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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 19.12.2008
Aktenzeichen: 6 U 125/08
Rechtsgebiete: BGB, BBahnG, AEG
Vorschriften:
BGB § 1004 | |
BBahnG § 36 Abs. 1 a.F. | |
AEG § 11 | |
AEG § 23 |
Tenor:
1.) Die Berufung der Klägerin gegen das am 4.6.2008 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 14 O 451/07 - wird zurückgewiesen.
2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4.) Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Wegen des Sachverhalts wird gem. § ##1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Die Berufung räumt ein, dass die Grundstücke der Klägerin in P., Gemarkung X., Flur ##., Flurstücke ##1 und ##2, ursprünglich als Ladestraße dem öffentlichen Eisenbahnverkehr gewidmet waren; sie wendet sich allerdings dagegen, dass das Landgericht angenommen hat, dass diese Grundstücke nicht entwidmet worden seien.
II.
Die Berufung, mit der die Klägerin ihre erstinstanzlichen Anträge gerichtet auf Unterlassung der Benutzung der Grundstücke und Zahlung von 3.566 € und Zinsen weiterverfolgt, hat keinen Erfolg. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass einem Unterlassungsanspruch der Klägerin aus § 1004 BGB wie auch einem Zahlungsanspruch der Klägerin die fortbestehende Widmung der streitgegenständlichen Grundstücke für Zwecke des öffentlichen Bahnverkehrs entgegensteht.
1. Eine Entwidmung setzt, wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, von der abzuweichen der Senat keine Veranlassung sieht, insbesondere erstens einen hoheitlichen Akt der Bundesbahn als der damals zuständigen Behörde und zweitens voraus, dass dieser Akt in einer geeigneten Weise bekanntgemacht wird, so dass für jedermann klare Verhältnisse geschaffen werden, ob und welche bisher als Bahnanlagen dienende Flächen künftig wieder für andere Arten von Nutzungen offen stehen (vgl. BVerwGE 81, 111, bei juris Tz. 31).
2. Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der streitgegenständlichen Grundstücke nicht erfüllt.
a) (1) Es kann nicht festgestellt werden, dass die Bundesbahn durch den Verkauf der Grundstücke als Teil des damaligen Flurstücks ##3 im Jahr 1966 sowie die sachenrechtliche Übertragung des Flurstücks ##3 auf die Eisenwerke H KG (im Folgenden: H) endgültig die Nutzung des auf diesem Grundstück befindlichen Ladegleises samt Ladestraße für Zwecke des öffentlichen Bahnverkehrs aufgeben wollte. Bedenken bestehen insofern zunächst, in den privatrechtlichen Rechtsgeschäften zugleich einen öffentlichrechtlichen Hoheitsakt zu sehen. Zudem ist nicht auszuschließen, dass die Bundesbahn die Nutzung des Ladegleises und der Ladestraße für den öffentlichen Bahnverkehr solange nicht aufgeben wollte, wie das geplante neue Ladegleis nicht errichtet und in Betrieb genommen worden war. Diesem Verständnis des Verhaltens der Bundesbahn steht die zivilrechtliche Übertragung des Grundstücks nicht entgegen. Denn der Vertrag ergibt auch dann einen Sinn, wenn er lediglich die zivilrechtliche Verpflichtung der Bundesbahn enthielt, die Grundstücke nach Realisierung der Pläne zur Errichtung des neuen Ladegleises zu entwidmen; die Übernahme dieser Verpflichtung wäre allerdings von der Durchführung der Entwidmung zu unterscheiden. Diese Unsicherheiten gehen zu Lasten der für die Tatsachen, aus denen sich die Entwidmung ergeben soll, beweisbelasteten Klägerin.
(2) Darüber hinaus fehlt es an der für eine Entwidmung nötigen Publizität. Da die Nutzung des Ladegleises und der Ladestraße nach der Veräußerung des Grundstücks unverändert geblieben ist, wäre eine von der Bundesbahn beabsichtigte Freistellung der Grundstücke für andere Nutzungszwecke nicht für jedermann, sondern nur für die Vertragsparteien erkennbar gewesen. Dies war in dem Kaufvertrag der Bundesbahn mit H dadurch angelegt, dass H sich verpflichtete, der Genossenschaft, die ebenfalls auf eine Nutzung des Ladegleises für Zwecke des Bahnverkehrs angewiesen war, den Zugang zum Gleis zu gestatten.
Nicht ausreichend ist es insofern, dass der Q Kreis als die damals zuständige Baubehörde H für die Errichtung eines Gebäudes auf dem Flurstück ##3 eine Baugenehmigung erteilt hat. Zwar ergibt sich daraus, dass der Q Kreis davon ausging, die Planungshoheit über das fragliche Grundstück erlangt zu haben. Es kann aber zum einen nicht festgestellt werden, dass die Kenntnis des Qn Kreises auf einer Bekanntmachung durch die hierfür allein zuständige Bundesbahn beruhte. Zum anderen würde die Kenntnis lediglich des Qn Kreises nicht genügen, da - wie ausgeführt - eine Bekanntmachung gegenüber "jedermann" erforderlich ist, also eine an die Öffentlichkeit gerichtete Verlautbarung. Es mag dahinstehen, in welcher Form die Verlautbarung erfolgen muss. Jedenfalls kann aus der Kenntnis der Baubehörde in einem Verwaltungsverfahren nicht auf eine an die Öffentlichkeit gerichtete Bekanntmachung geschlossen werden.
b) Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin auf das Schreiben von H an die Bundesbahn vom 26.4.1968. Diesem lassen sich nur die Planungen Hs entnehmen, nicht aber eine hoheitliche und mit der nötigen Publizität versehene Tätigkeit der Bundesbahn.
c) Aus dem Rückerwerb des Grundstücks mit dem Ladegleis im Jahr 1972 und der gleichzeitigen Einräumung eines Nutzungsrechts der Bundesbahn an den Grundstücken mit der Ladestraße, das der Bundesbahn durch eine befristete, sonst aber an keine Voraussetzungen geknüpfte Kündigung entzogen werden konnte, ergibt sich ebenfalls keine Entwidmung der streitgegenständlichen Grundstücke. Auch insofern gilt zunächst, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Bundesbahn beim Abschluss dieses Vertrages plante, die Nutzung der Ladestraße zum Zweck des öffentlichen Bahnbetriebs erst zu dem Zeitpunkt endgültig aufzugeben, zu dem sie zivilrechtlich hierzu verpflichtet gewesen wäre und sich durch eine weitere Nutzung jedenfalls schadensersatzpflichtig gemacht hätte, nämlich nach Beendigung der Nutzungsvereinbarung durch Kündigung.
Zudem fehlt es an der erforderlichen Bekanntmachung der Nutzungsänderung durch die Bundesbahn. Denn die Nutzung der Ladestraße durch die Bundesbahn blieb nach außen hin unverändert und die vertragliche Ausgestaltung der Nutzungsgestattung durch H, namentlich die Kündigungsmöglichkeit, ist nicht bekanntgemacht worden.
Zu Unrecht macht die Berufung geltend, das Landgericht habe nicht hinreichend zwischen Ladegleis und Ladestraße differenziert. Denn die Ladestraße teilt das öffentlich-sachenrechtliche Schicksal des Ladegleises. Zu einer Bahnanlage im Sinne des § 36 Abs. 1 BBahnG a.F. gehören auch die Grundflächen, die zur Abwicklung des der Aufgabenstellung einer öffentlichen Eisenbahn entsprechenden Bahnbetriebes benötigt werden, so etwa die dem Güterumschlag und Ladeverkehr dienenden Flächen von Bahnhöfen (BVerwGE 81, 111. bei juris Rz. 21). Daher umfasst eine Bahnanlage auch solche Anlagen, die das Be- und Entladen ermöglichen oder auch nur fördern (vgl. BVerwGE 102, 269, bei juris Rz. 21).
d) Durch die Aufgabe der Ladetätigkeit auf dem Ladegleis und die damit verbundene Beendigung der Nutzung der streitgegenständlichen Grundstücke als Ladestraße sind die Grundstücke der Klägerin ebenso wenig entwidmet worden wie durch die Einstellung des Bahnbetriebs auf der Bahnstrecke, zu der das Ladegleis gehört. Insofern ist jeweils ein hoheitlicher Akt der Bundesbahn nicht feststellbar; zudem fehlt es an einem Verhalten der Bundesbahn, aus dem für jedermann erkennbar gewesen wäre, dass die Ladestraße endgültig der Nutzung für den öffentlichen Bahnverkehr entzogen werden sollte. Die Klägerin hat nichts zu einer Bekanntmachung der Bundesbahn vorgetragen, nach der nicht lediglich der Bahnverkehr auf dieser Strecke eingestellt, sondern die Bahnstrecke als solche endgültig aufgegeben werden sollte. Zwar hat die Bundesbahn das Bahnhofsgebäude im Jahr 1979 verkauft, die Gleisgrundstücke hat sie bzw. ihr Rechtsnachfolger jedoch bis zum Oktober 2005 in ihrem Eigentum behalten und die Gleise nicht entfernt. Für die Öffentlichkeit konnte es daher nicht als ausgeschlossen erscheinen, dass der Bahnverkehr auf der Strecke und die Benutzung des Ladegleises samt Ladestraße, für die das Bahnhofsgebäude nicht erforderlich war, zu gegebener Zeit wieder aufgenommen würde.
e) Schließlich hat auch die Genehmigung der dauernden Stilllegung des Betriebes auf der Bahnstrecke R - Y im Jahr 1997 nicht eine Entwidmung der Grundstücke bewirkt. Das Landgericht hat, wie das BVerwG in einer zwischenzeitlich bei juris veröffentlichten Entscheidung (Urteil vom 12.3.2008 - 9 A 3/06) bestätigt hat, zutreffend ausgeführt, dass die Stilllegung gemäß § 11 AEG idF vom 27.12.1993 nur die Betriebspflicht des Eisenbahninfrastrukturunternehmens (hier der C Bahn) entfallen lässt, dagegen nichts an der durch die eisenbahnrechtliche Planfeststellung vermittelten Zweckbindung der Bahnanlagen ändert.
f) Jedenfalls ab dem Inkrafttreten des § 23 AEG am 30.4.2005 konnte eine Entwidmung nur noch nach dieser Vorschrift durch eine Freistellung von Bahnbetriebszwecken mittels eines förmlichen Verfahrens erfolgen. Ein solches Verfahren ist hinsichtlich der streitgegenständlichen Grundstücke bisher nicht durchgeführt worden. Bereits deshalb ist die von der Klägerin zwischenzeitlich erklärte Kündigung der Nutzungsvereinbarung nicht geeignet, den öffentlich-sachenrechtlichen Status der Grundstücke zu verändern.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
4. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, denn die Entscheidung beruht allein auf der Anwendung der hinreichend geklärten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Anforderungen an eine Entwidmung von Bahnanlagen auf einen Einzelfall.
5. Streitwert für das Berufungsverfahren: 33.566 € (Beschluss vom 8.9.2008).
Ende der Entscheidung
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