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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 12.10.2007
Aktenzeichen: 6 U 56/07
Rechtsgebiete: LFGB, UWG, ZPO, LMBG


Vorschriften:

LFGB § 2 Abs. 3 Nr. 1
LFGB § 6 Abs. 1
LFGB § 6 Abs. 1 Nr. 1 a
LFGB § 6 Abs. 2
LFGB § 11
LFGB § 11 Abs. 1
LFGB § 11 Abs. 1 Nr. 4
LFGB § 11 Abs. 1 S. 1
LFGB § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
LFGB § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 4
UWG § 3
UWG § 4 Nr. 11
UWG § 8 Abs. 1
UWG § 8 Abs. 3 Nr. 2
ZPO § 529
ZPO § 531
ZPO § 533 Nr. 2
LMBG § 17 Abs. 1 Nr. 5 lit. c
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 08.02.2007 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 722/06 - wird zurückgewiesen.

Die weiteren Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung wegen des Unterlassungsanspruchs durch Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,00 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Sie kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der klagende Wettbewerbsverein nimmt die Beklagte, soweit im Berufungsrechtszug noch von Interesse, auf Unterlassung des Vertriebs ihres Produkts E - eines Nahrungsergänzungsmittels - in der als Anlage K 1 und 6 vorgelegten sowie im Tenor des erstinstanzlichen Urteils eingeblendeten Aufmachung (Verpackung) in Anspruch. Sie meint, die Beklagte erwecke mit dem Gebrauch der Produktbezeichnung in der konkreten Verpackungsgestaltung, die sich an die des von der Beklagten seit vielen Jahren vertriebenen Arzneimittels F anlehne, den falschen Eindruck, dass es sich bei dem Erzeugnis ebenfalls um ein arzneilich wirksames Mittel handele. Soweit die Klage ursprünglich weiter ging, ist sie teils zurückgenommen, teils nach Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung der Beklagten in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden. Bereits am 12.07.2006 hatte sich die Beklagte vor dem Landgericht Hamburg gegenüber einem Mitbewerber strafbewehrt verpflichtet, es zu unterlassen, ein Nahrungsergänzungsmittel für Gelenke und Knorpel unter einer Produktbezeichnung mit dem Kennzeichnungsbestandteil oder Kennzeichnungszusatz "prevent" - wie in Verpackungsaufmachung und Packungsbeilage geschehen - in den Verkehr zu bringen und/oder zu bewerben.

Das Landgericht hat die Beklagte im noch rechtshängigen Umfang antragsgemäß verurteilt. Mit ihrer Berufung gegen dieses Urteil, auf das wegen aller Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 161-173 d.A.), erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage. Sie rügt unrichtige tatsächliche Feststellungen und Fehler bei der Anwendung materiellen Rechts; insbesondere sei das Landgericht von einem veralteten Verbraucherleitbild ausgegangen. Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Er hält die Produktbezeichnung nach der am 01.07.2007 in Kraft getretenen Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel auch formal für unzulässig und macht in Ergänzung seines erstinstanzlichen Vorbringens geltend, die beiden Hauptbestandteile des Erzeugnisses - Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat - fielen unter das Zusatzstoffverbot des § 6 Abs. 1 LFGB.

II.

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen, denen der Senat beitritt, hat das Landgericht einen Unterlassungsanspruch des Klägers aus §§ 3, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG in Verbindung mit § 4 Nr. 11 UWG und § 11 Abs. 1 LFGB bejaht. Die Angriffe der Berufung rechtfertigen keine andere Beurteilung.

1. Streitgegenständlich ist dabei nicht, ob es sich bei den Produktbestandteilen Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat um lebensmittelfremde Stoffe mit oder (wie der Kläger meint) ohne Nährwert im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 1 LFGB handelt. Der insoweit vom Kläger erstmals mit der Berufungserwiderung geltend gemachte Verstoß der Beklagten gegen das Verbot nicht zugelassener Lebensmittel-Zusatzstoffe aus § 6 Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 2 LFGB hat im Rahmen dieses Verfahrens gemäß §§ 529, 531, 533 Nr. 2 ZPO außer Betracht zu bleiben. Ebenso wenig kommt es hier auf den physiologischen oder therapeutischen Nutzen der Einnahme von Glucosaminsulfat an; anders als in den Fällen, die den Entscheidungen des Senats vom 26.05.2004 (MD 2004, 1054 = ZLR 2005, 109) und 15.07.2005 (GRUR-RR 2006, 293) zu Grunde lagen, ist im Streitfall unstreitig, dass es sich bei dem angegriffenen Produkt mit Rücksicht auf seine stoffliche Zusammensetzung und seine Wirkungen jedenfalls um kein (Funktions-) Arzneimittel handelt (vgl. zur weiteren Abgrenzung Meyer / Streinz, LFGB - BasisVO, 2007, Art. 2 BasisVO, Rn. 34 ff., 54 ff., 120 m.w.N.).

2. Allein zur Entscheidung steht vielmehr die Frage, ob die Beklagte ihrem Produkt E mit dessen konkreter Aufmachung - trotz mehrfacher Bezeichnung als "Nahrungsergänzungsmittel" - in Wirklichkeit den Anschein eines (Präsentations-) Arzneimittels gegeben und damit gegen das als Marktverhaltensregel im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG anzusehende Irreführungsverbot aus § 11 Abs. 1 S. 1 LFGB im Sinne der Regelbeispiele gemäß § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 4 LFGB (zu deren selbständiger Bedeutung kritisch Meyer / Streinz, a.a.O., § 11 LFGB, Rn. 3 f.) verstoßen hat.

Diese Frage hat das Landgericht auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts verfahrensfehlerfrei und im Ergebnis zutreffend bejaht.

Ob die Präsentation eines Mittels zur Irreführung geeignet ist, richtet sich - wie das Landgericht zutreffend angenommen hat - nach dem Eindruck eines normal informierten verständigen Verbrauchers, der das Marktgeschehen mit einer der Situation angemessenen Aufmerksamkeit verfolgt. Dieses auch dem § 11 LFGB zu Grunde liegende Leitbild des verständigen Durchschnittsverbrauchers (vgl. BT-Drucks. 15/3657, S. 62) schließt allerdings die Möglichkeit ein, dass im Einzelfall auch mündige Verbraucher flüchtig reagieren (OLG Hamburg, GRUR-RR 2002, 302 [303]; Meyer / Streinz, a.a.O., Rn. 29 m.w.N.). Zudem gilt für den hier in Rede stehenden Grenzbereich von Lebens- und Arzneimitteln der Grundsatz, dass überall dort, wo in der Werbung die Gesundheit ins Spiel gebracht wird, besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussagen zu stellen sind (st. Rspr.: BGH, GRUR 2002, 182 [185] - Das Beste jeden Morgen; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2006, 235 [236] - "ohne Fett"; Hefermehl / Köhler / Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Aufl., § 5 UWG, Rn. 4.181). Dieses Strengeprinzip im Bereich gesundheitsbezogener Angaben widerspricht nicht etwa dem europäischen Verbraucherleitbild, sondern trägt der besonderen Anfälligkeit der umworbenen Verbrauchergruppe für irreführende Angaben (vgl. dazu nur Erwägungsgrund 16 der "Health-Claims"-Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, ABl. L 12/5 = Bl. 278 d.A.) in einem Bereich Rechnung, der einerseits von der hohen Werbewirksamkeit gesundheitsbezogener Angaben und andererseits von für den Verbraucher häufig schwer zu durchschauenden pharmakologischen und physiologischen Zusammenhängen geprägt ist (vgl. Fezer / Peifer, Lauterkeitsrecht, § 5 UWG, Rn. 205 m.w.N.).

Maßgeblich für den beim Verbraucher erweckten Eindruck von der Art und Beschaffenheit des streitgegenständlichen Erzeugnisses ist das Gesamterscheinungsbild, in dem das Mittel dem Verkehr entgegentritt, so dass Werbeaussagen und Aufmachung des Mittels im Zusammenhang zu würdigen sind (BGH, GRUR 2003, 631 [632] = WRP 2003, 883 - L-Glutamin; Meyer / Streinz, a.a.O., Rn. 113). Dies gilt auch dann, wenn einzelne Aussagen zwar für sich genommen geeignet sind, einer Irreführung der Verbraucher entgegenzuwirken, innerhalb des Gesamterscheinungsbildes aber hinter anderen, blickfangmäßig hervorgehobenen Elementen zurücktreten, die den gegenteiligen Eindruck begründen. Gerade im Hinblick auf diese (vom BGH a.a.O. ausdrücklich angesprochene) Möglichkeit hat sich der Gesetzgeber entschlossen, den früheren § 17 Abs. 1 Nr. 5 lit. c LMBG unverändert in § 11 Abs. 1 Nr. 4 LFGB zu übernehmen (BT-Drucks. 15/3657, S. 62; vgl. Meyer / Streinz, a.a.O., Rn. 115).

Den nach alledem maßgebenden Gesamteindruck der angesprochenen Verbraucher kann der Senat - wie schon die Kammer - auf Grund eigener Lebenserfahrung und Sachkunde selbst feststellen (vgl. BGHZ 156, 250 [252] = WRP 2004, 339 [340] = GRUR 2004, 244 [245] - Marktführerschaft; Senat, GRUR-RR 2004, 270 - 1. Deutscher Insolvenzrechtstag). Unter Abwägung aller Umstände überwiegen dabei die für den irreführenden Anschein eines Arzneimittels sprechenden Gesichtspunkte:

Weit stärker für ein Arzneimittel als für ein Lebensmittel zur Nahrungsergänzung spricht schon die Produktbezeichnung E. Diese trifft - wie das Landgericht im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat - auf ein Vorstellungsbild des Verbrauchers, das durch langjährige Marktpräsenz des ebenfalls von der Beklagten hergestellten und immer schon als Arzneimittel vertriebenen Glucosaminsulfat-Produkts F geprägt ist (vgl. hierzu bereits Senat, MD 2003, 481 = ZLR 2004, 94). Gerade ein relevanter Teil der informierten Verbraucher, denen das Präparat "F" als Arzneimittel zur Behandlung von Kniegelenkbeschwerden bekannt ist, wird geneigt sein, bei der Erweiterung zu "F-prevent" an Prävention als arzneiliche Funktion zu denken und unter dieser Bezeichnung ein Medikament zur Vorbeugung von Kniegelenkserkrankungen zu vermuten. Diese Vorstellung liegt um so näher, als die Beklagte die auch selbst als registriertes Zeichen ausgewiesene Produktbezeichnung E blickfangmäßig in Alleinstellung verwendet, während bei den von der Beklagten angeführten Produkten anderer Hersteller, deren Gesamterscheinungsbild gegenüber den Verbrauchern hier im Übrigen nicht zu beurteilen war, die jeweilige Dachmarke (die zum Teil schon von Hause aus eher gegen ein Arzneimittel spricht) mit zusätzlichen Bezeichnungen kombiniert wird, die den verständigen Verbraucher eher an einer Arzneimitteleigenschaft zweifeln lassen werden.

Hinzu kommt, dass sich das angegriffene Produkt der Beklagten auch optisch - sowohl was das Schriftbild als auch was die Farbgebung angeht - stark ihrer seit vielen Jahren bekannten Arzneimittelserie annähert. Zutreffend hat das Landgericht - auf dessen weitere Ausführungen Bezug genommen werden kann - in diesem Zusammenhang einerseits auf die in der Aufmachung beider Produkte verwendeten Darstellungen von Gelenken oder Gelenkknochen in Schwarz-Weiß und Grautönen verwiesen, die den Eindruck fachlicher Seriosität betonen und beide Erzeugnisse aus dem breiten Feld der überwiegend auffällig-bunt gestalteten Glucosamin-Produkte hervorheben, die am Markt als Nahrungsergänzungsmittel angeboten werden. Andererseits hat das Landgericht zu Recht auch die jeweiligen Vertriebswege in seine Betrachtung einbezogen und dabei auf den - unstreitigen - Umstand abgestellt, dass beide in Rede stehende Produkte der Beklagten - eines als Arzneimittelherstellerin firmierenden Unternehmens - ausschließlich in Apotheken angeboten und abgegeben werden. Selbst auf der Grundlage des Berufungsvorbringens, wonach ihr Produkt E in diesen Apotheken zu 80 % in der sogenannten Freiwahl und nur zu 20 % in der sogenannten Sichtwahl (hinter der Verkaufstheke) dargeboten werde, folgt daraus, dass das Produkt stets in der Nähe von Arzneimitteln wahrgenommen wird und sogar ein beträchtlicher Teil der Verbraucher - wie auch vom Landgericht angenommen - die Verpackung zunächst nur aus einer gewissen Entfernung wahrzunehmen vermag, so dass der im Blickfang erweckte Eindruck eines Arzneimittels sich festigen kann, ohne dass eine hinreichende Aufklärung erfolgt.

Gegenüber diesen für eine Verwechslung des Produkts mit einem Arzneimittel sprechenden Gesichtspunkte haben im Streitfall die Angaben "Nahrungsergänzungsmittel für Gelenke und Knorpel" und "(10 Tabletten) zur Nahrungsergänzung" sowie die weiteren für ein Nahrungsergänzungsmittel sprechenden Indizien (Nährwertangaben, Verzehrsempfehlung) letztlich kein so großes Gewicht, dass sie zur Aufklärung des blickfangmäßig hervorgerufenen gegenteiligen Eindrucks und damit zur Vermeidung einer verbotenen Irreführung ausreichen.

3. Durch die Drittunterwerfungserklärung der Beklagten vor dem Landgericht Hamburg ist die Wiederholungsgefahr nicht entfallen. Wie im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt, ist der Kläger durch die ausdrücklich auf drei kumulative Voraussetzungen gestützte vertragliche Unterlassungsverpflichtung gegenüber der mit seinem verbliebenen Klageantrag noch angegriffenen Rechtsverletzung nicht hinreichend geschützt. Eine Teileinschränkung des Unterlassungstenors im Hinblick auf die bereits gegenüber einem Dritten eingegangene Unterlassungsverpflichtung kam nicht in Betracht.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Sache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch den Bundesgerichtshof. Es handelt sich vielmehr um eine maßgeblich auf tatrichterlichem Gebiet liegende Entscheidung im Einzelfall, so dass gemäß § 543 Abs. 2 ZPO kein Anlass bestand, die Revision zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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