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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 04.10.2002
Aktenzeichen: 6 U 93/02
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 93/02

verkündet am 4.10.2002

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 13.9.2002 unter Mitwirkung seiner Mitglieder Dr. Schwippert, Pietsch und von Hellfeld

für Recht erkannt:

Tenor:

1.) Auf die Berufungen der Parteien wird das am 18.4.2002 verkündete Schlussurteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 497/01 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Klageantrag zu 1 c), soweit er das Produkt "A. nailcare Tip & Acryl Remover" betrifft, und der Klageantrag zu 1 d) werden abgewiesen.

2.) Die Kosten des gesamten durch Teil- und Schlussurteil entschiedenen Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3 zu tragen.

Die Kosten des vorliegenden Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % der zu vollstreckenden Summe abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit jeweils in derselben Höhe leistet.

Die Parteien können die Sicherheiten durch eine schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstitutes leisten.

4.) Die Revision wird nicht zugelassen.

5.) Die Beschwer der Klägerin wird auf nicht über 20.000 € festgesetzt.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 540 Abs.1 Ziff.1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Streitgegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens gegen das Schlussurteil des Landgerichts vom 18.4.2002 ist der Nagellackentferner "tip & acryl remover dip in" der Beklagten. Dieser wird in einem fast würfelförmigen Behälter vertrieben, in den zum Gebrauch die Fingerspitzen eingetaucht werden, und ist am Boden mit einem Aufkleber versehen, der den in dem angefochtenen Schlussurteil auf Bl.3 bildlich dargestellten Text aufweist. Die Klägerin wirft der Beklagten mit den beiden streitgegenständlichen Anträgen vor, dass sowohl die in § 5 Abs.1 S.1 Ziff.1 KosmetikVO vorgeschriebene Angabe ihrer Firma und Anschrift als auch die gemäß § 4 Abs.2 Nr.3 KosmetikVO vorgeschriebene Anbringung eines Warnhinweises entgegen § 5 Abs.3 bzw. § 4 Abs. 3 KosmetikVO nicht deutlich sichtbar auf dem Behältnis des Produktes angebracht seien. Das Landgericht hat beiden Anträgen stattgegeben. Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

Die vorgeschriebenen Angaben sind unter anderem "deutlich sichtbar und leicht lesbar" (§ 5 Abs.3 KosmetikVO) bzw. "gut leserlich und deutlich sichtbar" (§ 4 Abs.3 KosmetikVO) sowohl auf der Verpackung als auch auf dem Behältnis zu machen. Diese Anforderungen sind bezüglich beider erforderlichen Angaben entgegen der Auffassung des Landgerichts noch erfüllt.

Zu Recht gehen allerdings die Klägerin und das Landgericht davon aus, dass es sich jeweils um zwei gesonderte Voraussetzungen handelt, die kumulativ erfüllt sein müssen. Nach dem klaren Wortlaut beider Bestimmungen genügt es nicht, dass die Hinweise - was bezüglich des streitgegenständlichen Produktes keinem Zweifel unterliegen kann und von der Klägerin auch nicht in Abrede gestellt wird - leicht lesbar bzw. gut leserlich sind, sondern sie müssen darüber hinaus auch deutlich sichtbar sein. Das bedeutet, dass der Aufkleber, der die erforderlichen Hinweise in leicht lesbarer Form und damit gut leserlich enthält, seinerseits gut sichtbar auf dem Behältnis angebracht sein muss, in dem das Produkt sich befindet. Das ist indes auch der Fall.

Da sich der Kosmetikartikel bei der Kaufentscheidung noch in der Verpackung befindet, auf der sich die vorgeschriebenen Angaben gesondert befinden müssen, ist auf die Frage, ob der Aufkleber auf dem Behältnis gut sichtbar ist, allein für die Gebrauchssituation zu beurteilen. Maßgeblich ist damit die Frage, ob die Verbraucherin, während sie den Nagellackentferner benutzt bzw. den Behälter zu diesem Zweck in der Hand hält, den Aufkleber gut sehen kann. Demgegenüber kann nicht auf die Situation abgestellt werden, in der das Produkt nicht benutzt, sondern verwahrt wird. Es ist zumindest als Regelfall davon auszugehen, dass der Nagellackentferner gemeinsam mit anderen Kosmetika, insbesondere dem durch das Produkt zu entfernenden Nagellack, in einem Schränkchen, auf einem Regal oder an sonst geeigneter Stelle im Badezimmer der Verbraucherin aufbewahrt wird. Das wird zumindest in großem Umfang in der Form geschehen, dass zuvor die Verpackung entfernt wird. Wollte man in dieser Situation verlangen, dass die notwendigen Hinweise auf dem so abgestellten Behältnis ohne weiteres, also insbesondere ohne dass die Verbraucherin das Produkt in die Hand nimmt, - stets - gut sichtbar sind, würden unerfüllbaren Forderungen gestellt. Eine Anbringung auf einer beliebigen Seitenfläche den Anforderungen nicht genügen können. Denn die Angaben wären immer dann nicht gut sichtbar, wenn die betreffende Seitenfläche nach dem Abstellen nicht nach vorne zeigt. Eine gute Sichtbarkeit wäre vielmehr nur dann gewährleistet, wenn die Verbraucherin das Produkt - zufällig oder aus besonderem Ordnungssinn - mit der beschrifteten Seite nach vorn positioniert. Auch die als Möglichkeit verbleibende Anbringung auf dem Deckel wäre dann nicht gut sichtbar, das Behältnis in oder über Augenhöhe platziert wäre oder etwa aus Platzmangel andere kosmetische Produkte oben auf den Behälter gestellt würden. Vor diesem Hintergrund können die Anforderungen des § 4 Abs.3 und des § 5 Abs.3 KosmetikVO nicht dahin verstanden werden, dass die Angaben in jeder Situation, und ohne dass der Behälter in die Hand genommen werden müsste, gut sichtbar zu sein hätten. Vielmehr reicht es aus, wenn die Angaben für denjenigen gut sichtbar sind, der den Behälter in der Hand hält. Dieses Ergebnis bestätigt sich bei Berücksichtigung des Zweckes der vorgeschriebenen Angaben, die die Verbraucherin rasch auffinden können soll. Keine der Angaben muss nämlich so schnell erfasst werden können, dass nicht Zeit dafür wäre, das Produkt in die Hand zu nehmen. Das bedarf für die in § 5 Abs.1 S.1 Ziff.1 KosmetikVO vorgeschriebene Angabe der Firma und Anschrift der Beklagten keiner näheren Begründung, gilt aber auch für die auf Grund von § 4 Abs. 2 Nr.3 KosmetikVO erforderliche Anbringung des Warnhinweises "Leicht entflammbar! Von Kindern fernhalten!" Denn dieser Warnhinweis soll gerade während des Gebrauches, bzw. bei dessen Ende, und nicht in der Zeit, in der das Produkt unverändert und unbeachtet an seinem Platz steht, Beachtung finden. Die Verbraucherin soll das Produkt zunächst während der Benutzung von offenem Feuer und Kindern fernhalten und es dann nach Gebrauch so verwahren, dass es während der Dauer der Verwahrung sich nicht entzünden und nicht in die Hände von Kindern geraten kann. Auch dieser Warnhinweis ist damit nach der Intention des Verordnungsgebers gut sichtbar, wenn die Verbraucherin, die den Behälter in der Hand hat, ihn gut sehen kann.

In der mithin maßgeblichen Gebrauchssituation ist der am Boden befindliche Aufkleber, der die erforderlichen Angaben enthält, für die Verbraucherin gut sichtbar. Das ergibt sich aus dem Umstand, dass der Behälter beim Herannehmen in der Regel nicht ganz gerade gehalten, sondern leicht gekippt werden wird, wodurch der sich von dem Boden deutlich abhebende Aufkleber in das Blickfeld gerät. Überdies werden auch die nahezu würfelförmige Form und der Umstand, dass auf den vier Seitenflächen überhaupt keine Angaben gemacht sind, die Verbraucherin veranlassen, durch eine leichte Drehung des in der Hand gehaltenen Behälters auch den Boden in die Betrachtung des Produktes einzubeziehen. Berücksichtigt man diese Umstände sowie den Gesichtspunkt, dass Angaben auf dem Boden eines Produktes nicht ungewöhnlich sind, so genügt die Anbringung des Aufklebers auf dem Boden des Behälters den Anforderungen der KosmetikVO an die gute Sichtbarkeit der gebotenen Angaben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs.1, 92 Abs.1, 269 Abs.3 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gem. § 543 ZPO liegen nicht vor.

Die Festsetzung der Beschwer der Klägerin entspricht dem Wert ihres Unterliegens im Rechtsstreit.

Unter Bezugnahme auf die Streitwertfestsetzung in dem Senatsurteil vom 5.7.2002 - 6 U 14/02 - (dort S.13) wird der Streitwert für das Berufungsverfahren unter nachfolgender Differenzierung auf insgesamt 15.000 € festgesetzt:

Berufung gegen die Verurteilung nach dem Klageantrag zu 1 c erster Teil 5.000 €,

Berufung gegen die Verurteilung nach dem Klageantrag zu 1 d 10.000 €,

Gesamtwert 15.000 €.

Die abweichende Wertfestsetzung der Kammer in dem angefochtenen Urteil trifft nicht zu, weil der Antrag zu 1 f) zwischenzeitlich zurückgenommen worden war.

Ende der Entscheidung

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