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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 25.02.2005
Aktenzeichen: 6 U 139/04
Rechtsgebiete: StVG, PflVG


Vorschriften:

StVG § 2 Abs. 1
PflVG § 3 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 02. Juli 2004 verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 28 O 549/03 - geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die gegen sie gerichtete Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Kostenbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Die Klägerin handelt mit Kraftfahrzeugen. Neben der Zeugin T. ist auch ihr Ehemann, der Zeuge Q., gelegentlich für sie tätig. Vor gut zwei Jahren verursachte ein Versicherungsnehmer der Beklagten auf der Bundesautobahn A 7 einen Unfall, bei dem ein von dem Zeugen Q. gesteuertes Fahrzeug schwer beschädigt und der Zeuge verletzt wurde. Zwischen den Parteien steht die alleinige Haftung der Beklagten für diesen Unfall außer Streit. Mit der Behauptung, der Zeuge Q. habe zum Unfallzeitpunkt einen Bargeldbetrag von 42.000,00 € mit sich geführt, der ihm anlässlich des Unfalls abhanden gekommen sei, hat die Klägerin die Beklagte auf Zahlung dieses Betrages nebst Zinsen in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Zeugen T. und Q. zu den Behauptungen der Klägerin als Zeugen vernommen, der Zeuge Q. habe am 17.02.2003 einen Bargeldbetrag in Höhe von 42.000,00 € mit sich geführt und dieses Geld sei bei dem Unfall am 17.02.2002 verloren gegangen. Anschließend hat es die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Den Zahlungsanspruch hat es auf § 7 Abs. 1 StVG in Verbindung mit § 3 Nr. 1 PflVersG gestützt. Zur Begründung seiner Entscheidung, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 95 ff. d.A.), hat es im wesentlichen ausgeführt, aufgrund der glaubhaften Bekundungen der vernommenen Zeugen stehe fest, dass der Zeuge Q. den Bargeldbetrag wie von der Klägerin behauptet, mit sich geführt habe. Wenn auch aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht feststehe, dass der Verlust des Geldbetrages durch den Unfall kausal herbeigeführt worden sei, könne sich die Klägerin mit Erfolg auf die Grundsätze des Anscheinsbeweises berufen. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie beantragt, die angefochtene Entscheidung zu ändern und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt die angefochtene Entscheidung als richtig. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. II. Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt zur Änderung der angefochtenen Entscheidung und Abweisung der Klage, weil die Grundsätze des Anscheinbeweises unter den im Streitfall obwaltenden Umständen nicht zugunsten der Klägerin streiten und sie deshalb für ihre Behauptung, ihr seien bei dem Unfall 42.000,00 € abhanden gekommen, beweisfällig geblieben ist. Im Ausgangspunkt teilt der Senat die Auffassung des Landgerichts, dass es der Klägerin nicht gelungen ist, zu beweisen, dass der Unfall vom 17.02.2003 in adäquat kausaler Weise den Verlust des Geldbetrages in Höhe von 42.000,00 € zur Folge hatte. Denn weder die Zeugin T. noch der Zeuge Q. waren in der Lage, den Verlust des Geldes anlässlich des Unfalls vom 17.02.2003 als richtig zu bestätigen. Hat die Klägerin damit aus den vom Landgericht genannten und vom Senat in Bezug genommenen Gründen den ihr grundsätzlich obliegenden Vollbeweis nicht geführt, wäre eine andere Beurteilung der Sach- und Rechtslage allenfalls dann angezeigt, wenn der Klägerin eine Beweiserleichterung, hier in Form des Anscheinbeweises, zugute käme. Das ist jedoch entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht der Fall. Nach der Rechtsprechung und der einhelligen Auffassung im juristischen Schrifttum (vgl. die Nachweise bei Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 64. Auflage 2005, Vorbemerkung § 249 Rn. 163) wird die dem Geschädigten obliegende Beweisführung im Einzelfall durch die von der Rechtsprechung herausgebildeten Grundsätze des Anscheinbeweises erleichtert. Steht danach ein Sachverhalt fest, der nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder einen bestimmten Geschehensablauf hinweist, so ist diese Ursache oder dieser Ablauf, wenn der Fall das Gepräge des Üblichen und Gewöhnlichen trägt, als bewiesen anzusehen. Der Anscheinsbeweis bedeutet dabei nicht, dass die beweisbelastete Partei ihre Darstellung nur wahrscheinlich zu machen braucht. Der streng nachgewiesene Teilsachverhalt und allgemeine oder besondere Erfahrungsgrundsätze müssen vielmehr zusammen die volle Überzeugung des erkennenden Gerichts von der Richtigkeit des behaupteten Geschehensablaufs begründen. Die Beweislast kehrt der Anscheinsbeweis nach allgemeiner Meinung nicht um. Greift der Anscheinsbeweis, ist er nur dann entkräftet, wenn der Gegner Tatsachen vorträgt und im Bestreitensfalle auch beweist, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit des anderen Geschehensablaufs ergibt. Kann der Schaden auf mehrere typische Geschehensabläufe zurückzuführen sein, von denen nur einer zur Haftung des in Anspruch genommenen Schädigers führt, muss der Geschädigte diesen Ablauf beweisen, sofern auch die anderen Abläufe ernsthaft in Betracht kommen. Erschütternd ist der Anscheinsbeweis nämlich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. aus jüngerer Zeit z.B. BGH, Urteil vom 05.10.2004, NJW 2004, 3623, 3624 = ZIP 2004, 2226 ff. = BB 2004, 2484 ff. = DB 2004, 2577 ff. = MMR 2004, 812 ff.), wenn unstreitig oder vom Inanspruchgenommenen bewiesen wird, dass ein schädigendes Ereignis durch zwei verschiedene Ursachen mit jeweils typischen Geschehensabläufen herbeigeführt worden sein kann und jede für sich allein den Schaden verursacht haben kann. Haftet der Inanspruchgenommene in einem solchen Fall nur für eine der möglichen Ursachen, sind die Regeln über den Anscheinsbeweis nicht anwendbar. Dabei kommt es noch nicht einmal darauf an, ob die eine oder andere Verursachungsmöglichkeit nach den Erfahrungen des täglichen Lebens die wahrscheinlichere ist (BGH, a.a.O.). Damit scheidet die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises im Streitfall aus: Nach dem eigenen Sachvortrag der Klägerin hat der Zeuge Q. den Verlust des Geldes nämlich erst einige Tage nach dem Unfallgeschehen bemerkt. Anders als in dem Fall, der der Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 15.06.1978 (VersR 1979, 1066) zugrundelag, kommen im Streitfall damit verschiedene Schadensursachen mit jeweils typischen Geschehensabläufen in Betracht: Der Bargeldbetrag kann dem Zeugen Q. nicht nur während seines Krankenhausaufenthaltes am Unfalltag, sondern auch in der Folgezeit abhanden gekommen sein, als er sich wegen seines sich verschlechternden Zustandes einige Tage zu Hause im Bett aufhielt. Der Diebstahl des Geldes im Krankenhaus oder aber ein Abhandenkommen des Geldes in den eigenen Wohnräumlichkeiten liegt als Schadensursache genauso nahe wie ein Verlust des Geldes beim Unfallgeschehen selbst. Einen Lebenserfahrungssatz des Inhalts, dass ein fünf Tage nach einem Unfall festgestellter Verlust von Bargeld darauf zurückzuführen ist, dass der Geldbetrag beim Unfall und nicht erst später abhanden gekommen ist, gibt es nicht. Zu einer anderen Beurteilung führt auch nicht die von der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat für die Richtigkeit ihrer gegenteiligen Rechtsauffassung ins Feld geführte Entscheidung des 6. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 10.12.1996 (veröffentlicht u.a. in NJW 1997, 865 f.). Dort hat der Bundesgerichtshof den Zurechnungszusammenhang zwischen der Beschädigung eines Fahrzeugs unter dem Verlust eines Gegenstandes entgegen der unrichtigen Sachdarstellung der Klägerin nämlich lediglich für den Fall bejaht, dass die Entwendung des Gegenstandes noch am Unfallort (prima facie) feststeht. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Anlass, gemäß § 543 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, besteht ersichtlich nicht. Es handelt sich um eine Entscheidung im Einzelfall, die im wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet liegt und der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum prima-facie-Beweis Rechnung trägt.

Ende der Entscheidung

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