 97/ 4222 ) zur Last gelegten Straftaten wäre zulässig.

Gründe:

I.

Auf Ersuchen der französischen Behörden ist durch Beschlüsse des Senats vom 13.08. und 10.09.2002 - 2 Ausl 183/02 - 19/02 - die Auslieferungshaft und deren Fortdauer gegen den Verfolgten zur Strafverfolgung wegen der im Haftbefehl des Untersuchungsrichters bei dem Landgericht B. vom 12.04.2001 und der Anklage vom 10.10.2001 genannten Straftaten des Diebstahls bzw. der Hehlerei , begangen im August und Oktober 2000 in B., angeordnet worden. Nachdem der Verfolgte sich am 4.10.2002 mit der vereinfachten Auslieferung einverstanden erklärt, auf die Einhaltung des Grundsatzes der Spezialität aber nicht verzichtet hat, ist am 18.10.2002 durch die Generalstaatsanwaltschaft Köln die Auslieferung unter Einhaltung des Spezialitätsgrundsatzes bewilligt worden. Der Verfolgte , gegen den Auslieferungshaft nicht vollstreckt wurde, weil er sich in Untersuchungs- bzw. Strafhaft befunden hat, ist am 10.05.2007 an die französischen Behörden überstellt worden.

Die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht in B. ersucht mit Schreiben vom 30.10..2008 um Zustimmung zur Strafverfolgung wegen folgender, in dem Europäischen Haftbefehl des Staatsanwalts des Landgerichts in B. vom 30. 10. 2008 (97/ 4222 ) dem Verfolgten zur Last gelegten Straftaten :

Schwerer Raub bzw. räuberische Erpressung mit Waffen als Mitglied einer Bande

- am 28.04.1997 in B. zum Nachteil des Kaufhauses F.E. (22.700 Francs) und zum Nachteil des G.D. ( PKW der Marke Lancia)

- am 16.05.1997 in B. zum Nachteil der Cafeteria H. (28.000,- Francs) und zum Nachteil der D.D. ( PKW Marke Renault Twingo)

- am 8.07.1997 in B. zum Nachteil des Restaurants R. ( 57.000,- Francs Schecks, Kreditkarten, Gutschriften, 20.000,- Francs Bargeld) und zum Nachteil des S.E. ( PKW Marke Renault 5)

- am 13.06.1997 in I. zum Nachteil des Kaufhauses M. ( 15.000,- Francs) und zum Nachteil des Q.N. ( Fahrzeug)

- am 24.06.1997 in B. zum Nachteil des Kaufhauses J. ( 50.000,- Francs)

- am 30.06.1997 in M.Q. zum Nachteil des Kaufhauses L. ( 10.000,- Francs) sowie Körperverletzung mit der Folge der Arbeitsunfähigkeit von 7 Tagen zum Nachteil der N.K.

- am 1.07.1997 in O. zum Nachteil des Kaufhauses P. ( 28.000,- Francs Schecks und 33.000,- Francs Bargeld) und zum Nachteil der W.B. ( PKW der Marke Peugeot 104)

- am 18.07.1997 in B. zum Nachteil des Kaufhauses F.E. ( 4.000,- Francs)

Versuchter schwerer Raub bzw. räuberische Erpressung mit Waffen als Mitglied einer Bande am 10.08.1997 in T. zum Nachteil des Kaufhauses J. sowie Körperverletzung mit der Folge der Arbeitsunfähigkeit von 3 Wochen zum Nachteil der U.N.

Schwerer Raub bzw. räuberische Erpressung mit Waffen als Mitglied einer Bande am 27.09.1997 in Q.T.B. zum Nachteil der Firma W. ( LKW und Ladung von Luxuskleidung im Wert von 3 Mio Francs) sowie Körperverletzung mit der Folge der Arbeitsunfähigkeit von 4 Wochen zum Nachteil des V.B. und des B.O. .

Die Taten sind nach dem Europäischen Haftbefehl strafbar gemäß Artikeln 311-1, 311-4, 311- 8, 311-9, 311-11. 311-13, 311-14, 311-15, 132-75 Code Penal .

Dem Ersuchen ist der Europäische Haftbefehl in deutscher Übersetzung beigefügt. Ferner liegt ebenfalls in deutscher Übersetzung das Protokoll über die Anhörung des Verfolgten zu dem Ersuchen durch den für Freiheit- und Haftentscheidungen zuständigen Richter des Landgerichts B. am 31.12.2008 vor. Danach hat der Verfolgte auf den Grundsatz der Spezialität nicht verzichtet.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt festzustellen, dass die Auslieferung des Verfolgten aus Deutschland nach Frankreich zur Strafverfolgung wegen der in dem Europäischen Haftbefehl des Staatsanwalts bei dem Landgericht B. vom 30.10.2008 ( Nr. 97/4222) aufgeführten Straftaten zulässig wäre.

II.

Dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft ist zu entsprechen. Eine Zustimmung zu Nachtragsersuchen nach Bewilligung der Auslieferung kann nach § 83 h Abs. 2 Nr. 5 IRG erteilt werden, wenn der ersuchte Mitgliedsstaat auf die Einhaltung des Spezialitätsgrundsatzes verzichtet. Für ein solches im achten Teil des IRG nicht gesondert geregeltes Nachtragsersuchen gelten die für ein Auslieferungsersuchen vorgesehenen Regelungen ( vgl. BT-Drucksache 15/1718 Nr. 17 " Zu § 83h- Spezialität" letzter Absatz). Sie werden ergänzt durch die Bestimmungen des § 35 IRG über die Erweiterung der Auslieferungsbewilligung .

Gemäß 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IRG bedarf es nach erteilter Auslieferungsbewilligung bei Ersuchen um Zustimmung zur Verfolgung oder Vollstreckung wegen einer weiteren Tat einer Entscheidung des nach § 35 Abs. 2 Satz 2 IRG zuständigen Senats darüber , dass wegen der weiteren Tat die Auslieferung an den ersuchenden Staat zulässig wäre. Das Einverständnis des Verfolgten, welches nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 eine solche Entscheidung entbehrlich machen würde, ist von diesem bei seiner richterlichen Anhörung nicht erklärt worden.

Die Voraussetzungen für die beantragte Feststellung, dass die Auslieferung zur Verfolgung wegen der weiteren , dem Verfolgten von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht B. vorgeworfen Straftaten zulässig wäre, liegen vor.

Der Europäische Haftbefehl des Staatsanwalts bei dem Landgericht B. vom 30.10.2008 ( Nr. 97/4222) entspricht den formellen Anforderungen der §§ 35 Abs. 1 Satz 2 , § 10 Abs 1 Satz 2 IRG.

Er enthält die nach § 83 a Abs. 1 IRG notwendigen Angaben. Die dem Verfolgten zur Last gelegten Taten sind darin nach Tatzeit und Tatort hinreichend konkretisiert. Der Verfolgte hat bei seiner Anhörung um zusätzliche Angaben zu den ihm nach dem Protokoll im einzelnen vorgehalten Taten auch nicht gebeten.

Die einschlägigen Gesetzesbestimmungen sind genannt und dem Senat bekannt. Die in dem Europäischen Haftbefehl vom 30.10.2008 aufgeführten Straftaten stellen nach dem maßgeblichen Recht des ersuchenden Staates eine sog. Katalogtat im Sinne des Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13.06.2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. EG Nr. L 190 S. 1) dar. Sie fallen unter den Begriff des Diebstahls in organisierter Form oder mit Waffen. Damit entfällt die Prüfung der gegenseitigen Strafbarkeit, die hier freilich auch unproblematisch gegeben wäre. Nach den genannten französischen Strafbestimmungen liegt die Höchststrafe bei 30 Jahren Freiheitsentzug. Nach deutschem Recht ist der schwerer Raub bzw. die schwere räuberische Erpressung gemäß §§ 249, 253, 255, 250 mit Freiheitsstrafe nicht unter 3 Jahren bedroht.

Damit ist auch die Auslieferungsfähigkeit der Taten gemäß § 81 Nr. 1 IRG ist gegeben, welche voraussetzt, dass die Tat nach dem Recht des ersuchenden Mitgliedsstaates mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens 12 Monaten bedroht ist.

Eine Prüfung des Tatverdachts findet nach § 10 Abs. 2 IRG nur bei Vorliegen besonderer Umstände statt. Derartige Umstände sind hier nicht ersichtlich und von dem Verfolgten bei seiner Anhörung auch nicht geltend gemacht worden.

Gründe, die der Zulässigkeit einer Auslieferung des Verfolgten wegen der weiteren Taten entgegenstehen könnten, sind auch ansonsten nicht ersichtlich.

Da die Taten nicht der konkurrierenden Gerichtsbarkeit ( §§ 5-7 StGB) unterliegen, erübrigt sich eine Prüfung der Strafverfolgungsverjährung nach deutschen Recht. Nach französischen Recht ist gemäß den Angaben im Europäischen Haftbefehl Verjährung nicht eingetreten. Eine weitere Prüfung findet dazu nicht statt, denn der Nichteintritt der Verjährung im ersuchenden Staat ist keine Zulässigkeitsvoraussetzung für die Erledigung eines Auslieferungsersuchens (vgl. Senat 10.10.2008 - 6 Ausl A 120/08 -84-).

Der Verfolgte ist nicht Deutscher und hatte auch keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Damit kommen die Vorschriften der §§ 80, 83 b Abs. 2 IRG nicht zur Anwendung.

Der nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 IRG erforderliche Nachweis , dass der Verfolgte Gelegenheit hatte sich zu dem Ersuchen zu äußern, ist geführt.

Ende der Entscheidung

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