Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 17.07.2002
Aktenzeichen: 6 U 1/02
Rechtsgebiete: MarkenG


Vorschriften:

MarkenG § 14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 1/02

verkündet am 17.7.2002

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom unter Mitwirkung seiner Mitglieder Dr. Schwippert, Schütze und von Hellfeld

für Recht erkannt:

Tenor:

1.) Die Berufung der Beklagten gegen das am 29.11.2001 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 454/01 - wird zurückgewiesen.

2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in nachbenannter Höhe abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit jeweils in derselben Höhe leistet. Es ist Sicherheit in folgender Höhe zu leisten bzw. sind folgende Beträge zu hinterlegen:

Bei Vollstreckung des Anspruches auf

Unterlassung

20.000 €;

Zahlung oder Kostenerstattung

120 % der zu vollstreckenden Summe.

Die Parteien können die Sicherheiten durch eine schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstitutes leisten.

4.) Die Revision wird nicht zugelassen.

5.) Die Beschwer der Beklagten wird auf über 20.000 € festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger ist ein gerichtsbekannter Verband zur Förderung gewerblicher Interessen im Sinne des § 13 Abs. 2 Ziff. 2 UWG. Die Beklagte vertreibt als Verwertungsgesellschaft Waren, die aus Versicherungsfällen, Geschäftsauflösungen und Ähnlichem stammen.

Der Kläger beanstandet die nachfolgend im Rahmen der erstinstanzlichen Anträge in schwarz/weiß Kopie wiedergegebene Anzeige, die die Beklagte in der Ausgabe vom 13./14.6.2001 im K.er Stadtanzeiger geschaltet hat. In dieser Anzeige sind den geforderten Preisen teilweise durchgestrichene Preise gegenübergestellt. Der diesen durchgestrichenen Preisen beigefügte Sternchenhinweis wird im unteren Teil der Anzeige - in der Kopie schlecht erkennbar - als "ehemaliger Marktpreis" aufgelöst. Der Kläger hält diese Angabe für im Sinne des § 3 UWG irreführend, weil für den Verbraucher nicht ersichtlich sei, was unter dem "ehemaligen Marktpreis" zu verstehen sei.

Er hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

1) in der an den Endverbraucher gerichteten Werbung, wie nachstehend wiedergegeben, Warenangebote unter Preisgegenüberstellung anzukündigen, wenn der höhere Preis als "Ehemaliger Marktpreis" gekennzeichnet wird:

2) an ihn 275,61 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nachdem sie in ihrer Antwort auf die Abmahnung des Klägers behauptet hatte, es handele sich jeweils um den Preis, der für das beworbene Produkt in anderen Geschäften durchschnittlich verlangt werde, hat die Beklagte erstinstanzlich vorgetragen, sie weise auf die Preise hin, die zuvor von den Havaristen für die Ware verlangt worden seien. Dies werde aus der Verbindung von "ehemalig" mit "Marktpreis" auch deutlich. Der Begriff "Marktpreis" lasse zwar Interpretationen zu, diese führten aber nicht zu einer Irreführung des Verbrauchers. Vielmehr wisse der maßgebliche durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher, dass sie ihre Waren aus Versicherungsfällen, Geschäftsauflösungen, Lagerwechseln und ähnliche Notverkäufen vertreibe. Der Verbraucher gehe daher ohne weiteres davon aus, dass es sich um zuvor übliche im Regelfall von dem Havaristen einfach übernommene Preise handele. Dies treffe auch zu. Hierzu hat sich die Beklagte auf Angebote einer Firma C. vom 22.9.2000 (Anlage 1 = Bl.29) sowie einer Firma P.H.S.G. Co. bzw. K.R. aus Taiwan vom 27.3.2000 (Anlage 2 = Bl. 30) berufen, in denen - abgesehen von einer Abweichung um eine DM - als "empfohlener Verkaufspreis" die Beträge aufgeführt sind, die in der streitgegenständlichen Werbung als "ehemaliger Marktpreis" bezeichnet sind.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Der Verkehr werde zwar nicht annehmen, dass es sich bei den "Marktpreisen" um die ehemaligen Preise der Beklagten handele, weil deren Geschäftspolitik allgemein bekannt sei und der Verkehr wisse, dass ihr Sortiment häufig wechsele. Gleichwohl sei die Werbung aber irreführend. Auch im Rahmen der Geschäftspolitik der Beklagten erwarte der Verbraucher eine nachvollziehbare und überprüfbare Preisgrundlage und nicht nur, dass es sich um zuvor übliche Preise handele.

Dass es sich bei den durchgestrichenen Preisen tatsächlich um die wirklich verlangten Preise gehandelt habe, habe die Beklagte aber nicht substantiiert dargetan. Die beiden Angebotsschreiben aus dem Frühjahr und Herbst des Jahres 2000 bezüglich des Fun-Boards bzw. des Alurollers seien hierfür nicht tauglich, weil inzwischen ein erheblicher Preisverfall eingetreten sei.

Zur Begründung ihrer gegen dieses Urteil gerichteten Berufung trägt die Beklagte vor, der Begriff "Marktpreis" sei klar und eindeutig und die Angaben seien zutreffend. Unter dem Marktpreis verstehe der Verkehr den Preis, der an einem Handelsplatz für Waren einer bestimmten Gattung von durchschnittlicher Art und Güte zu einem bestimmten Zeitpunkt im Durchschnitt zu bezahlen sei. Aus diesem Grunde werde kein Verbraucher beim Lesen der Zeitungsanzeige auf die Idee kommen, die Beklagte meine den Preis des Havaristen und/oder die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers. Im übrigen habe sie durch die Angabe "ehemaliger" Marktpreis auch darauf hingewiesen, dass es sich bei den angegebenen Preisen nicht mehr um die aktuellen, sondern um diejenigen Marktpreise handele, die zu der Zeit gegolten hätten, als der Havarist die Ware auf dem Markt vertrieben habe. Damit scheide eine Irreführung aus, weil die Werbeanzeige - wie sie recherchiert habe - die ehemaligen Marktpreise zutreffend wiedergeben habe. Tatsächlich seien ihr - so hat die Beklagte in der mündlichen Berufungsverhandlung präzisiert - die so verstandenen Marktpreise nicht konkret bekannt gewesen, vielmehr habe sie diese lediglich geschätzt.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er wiederholt seine Auffassung, wonach der Begriff "ehemaliger Marktpreis" mehrdeutig ist und keine feste Vorstellung bei dem Verkehr hervorruft. Da die Beklagte in der Anzeige nicht deutlich gemacht habe, worauf sich die Preisangabe tatsächlich beziehe, sei die Bezugnahme auf diesen mehrdeutigen Begriff ohne weiteres zur Irreführung geeignet.

Dasselbe gelte auch dann, wenn man mit der Beklagten annehmen wolle, der Begriff meine eindeutig den Preis, der an einem bestimmten Platz für eine bestimmte Gattung von durchschnittlicher Art und Güte zu einem bestimmten Zeitpunkt im Durchschnitt bezahlt werde. Denn der Werbung lasse sich nicht entnehmen, auf welchem Markt zu welchem Zeitpunkt der als ehemalig angegebene Preis zu bezahlen gewesen sei. Darüber hinaus entsprächen die durchgestrichenen Preise auch nicht den ermittelten Durchschnittspreisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Die Klage, an deren Zulässigkeit auch im Hinblick auf die Klagebefugnis des Klägers aus § 13 Abs.2 Ziff. 2 UWG zu zweifeln kein Anlass besteht, ist begründet.

Bei der Gegenüberstellung des verlangten Preises mit einem früheren Preis muss zum einem für den interessierten Verbraucher klar sein, mit welchem konkreten Preis der verlangte Preis gegenüber gestellt wird. Zum anderen müssen die Angaben inhaltlich zutreffen (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22.Aufl., § 3 UWG Rdnr.294; Köhler/Piper UWG, 2.Aufl. § 3 Rn 390).

Aus der maßgeblichen Sicht der angesprochenen Verbraucher stellen die durchgestrichenen, auf Grund des Sternchenhinweises als "ehemaliger Marktpreis" bezeichneten Preise diejenigen Preise dar, die der Havarist am Markt verlangt hätte, wenn der Havariefall nicht eingetreten wäre, wie dies die Beklagt in erster Instanz selbst vorgetragen hat. Das liegt zum einen schon deswegen nahe, weil die Beklagte ihre Waren aus Versicherungsfällen, Geschäftsauflösungen, Lagerwechseln und Ähnlichem bezieht und der Verkehr - worauf die Beklagte selbst mit Recht hinweist - dies weiß. Denn der Havariefall stellt gerade den Grund dafür dar, dass die Ware nicht wie vorgesehen vom regulären Einzelhandel, sondern von einem Unternehmen vertrieben wird, das sich - wie die Beklagte - auf den Vertrieb von aus derartigen Fällen stammender Ware spezialisiert hat. Der Verkehr weiß auch, dass die Ware wegen der erlittenen Havarie deutlich günstiger angeboten wird, als sie bei regulärem Verlauf ohne Havarie von dem an sich vorgesehenen Einzelhändler vertrieben worden wäre. Vor diesem Hintergrund erwartet der Verbraucher durch die angegriffene Werbung mit durchgestrichenen Preisen eine Information darüber, um wie viel günstiger als im regulären, von dem Havaristen beabsichtigten Verkauf die Produkte bei der Beklagten zu haben seien. Es kommt hinzu, dass diese Erwartungshaltung durch die konkrete Aufmachung der Werbung noch verstärkt wird, indem es ausdrücklich in der Anzeige heißt: "Wettbewerbsverbot Wir konnten übernehmen!"

Soweit die Beklagte demgegenüber in ihrer Antwort auf die Abmahnung und unter Bezugnahme auf Vahlens Großes Wirtschaftslexikon in der Berufungsbegründung vorgetragen hat, der Verkehr verstehe unter dem Marktpreis den Preis, der an einem Handelsplatz durchschnittlich für die Ware verlangt werde, steht dies zum einen im Gegensatz zu seinem Vortrag in erster Instanz und berücksichtigt zum anderen weder die oben erörterten Besonderheiten des Vertriebs gerade von Havarieware, noch den konkreten Werbetext.

Die Werbung ist irreführend, weil die angegebenen durchgestrichenen Preise tatsächlich nicht diejenigen sind, die die Havaristen bei regulärem Vertrieb verlangt hätten. Die Beklagte hat überhaupt nur für die beiden oben erwähnten Produkte, nämlich das Fun-Board und den Aluroller, Preise genannt. Dabei handelt es sich indes nicht um die Preise, die tatsächlich verlangt worden wären, sondern um Preisempfehlungen der Hersteller, die überdies - wie die Kammer bereits zutreffend dargestellt hat - wegen ihres Alters und des zwischenzeitlichen Preisverfalls für die Gegenüberstellung untauglich waren.

Hinsichtlich sämtlicher anderen Produkte hat die Beklagte die von den Havaristen beabsichtigten Verkaufspreise im Verfahren nicht genannt und vorgetragen, dass ihre diesbezüglichen Angaben in der Werbung auf Schätzungen beruhten. Vor diesem Hintergrund ist die Werbung irreführend, weil der Verkehr aus den genannten Gründen die Endpreise der Havaristen und keine Schätzungen erwartet. Soweit die Beklagte sich darauf beruft, dass die Preise nur schwer und teilweise gar nicht zu ermitteln seien und zum Teil in derselben Werbung Angebote enthalten seien, zu denen ihr die Preise bekannt seien, und solche, zu denen dies nicht der Fall sei, ändert das an der Begründetheit der Klage nichts. Wenn die Beklagte sich nicht in der Lage sieht, die Verkehrserwartungen ohne Irreführung zu erfüllen, so obliegt es ihr, von der Werbung mit durchgestrichenen Preisen, die die Erwartung erweckt, es handele sich bei den durchgestrichenen um die beabsichtigten Preise der Havaristen, Abstand zu nehmen.

Dass die Irreführung auch von wettbewerblicher Relevanz ist, bedarf keiner näheren Begründung, weil dies die Beklagte zu Recht nicht in Abrede stellt.

Aus demselben Grunde ist die Berufung auch insoweit ohne weiteres zurückzuweisen, als sie sich - ohne spezielle Begründung - gegen die Verurteilung zur Zahlung des Betrages von 275,61 DM nebst Zinsen richtet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gem. § 543 ZPO liegen nicht vor.

Die Festsetzung der Beschwer der Beklagten entspricht dem Wert ihres Unterliegens im Rechtsstreit.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 20.140,91 €

Ende der Entscheidung

Zurück