Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 02.04.2004
Aktenzeichen: 6 U 17/98
Rechtsgebiete: BVerGG


Vorschriften:

BVerGG § 95 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 17/98

Anlage zum Verkündungsprotokoll vom 02.04.2004

verkündet am 02.04.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 17.3.2004 unter Mitwirkung seiner Mitglieder

Dr. Schwippert, Pietsch und von Hellfeld

für Recht erkannt:

Tenor:

1.) Auf die Berufung der Beklagten wird das am 18.12.1997 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 84 O 92/97 - teilweise abgeändert und im Hauptausspruch insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

2.) Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

3.) Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat der Kläger zu tragen.

4.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % der zu vollstreckenden Summe abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Parteien können die Sicherheiten durch eine schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstitutes leisten.

5.) Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einem Vertragsstrafeversprechen, über dessen Zustandekommen die Parteien gestritten haben, in Anspruch und verlangt wegen zweier Verstöße die Zahlung von (2 X 20.000 DM =) 40.000 DM nebst Zinsen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes erster Instanz wird gem. §§ 543 Abs.1 ZPO a.F., 26 Ziff.5 EGZPO auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Nachdem der Senat in einer ersten Entscheidung vom 28.8.1998 der Berufung des Klägers stattgegeben und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen hatte, hat das Bundesverfassungsgericht durch Beschluss vom 15.1.2004 jenes Senatsurteil wegen Verletzung der Grundrechte der Beklagten aus Art.5 Abs.1 S.2 GG aufgehoben und die Sache an den Senat zurückverwiesen (1 BvR 1807/98). Zwischenzeitlich hatte der Senat in dem Verfahren 6 U 227/00 OLG Köln eine ebenfalls auf die streitgegenständliche Unterlassungserklärung gestützte weitere Klage des Klägers abgewiesen und auf die dort erhobene Widerklage festgestellt, dass der von dem Kläger in Anspruch genommene Vertragsstrafevertrag nicht bestehe. Die Annahme der Revision des Klägers gegen diese Entscheidung hat der BGH gem. § 554 b ZPO a.F. abgelehnt.

Der Kläger hält seine Auffassung aufrecht, wonach ein Unterlassungsvertrag wirksam zustande gekommen sei, und meint, der Senat sei diesbezüglich an seine ursprüngliche Auffassung gebunden, weil das Bundesverfassungsgericht diese einfachgesetzliche Frage nicht überprüft und sich nur mit der Vereinbarkeit der Senatsentscheidung mit Art. 5 GG befasst habe. Dem stehe auch die Rechtskraft des Feststellungsausspruches nicht entgegen, zumal der Rechtsstreit 6 U 227/00 OLG Köln nicht gegen die Beklagte des vorliegenden Verfahrens geführt worden sei. Im übrigen liege bei Würdigung der Gesamtumstände, die das BVerfG lediglich als durch den Senat nicht vollständig vorgenommen angesehen habe, auch ein Verstoß gegen Art. 5 GG nicht vor.

Der Kläger beantragt,

1.) das Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 84 O 92/97 - vom 18.12.1997 teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag hinaus weitere 20.000 DM nebst 4 % Zinsen ab dem 8.4.1997 zu zahlen;

2.) die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

1.) das Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 84 O 92/97 - vom 18.12.1997 teilweise abzuändern und die Klage in vollem Umfange abzuweisen;

2.) die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie behauptet, die Beklagte des Verfahrens 6 U 227/00 OLG Köln sei mit ihr identisch, sieht den Senat an die in jenem Verfahren rechtskräftig getroffene Feststellung, wonach ein Vertrag nicht zustande gekommen sei, gebunden und meint, aus den Gründen der verfassungsgerichtlichen Entscheidung würde ihre Verurteilung einen Verstoß gegen Art.5 GG darstellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten führt nunmehr zur vollständigen Abweisung der Klage; demgegenüber hat die ebenfalls zulässige Berufung des Klägers keinen Erfolg.

Die auf § 339 BGB gestützten Zahlungsansprüche bestehen ungeachtet der verfassungsrechtlichen Problematik schon deswegen nicht, weil es an dem erforderlichen strafbewehrten Unterlassungsvertrag fehlt. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 24.8.2001 (6 U 227/00) auf die in jenem Verfahren erhobene Widerklage rechtskräftig festgestellt, dass ein derartiger Vertragsstrafevertrag nicht bestehe. Damit ist die Frage einer erneuten Prüfung zwischen den Parteien entzogen.

Ohne Erfolg beruft sich der Kläger hierzu darauf, dass jenes Senatsurteil zwischen ihm und der S. U. GmbH ergangen sei, während er das vorliegende Verfahren gegen die S. Q. Deutschland Fernsehen GmbH & Co KG führe. Denn beide Gesellschaften sind identisch. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 24. 8.2001 (6 U 227/00) - eingangs des Tatbestandes - als unstreitig festgestellt, dass die dortige Beklagte, die S. U. GmbH, durch Anwachsung und Umfirmierung aus der früheren S. Q. Deutschland Fernsehen GmbH & Co KG entstanden sei, ohne dass der Kläger dem entgegengetreten wäre. Überdies hatte der Kläger in jenem später eingeleiteten Verfahren (und dem weiteren Rechtsstreit 6 U 174/00 OLG Köln) die S. U. GmbH auch gerade mit der Begründung in Anspruch genommen, diese sei Rechtsnachfolgerin der früheren S. Q. Deutschland Fernsehen GmbH & Co KG, für die - wie aus der Anlage B 1 (= Bl.15) ersichtlich ist - die streitige Unterlassungserklärung abgegeben worden war. Schließlich ergibt sich die Entwicklung von der früheren S. Q. Deutschland Fernsehen GmbH & Co KG zur heutigen S. U. GmbH auch aus dem Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 10.3.2004, dem der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten ist. Im übrigen ist es unverändert die Überzeugung des Senats, dass aus den in der Entscheidung im Verfahren 6 U 227/00 im einzelnen dargelegten Gründen ein Vertrag nicht zustande gekommen ist. Daher wäre, wenn die Rechtskraft jener Entscheidung nicht unmittelbar im Verhältnis zu der Beklagten des vorliegenden Verfahrens gelten würde, mit derselben Begründung ohnehin erneut zu Lasten des Klägers zu entscheiden.

Ebenfalls ohne Erfolg trägt der Kläger vor, der Senat sei nach der Aufhebung seiner ersten Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht nur zur Prüfung der Vereinbarkeit einer Verurteilung der Beklagten mit Art.5 GG aufgerufen, während er an seine Entscheidung gebunden sei, soweit sie - wie in der Frage des Vertragsschlusses - auf einfachgesetzlicher Grundlage beruhe.

Diese Auffassung, die darauf hinausliefe, eine rechtskräftige Feststellung ignorieren zu müssen, trifft nicht zu. Es entspricht für die verfahrensrechtliche Situation der Aufhebung eines Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht im Revisionsverfahren durch den BGH gefestigter Rechtsprechung, dass das Berufungsgericht in der sich dann anschließenden zweiten Berufungsverhandlung auch über jene Teile des Streitstoffes neu und ungebunden zu entscheiden hat, auf denen die Aufhebung seiner ersten Entscheidung nicht beruhte. Der BGH hat hierzu ausgeführt (NJW 95,1637), das Berufungsgericht, das nach Aufhebung und Zurückverweisung erneut zu entscheiden habe, sei in der tatrichterlichen Würdigung im Interesse einer zusammenfassenden Prüfung des gesamten Sachverhalts frei. Es sei nicht an früher getroffene Tatsachenfeststellungen, an eine vorausgegangene Beweiswürdigung oder an die in dem aufgehobenen Urteil geäußerten Rechtsansichten gebunden, selbst wenn das Revisionsgericht sie teile (vgl. auch BGH NJW 69,661; 93,2103; Walchshöfer in MünchKomm-ZPO, § 565 Rdnr.13; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21.Aufl., § 565 Rn.6; Zöller-Vollkommer, ZPO, 24. Auflage, § 318 Rn 12).

Ebenso verhält es sich in der vorliegenden Situation, in der nicht durch den BGH, sondern gem. § 95 Abs.2 BVerfGG durch das Bundesverfassungsgericht das Senatsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung an den Senat zurückverwiesen worden ist. Auch dabei wird - wie es das Bundesverfassungsgericht formuliert hat (BVerfGE 92, 158,188) - "die angegriffene Entscheidung rückwirkend beseitigt und das Ausgangsverfahren in den Stand vor ihrem Erlass zurückversetzt" (vgl. auch Schmidt-Bleibtreu in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, Stand Juli 2002, § 95 Rn 26). Dabei kann - wie das BVerfG in einer, soweit ersichtlich (noch) nicht veröffentlichten, Entscheidung vom 19.2.2004 (1 BvR 417/98) ausgeführt hat - "das Oberlandesgericht als Tatsacheninstanz umfänglich neu entscheiden". Es gilt daher sachlich nichts anderes als bei einer zurückverweisenden Rechtsmittelentscheidung innerhalb des fachgerichtlichen Instanzenzuges etwa gem. § 318 ZPO (so ausdrücklich Umbach/Clemens-Rennert, BVerfGG 1992, § 95 RZ 63).

Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings in seiner bereits erwähnten Entscheidung BVerfGE 92,158,188 und schon zuvor in der Entscheidung BVerfGE 89,381, 395 ausgeführt, dass unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise Anlass dazu bestehe, die in § 95 Abs.2 BVerfGG vorgesehene Rechtsfolge der rückwirkenden Aufhebung zu modifizieren. Eine Beschränkung des Rechtsfolgenausspruches, insbesondere eine Begrenzung der Aufhebung in sachlicher, formeller oder zeitlicher Hinsicht sei zulässig, wenn die uneingeschränkte Aufhebung zu Rechtsfolgen führen würde, die durch Sinn und Zweck der Verfassungsbeschwerde nicht zu rechtfertigen und weniger erträglich seien als die teilweise Aufrechterhaltung einer verfassungswidrigen Entscheidung. Eine derartige Beschränkung hat das Bundesverfassungsgericht im vorliegenden Fall aber nicht vorgenommen. Für sie bestand auch kein Anlass: die erwähnten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts betrafen adoptionsrechtliche Fälle, in denen auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts noch nicht feststand, ob die angegriffene Adoption letztlich von Bestand sein würde. In dieser Situation hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass der Rechtsfolgenausspruch grundsätzlich auf die Beseitigung der Rechtskraft des Adoptionsbeschlusses zu beschränken sei, weil die am Annahmeverfahren Beteiligten ein schutzwürdiges Interesse daran haben, dass der durch den Adoptionsbeschluss begründete Status nicht verändert werde, solange noch nicht feststehe, ob das Vormundschaftsgericht nach Gewährung des rechtlichen Gehörs die Voraussetzungen für eine Adoption verneinen oder weiterhin bejahen werde. Mit derartigen Fallkonstellationen, in denen ein letztlich unnötiger mehrfacher familienrechtlicher Statuswechsel vermieden werden soll, hat das vorliegende Verfahren ersichtlich keine Gemeinsamkeiten.

Aus diesen Gründen steht fest, dass der Senat in seiner neu zu treffenden Entscheidung nur an die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, nicht aber, und auch nicht in Teilen, an seine frühere, von dem Bundesverfassungsgericht gerade in vollem Umfange aufgehobene Entscheidung gebunden ist. Die damit gegebene Parallelität zu der Situation der Aufhebung und Zurückverweisung eines Berufungsurteils durch das Revisionsgericht ist im übrigen entgegen der in der mündlichen Verhandlung von dem Kläger geäußerten Auffassung auch sachgerecht, weil auch das Revisionsgericht - ungeachtet seiner gegenüber dem Bundesverfassungsgericht weitergehenden, sämtliche Rechtsfragen betreffenden Prüfungskompetenz - ebenfalls das gesamte Berufungsurteil auch dann aufhebt, wenn es nur in einem die Entscheidung tragenden Prüfungspunkt einen Rechtsfehler feststellt.

Steht damit fest, dass die Rechtskraft des Feststellungsausspruches des Senats im Verfahren 6 U 227/00 OLG Köln auch im vorliegenden Verfahren zu beachten ist, so ist der Senat der Prüfung der - im übrigen höchst zweifelhaften - Fragen enthoben, ob die verfassungsgerichtliche Entscheidung überhaupt einen Spielraum zu Gunsten des Klägers offen lässt und gegebenenfalls dessen Voraussetzungen erfüllt sind.

Der Schriftsatz des Klägers vom 24.3.2004 hat vorgelegen, die dortigen Rechtsausführungen geben zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlass.

Angesichts des dargelegten Umstandes, dass die früher als S. Q. Deutschland Fernsehen GmbH & Co KG im Geschäftsleben auftretende Beklagte nunmehr als S. U. GmbH firmiert, hat der Senat auf Antrag der Beklagten das Rubrum entsprechend abgeändert.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs.1, 97 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gem. § 543 ZPO liegen nicht vor.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 20.451,66 € (= 40.000 DM).

Ende der Entscheidung

Zurück