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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 21.06.2000
Aktenzeichen: 6 U 18/00
Rechtsgebiete: ZPO, UWG
Vorschriften:
ZPO § 543 Abs. 1 | |
ZPO § 91 | |
UWG § 1 |
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
6 U 18/00 31 O 845/99 LG Köln
Anlage zum Protokoll vom 21.06.00
Verkündet am 21.06.00
Berghaus, JS z.A. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In dem einstweiligen Verfügungsverfahren
pp.
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 26. Mai 2000 durch seine Mitglieder Dr. Schwippert, Schütze und Pietsch
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Antragsgegnerinnen wird das am 18. November 1999 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 855/99 - abgeändert.
Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 8. September 1999 wird aufgehoben und der Verfügungsantrag zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfügungsverfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.
Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Antragsgegnerinnen hat Erfolg und führt zur Abweisung des Verfügungsantrages.
Das Landgericht hat mit der angefochtenen Entscheidung den Antragsgegnerinnen Werbeaussagen untersagt, mit der sie - beide Tochtergesellschaften der T. AG - im Sommer 1999 die bevorstehende Möglichkeit angekündigt haben, auf der Grundlage ihrer Zusammenarbeit mit dem Handy über das D 1-Netz der Antragsgegnerin zu 2. mittels Online-Zugangs durch die Antragsgegnerin zu 1. im Internet surfen zu können. Die Tarifstruktur, bei der keine Gebühren bei dem Zugangsprovider "T-Online", sondern lediglich die während des Surfens im Internet entstehenden Telefongebühren von 0,39 DM pro Min. berechnet worden, sind in Presseinformationen mit Ankündigungen vorgestellt worden, in denen sinngemäß jeweils darauf hingewiesen wurde, dass nur Telefongebühren, aber keine Online-Gebühren anfielen und auf die später noch im einzelnen zurückzukommen sein wird.
Der Auffassung des Landgerichts, dass diese Werbeaussagen gegen § 1 Abs. 1 Zugabeverordnung verstießen, vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
Eine Zugabe liegt vor, wenn eine Leistung ohne besondere Berechnung neben einer entgeltlich angebotenen Hauptware oder -leistung angekündigt, angeboten oder gewährt wird, der Erwerb der Nebenleistung vom Abschluss des Geschäfts über die Hauptleistung abhängig ist und dabei in der Weise ein innerer Zusammenhang besteht, dass die Nebenleistung mit Rücksicht auf den Erwerb der Hauptleistung gewährt wird und das Angebot wegen dieser Abhängigkeit objektiv geeignet ist, den Kunden in seiner Entscheidung zum Erwerb der Hauptleistung zu beeinflussen. Eine Zugabe kann danach immer nur eine von der Hauptware oder Hauptleistung verschiedene, zusätzlich in Aussicht gestellte oder gewährte Nebenleistung sein. Werden dagegen die beiden in Rede stehenden Waren oder Leistungen vom Verkehr als eine Einheit angesehen, so ist eine Zugabe begrifflich ausgeschlossen (ständige Rechtsprechung: vgl. BGH BRP 1999, 90/91 - "Handy für 0,00 DM" -; BGH WRP 1999, 424/427 - "Bonusmeilen" -; BGH GRUR 1998, 500/501 - "Skibindungsmontage" - jeweils mit weiteren Nachweisen; vgl. auch Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Aufl., Rdnr. 2 zu § 1 Zugabeverordnung m.w.N.). Die Frage, ob eine gesondert ausgewiesene Leistung eine sachlich zur Hauptleistung gehörende Verbesserung bzw. eine mit dieser zusammengefasste Einheit oder aber eine besondere Nebenleistung darstellt, beurteilt sich dabei maßgeblich anhand der Auffassung des angesprochenen Verkehrs, die wiederum durch das Geschäftsgebaren des Werbenden sowie die Art und Weise beeinflusst wird, wie dieser das fragliche Angebot in der Werbung präsentiert.
Bei Zugrundlegung dieser Maßstäbe kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Verkehr den ihm als kostenlos dargestellten Online-Zugang als Nebenleistung, die Nutzung des Mobilfunknetzes der Antragsgegnerin zu 2. hingegen als Hauptleistung ansieht.
Den am Internet interessierten Kreisen der Bevölkerung ist geläufig, dass sie für die Internet-Nutzung zunächst einen Zugangsprovider benötigen, der ihnen gewissermaßen die Tür zum Internet überhaupt erst öffnet, und dass während des Surfens im Internet Telefongebühren anfallen. Ihm ist bewusst, dass im Ansatz beide Leistungen nicht kostenlos angeboten werden, er mithin Gebühren sowohl an den Zugangsprovider als auch an die Telefongesellschaft zu entrichten hat, wobei die Telefongesellschaften eigene, von den sonstigen Telefonentgelten unabhängige Tarife anbieten. Die Kostenstruktur der Zugangsprovider kann unterschiedlich sein. Zunächst war es üblich, dass die Zugangsprovider neben einer Grundgebühr eine weitere "verbrauchsabhängige" Gebühr für den Verbindungsaufbau verlangten; demgegenüber ist jetzt auch ein sogenannter Provider-Festpreis anzutreffen. Von der traditionellen Nutzung des Internets über das Festnetztelefon ist der Verbraucher daher grundsätzlich an die doppelte Gebührenlast - einerseits Provider, andererseits Telefongesellschaft - gewöhnt. Daran ändert auch nichts der Umstand, dass bei einer Kooperation oder einer Verflechtung des Providers mit der Telefongesellschaft im Außenverhältnis zum Kunden die Abrechnung der unterschiedlichen Leistungen einem Unternehmen allein übertragen werden kann. So ist es nach der Darstellung der Antragstellerin beispielsweise bei dem Tarif "T-Online pur" der Antragsgegnerin zu 1., der auch die vollständigen Telefongebühren enthält.
An dieser Ausgangsbeurteilung des Verkehrs ändert sich nichts, wenn ihm nun die Möglichkeit präsentiert wird, anstelle des Festnetztelefons den Mobilfunk für den Internet-Zugang zu nutzen. Er wird richtig folgern, dass er unverändert einen Zugangsprovider benötigt und sich lediglich die Art des Telefonnetzes geändert hat. Dann aber nimmt er nicht an, dass die Leistung des Zugangsproviders nur eine Nebensache zu der "Hauptware Telefonieren" ist. Vielmehr weiß er, dass er ohne die Hilfe eines Zugangsproviders nicht in die Gelegenheit versetzt wird, im Internet überhaupt surfen zu können. Eine angebotene Leistung kann im Sinne der Zugabeverordnung nur dann "Zugabe" sein, wenn bei ihrem Wegfall das Angebot der Hauptleistung noch möglich ist. Das aber ist gerade auch aus der Sicht des Verkehrs nicht der Fall, wenn kein Zugangsprovider verfügbar ist. Den Internetinteressierten ist bekannt, dass ein Surfen im Internet mit dem alsdann anfallenden Telefongebühren die vorherige Öffnung des Internetzugangs durch den Provider voraussetzt.
Aus den konkret angegriffenen einzelnen Werbeaussagen der Antragsgegnerinnen folgt nichts anderes:
(1)
Die Aussage "mobiles Internet für T-D1-Kunden for free" ist bei isolierter Betrachtung - die Antragsgegnerinnen haben ihn auch in einen erläuternden Kontext gestellt - unrichtig, weil auch die T-D1-Kunden keine Sekunde im Internet surfen können, ohne dass Kosten (nämlich Telefongebühren) anfallen. Auf diese inhaltliche Unrichtigkeit kommt es indessen zugaberechtlich nicht an, und die Antragstellerin hat in der Berufungsverhandlung nochmals ausdrücklich klargestellt, dass sie den Verfügungsantrag nicht auf einen Irreführungstatbestand stützt. Zugaberechtlich gilt folgendes: Die Verbraucher, welche den angegriffenen Satz - sachlich zutreffend - dahin verstehen, dass nur Gebühren der Telefongesellschaft in Rechnung gestellt werden, aber keine Gebühren des Zugangsproviders, sehen aus den oben genannten Gründen in der Leistung des Providers keine "Nebenleistung", weil ihm dessen Angebot den Zugang zum Internet erst ermöglicht. Derjenige Verbraucher, der - inhaltlich unrichtig - annimmt, neben dem Grundpreis aus dem Netzkartenvertrag fielen bei der Internetnutzung keinerlei nutzungsabhängige Gebühren mehr an, ist in die Irre geführt. Auch er wertet indessen die kostenlose und damit überaus lukrative Nutzung des Internets aber nicht als "Nebenleistung" zum Netzkartenvertrag des Mobilfunkunternehmers. Er betrachtet vielmehr dann die Möglichkeit der insoweit unentgeltlichen Internetnutzung als einheitliche Hauptleistung, die er nicht "geschenkt erhält", sondern über die Grundgebühr abbezahlt.
(2)
Nichts anderes gilt für die Aussage "wir haben damit quasi einen Internet for free-Tarif eingeführt, denn die Kunden zahlen keine Online-Gebühren mehr, nur die T-D1-Gebühren" sowie
(3)
für den Satz "wir haben uns entschlossen, für die mobil surfenden Kunden die T-Online-Gebühren komplett auf null zu setzen. Die Kunden zahlen lediglich die T-D1-Gebühren. Dass heißt, es fallen keine sonstigen zeitabhängigen T-Online-Gebühren an".
Beide Sätze machen klar, dass für die Nutzung des Internets lediglich die Telefongesellschaft Gebühren berechnet, der Anbieter des Online-Zugangs aber nicht. Da der Zugang zum Internet über einen Provider indessen Voraussetzung für das surfen im Internet ist, wertet der Verkehr eine kostenlos in Aussicht gestellte Provider-Leistung nicht als Nebenleistung; auf das oben Gesagte kann verwiesen werden.
(4)
Schließlich greift die Antragstellerin noch die Werbeankündigung an "so bietet T-Online den T-D1-Kunden von T-Mobil einen eigenen T-Online Account ohne zusätzlichen Grund- und Bereitstellungspreis. Das surfen im Internet via T-D1 ist dann kostenlos. Gezahlt wird nur für die Verbindung von T-D1-Netz zu T-Online". Insoweit wird sprachlich die inhaltliche Aussage der Werbeankündigungen zu (2) und (3) wiederholt.
Scheidet damit ein Verstoß gegen die Zugabeverordnung aus, so liegt auch eine Wettbewerbswidrigkeit nach § 1 UWG, auf die sich die Antragstellerinnen - in zweiter Linie - auch berufen haben, nicht vor. Der in der Antragsschrift herangezogene Aspekt des "übertriebenen Anlockens" greift hier nicht. Es kann den am Internet-Geschäft beteiligten Providern und Telefongesellschaften nicht verwehrt sein, im Wege einer Kooperation zu vereinbaren, dass nur einer von ihnen Gebühren in Rechnung stellt. Für den Internet-Nutzer hat dies den Vorteil einer einfacheren Gebührenabrechnung. Ist demnach eine derartige Tarifstruktur an sich nicht zu beanstanden, so handeln die Unternehmen auch nicht unlauter, wenn sie in ihrer Werbung betonen, dass für eine der beiden Leistungen - hier des Providers - eigene Kosten nicht anfallen. Der Verbraucher ist an Mischkalkulationen im T.munikationsgeschäft gewöhnt. Er weiß, dass die Antragsgegnerinnen unter einem Konzerndach vereinte Schwestergesellschaften sind und wird sich richtig sagen, dass die Antragsgegnerin zu 2. aus den vereinnahmten Telefongebühren einen internen Ausgleich mit der Antragsgegnerin zu 1. vornimmt.
Der Verfügungsantrag war daher mit der Kostenfolge des § 91 ZPO zurückzuweisen.
Ende der Entscheidung
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