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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 12.10.2007
Aktenzeichen: 6 U 135/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 296 Abs. 2
ZPO § 331 a
ZPO § 379
ZPO § 379 Satz 2
ZPO § 402
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 18. Mai 2006 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn (14 O 29/06) unter Ziff. 1. des Urteilstenors dahin abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, der Klägerin Auskunft zu erteilen (nicht: Rechnung zu legen) und dass die Pflicht zur Angabe der Gestehungskosten und des erzielten Gewinns entfällt.

Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

2. Der Beklagten werden auch die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung hinsichtlich der Verurteilung zur Auskunftserteilung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,00 € abwenden, sofern nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Vollstreckung des Kostenerstattungsanspruchs kann die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Klägerin ist vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) die Zulassung für das Pflanzenschutzmittel "U. T." erteilt worden, das den Wirkstoff Quizalofop-P enthält. Die Beklagte, die jedenfalls in der Vergangenheit Handel mit landwirtschaftlichen Grundstoffen unter der Marke "S." betrieben hat, bot von Oktober bis Dezember 2005 ein Pflanzenschutzmittel mit der Bezeichnung "Quizalofop-p-Ethyl 50 g/l EU-Import" an, das im europäischen Wirtschaftsraum über keine eigene Zulassung verfügte. Die Beklagte gab als Referenzmittel das Produkt "U. T." an und berief sich auf die für dieses Mittel erteilte Zulassung unter Hinweis auf die chemische Identität.

Die Klägerin behauptet, im Vergleich zu "U. T." weise das von der Beklagten angebotene Produkt erhebliche Wirkstoffverunreinigungen auf, die außerhalb der zugelassenen Spezifikation lägen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zur Rechnungslegung zu verurteilen und festzustellen, dass sie verpflichtet sei, ihr, der Klägerin, allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch den in der Bundesrepublik Deutschland erfolgten Vertrieb des Pflanzenschutzmittels "RC-Quizalofop-p-Ethyl 50 g/l" entstanden ist und noch entsteht.

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt und behauptet, das von ihr angebotene Pflanzenschutzmittel sei in allen wesentlichen Einzelheiten chemisch identisch mit dem von der Klägerin in Deutschland auf den Markt gebrachten Mittel "U. T.". Den Wirkstoff Quizalofop-p-Ethyl habe sie über einen chinesischen Zwischenhändler nicht anders als die Klägerin vom Original-Hersteller O. bezogen und das inhaltsgleiche Mittel dann in Österreich herstellen lassen.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt; wegen der Einzelheiten der geltend gemachten Rechnungslegung wird auf den Urteilstenor des Landgerichts unter Ziff. 1. Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung weiter. Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen sämtlicher weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten und vorgetragenen Schriftsätze Bezug genommen. Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen I. über die Frage, ob die Beklagte den Wirkstoff Quizalofop von der Produktionsfirma O. bezogen hat. Auf das Protokoll vom 30.03.2007 (Bl. 523 ff. d. A.) wird Bezug genommen. Er hat ferner durch Beweisbeschluss vom 16.05.2007 die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage angeordnet, ob das von der Beklagten angebotene Pflanzenschutzmittel stofflich identisch mit dem von der Klägerin vertriebenen Referenzmittel ist, und der Beklagten die Einzahlung eines Honorarvorschusses aufgegeben. Die fristgerechte Einzahlung des Vorschusses ist aus von der Beklagten im Termin vom 24.08.2007 dargelegten Gründen unterblieben und, nachdem im Hinblick darauf die Beweiserhebung abgebrochen und Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt worden war, nachträglich erfolgt.

Nachdem der Prozessbevollmächtigte der Beklagten im letzten zweitinstanzlichen Verhandlungstermin erklärt hat, keinen Antrag zu stellen, hat die Klägerin den Antrag aus der Berufungserwiderung wiederholt und beantragt nunmehr eine Entscheidung nach Lage der Akten.

II.

Die Berufung der Beklagten bleibt - worüber gemäß § 331 a ZPO zu entscheiden war - überwiegend erfolglos, nachdem sie den ihr aufgegebenen Auslagenvorschuss nicht eingezahlt und der Senat deshalb davon auszugehen hat, dass keine Stoffidentität zwischen dem von ihr vertriebenen Pflanzenschutzmittel "Quizalofop" und dem angegebenen Referenzmittel der Klägerin "U. T." besteht. Angesichts dessen hat die Berufung nur insoweit Erfolg, als sie sich gegen die Verurteilung zur Rechnungslegung wendet. Der Klägerin steht nämlich lediglich ein Auskunftsanspruch mit eingeschränktem Umfang zu. Dazu ist im Einzelnen Folgendes auszuführen:

1.

Der Schadensersatzfeststellungsantrag - Klageantrag zu 2. - ist begründet.

a)

Die Beklagte verfügte, als sie im Jahre 2005 das in Rede stehende Pflanzenschutzmittel dem Verkehr anbot, über keine Zulassung der zuständigen Behörde. Nach der damaligen Rechtslage - die seit der Novellierung des Pflanzenschutzgesetzes im Jahre 2006 überholt ist - hätte sie das Mittel in Deutschland dennoch in den Verkehr bringen dürfen, wenn es mit einem in der Bundesrepublik zugelassenen Mittel stofflich identisch gewesen wäre (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, vgl. BGHZ 126, 270 - Zulassungsnummer I; BGH GRUR 1996, 372 - Zulassungsnummer II; BGH GRUR 2003, 254 - Zulassungsnummer III). Den Beweis der von ihr behaupteten Stoffidentität hat die Beklagte nicht erbracht, da sie den ihr auferlegten Auslagenvorschuss nicht rechtzeitig eingezahlt hat. Die ihr in dem Senatsbeschluss vom 16.05.2007 gesetzte Zahlungsfrist (13.06.2007) hat die Beklagte unbeachtet gelassen. Die Einzahlung ist erst am 27.07.2007 bei der Gerichtskasse vorgenommen worden, nachdem die Parteien bereits zu einem neuen Termin geladen worden waren. Die Beauftragung des Sachverständigen gemäß dem Senatsbeschluss vom 16.05.2007 hatte daher nach § 379 Satz 2 in Verbindung mit § 402 ZPO zu unterbleiben. Eine dennoch erfolgte Beauftragung des Sachverständigen hätte nämlich die auf den 24.08.2007 bestimmte abschließende mündliche Verhandlung unmöglich gemacht und das Verfahren weiter verzögert.

Unterbleibt im Hinblick auf die §§ 379, 402 ZPO die Beauftragung eines Sachverständigen, so hindert dies allerdings die Partei grundsätzlich nicht daran, den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens bis zur letzten mündlichen Verhandlung aufrecht zu erhalten. Das Gericht hat dann zu entscheiden, ob es dem Beweisantrag noch stattgibt oder ihn unter den Voraussetzungen des § 296 Abs. 2 ZPO zurückweist (vgl. BGH NJW 1998, 761, 762). Einen entsprechenden Antrag hat hier die Beklagte in der abschließenden Berufungsverhandlung nicht gestellt, da sie sich schließlich entschlossen hat, in diesem Termin keinen Sachantrag zu stellen. Wäre der Antrag gestellt worden, so hätte er - wie der Senat bereits in der Berufungsverhandlung erläutert hat - nach § 296 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen werden müssen, weil die Verspätung dieses Antrags auf grober Nachlässigkeit beruht hätte und - wie bereits ausgeführt - die Erledigung des Rechtsstreits verzögert hätte. Die Gründe, welche seitens der Beklagten für die verspätete Zahlung des Auslagenvorschusses im Termin vom 24.08.2007 vorgebracht worden sind, belegen deren grobe Nachlässigkeit. In dem Senatsbeschluss vom 16.05.2007 war unter dessen Ziff. 4. unmissverständlich die Beklagte und nicht die Klägerin aufgefordert worden, den Honorarvorschuss für den Sachverständigen einzuzahlen. In dem vorangegangenen Termin vom 30.03.2007 hatte der Senat mit den Parteien auch bereits eingehend erörtert, dass und warum die Vorschusspflicht die Beklagte treffe. Nachdem die vom Senat gesetzte Frist abgelaufen und ein entsprechender Hinweis des Senats von dem Büro der Prozessbevollmächtigten der Beklagten an letztere weitergeleitet worden ist, ist weiterhin nichts in die Wege geleitet worden, weil sich ein Mitarbeiter auf den anderen ohne Abstimmung verlassen hat. Das alles kann nur als überaus leichtfertig bezeichnet werden.

b)

Der Senat hat die Beklagte auch zu Recht als beweisbelastet angesehen und ihr daher die Zahlung des Auslagenvorschusses aufgegeben. In jeweils eher beiläufigen Bemerkungen hat der BGH in dem der Entscheidung Zulassungsnummer II zu Grunde liegenden Streitfall die Beweislast für den Identitätsnachweis der Pflanzenschutzmittel bei der beklagten Partei (vgl. GRUR a.a.O., S. 373 unter 2.), in dem der Entscheidung Zulassungsnummer III zu Grunde liegenden Fall die Darlegungslast für die fehlende Identität der beiderseitigen Produkte bei dem Kläger gesehen (GRUR a.a.O., S. 255 r. Sp.).

Der hier zu entscheidende Fall zeichnet sich dadurch aus, dass die Beklagte die stoffliche Identität der in Rede stehenden Mittel behauptet, obgleich ihr die Zulassungsformulierung erklärtermaßen unbekannt ist (vgl. GA 298). Die Zulassungsformulierungen im Einzelnen sind beim zuständigen Bundesamt (BVL) auch nicht in Erfahrung zu bringen, weil sie der Geheimhaltung unterliegen. Würde in dieser Situation der klagenden Partei die vollständige Darlegungs- und Beweislast aufgebürdet, so hätte sie in den jeweiligen Verfahren zunächst die bis dato geheimen Unterlagen zu offenbaren, um überhaupt darlegen zu können, dass das von der Beklagtenseite in den Verkehr gebrachte Mittel qualitativ oder quantitativ andere als die in der Zulassung beschriebenen Inhaltsstoffe aufweise. Das hält der Senat nicht für zumutbar.

Die Beklagte ihrerseits muss, wenn sie die Verkehrsfähigkeit ihres Mittels in Bezug auf ein Referenzprodukt - dessen Zulassungsformulierungen sie nicht kennt - nicht nur ins Blaue hinein behauptet hat, eine vergleichende Untersuchung ihres Produktes mit dem am Markt vertriebenen Referenzprodukt veranlasst haben. Es ist daher zunächst ihre Sache, den Nachweis zu führen, dass die jeweiligen am Markt angebotenen Produkte unter Berücksichtigung der rechtlich zulässigen Toleranzen stoffidentisch sind. Bei Führung dieses Beweises spräche zunächst eine Vermutung dafür, dass das von der beklagten Partei vertriebene Mittel auch den in der Zulassung beschriebenen Einzelheiten gerecht würde. Wenn die klagende Partei diese Vermutung nicht gelten lassen wollte, hätte sie alsdann die Möglichkeit, unter nunmehriger Offenlegung der Zulassungseinzelheiten den Nachweis für das Gegenteil zu führen. Wie dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist, könnten derartige Fallkonstellationen praktisch werden, wenn etwa Abweichungen der Wirkstoffmengen der beiden am Markt angebotenen Mittel sich - eigentlich - innerhalb der zulässigen Toleranzgrenzen bewegen, die Toleranzgrenze im Vergleich zu der in der Zulassung beschriebenen Wirkstoffmenge aber nur bei dem von dem Zulassungsinhaber veräußerten Mittel eingehalten wird.

c)

Ist demnach verfahrensrechtlich davon auszugehen, dass die Beklagte, ohne selbst Zulassungsinhaberin zu sein, sich auf ein nicht stoffgleiches Pflanzenschutzmittel eines Konkurrenten als Referenzmittel bezogen hat, so steht auch fest, dass sie schuldhaft gegen die Bestimmungen des Pflanzenschutzgesetzes als Marktverhaltensregelungen (§ 4 Nr. 11 UWG) verstoßen hat.

d)

Der von der Beklagten auch zweitinstanzlich geltend gemachte Verjährungseinwand greift nicht durch. Der Senat macht sich insoweit die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil unter Ziff. III zu eigen.

2.

a)

Der mit dem Klageantrag zu 1. verfolgte Rechnungslegungsanspruch ist nicht begründet.

Anstelle einer Auskunft kann die weiterreichende Rechnungslegung nur dann beansprucht werden, wenn der Gläubiger die Wahl zwischen der sogenannten dreifachen Schadensberechnung (entgangener Gewinn, Herausgabe des Verletzergewinns, fiktive Lizenzgebühr) hat. Das kommt in Betracht bei der Verletzung absoluter Immaterialgüterrechte, im Bereich des Wettbewerbsrechts aber nur bei den Fällen der identischen Leistungsübernahme und der Verletzung von Betriebsgeheimnissen (BGH GRUR 1981, 517, 520 - Rollhocker; BGH GRUR 1986, 673, 676 - Beschlagprogramm; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Aufl., UWG, § 9 Rn. 4.7; Piper/Ohly, UWG, 4. Aufl., § 9 Rn. 66). Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor. Der Klägerin stehen auch keine Exklusivrechte zu, die eine Ausdehnung der angeführten Rechtsprechung auf die hier gegebene Fallkonstellation rechtfertigen würden. Nach der oben unter Ziff. 1. a) wiedergegebenen höchstrichterlichen Rechtsprechung waren neben der Klägerin als Zulassungsinhaberin auch Konkurrenten befugt, stoffidentische Pflanzenschutzmittel am deutschen Markt anzubieten.

b)

In dem gestellten Rechnungslegungsanspruch ist indessen als Minus das vom Senat zuerkannte Auskunftsbegehren enthalten. Der Stellung eines förmlichen Hilfsantrags, wie ihn die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 31.01.2007 (dort unter Ziff. 2. a)) angeboten hat, bedurfte es daher nicht.

Da die Klägerin, wie oben ausgeführt, nicht die Wahl der dreifachen Schadensberechnung hat, sondern auf die konkrete Schadensberechnung beschränkt ist, erstreckt sich die Auskunft auf die Verletzungshandlung nach Art, Umfang und Dauer. Aus Umsatz und Gewinn des Schuldners kann dagegen im Allgemeinen kein Rückschluss auf den Schaden des Gläubigers gezogen werden (vgl. Piper/Ohly a.a.O., Rn. 56; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kapitel 38, Rn. 18); die Klägerin kann daher, wie die Beklagte in der Berufungsbegründung mit Recht geltend gemacht hat, keine Angaben über deren Gestehungskosten und deren erzielten Gewinn verlangen. Dagegen steht ihr nach Treu und Glauben ein Anspruch darauf zu, dass ihr die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger mitgeteilt werden, was bei anderen Fallgestaltungen nicht immer die Regel sein muss (vgl. BGH GRUR 1987, 647, 648 - Briefentwürfe). Hier ist die Klägerin aber im Rahmen der konkreten Schadensberechnung auf diese Angaben angewiesen, weil sie die konkrete Schadensermittlung wesentlich erleichtern. Sofern es sich bei den Angebotsempfängern nämlich um ansonsten eigene Kunden der Klägerin handeln sollte, läge der Rückschluss auf der Hand, dass dieser Kunde ohne das (günstigere) Angebot der Beklagten das Pflanzenschutzmittel ein weiteres Mal bei der Klägerin geordert hätte.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO in Verbindung mit § 92 Abs. 2 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Anlass für eine Zulassung der Revision besteht nicht. Der unter Ziff. 1. b) behandelte Frage der Beweislastverteilung kommt jedenfalls seit der Novellierung des Pflanzenschutzgesetzes keine grundsätzliche Bedeutung mehr zu.

Ende der Entscheidung

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