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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 24.01.2003
Aktenzeichen: 6 W 2/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 269 Abs. 3 S. 3
ZPO § 269 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

6 W 2/03

In Sachen

pp.

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln am 24. Januar 2003 durch seine Mitglieder Dr. Schwippert, von Hellfeld und Pietsch

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss der ersten Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn vom 27. Dezember 2002 - 11 0 203/02 - abgeändert.

Auf den Antrag des Klägers werden dessen außergerichtliche Kosten sowie die Gerichtskosten den Beklagten zu 1) und 2) je zur Hälfte auferlegt. Die Beklagten haben ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.

Das gilt auch für die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger erwirkte durch Senatsbeschluss vom 10.09.2002 eine einstweilige Verfügung gegen die Beklagten, mit denen dieser der weitere werbliche Hinweis auf "Anzugstage" bei drastisch herabgesetzten Preisen untersagt wurde. Der Beschluss wurde den Beklagten seitens des Klägers am 18.09.2002 zugestellt. Am 16.10.2002 forderte der Kläger die Beklagten mit Fristsetzung auf den 23.10.2002 auf, eine Abschlusserklärung abzugeben. Da eine Reaktion zunächst ausblieb, reichte er am 28.10.2002 die Hauptsacheklage bei Gericht ein. Am 30.10.2002 erhielt er die Abschlusserklärung der Beklagten. Er nahm mit Schriftsatz vom 31.10.2002 die Klage zurück, deren Zustellung bei Eingang des Schriftsatzes noch nicht veranlasst war, und stellte Kostenantrag gemäß § 269 Abs. 3 Satz 3, Absatz 4 ZPO.

Das Landgericht hat diesen Antrag ebenso wie den daraufhin seitens der Beklagten, denen die Klageschrift sowie die Klagerücknahme samt Kostenantrag alsdann zugestellt worden ist, ebenfalls gestellten Kostenantrag als unzulässig verworfen. Eine Kostenentscheidung nach § 269 ZPO setze das Bestehen eines Prozessrechtsverhältnisses voraus, das mangels Zustellung der Klage nicht entstanden sei. Soweit die Beklagten im Zusammenhang mit dem ihnen eingeräumten rechtlichen Gehör zum Kostenantrag des Klägers Kenntnis von der Klage erhalten hätten, sei das einer Klagezustellung nicht gleichzusetzen.

Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers, der seinen Kostenantrag weiterverfolgt.

II.

Die sofortige Beschwerde des Klägers ist nach § 269 Abs. 5 ZPO statthaft und auch fristgerecht eingelegt. Sie hat überdies in der Sache Erfolg.

1.

Nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO sind die Kosten anteilig den Beklagten aufzuerlegen.

Die seit dem 01.01.2002 neu gefasste Vorschrift legt fest, dass sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen bestimmt, wenn der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen ist und die Klage daraufhin unverzüglich zurück genommen wird. Das ist hier der Fall. Durch die nach Einreichung der Klage, aber vor deren Zustellung übersandte Abschlusserklärung der Beklagten ist die Wiederholungsgefahr entfallen und dem Unterlassungsanspruch des Klägers damit die Grundlage entzogen worden; das hat ihn zur unverzüglichen Klagerücknahme veranlasst. Die vom Landgericht in der angefochtenen Entscheidung unter Bezugnahme auf Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 269 Rn. 8 a ff. vertretene Auffassung, die genannte Bestimmung sei nur anwendbar, wenn die Rücknahme der Klage nach Zustellung der Klageschrift erklärt werde - dem sich jetzt auch mit Entschiedenheit Hartmann in Baumbach/Lauterbach, ZPO, 61. Aufl., § 269, Rn. 39 angeschlossen hat - vermag der Senat nicht zu teilen:

a.

Der Wortlaut der Vorschrift lässt die vom Landgericht befürwortete Beschränkung seines Wirkungsbereichs nicht erkennen. Von dem Erfordernis der Rechtshängigkeit vor Klagerücknahme ist dort nicht die Rede. Der Novellierungsgesetzgeber ist vielmehr ersichtlich von der Vorstellung ausgegangen, auch eine noch nicht zugestellte Klage könne zurückgenommen werden. Dieses Begriffsverständnis des Gesetzgebers findet sich im übrigen auch bereits in Kostenverzeichnis 1211, Anlage 1 zum GKG. Die Verfahrensgebühr entsteht nämlich bereits mit der Einreichung der Klageschrift beim Gericht (Hartmann, KostG, 31. Aufl., KV 1210 Rn. 13 m.N.). Die Verfahrensgebühr ermäßigt sich bei "Zurücknahme der Klage", und das gilt (selbstverständlich) auch ohne deren Zustellung.

b.

Die von Zöller/Greger und Hartmann, a.a.O., befürwortete restriktive Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 3 würde die Absichten des Gesetzgebers konterkarieren. Er betrachtete es ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfes (BT Drucksache, 14/4722 S. 81) als Misstand, dass der Kläger nach einer Klagerücknahme kraft Gesetzes auch dann verpflichtet war, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, wenn der Beklagte Anlass zur Klage gegeben hatte und der Kläger über einen materiellen Kostenerstattungsanspruch verfügte. Die Neuregelung sollte es ermöglichen, einem solchen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch Rechnung zu tragen, ohne dass ein neues Verfahren erforderlich werde. Die Vorschrift würde ihre praktische Bedeutung weitgehend verlieren, wenn sie nur für die Fälle angewandt würde, in denen es vor Einreichung der Klagerücknahmeschrift bei Gericht bereits zur Zustellung an den Beklagten gekommen wäre, da der Anlass zur Einreichung vor Rechtshängigkeit weggefallen und die Klage daraufhin unverzüglich zurück genommen sein muss. Der Senat folgt Zöller/Greger und Hartmann schließlich nicht in deren Auffassung, die Bewahrung des fundamentalen prozessualen Begriffs des "Prozessrechtsverhältnisses" gebiete die von ihnen befürwortete Auslegung. Soweit ein Beklagter nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO a.F. einen Kostenantrag gestellt hat oder nach § 269 Abs. 4 n.F. diesen Prozessantrag stellt, setzt das freilich ein Prozessrechtsverhältnis voraus. Er kann den Antrag nicht stellen, wenn er nicht durch Zustellung einer Klageschrift überhaupt in den Prozess einbezogen ist. Bei der mit § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO n.F. eingeführten neuen Kostenantragsberechtigung des Klägers liegen die Dinge anders. Ohne Verletzung des Artikels 103 Abs. 1 GG kann über den Antrag des Klägers nicht entschieden werden, ohne der Gegenseite rechtliches Gehör zu gewähren. Nach Eingang des Kostenantrages sind dem Beklagten daher - wie es im Streitfall auch richtig geschehen ist - Klageschrift, Klagerücknahme und Kostenantrag zuzustellen. Damit entsteht ein Prozessrechtsverhältnis, dessen Streitgegenstand allerdings nicht mehr von der ursprünglichen Klageschrift, sondern vom Kostenantrag bestimmt wird.

2.

Auf den demnach zulässigen Antrag waren die Kosten des Rechtsstreits den Beklagten aufzuerlegen. Dem Kläger steht ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch aus § 286 Abs. 1 BGB zu. Die Beklagten haben die Abschlusserklärung erst nach Verzugseintritt abgegeben. Entgegen ihrer Auffassung waren die ihr gesetzten Fristen angemessen. In Verzug befand sich auch die Beklagte zu 2) als Geschäftsführerin der Beklagten zu 1). Die Lebenserfahrung spricht dafür, dass sie als einzige Geschäftsführerin der Erstbeklagten für die inkriminierte Werbung verantwortlich war. Umstände, aus denen ausnahmsweise eine andere Folgerung abzuleiten wäre, sind von den Beklagten nicht dargetan.

3.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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