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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 31.03.2000
Aktenzeichen: 6 U 183/99
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, HGB


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 890
ZPO § 286 Abs. 1
ZPO § 284 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 288 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 2
BGB § 343
HGB § 348
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 183/99 42 O 27/99 LG Aachen

Anlage zum Protokoll vom 31.03.2000

Verkündet am 31.03.2000

Berghaus, J.S.'in z.A. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 18. Februar 2000 durch seine Mitglieder Dr. Schwippert, Schütze und Pietsch

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 10.09.1999 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Aachen - 42 O 27/99 - teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.100,-- DM nebst 4% Zinsen seit dem 23.02.1999 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen, die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache zum Teil Erfolg. Der Kläger kann von der Beklagten aufgrund der von ihr unter dem 30.06.1997 abgegebenen strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe in Höhe von 10.100,00 DM verlangen, allerdings nur ein- und nicht zweimal.

Seinerzeit hatte die Beklagte versprochen, es bei Vermeidung einer für jeden Fall künftiger Zuwiderhandlung an den Kläger zu zahlenden Vertragsstrafe in Höhe von 10.100,00 DM zu unterlassen, für die Präparate G.-Harnstoffcreme 1% gelb und G. Bufexamaccreme 1% weiß einen bestimmten, bildlich wiedergegebenen Beipackzettel zu verwenden und für die Präparate in zwei bestimmten, ebenfalls bildlich wiedergegebenen Formen zu werben. Entsprechend dem damals geltend gemachten Unterlassungsbegehren hat die Beklagte damit die Verpflichtung übernommen, es künftig zu unterlassen, die genannten Präparate G.-Harnstoffcreme 1% gelb und G.-Bufexamaccreme 1% weiß unter Hinweis auf die Krankheiten "Psoriasis" und "Ichthyosis" zu bewerben, obschon die Präparate für diese Krankheiten nicht indiziert sind, und es außerdem zu unterlassen, für die genannten Präparate zu werben, ohne die erforderlichen Pflichtangaben nach § 4 Abs. 1 des Heilmittelwerbegesetzes zu machen.

Gegen diese von ihr übernommene Unterlassungsverpflichtung hat die Beklagte, was auch das Landgericht nicht in Zweifel gezogen hat, durch die Veröffentlichung der Werbeanzeige in der Zeitschrift "Ratgeber aus der Apotheke" vom 01.12.1998 schuldhaft verstoßen. Denn dort werden wiederum die G.-Harnstoff-creme gelb und die G.-Bufexamaccreme weiß ohne Wiedergabe der Pflichtangaben nach § 4 Abs. 1 des Heilmittelwerbegesetzes beworben. Darüber hinaus behauptet die Beklagte wiederum, ihre G.-Harnstoffcreme gelb und ihre G.-Bufexamaccreme weiß könnten unter anderem Ichthyosis und Psoriasis selbst dann heilen, wenn die Krankheit über Jahrzehnte habe ertragen werden müssen. Damit wirbt die Beklagte wiederum in nahezu identischer Form mit einem Hinweis auf die für ihre Produkte nicht indizierten Krankheiten "Ichthyosis" und "Psoriasis". Dass die Beklagte durch das Weglassen der Angabe der Wirkstoffkonzentration "1%" den Kernbereich der zur Unterlassung versprochenen Handlung nicht verlassen hat, ist selbstverständlich und bedarf keiner weiteren Begründung.

Soweit demgegenüber das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, der schuldhafte Verstoß gegen die übernommene Unterlassungsverpflichtung habe eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten gleichwohl nicht zur Folge, weil der Senat in der Werbeanzeige vom 01.12.1998 einen Verstoß gegen das Unterlassungsgebot in Ziffer I. des in dem einstweiligen Verfügungsverfahren 6 W 88/95 Oberlandesgericht Köln ergangenen Beschlusses des Senats vom 29.09.1995 gesehen und der Beklagten deshalb durch Beschluss vom 19.08.1999 (6 W 33/99) ein Ordnungsgeld von 10.000,00 DM auferlegt hat, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Vielmehr entspricht es entgegen der Darstellung des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung der ganz herrschenden Auffassung in der Rechtsprechung und Literatur, dass die Verhängung eines Ordnungsgeldes nach § 890 ZPO die Geltendmachung einer Vertragsstrafe wegen derselben Handlung nicht hindert (vgl. hierzu BGH NJW 1998, 1138, 1139 sowie Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Auflage 1997, Kapitel 20 Rdn. 22 sowie Fußnoten 42 bis 44). So, wie die Vertragsstrafenvereinbarung das Recht des Gläubigers unberührt lässt, im Falle eines Verstoßes gegen die gesicherte Verpflichtung statt oder neben der Geltendmachung der Vertragsstrafe auch im Wege der Unterlassungsklage oder der einstweiligen Verfügung gegen den Schuldner vorzugehen (Teplitzky, a.a.O.), bleibt der Gläubiger bei Verletzungshandlungen, die nicht nur gegen die gesicherte Verpflichtung, sondern zugleich auch gegen einen Verbotstitel verstoßen, berechtigt, nicht nur im Ordnungsmittelfestsetzungsverfahren gegen den Schuldner vorzugehen, sondern gleichzeitig auch die Vertragsstrafe zu fordern. Für das Ordnungsmittelverfahren fehlt es nicht an einem Rechtsschutzbedürfnis, und der vertragliche Anspruch auf Vertragsstrafe wird durch die staatliche Vollstreckungssanktion nicht berührt. Ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Verbot der Doppelbestrafung (Art. 103 Abs. 3 des Grundgesetzes) liegt hierin nicht, da es hier nicht um die Bestrafung derselben Tat "aufgrund der allgemeinen Strafgesetze" geht (so ausdrücklich BGH NJW 1998, 1138, 1139). Im Hinblick auf das Gebot einer einzelfallgerechten Strafe ist es lediglich zulässig und unter Umständen auch geboten, die eine verhängte Sanktion bei der anderen mitzuberücksichtigen (BGH und Teplitzky, jeweils a.a.O.).

Hindert die Durchführung des Ordnungsmittelverfahrens demgemäß den Kläger grundsätzlich nicht daran, die versprochene Vertragsstrafe einzufordern, ist die Vertragsstrafe im Streitfall allerdings entgegen der Auffassung des Klägers nur einmal und nicht zweimal angefallen. Zwar stimmt der Senat der Auffassung des Klägers im Grundsatz zu, dass es für die Frage der Verwirkung einer oder zweier Vertragsstrafen nicht entscheidend darauf ankommen kann, ob der Unterlassungsschuldner in gesonderten Urkunden und in zeitlichem Abstand zwei bestimmte Werbungen zu unterlassen verspricht, oder ob dies in einer Urkunde geschieht. Im Streitfall besteht jedoch die Besonderheit, dass sich aus der vom Kläger vorformulierten Unterlassungsverpflichtungserklärung nicht mit hinreichender Deutlichkeit ergibt, und zwar auch nicht im Wege der Auslegung, was die Parteien bezogen auf eine zu zahlende Vertragsstrafe für den Fall vereinbart wissen wollten, dass die Beklagte durch eine Handlung die seinerzeit mit der Abmahnung angegriffenen und zur Unterlassung erklärten Verhaltensweisen identisch oder doch nahezu identisch wiederholen würde. Der Wortlaut der Unterlassungsverpflichtungserklärung, wonach die Beklagte "für jeden Fall künftiger Zuwiderhandlung gegen diese Unterlassungs-Verpflichtungser-klärung" Zahlung von 10.100,00 DM versprochen hat, legt die Annahme nahe, dass nach dem Parteiwillen auf die Zahl der Handlungen und nicht darauf abzustellen ist, ob durch eine Handlung gleichzeitig gegen mehrere Unterlassungsverpflichtungen verstoßen worden ist. Das wird besonders dadurch deutlich, dass sich die in Ziffern 1 b) und c) übernommenen, sich jeweils an der konkreten Verletzungsform orientierenden Unterlassungsverpflichtungen bezogen auf den damaligen Angriff des Klägers praktisch nur dadurch unterscheiden, dass in der einen Anzeige die Präparate G.-Harnstoffcreme 1% gelb und G.-Bufexamaccreme 1% weiß unter Hinweis auf die Krankheiten "Psoriasis" und "Ichthyosis" beworben werden, während in der anderen Anzeige der Hinweis auf "Ichthyosis" fehlt. Die Annahme, die Parteien hätten für den Fall der erneuten (einmaligen) Bewerbung der Präparate unter Hinweis auf die Krankheit "Ichthyosis" die Verwirkung einer Vertragsstrafe, bei Hinweis auf die Krankheit "Psoriasis" dagegen die zweifache Verwirkung der Vertragsstrafe gewollt, erscheint dem Senat wenig naheliegend. Auch diese Überlegung zeigt, dass nach dem erkennbar gewordenen Parteiwillen eine Zuwiderhandlung stets nur zur Verwirkung einer Vertragsstrafe führen sollte, und zwar auch dann, wenn durch diese eine Handlung alle zur Unterlassung versprochenen Verhaltensweisen wiederholt würden.

Schuldet die Beklagte dem Kläger damit Zahlung nur einer Vertragsstrafe in Höhe von 10.100,00 DM, die gemäß §§ 286 Abs. 1, 284 Abs. 1 Satz 2, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit mit 4 % Jahreszinsen zu verzinsen ist, kommt eine Herabsetzung der Vertragsstrafe der Höhe nach nicht in Betracht. Ungeachtet der Tatsache, dass die Beklagte Vollkaufmann und § 343 BGB deshalb gemäß § 348 HGB nicht anwendbar ist, ist für eine Herabsetzung der Vertragsstrafe, etwa nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB), schon deshalb kein Raum, weil der Senat das im Ordnungsmittelverfahren verhängte Ordnungsgeld mit 10.000,00 DM so maßvoll bemessen hat, dass die Verpflichtung zur Zahlung der Vertragsstrafe die Beklagte nicht unangemessen hart trifft.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzende Beschwer der Parteien beträgt jeweils 10.100,00 DM.

Ende der Entscheidung

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