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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 10.02.2005
Aktenzeichen: 6 W 123/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 793
ZPO § 888 Abs. 1
ZPO § 891
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN Beschluss

6 W 123/04

In dem Zwangsvollstreckungsverfahren

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln unterr Mitwirkung seiner Mitgliede Dr. Schwippert, Pietsch und von Hellfeld

am 10.2.2005

beschlossen:

Tenor:

1.) Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 28 O 264/02 - vom 3.11.2004 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes, ersatzweise Zwangshaft wegen Nichterteilung der Auskunft gemäß der Verurteilung unter I 1 b) des Teilurteils des Senats vom 31.10.2002 - 6 U 62/02 - wird zurückgewiesen.

2.) Die Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens 1. Instanz hat die Gläubigerin, die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Schuldnerin zu tragen.

Gründe:

Die gem. §§ 793, 888 Abs.1, 891 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.

Gem. § 888 Abs.1 ZPO können Zwangsgeld und Ersatzzwangshaft zur Erzwingung einer Handlung festgesetzt werden, wenn die Handlung - wie regelmäßig die Erteilung von Auskünften - ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängig und diesem (noch) möglich ist. Die Zwangsmaßnahmen sind Beugemittel und dürfen dann nicht (mehr) verhängt werden, wenn der Schuldner die Handlung bereits vorgenommen hat. Ausgehend hiervon sind im Streitfall derzeit keine Zwangsmaßnahmen zu ergreifen, weswegen der angefochtene Beschluss abzuändern ist.

Die Schuldnerin hat - spätestens - während des erstinstanzlichen Verfahrens Auskunft erteilt. In ihrem auf den 21.3.2004 datierten Schreiben an den Bevollmächtigten der Gläubigerin hat sie erklärt, die beiden verfahrensgegenständlichen CDs ("G" von O1 und "C1" von D) habe sie wenige Tage vor dem - von ihr so bezeichneten - "Verkauf" an die Beauftragten der Gläubigerin von einer mit Anschrift benannten Frau N T erworben und in der Zwischenzeit habe es keinen Handel mit diesen Tonträgern gegeben. Damit sind beide geschuldeten Auskünfte erteilt. Aus dem Schreiben ergibt sich sowohl, dass mit den Tonträgern, die ausweislich des Vortrags der Gläubigerin (vgl. S.8 des Teilurteils des Senats 6 U 62/02 vom 31.10.2003) den von ihr beauftragten Zeuginnen nicht verkauft, sondern fernmündlich zur Vermietung angeboten worden sind, kein Gewinn erwirtschaftet worden ist (Urteilstenor unter I 1 b aa), als auch die Herkunft und der Vertriebsweg beider Tonträger (Urteilstenor unter I 1 b bb). Es kann dahinstehen, ob das Schreiben entgegen seiner Datierung tatsächlich dem Bevollmächtigten der Gläubigerin vor Einleitung des Zwangsvollstreckungsverfahrens nicht übersandt worden ist. Denn die Auskunft ist jedenfalls (auch) dadurch erteilt worden, dass das Schreiben im Verfahren mit Schriftsatz vom 26.7. 20004 durch Rechtsanwalt L, der ansonsten in erster Instanz gegenüber dem Gericht nicht für die Schuldnerin tätig geworden ist, vorgelegt worden ist. Das Schreiben ist ungeachtet des von der Kammer angeführten Meinungsstreites auch zu berücksichtigen, weil die aktenkundige Abgabe der Erklärung unstreitig ist.

Hat der Verpflichtete - wie mithin vorliegend die Schuldnerin - eine Auskunft erteilt, können Zwangsmittel allerdings dann gleichwohl eingesetzt werden, wenn die erteilte Auskunft nicht ernst gemeint, von vornherein unglaubhaft oder unvollständig ist (vgl. BGH GRUR 94, 630, 631 f - "Cartier-Armreif"). So liegt es im Ausgangspunkt auch hier. Die Auskunft ist zwar entgegen dem Vortrag der Gläubigerin nicht deswegen von vornherein unglaubhaft, weil die Schuldnerin wegen einer Vielzahl von Titeln abgemahnt worden war und nach ihrer Darstellung keinen Zugang zu den Geschäftsunterlagen hatte. Denn die Schuldnerin hat plausibel erläutert, dass sie sich deswegen gerade an diese Titel und ihren Erwerb erinnere, weil es sich bei Frau T um eine Bekannte handele, die damals wegen privater Veränderungen ihren Haushalt aufgelöst habe. Die Auskunft ist aber unvollständig. Zum einen waren in dem Geschäftsbetrieb - wie z.B. aus dem erstinstanzlichen Schriftsatz der Beklagten im Erkenntnisverfahren 28 O 264/02 LG Köln vom 30.1.2003 hervorgeht (Hauptakte Bl. 133 f) - Mitarbeiter eingesetzt und die Schuldnerin hat nicht dargelegt, dass auch keiner dieser Mitarbeiter eine der beiden CDs zwischenzeitlich an Dritte vermietet hatte. Zum anderen ist die Auskunftspflicht auch nicht zeitlich auf den Geschäftskontakt mit den Beauftragten der Gläubigerin begrenzt. Die Schuldnerin ist - wie der Senat auf S.8 seines Teilurteils vom 31.10.2003 - 6 U 32/03 - im einzelnen dargelegt hat, der Behauptung der Gläubigerin nicht entgegengetreten, dass damals lediglich ein Telefonkontakt bestanden habe und darin von ihr oder Mitarbeitern der Beklagten zu 1) nur ein "Ausleihen" der Tonträger für drei Tage angeboten worden sei. Hat damit auch nach dem Vortrag der Schuldnerin ein Verkauf an die Gläubigerin bzw. deren Beauftragte gerade nicht stattgefunden, so erstreckt sich die Auskunftspflicht, für die eine Befristung nicht tenoriert ist, auch auf die anschließende Zeit und ist die erteilte Auskunft mithin auch insoweit unvollständig.

Gleichwohl können beim derzeitigen Sachstand die beantragten Zwangsmittel nicht festgesetzt werden. Die Schuldnerin bedarf schon angesichts der inzwischen verstrichenen Zeit für die noch geschuldeten ergänzenden Angaben des Einblicks in die Geschäftsunterlagen. Diese stehen ihr nach deren Übergabe an den neuen Geschäftsführer S O nicht selbst zur Verfügung. Die Schuldnerin ist daher auf die Mitwirkung des neuen Geschäftsführers angewiesen. Kann der Schuldner die geschuldete Handlung nicht ohne Mitwirkung eines Dritten bewirken, so scheidet allerdings die Anwendung von Zwangsmitteln nicht von vornherein aus. Vielmehr ist der Schuldner verpflichtet, alles zumutbare zu tun, um sich von dem mitwirkungspflichtigen Dritten die erforderlichen Kenntnisse zu verschaffen, und kann auch die Erfüllung dieser Verpflichtung mit den Zwangsmitteln des § 888 Abs.1 ZPO durchgesetzt werden (vgl. BayObLG NJW 75, 740 f; OLG Frankfurt, NJW-RR 97, 567; Stein/ Jonas/Brehm, ZPO, 21. Aufl. § 888 Rz 13 f; M/K/Schilken, ZPO, § 888 Rz 8; Schuschke/Walker, § 888 Rz 18 f). Die Schuldnerin ist danach ungeachtet der Frage, ob sie eine solche Mitwirkung rechtlich erzwingen kann, zumindest zu dem Versuch verpflichtet, ihren Nachfolger zur Einsichtsgewährung zu veranlassen (vgl. OLG Köln NJW RR-92, 633; Stein/Jonas/Brehm a.a.O. Rz 15). Es liegt im übrigen nahe, den neuen Geschäftsführer der Beklagten zu 1) als verpflichtet anzusehen, der Schuldnerin den notwendigen Einblick in die Geschäftsunterlagen zu gewähren. Allerdings ist der Entscheidung zugrunde zu legen, dass die Schuldnerin entgegen dem im Erkenntnisverfahren unstreitigen Sachverhalt nicht mehr Alleingesellschafterin der Beklagten zu 1) ist, sondern ihre Geschäftsanteile an Herrn O übertragen hat. Denn diesem Vortrag der Schuldnerin hat die Gläubigerin nicht widersprochen (§ 138 Abs.3 ZPO). Angesichts des Umstandes, dass die Schuldnerin in Erfüllung des Anteilsübertragungsvertrages und wegen des Überganges auch der Geschäftsführung auf Herrn O diesem sämtliche Geschäftsunterlagen überlassen hat, dürfte indes ein nachvertraglicher Anspruch gegen den Erwerber dahingehend bestehen, dass die Schuldnerin nunmehr Einblick in die Unterlagen erhält, die sie im Rahmen einer Auseinandersetzung über Schadensersatzansprüche benötigt, die Handlungen aus der Zeit betreffen, in der sie noch Anteilseignerin und Geschäftsführerin war.

Der Senat lässt die Frage der rechtlichen Mitwirkungspflicht des neuen Geschäftsführers der Beklagten zu 1) im Ergebnis offen. Denn die Verpflichtung der Schuldnerin, diesen Mitwirkungsanspruch - notfalls auch gerichtlich - durchzusetzen, steht unter dem Vorbehalt der Unzumutbarkeit und der Schuldnerin sind unter Berücksichtigung aller Umstände weitere Maßnahmen zur Erlangung der Einsicht in die Unterlagen derzeit nicht zumutbar. Der neue Alleingesellschafter und Geschäftsführer hatte im Jahre 2001 ausweislich des auszugsweise vorgelegten Kaufvertrages seinen Wohnsitz in M in Spanien. Dort hat ihn die Schuldnerin nach ihrem Vortrag zuletzt im ersten Quartal des Jahres 2002 erreicht. Später sind unter der angegebenen Adresse an ihn gerichtete Briefe unbeantwortet geblieben und auch über Handy war Herr O für die Schuldnerin nicht erreichbar, weil sich unter der früher zutreffenden Nummer nunmehr ein anderer Teilnehmer meldet. Von diesem Vortrag ist gem. § 138 Abs.3 ZPO auszugehen, weil die Gläubigerin ihm nicht widersprochen hat. Er wird überdies gestützt durch den Umstand, dass auch die Gläubigerin selbst im vorliegenden Zwangsvollstreckungsverfahren, das sich in erster Instanz auch gegen die Beklagte zu 1) gerichtet hat, auf den richterlichen Hinweis vom 6.9.2004, dass eine Zustellung des Antrags an diese (auch) unter der neuen Adresse in P fehlgeschlagen sei, nicht mit der Angabe einer neuen Anschrift reagiert hat. Weiter ergibt sich aus dem Vortrag der Gläubigerin auch nicht, dass und wo die Beklagte zu 1) derzeit eine Geschäftstätigkeit entwickelt, so dass die Schuldnerin auch über die Beklagte zu 1) einen Kontakt nicht herstellen kann. Es ist nicht ersichtlich, mit welchen zumutbaren Maßnahmen die Schuldnerin derzeit den Aufenthaltsort des Herrn O sollte in Erfahrung bringen können. Insbesondere ist es ihr nicht zumutbar, auf eigene Kosten etwa eine Detektei mit Nachforschungen zumindest in Spanien und Deutschland zu beauftragen. Zwangsmittel können daher derzeit nicht festgesetzt werden.

Die Situation kann indes anders zu beurteilen sein, wenn der Schuldnerin, sei es durch die Gläubigerin sei es auf andere Weise, zukünftig eine aktuelle Adresse des Herrn O bekannt werden sollte. In diesem Falle wird sie sich aus den dargelegten Gründen zur Vermeidung von Zwangsmaßnahmen nach Kräften nachhaltig zu bemühen haben, hinreichende Informationen zu erhalten, um ihre Auskunft zu vervollständigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.2 ZPO.

Der Schuldnerin fallen die Kosten des Beschwerdeverfahrens zur Last. Sie obsiegt auf Grund eines im Sinne der Vorschrift neuen Vorbringens, das sie bereits in erster Instanz hätte geltend machen können. Aus den von der Kammer auf Seite 4 der angefochtenen Entscheidung unter 2.) zutreffend dargelegten Gründen bestand schon im Zwangsvollstreckungsverfahren erster Instanz Anwaltszwang und die Schuldnerin, deren privatschriftliches Vorbringen deshalb nicht hätte verwertet werden dürfen, hat sich erst im Beschwerdeverfahren anwaltlich vertreten lassen.

Beschwerdewert: 1.500 €.

Ende der Entscheidung

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