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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 10.01.2003
Aktenzeichen: 6 U 181/02
Rechtsgebiete: UWG, Anwaltliche BO


Vorschriften:

UWG § 1
Anwaltliche BO § 12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 181/02

Anlage zum Verkündungsprotokoll vom 10.1.2003

verkündet am 10.1.2003

pp.

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 4.12.2002 unter Mitwirkung seiner Mitglieder

Dr. Schwippert, Schütze und von Hellfeld

für Recht erkannt:

Tenor:

1.) Die Berufung des Klägers gegen das am 30.8.2002 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Aachen - 43 O 70/02 - wird zurückgewiesen.

2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % der zu vollstreckenden Summe abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Parteien können die Sicherheiten durch eine schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstitutes leisten.

4.) Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I

Die Parteien sind Rechtsanwälte. Sie stehen bzw. standen sich als anwaltliche Vertreter der Parteien einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung gegenüber. Der Beklagte nahm Anfang Mai 2002 zuerst fernmündlich und dann mit Schreiben vom 3.5.2002 unmittelbar Kontakt mit dem Mandanten des Klägers auf, um ihn zur Abgabe bestimmter Erklärungen zu veranlassen.

Der Kläger sieht hierin einen Verstoß gegen §§ 1 und 3 UWG in Verbindung mit anwaltlichem Standesrecht und verlangt Unterlassung sowie die Erstattung vorprozessualer Kosten in Höhe von 804,50 €. Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, ein Verstoß gegen die in Betracht kommende Vorschrift des § 12 der anwaltlichen Berufsordnung (BO) begründe einen Anspruch aus § 1 UWG nicht.

Im Berufungsverfahren wiederholt und vertieft der Kläger seine Auffassung, wonach ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch gegeben sei.

Der Beklagte verteidigt das Urteil und trägt - erstmals im Berufungsrechtszug - vor, wie es zu dem streitgegenständlichen Telefonat gekommen und dieses verlaufen sei.

II

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Allerdings trifft es zu, dass der Beklagte durch die Kontaktaufnahme mit dem Mandanten des Klägers gegen § 12 BO verstoßen hat. Das gilt auch unter Berücksichtigung seiner nunmehr aufgestellten Behauptung, dieser habe vor dem streitgegenständlichen Anruf gegenüber einem Zeugen B. erklärt, er habe dem Kläger das Mandat entzogen und warte auf einen Anruf des gegnerischen Anwaltes, also von ihm, dem Beklagten, bzw. von der gegnerischen Partei selber. Nachdem der Mandant des Klägers in dem Telefonat erklärt habe, tatsächlich habe er dem Kläger das Mandat nicht entzogen, habe er, der Beklagte, das Gespräch sofort beendet. Denn selbst wenn das zutrifft, rechtfertigt die Verhaltensweise des Mandanten des Klägers zumindest nicht das anschließend noch unter dem 3.5.02 an diesen gesandte Schreiben, mit dem der Beklagte - ohne dass Gefahr im Verzuge vorlag, die dies gem. § 12 Abs.2 BO hätte rechtfertigen können - die Abgabe bestimmter, die zugrundeliegende Auseinandersetzung betreffender Erklärungen verlangt hat. Es kann daher auch die zweifelhafte Frage offen bleiben, ob die Behauptungen des Beklagten überhaupt Berücksichtigung finden könnten, obwohl sie erst in zweiter Instanz erstmals aufgestellt worden sind (§ 531 Abs.2 ZPO).

Der Verstoß gegen das in § 12 Abs.1 BO festgeschriebene standesrechtliche Verbot, ohne Einwilligung des Rechtsanwaltes eines anderen Beteiligten mit diesem unmittelbar Verbindung aufzunehmen oder zu verhandeln, kann aber nicht als sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG angesehen werden und löst daher einen Unterlassungsanspruch aus dieser Norm nicht aus. Dabei kann dahinstehen, ob die Bestimmung des § 12 Abs.1 BO eine wertbezogene Norm darstellt, bei deren Verletzung in der Regel ein Sittenverstoß vorliegt und damit ein Anspruch aus § 1 UWG begründet ist (vgl. Köhler/Piper UWG, 2.Aufl. § 1 Rn 627 ff m.w.N.). Für die Einordnung als wertbezogene Norm spricht allerdings der Umstand, dass diese dem Schutz des anwaltlich vertretenen Mandanten und damit dem Gemeinwohlinteresse an der Funktionsfähigkeit einer geordneten Rechtspflege und an einem fairen Verfahren dient (vgl. BVerfG NJW 01,3325,3326). Die Frage kann deswegen offen bleiben, weil auch ein Verstoß gegen wertbezogene Normen nur dann einen Anspruch aus § 1 UWG auslösen kann, wenn die Vorschrift ihrerseits einen Bezug zum Wettbewerb aufweist (vgl. BGH WRP 01,255,258 - "Verbandsklage gegen Vielfachabmahner" zu § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO). Daran fehlt es. Die Bestimmung dient nicht dem Zweck, die Verhältnisse auf dem Markt zu regeln, auf dem die Rechtsanwälte miteinander in Wettbewerb stehen. Vielmehr hat die Vorschrift allein das Ziel, den juristischen Laien, der sich zur Wahrung seiner Interessen eines Rechtsanwaltes bedient, vor einer unmittelbaren Inanspruchnahme durch den gegnerischen Anwalt zu schützen. Der betreffende Rechtssuchende soll insbesondere vor einer Übervorteilung bewahrt werden, die auf Grund eines überlegenen juristischen Wissens des gegnerischen Anwalts drohen kann. Eine Regulierung des Marktes bewirkt die Vorschrift, auch wenn sie damit dem Gemeinwohlinteresse an der Funktionsfähigkeit einer geordneten Rechtspflege und an einem fairen Verfahren dient (vgl. BVerfG a.a.O.), nicht.

Entgegen der Auffassung des Klägers wird dieser durch die vorliegende Entscheidung nicht in seinen Grundrechten aus Art.12 oder 14 GG verletzt. Beide Verfassungsnormen stehen, soweit sie überhaupt einschlägig sein können, unter Gesetzesvorbehalt. Dass die vorstehend vorgenommene Auslegung des § 1 UWG die grundrechtlich geschützte Berufsausübungsfreiheit oder die Eigentumsgarantie des Art.14 GG nicht hinreichend berücksichtigen könnte, ist schon deswegen ausgeschlossen, weil dem Kläger - wie bereits das Landgericht ausgeführt hat - die Möglichkeit offensteht, den Beklagten für sein standeswidriges Verhalten im Rahmen eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens zur Verantwortung zu ziehen.

Auch der auf Zahlung von 804,50 € nebst Zinsen gerichtete Antrag zu 2) ist unbegründet. Da der Unterlassungsanspruch nicht besteht, steht dem Kläger auch der Ersatz der Abmahnkosten nicht zu. Es kann daher auch auf sich beruhen, aus welchen Gründen der in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht gestellte Klageantrag zu 2) nicht in den Tatbestand des angefochtenen Entscheidung aufgenommen worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711, 108 Abs.1 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gem. § 543 ZPO liegen nicht vor.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 10.804,50 €

Ende der Entscheidung

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