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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 15.05.2002
Aktenzeichen: 6 U 21/02
Rechtsgebiete: UWG, ZPO, EGZPO


Vorschriften:

UWG § 25
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 543 Abs. 1 a.F.
ZPO § 545 Abs. 2 a.F.
EGZPO § 26 Ziff. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 21/02

Anlage zum Verkündungsprotokoll vom 15.5.2002

verkündet am 15.5.2002

In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 3.5.2002 unter Mitwirkung seiner Mitglieder Dr. Schwippert, Schütze und von Hellfeld

für Recht erkannt:

Tenor:

1.) Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 21.12.2002 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 81 O 181/01 - wird zurückgewiesen.

2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 543 Abs.1 ZPO a.F., 26 Ziff.5 EGZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg, weil das Landgericht durch das angefochtene Urteil zu Recht die am 15.10.2001 erlassene Beschlussverfügung bestätigt hat.

A

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig, insbesondere ist die aus § 25 UWG folgende Dringlichkeitsvermutung nicht widerlegt.

Die Antragsgegnerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass die Antragstellerin den Antrag bereits mit Aussicht auf Erfolg zu einem Zeitpunkt hätte stellen können, bevor die verfahrensgegenständlichen Kleinanzeigen geschaltet worden waren. Dass sie nach deren Erscheinen mit der Antragstellung zu lange gewartet hätte, als dass ihr Antrag noch als dringlich bezeichnet werden könnte, ist nicht ersichtlich und behauptet die Antragsgegnerin selbst auch nicht.

Nach Auffassung der Antragsgegnerin belegt eine - nicht schriftlich vorgelegte - Stellungnahme der Antragstellerin, die diese Anfang Juli 2001 im Rahmen eines gegen sie gerichteten Abmahnverfahrens abgegeben habe, die Kenntnis der Antragstellerin von einem Verhalten, das mit dem nunmehr verfahrengegenständlichen zumindest kerngleich sei. Diese Auffassung trifft nicht zu. Nach der Darstellung der Antragsgegnerin soll die Antragstellerin in jener Stellungnahme erklärt haben, ihr seien Werbungen der Antragsgegnerin bekannt, in der (ebenfalls) "nicht auf die regional begrenzte Verfügbarkeit hingewiesen werde". Das kann unterstellt werden. Indes ist der Vorwurf, den die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren erhebt, nicht derjenige, dass in der Werbung auf die begrenzte Verfügbarkeit nicht hingewiesen werde, sondern derjenige, dass die Werbung darüber hinaus die uneingeschränkte Verfügbarkeit sogar ausdrücklich hervorhebe. Es ist sogar zumindest nahezu einziger Aussagegehalt der Werbung, dass "ab sofort", also im Gegensatz zu dem früheren Zustand, "überall in K.", also flächendeckend und einschränkungslos, der Zugang möglich sei. Eine derartige Werbung ist mit der angeblich früher geschalteten, in der lediglich auf die begrenzte Verfügbarkeit nicht hingewiesen worden sein soll, nicht identisch. Ob sie in den Kernbereich eines aufgrund der ersten Werbung titulierten Verbotes fiele, kann nicht beurteilt werden, weil die frühere Werbung nicht vorgelegt worden ist. Hierauf kommt es aber auch nicht an. Denn aus dem Umstand, dass die Antragstellerin eine Werbung hingenommen hat, in der es an dem aufklärenden Hinweis fehlte, dass das Angebot nicht überall verfügbar sei, kann nicht geschlossen werden, dass es ihr auch mit der Verfolgung eines Wettbewerbsverstoßes nicht eilig sei, in dem sogar positiv behauptet wird, dass (nunmehr) das Produkt überall einsetzbar sei.

B

Der mithin zulässige Antrag ist auch begründet. Die angegriffene Werbung ist irreführend und die Irreführung ist auch von wettbewerbsrechtlicher Relevanz. Beides ergibt sich aus den von der Kammer in der angefochtenen Entscheidung bereits zutreffend dargelegten Gründen. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens der Antragsgegnerin.

Diese räumt ein, ihr Angebot eines funktionsfähigen TDSL-Anschlusses - zumindest terrestrisch - nicht ausnahmslos in ganz K. anbieten zu können. Vielmehr ergibt sich aus Ihrer Darstellung, dass bei 1.025 nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Anschlüssen nur in 965 Fällen, also einem Anteil von 94,1 %, ein TDSL Zugang zum Internet genutzt werden kann. Soweit die Antragsgegnerin darüber hinaus vorträgt, 43 der ausgewählten Anschlüsse hätten nicht überprüft werden können, weil dazu eine manuelle Recherche erforderlich gewesen wäre, kann nicht unterstellt werden, dass eine durchgeführte Überprüfung auch zu ihren Gunsten ausgefallen wäre. Es kommt hinzu, dass die Anzahl von 1.025 Anschlüssen willkürlich gegriffen und ihre repräsentative Aussagekraft nicht belegt ist.

Im übrigen bleibt auch bei Zugrundelegung des Vortrags der Antragsgegnerin hinsichtlich der drei von der Antragstellerin angeführten Wohngebiete ein Teilbereich übrig, in dem die Antragsgegnerin derzeit ihr Angebot nicht verwirklichen kann, weil dort die Antragstellerin über Anschlüsse einschließlich der letzten Meile verfügt. Dabei mag es zutreffen, dass die Antragstellerin auch in diesen Bereichen verpflichtet ist, der Antragsgegnerin die Mitbenutzung zu ermöglichen. Das setzt aber die notwendigen Eigentümererklärungen voraus, die der einzelne Anschlussinhaber als Mieter indes nicht abgeben kann.

Vor diesem Hintergrund ist die Werbung irreführend. In der Situation, in der der durchschnittlich informierte interessierte Verbraucher weiß, dass der attraktive Internet Zugang durch DSL bislang technisch noch nicht überall verwirklicht werden kann, erwartet er von einer Werbung mit der Aussage, "ab sofort überall in K.", dass diese auch ausnahmslos zutrifft. Denn die Aussage der Anschlussfähigkeit "überall in K." gewinnt ihre Bedeutung gerade darin, dass der Anschluss bisher auch schon möglich war, aber eben nur weitgehend und nicht überall.

Das gilt umso eher in dem beworbenen Gebiet der Stadt K., weil die angesprochenen Interessenten an einem Internet-Zugang mit schnellerem Zugriff auf die angebotenen Daten zumindest in großer Zahl wissen, dass in K. teilweise nicht die Antragsgegnerin, sondern die Antragstellerin über die notwendigen Leitungen einschließlich der "letzten Meile" verfügt.

Schließlich ändert auch die seit dem 1.Mai 2002 mögliche Nutzung von T-DSL über Satellit nichts daran, dass die Werbung in der konkret angegriffenen Form irreführend ist. Die Werbung zielt zunächst nicht auf einen Anschluss über Satelliten, sondern auf einen terrestrischen Anschluss ab. Das ergibt sich aus der ausdrücklichen Bezugnahme auf das Gebiet der Stadt K., die bei einem Anschluss über Satellit, mit dem notwendig die ganze Region erfasst wird, keinen Sinn machen würde. Überdies ist auch nicht glaubhaft gemacht, dass wirklich für jeden Interessenten die Nutzungsmöglichkeit über den Satelliten besteht. Ausweislich des eigenen Internet-Auftrittes der Antragsgegnerin ist dafür das Vorhandensein gerade eines T-ISDN- oder eines T-NET Anschlusses jeweils der Antragsgegnerin erforderlich. Dass jeder Interessent über einen solchen Anschluss verfügt, kann aber nicht angenommen werden. Es kommt hinzu, dass ohnehin nicht jeder Mieter rechtlich in der Lage ist, eine Empfangsschüssel am Haus anzubringen, mit der die Daten von dem Satelliten empfangen werden könnten.

Die durch die angegriffene Werbung verursachte Irreführung ist auch von wettbewerbsrechtlicher Relevanz. Das ergibt sich gerade auch unter Zugrundelegung der vom BGH in der von der Antragsgegnerin angeführten Entscheidung "Last-Minute-Reise" (WRP 00,92 ff) aufgestellten Grundsätze, auf die sich die Antragsgegnerin beruft. Danach (a.a.O. S.94) ist eine irreführende Angabe nur dann wettbewerbsrechtlich relevant, "wenn sie in dem Punkt und dem Umfang, in dem sie von der Wahrheit abweicht, bei ungezwungener Sichtweise geeignet ist, die Kaufentscheidung des Publikums wesentlich zu beeinflussen". Es muss "grundsätzlich nach der Lebenserfahrung nahe liegen, dass die erzeugte Fehlvorstellung für die Kaufentscheidung eines nicht unbeachtlichen Teils des Verkehrs von maßgeblicher Bedeutung ist". Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Anschlussfähigkeit des angebotenen Internet-Zuganges gerade an dem konkreten Hausanschluss, über den der Interessent verfügt, ist für seine Kaufentscheidung von maßgeblicher Bedeutung. Das bedarf keiner näheren Begründung, weil es dem Interessenten darum geht, sogleich nach dem Erwerb die neue Technik auch nutzen zu können und hiermit nicht bis zur Herstellung der Anschlussfähigkeit in ungewisser Zukunft warten zu müssen, zumal in der Branche die technische Entwicklung sehr schnell voranschreitet und daher bald eine Veraltung droht. Es stellt damit für alle Interessenten eine maßgebliche Frage dar, ob sie sich noch um die Anschlussfähigkeit kümmern müssen oder ohne weiteres von dieser ausgehen können. Aus diesem Grunde ist die Fehlvorstellung geeignet, die Kaufentscheidung aller in K. ansässigen Interessenten an einem TDSL Anschluss zu beeinflussen, weswegen die Irreführung auch wettbewerbsrechtlich relevant ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.

Das Urteil ist gemäß §§ 545 Abs.2 ZPO a.F.,26 Ziff.5 EGZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.

Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 50.000 €

Ende der Entscheidung

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