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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 05.07.2000
Aktenzeichen: 6 U 207/99
Rechtsgebiete: UWG, ZPO
Vorschriften:
UWG § 1 | |
ZPO § 523 | |
ZPO § 283 | |
ZPO § 91 Abs. 1 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 711 | |
ZPO § 546 Abs. 2 |
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
6 U 207/99 31 O 519/99 LG Köln
Anlage zum Verkündungsprotokoll vom 5.7.2000
Verkündet am 5.7.2000
Berghaus, JS z.A. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 7.6.2000 unter Mitwirkung seiner Mitglieder Dr. Schwippert, Pietsch und von Hellfeld
für Recht erkannt:
Tenor:
1.) Auf die Berufung der Beklagten wird das am 4.11.1999 verkündete Urteil des Landgerichts Köln - 31 O 519/99 - abgeändert und im Hauptausspruch wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
2.) Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat die Klägerin zu tragen.
3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 28.100,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Der Klägerin wird auf ihren Antrag nachgelassen, die Sicherheiten auch durch Stellung einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse zu erbringen.
4.) Die Beschwer der Klägerin wird auf 200.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien stehen sich als Verleger von wirtschaftlich ausgerichteten Tageszeitungen gegenüber. Neben ihren allgemein bekannten Produkten ("H." und "F.") geben sie inzwischen auch Zeitungen heraus, die sich speziell an den akademischen Nachwuchs richten.
Während die Klägerin ihr Produkt "Junge Karriere" teilweise als Beilage zu dem Abonnement des H. vertreibt und im übrigen gegen Entgelt am Kiosk abgibt, vertreibt die Beklagte ihren "Hochschul-Anzeiger" auf die nachfolgend beschriebene Weise, die den Gegenstand der Beanstandung im vorliegenden Verfahren darstellt:
Das Blatt wird zunächst in einer Auflage von 40.000 Stück in den Handel gegeben. Während der Preis anfangs 2 DM betrug, verlangt die Beklagte - wie sich im Berufungsverfahren ergeben hat - bei dem entgeltlichen Vertrieb inzwischen 2,50 DM. Etwa 2 Wochen später lässt sie unentgeltlich weitere etwa 200.000 Stück des Hochschul-Anzeiger - und zwar in Universitätsnähe - verteilen. Anfangs sind auf diese Weise nicht 200.000, sondern 300.000 Stück abgegeben worden. Inzwischen wird die Zeitung in einer Stückzahl von 104.000 Exemplaren Studentenabonnements der F. als unentgeltliches Supplement beigefügt und hat sich die Zahl der verteilten Exemplare entsprechend reduziert.
Auf dem Titelblatt des Hochschul-Anzeiger ist seitlich und in vertikalem Schriftzug der erwähnte Einzelpreis abgedruckt. Das ist auch bei den Exemplaren des Blattes der Fall, die auf die beschriebene Weise unentgeltlich abgegeben werden. Wegen der weiteren Ausgestaltung der Zeitung wird bezüglich des Titelblattes auf die Wiedergabe in dem nachfolgend darzustellenden Berufungsantrag der Klägerin und bezüglich der gesamten Zeitung auf das als Anlage K 2 (lose) bei den Akten befindliche Exemplar Bezug genommen.
Auf die vorstehend beschriebene, von der Klägerin als "gespaltener Vertriebsweg" bezeichnete Art des Vertriebes ohne die erwähnte Form als Beilage hat die Beklagte in der aus Bl.3 ersichtlichen Werbung, mit der Anzeigenkunden akquiriert werden sollen, ausdrücklich hingewiesen.
Die Klägerin sieht, und zwar unabhängig von der Problematik einer generell unentgeltlichen Abgabe von Zeitungen, in dieser Art des Vertriebs ein unlauteres Verhalten.
Sie stützt sich in erster Linie auf die Entscheidung "stumme Verkäufer" des BGH (WRP 96, 889 ff) und meint, der beschriebene Vertrieb führe zu einer massiven Beeinträchtigung der Wettbewerber, weil der Interessent nicht mehr nach Sachkriterien, sondern allein danach auswähle, wo das Blatt unentgeltlich erhältlich sei. Die Situation sei deswegen eine andere als bei der generell unentgeltlichen Abgabe, weil der Interessent dort danach auswählen müsse, ob er ein Kaufobjekt oder etwas nehmen wolle, was unentgeltlich abgegeben werde. Demgegenüber werde bei dem Hochschul-Anzeiger dem Interessenten vermittelt, ein Produkt zu erhalten, das einen Wert von 2 DM habe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten zu unterlassen,
den F. Hochschul-Anzeiger in einer Größenordnung bis zu 300.000 Exemplaren an Hochschulen kostenlos an Interessenten zu verteilen und/oder auszulegen und/oder verteilen und/oder auslegen zu lassen, wenn 2 Wochen zuvor der F. Hochschul-Anzeiger an Kiosken und sonstigen Verkaufsstellen mit einer Stückzahl von 40.000 entgeltlich zum Kauf angeboten wird, so wie dies nachstehend in dem Inserat der F. Zeitung Nr. 40 vom 17.2.1999 S.8 unter der Überschrift "Investieren sie in die Zukunft" geschildert ist:
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat den beschriebenen Vertrieb damit begründet, dass einige Studenten nicht in Universitätsnähe wohnten oder daran interessiert seien, besonders frühzeitig die in der Zeitschrift enthaltenen Stellenangebote zu bekommen.
Die Gratisverteilung sei zulässig, weil es sich um ein anzeigenfinanziertes Blatt handele, das nicht geeignet sei, eine Tageszeitung zu ersetzen. Es sei auch nicht der Bestand der Tagespresse als solcher gefährdet. Tatsächlich habe sie nicht 40.000, sondern nur ca. 16.000 Exemplare entgeltlich abgesetzt. Dies belege, dass kein nennenswerter Umsatzerfolg vorliege. Tatsächlich liege ihr Interesse auch nicht in der Werbung des Empfängers des Blattes, sondern darin, Inserenten für das Blatt zu interessieren.
Die Entscheidung "stumme Verkäufer" des BGH treffe den Fall deswegen nicht, weil es sich vorliegend um ein Blatt handele, dass unentgeltlich abgegeben werden dürfe, und das besonders interessierten Abnehmern zwei Wochen früher entgeltlich angeboten werde.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt und ausgeführt, die Interessenten würden mit Blick auf das Vertriebskonzept der Beklagten zunächst von dem Erwerb derartiger Zeitungen gänzlich absehen und abwarten, bis sie nach zwei Wochen den Hochschul-Anzeiger unentgeltlich erhalten könnten. Die Interessenten könnten auch weder aus der Werbung, noch aus dem Produkt selber entnehmen, dass es sich um eine anzeigenfinanzierte Veröffentlichung handele. Die Zeitung könne weder von der Gestaltung, noch vom Inhalt her mit den üblichen Werbeblättern verglichen werden. Schließlich könne der gespaltene Vertriebsweg auch nicht mit einem Zeitvorteil erklärt werden, weil sämtliche Angebote auch zwei Wochen nach dem ersten Erscheinen der Zeitung noch aktuell seien.
Ihre Berufung gegen dieses Urteil begründet die Beklagte wie folgt:
Entgegen der von dem Landgericht zugrundegelegten Auffassung sei im Ausgangspunkt die unentgeltliche Abgabe von Zeitungen nach ständiger Rechtsprechung nicht unlauter. Letzteres sei nur dann der Fall, wenn die unentgeltlich verteilte Zeitung in der Lage sei, eine Tageszeitung zu ersetzen. Hieraus folge, dass auch der streitgegenständliche "gespaltene Vertrieb" nicht unzulässig sei. Es mache nämlich keinen Unterschied, ob die gesamte Ausgabe unentgeltlich verteilt oder für einen kleinen Teil ein Entgelt verlangt werde. Es sei auch nicht ersichtlich, aus welchen Gründen eine Finanzierung des Blattes ausschließlich durch Anzeigen als sittenwidrig anzusehen sein sollte. Schließlich drohe kein nicht hinzunehmender Nachahmungseffekt und handele es sich auch nicht um eine sittenwidrige Wertreklame.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Klageantrag wie folgt neu gefasst wird:
die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten zu unterlassen,
den F. Hochschul-Anzeiger mit einem Titelblatt wie nachstehend verkleinert in schwarz/weiß Kopie wiedergegeben in einer Größenordnung bis zu 300.000 Exemplaren an Hochschulen kostenlos an Interessenten zu verteilen und/oder auszulegen und/oder verteilen und/oder auslegen zu lassen, wenn zwei Wochen zuvor der F. Hochschul-Anzeiger an Kiosken und sonstigen Verkaufsstellen mit einer Stückzahl von 40.000 entgeltlich zum Kauf angeboten wird:
Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend behauptet sie unwidersprochen, dass der Hochschul-Anzeiger inzwischen in der Radiowerbung mit einem Preis von 2,50 DM beworben werde. Entgegen der Auffassung der Beklagten entspreche es gefestigter und im einzelnen von der Klägerin dargestellter Rechtsprechung, dass die unentgeltliche Abgabe von Zeitungen oder zeitungsähnlichen Blättern wettbewerbsrechtlich unzulässig sei. Sie stellt im übrigen erneut auf den Umstand ab, dass die Beklagte beide Vertriebswege parallel beschreite. Es würden damit die Grenzen der statthaften Wertreklame überschritten, weil nicht nur einige Probeexemplare so abgegeben würden. Zudem führe der Vertrieb zu einer erheblichen Beeinträchtigung ihres Wettbewerbs. Nachdem nämlich beide Produkte sich wegen ihres inzwischen sogar gleichen Preises von 2,50 DM dem Interessenten zunächst als im Prinzip gleichwertig darstellten, würden diese sich sodann ganz verstärkt dem unentgeltlichen Blatt der Beklagten zuwenden. Hierfür tritt die Klägerin Beweis an durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die bis zur mündlichen Verhandlung gewechselten Schriftsätze, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie auf die ihnen gem. §§ 523, 283 ZPO nachgelassenen Schriftsätze der Klägerin vom 14.6.2000 und der Beklagten vom 13.6.2000 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig und begründet. Der Klägerin steht entgegen der Auffassung des Landgerichts gegen den Vertrieb des Hochschul-Anzeiger in der beschriebenen differenzierten Weise unter keinem der in Betracht kommenden Gesichtspunkte ein Unterlassungsanspruch zu. Das gilt jedenfalls für den im vorliegenden Verfahren allein zu beurteilenden Vertrieb des Blattes gerade in der streitgegenständlichen Form, in der insbesondere der Preis nur unauffällig auf dem Titelblatt angegeben ist.
Angesichts des Umstandes, dass kartellrechtliche Ansprüche, für deren Beurteilung der Senat auch nicht zuständig wäre, nicht geltendgemacht sind, hat sich der Senat allein mit wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen zu befassen. Insofern könnte sich das Vertriebsverhalten der Beklagten unter den Gesichtspunkten der unzulässigen Wertreklame in der Form des übertriebenen Anlockens, der Behinderung der Klägerin in der Form des Vernichtungswettbewerbs und der allgemeinen Behinderung der Wettbewerber in der Form der Marktstörung als unlauter im Sinne des § 1 UWG darstellen. Die tatsächlichen Anforderungen keines dieser Ansprüche sind indes erfüllt.
1.) Was zunächst den möglichen Wettbewerbsverstoß unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens angeht (vgl. zu den Voraussetzungen im einzelnen Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21.Aufl., § 1 UWG RZ 90 ff), so scheidet dieser deswegen aus, weil die Beklagte nicht nur vorübergehend, sondern auf Dauer beabsichtigt, ihr Produkt auf die beschriebene Weise zu vertreiben. Ein übertriebenes Anlocken von Kunden kann nur dann in der unentgeltlichen Abgabe eines Produktes liegen, wenn sie nur vorübergehend erfolgt und zu besorgen ist, dass der so umworbene Kunde später, also wenn das Produkt nicht mehr unentgeltlich abgegeben wird, auf Grund der zuvor erfolgten unentgeltlichen Abgabe und nicht auf Grund sachlicher Kriterien (weiterhin) das betreffende Produkt erwirbt. Diese Voraussetzung ist dann nicht erfüllt, wenn - wie im vorliegenden Fall - das Produkt ständig teilweise unentgeltlich abgegeben wird. Das gilt auch in Anbetracht des Umstandes, dass einzelne Studenten, die kostenfrei ein Exemplar erhalten haben und anschließend - sei es in der Radiowerbung, sei es am Kiosk - von dem entgeltlichen Angebot erfahren, zunächst annehmen mögen, es habe sich bei der unentgeltlichen Abgabe um eine vorübergehende Aktion gehandelt. Es kann nämlich der Entscheidung nicht zugrundegelegt werden, dass es sich dabei um eine nennenswerte Anzahl handelt und die betreffenden Studenten bei Interesse nicht zunächst - und dann mit Erfolg - versuchen werden, die nächste Ausgabe des Blattes wiederum unentgeltlich zu erhalten.
2.) Ebenso erfüllt die angegriffene Vertriebsmaßnahme nicht die Voraussetzungen einer individuellen Behinderung der Klägerin im Sinne eines Vernichtungswettbewerbs. Dies bedarf keiner vertieften Begründung, weil sich die Klägerin selbst auf diesen Gesichtspunkt nicht beruft. Irgendwelche Angaben, die eine Existenzbedrohung der Klägerin begründen könnten, sind nicht vorgetragen. Im übrigen scheidet eine solche schon deswegen aus, weil es sich bei der Klägerin bekanntermaßen um ein marktstarkes Zeitungsunternehmen und bei der von ihr in unmittelbarem Wettbewerb zu dem Hochschul-Anzeiger herausgegebenen Zeitung "Junge Karriere" lediglich um ein Randprodukt neben dem bekannten H. handelt.
3.) Schließlich liegt auch eine allgemeine Behinderung in Form einer Marktstörung nicht vor.
Eine solche setzt nach allgemeiner Meinung (vgl. Baumbach/Hefermehl, a.a.O., RZ 832 m.w.N.) voraus, dass die beanstandete Maßnahme die Freiheit von Angebot und Nachfrage beseitigt und so den Bestand des Wettbewerbs gefährdet. Diese Voraussetzung ist grundsätzlich nicht schon dann erfüllt, wenn ein Wettbewerber ein Produkt, das üblicherweise nur gegen Entgelt abgegeben wird, - zeitweilig oder immer - kostenlos abgibt. Vielmehr ist unter Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalles zu prüfen, ob die geschilderten Folgen drohen.
Im Rahmen der unentgeltlichen Abgabe von Presseerzeugnissen ist nach gefestigter Rechtsprechung (vgl. BGH WRP 82, 17 ff - "Bäckereifachzeitschrift"; WRP 85, 330 ff - "Bliestal-Spiegel", vgl. auch die weiteren Nachweise bei Teplitzky, GRUR 99,108 f) jedenfalls bei Branchen-, Berufs- und Fachzeitschriften sowie Anzeigenblättern mit und ohne redaktionellem Inhalt, nicht ohne Rücksicht auf die konkrete Fallgestaltung und die besonderen Umstände von einer Wettbewerbswidrigkeit auszugehen. Diese Grundsätze sind auch auf die unentgeltliche Verteilung des "Hochschul-Anzeiger" anzuwenden. Denn dieses Blatt steht den Branchen- und Fachzeitungen wesentlich näher als der allgemeinen Tagespresse. Zudem ist es in weiterem Umfang als jene anzeigenfinanziert und ihre eventuelle Gefährdung berührt den Bestand der freien Presse als Institution weniger als eine solche der allgemeinen Zeitungen, zumal der Weg der ausschließlich durch Anzeigen erfolgenden Finanzierung allen Marktteilnehmern offen steht. Aus diesen Gründen braucht sich der Senat nicht mit der Frage auseinanderzusetzen, ob auf Grund der Maßstäbe, die der BGH in der Entscheidung WRP 96,89 - "Stumme Verkäufer" zugrundegelegt hat, allein die teilweise unentgeltliche Abgabe des Hochschul-Anzeiger ein Verbot rechtfertigen kann.
Als besonderer, zu der unentgeltlichen Abgabe hinzutretender Umstand kommt hier ausschließlich die Tatsache in Betracht, dass die Zeitung auch gegen Entgelt abgegeben wird. Das allein vermag den Unlauterkeitsvorwurf indes jedenfalls dann nicht zu begründen, wenn die Zeitung in der streitgegenständlichen Form aufgemacht ist.
Der entgeltliche Vertrieb eines Teils der Auflage zum Preis von 2,50 DM hat zur Folge, dass dem Verkehr, der dies wahrnimmt, vor Augen geführt wird, ein Presseerzeugnis in der Hand zu haben, das sonst für 2,50 DM abgegeben wird und einen entsprechenden Marktwert hat. Der Grundsatz, dass eine unentgeltliche Verteilung zumindest der vorstehend näher umschriebenen Presseerzeugnisse nicht ohne weiteres wettbewerbswidrig ist, gilt indes nicht nur für solche Zeitungen, die nach Aufmachung und Inhalt einen so geringen Wert verkörpern, dass sie auf dem Markt entgeltlich nicht abgesetzt werden könnten. Vielmehr können auch werthaltige derartige Zeitungen grundsätzlich unentgeltlich abgegeben werden. Es ist damit schon von vornherein zweifelhaft, ob der teilweise entgeltliche Vertrieb den Unlauterkeitsvorwurf begründen kann.
Die Frage braucht indes im vorliegenden Verfahren nicht abschließend entschieden zu werden. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass den Empfängern der unentgeltlich abgegebenen Exemplare die durch den Preis signalisierte Werthaltigkeit in nennenswerter Zahl bewusst ist. Die Zeitung wird in Hochschulnähe, also an Studenten und Jungakademiker abgegeben. Diese sind es indes - wie die Mitglieder des Senats aus eigenem Erleben wissen - gewöhnt, regelmäßig mit einer Vielzahl von unentgeltlich verteilten Zeitschriften konfrontiert zu werden. Es wird vor diesem Hintergrund nur einer geringen Anzahl der Empfänger auffallen, dass es sich um eine Zeitschrift handelt, die - auf anderem Vertriebsweg - ihren Preis hat. Denn die Preisangabe ist zwar auf den Titelblatt, dort aber sehr unauffällig, nämlich in kleinen Schrifttypen und vertikal am Rand angebracht. Sie ist nur zufällig oder bei gezieltem Suchen zu entdecken und wird damit nach der Lebenserfahrung nur von wenigen wahrgenommen werden. Dass die Beklagte den entgeltlichen Vertrieb in der Rundfunkwerbung bewirbt, wird die Zahl derjenigen Empfänger der unentgeltlichen Exemplare, die von dem anderen Vertriebsweg wissen, nicht nennenswert erhöhen. Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich nicht, in welcher Form der Preis beworben wird und in welcher Intensität die Rundfunkwerbung erfolgt. Auch unter zusätzlicher Berücksichtigung der mit Schriftsatz vom 14.6.2000 von der Klägerin behaupteten Bewerbung der entgeltlichen Abgabe des Hochschul-Anzeiger im Abonnement kann von der Kenntnis des durchschnittlichen Empfängers der unentgeltlichen Exemplare nicht ausgegangen werden. In der Anzeige wird der Preis (von 15 DM für 6 Ausgaben) nur im Fließtext beworben und der Vortrag der Klägerin ergibt auch nicht, wo und in welchem Umfang die Anzeige geschaltet wird. Aus diesem Grunde besteht auch kein Anlass, aufgrund des neuen Vortrags, der von der Vorschrift des § 283 ZPO nicht gedeckt ist, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.
Aufgrund der vorstehend beschriebenen Umstände stehen sich mit den beiden Publikationen der Parteien zwei vergleichbare Zeitungen gegenüber, von denen die eine entgeltlich und die andere nach der maßgeblichen Vorstellung der Empfänger ausschließlich unentgeltlich vertrieben wird. Das Gros derjenigen, denen der "Hochschul-Anzeiger" unentgeltlich angeboten wird, sieht sich damit vor der Alternative, entweder eine Zeitung käuflich zu erwerben, die einen Wert von 2,50 DM repräsentiert, oder sich mit der unentgeltlich angebotenen Zeitung der Beklagten zu versorgen. Es liegt damit gerade die von der Klägerin in der Klageschrift in Abrede gestellte Situation vor, dass der Interessent es in der Hand hat zu bewerten, ob ihm ein Kaufobjekt mehr wert ist als etwas, was er umsonst bekommt. Das Hinzutreten einer unentgeltlich verteilten Fachzeitung auf den Markt als solche muss indes aus den dargestellten Gründen hingenommen werden.
Der Senat lässt es in diesem Zusammenhang ausdrücklich dahinstehen, ob bei einer augenfälligeren Angabe des Preises anders zu entscheiden sein könnte. Hierfür könnte immerhin sprechen, dass die Beklagte sich durch die unentgeltliche Abgabe dann einerseits die - im Verhältnis zu den Inserenten bestehenden - Vorteile einer hohen Auflage erhalten und andererseits das Manko der verminderten Werthaltigkeit eines unentgeltlich abgegebenen Erzeugnisses durch die augenfällige oder sogar als Blickfang ausgestaltete Angabe des Preises ausgleichen würde.
Muss damit die Klägerin den streitgegenständlichen Vertrieb des "Hochschul-Anzeiger" in der Aufmachung hinnehmen, in der das Blatt derzeit abgegeben wird und Gegenstand des Verfahrens ist, so bedarf es er Beweiserhebung über ihre Behauptung nicht, die angesprochenen Verkehrskreise wendeten sich tatsächlich verstärkt dem Produkt der Beklagten zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.
Die gemäß § 546 Abs.2 ZPO festgesetzte Beschwer der Klägerin entspricht dem Wert ihres Unterliegens im Rechtsstreit.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 200.000 DM.
Ende der Entscheidung
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