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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 21.02.2001
Aktenzeichen: 6 U 120/00
Rechtsgebiete: UWG, ZPO


Vorschriften:

UWG § 3
ZPO § 713
ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 120/00 33 O 8/00 LG Köln

Anlage zum Protokoll vom 21.02.2001

Verkündet am 21.02.2001

Berghaus, JS als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 19. Januar 2001 unter Mitwirkung seiner Mitglieder Dr. Schwippert, Schütze und Pietsch

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 16.05.2000 verkündete Urteil der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 33 O 8/00 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Vielmehr hat das Landgericht den vom Kläger im Streitfall behaupteten Irreführungstatbestand im Sinne des § 3 UWG zurecht aus eigener Sachkunde verneint und das Unterlassungs- wie auch das auf Erstattung von Abmahnkosten gerichtete Zahlungsbegehren des Klägers zurückgewiesen. Auch die Begründung der Kammer überzeugt. Der Senat schließt sich ihr ausdrücklich an, macht sie sich gemäß § 543 Abs. 1 ZPO zu eigen und fasst nachfolgend zusammen, warum die vom Kläger behauptete Irreführung des Verkehrs nicht stattfindet und sein Berufungsvorbringen ihm deshalb keinen Anlass gibt, seinem Begehren zu entsprechen, die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, wie nachstehend in Schwarz-/ Weißkopie wiedergegeben eine Anbauwand unter Preisangabe zu bewerben, wenn zum angegebenen Preis ein Bausatz, bestehend aus Einzelteilen wie u. a. Brettern, Holzdübeln, Schrauben, Einschraubbolzen, Verbindungsbeschlägen, Topfband mit Montageplatte und Leim abgegeben wird:

Der aufmerksame und durchschnittlich informierte Verbraucher, auf den maßgeblich abzustellen ist (EuGH WRP 2000, 289 "Lifting-Creme"), stellt sich bei der Lektüre des werblichen Angebots der Beklagten nicht vor, das beworbene, fast 2 Meter hohe und über 2 Meter breite Möbel in Form einer Anbauwand sei bereits montiert oder jedenfalls in seinen wesentlichen Teilen vormontiert. Im Gegenteil: Der durchschnittlich informierte Verbraucher erwartet geradezu, dass er ein von einem SB-Möbelhaus zu einem Abholpreis angebotenes Möbel sogleich mitnehmen und mit seinem Pkw fortschaffen kann. Je größer das beworbene Möbelstück ist, um so mehr muss es aus Sicht des angesprochenen Verkehrs in Einzelteile zergliedert sein, damit es samt Verpackung in einem Kraftfahrzeug transportiert werden kann. Der Verkehr rechnet deshalb damit, dass sein handwerkliches Geschick gefordert ist, wenn er ein 2 x 2 Meter großes und damit ein recht sperriges, aber zur sofortigen Mitnahme bereitstehendes Abholmöbel erwirbt. Er weiß, dass er nach dem Transport des erworbenen Mobiliars zunächst eine mehr oder minder umfangreiche und zuweilen auch alles andere als leicht verständliche Anbauanleitung verinnerlichen muss, um sich in die Lage zu versetzen, die vorgefundenen Möbelteile unter Zuhilfenahme von Werkzeug zusammenzufügen. Bei dem Kauf eines Billigmöbels der beworbenen Art nimmt er in seiner Erwartungshaltung in Kauf, dass er zusammensetzen, ausrichten, schrauben, hämmern und gegebenenfalls auch leimen muss, um aus einer in Einzelteile zerlegten Anbauwand ein aus seiner Sicht ansehnliches, aber dennoch sehr preisgünstiges, im Streitfall weniger als 400,00 DM kostendes Möbelstück zu fertigen. Diese Verkehrserwartung liegt um so näher, als der Verkehr die gängige Praxis anderer großer in der Bundesrepublik Deutschland tätiger SB-Möbelhäuser, namentlich der weithin bekannten Schwedischen Firma IKEA, kennt, auch relativ sperrige Möbel so in Einzelteile zu zergliedern, dass sie mittels eines normalen Kraftfahrzeugs transportiert werden können.

Die Grenze zwischen zulässiger Bewerbung eines Abholmöbels und enttäuschter Verbrauchererwartung könnte allerdings dann überschritten sein, wenn entweder notwendiges Material wie Holzdübel, Schrauben, Muttern, Unterlegscheiben, Nägel, Holzkeile etc. nicht zum Lieferumfang gehörten oder das Möbel nicht mehr mit Werkzeug zusammengesetzt werden könnte, das sich normalerweise in einem Haushalt findet, und zu dem zumindest Kreuz- und Schlitzschraubenzieher, Hammer, Wasserwaage und Zange zählen, sofern nicht das für das Zusammensetzen eines Möbels benötigte Werkzeug wie zum Beispiel ein Imbussschlüssel bestimmter Größe mitgeliefert wird. Dass diese Grenze überschritten sein könnte, hat der Kläger indes nicht schlüssig dargetan. Das zum Aufbau des Möbels benötigte Material gehört unstreitig zum Lieferumfang, das Möbel kann unstreitig mit Haushaltswerkzeug aufgebaut werden. Soweit der Kläger vorgetragen hat, der von der Werbung der Beklagten angesprochene Verbraucher erwarte nicht, dass er zum Aufbau des beworbenen Möbels eine Bohrmaschine benötige, braucht nicht entschieden zu werden, ob das zutrifft. Denn aus der dem Käufer des Möbels von der Beklagten zur Verfügung gestellten Anbauleitung ergibt sich, dass eine Bohrmaschine nicht zum Aufbau des Möbels, sondern nur dann benötigt wird, wenn der Käufer das von ihm zusammengesetzte Möbel mit einem anderen Möbelstück verbinden möchte.

Der Einholung des vom Kläger beantragten demoskopischen Sachverständigengutachtens zur Feststellung der von ihm behaupteten abweichenden Verkehrsausffassung bedarf es nicht. Denn ungeachtet des Umstandes, dass für den angesprochenen Verkehr der vom Kläger herausgehobene Unterschied zwischen "fertiggestellten Elementen" einerseits und dem in seinem Klageantrag aufgenommenen Wort "Bausatz" andererseits nur in der Begrifflichkeit existiert, aber real verschwimmt, können die Mitglieder des Senats die Feststellung, der angesprochene Verkehr werde nicht irregeführt, ebenso wie die Mitglieder der Kammer aufgrund eigener Anschauung und Erfahrung treffen. Denn es ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters, aufgrund seiner eigenen Sachkunde und Lebenserfahrung zu beurteilen, welcher Aussagegehalt einer beanstandeten Angabe zukommt. Das gilt zwar vornehmlich für Fälle, in denen der Richter für sich selbst eine Irreführung bejaht, ist aber nicht von vornherein ausgeschlossen in den Fällen, in denen - wie hier - das Verständnis einer beanstandeten Aussage nach den Grundsätzen der Lebenserfahrung die Gefahr einer Irreführung als nicht naheliegend erscheinen lässt (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und auch des Senats; vgl. statt vieler: BGH GRUR 1992, 874, 875 "Hyanit" und Senat, Urteil vom 16.02.2001 in dem Rechtsstreit 6 U 121/00, jeweils m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Wert der Beschwer des Klägers übersteigt 60.000,00 DM nicht.



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