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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 09.01.2009
Aktenzeichen: 6 W 3/09
Rechtsgebiete: UrhG, ZPO, Richtlinie 2004/48/EG


Vorschriften:

UrhG § 101 a Abs. 3
ZPO § 935
ZPO § 940
Richtlinie 2004/48/EG Art. 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Köln vom 19.12.2008 - 33 O 395/08 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Gründe:

Die nach §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen die Zurückweisung ihres Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Durchführung einer Besichtigung ist unbegründet. Zu Recht hat die Kammer, ohne insoweit die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Urheberrechtsverletzung als Voraussetzung des Anspruchs aus § 101a Abs. 1 UrhG auf Duldung der Besichtigung einer Sache (hier: sachverständige Untersuchung von bei der Antragsgegnerin programmierter und / oder eingesetzter Software) prüfen zu müssen, bereits das Vorliegen eines Verfügungsgrundes verneint. Gegen die zutreffenden Erwägungen im angefochtenen Beschluss, auf die der Senat in vollem Umfang zustimmend Bezug nimmt, wendet sich die Beschwerde ohne Erfolg.

Zur Durchsetzung des Anspruchs aus § 101a UrhG (als Sondervorschrift zu § 809 BGB in seiner Auslegung durch BGHZ 150, 377 = GRUR 2002, 1046 - Faxkarte) im Wege der einstweiligen Verfügung nach § 101a Abs. 3 UrhG bedarf es gemäß §§ 935, 940 ZPO einer besonderen Dringlichkeit. Der im Schrifttum (Kühnen, GRUR 2005, 185 [194]; Tilmann, GRUR 2005, 737 [738]) vertretenen Auffassung, dass Art. 7 der Richtlinie 2004/48/EG es nicht erlaube, die erstrebte Beweishilfe wegen fehlender Dringlichkeit zu verweigern, ist der deutsche Gesetzgeber aus gutem Grund (vgl. Eck / Dombrowski, GRUR 2008, 387 [393]; vgl. auch Peuckert / Kur, GRUR Int. 2006, 292 [300]; Wandtke / Bullinger / Ohst, Urheberrecht, 3. Aufl., § 101a UrhG Rn. 34) nicht gefolgt: Die ohne Anhörung des Gegners erstrebte Anordnung scheitert zwar nicht am grundsätzlichen Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache, bei fehlendem Verfügungsgrund aber an dem auch nach der Richtlinie zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 16/5048 S. 28). Der Rechtsinhaber hat also den Verfügungsgrund glaubhaft zu machen (a.a.O., S. 41), wie schon das Landgericht richtig ausgeführt hat. Dazu gehört, dass er sich nicht übermäßig lange Zeit mit der Anbringung des Besichtigungsantrags lassen darf (vgl. Kühnen, a.a.O.; Eck / Dombrowski, a.a.O.).

Davon, dass die Antragstellerin seit Kenntnisnahme von dem vermeintlich anspruchsbegründenden Sachverhalt bis zu ihrem Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung durchgängig das Ziel verfolgt hätte, den begehrten vorläufigen Rechtsschutz so schnell wie möglich zu erlangen, kann im Streitfall indessen keine Rede sein.

Sie begründet den Verdacht der urheberrechtswidrigen Nutzung ihrer eigenen Software durch die Antragsgegnerin in erster Linie damit, dass deren Webseite wegen ihres im Wesentlichen gleichen Designs eine unberechtigte Kopie ihrer eigenen Webseite nach dem Stand von Ende 2005 bis 2006 sei. Denselben Vorwurf hatte sie bereits in den Abmahnungen vom 08.06.2006 (Anlage AG 4 zur Schutzschrift vom 16.07.2008) und 03.01.2007 (Anlage AG 5 ebd.) erhoben. Aber erst im Oktober / November 2008 beauftragte die Antragstellerin (nachdem die Antragsgegnerin Mitte 2008 negative Feststellungsklage erhoben hatte) Gutachter damit, die bis Ende 2006 im Internet-Archiv archive.org gespeicherten Versionen der Webseiten der Parteien auf Anhaltspunkte für eine (teilweise) Quellcode-Identität zu überprüfen (obwohl sie zumindest eine Identität der HTML-Quellcodes schon 2006 behauptet hatte). Der am 08.12.2008 angebrachte Verfügungsantrag dient ausweislich der Antragsschrift der Beschaffung weiterer Beweismittel für das bereits am 19.11.2008 anhängig gemachte Hauptsacheverfahren 33 O 374/08, wobei der nunmehr vom Gericht zu beauftragende Sachverständige eine Nutzung des Quellcodes der Webseite der Antragstellerin nach dem Stand 2005 - "insbesondere, aber nicht ausschließlich" bestimmter PHP-Dateien - untersuchen soll.

Eine besondere Eilbedürftigkeit und Gefahr der Vernichtung von Beweisstücken durch den Gegner (vgl. Antrag zu Nr. II 2) kann vor Gericht nicht mehr geltend machen, wer wie die Antragstellerin (die als Betreiberin eines Internetdienstes besonders vertraut mit schnellen Kommunikationsmedien und technischen Veränderungen ist) über zwei Jahre zuwartet, bevor sie geeignete Schritte zur Sammlung von Beweismitteln gegen vermeintliche Plagiatoren ihrer geschützten Webseite (nämlich der diese Webseite bildenden Computerprogramme) unternimmt. Tatsächliche Anhaltspunkte für die behauptete Rechtsverletzung, die von den mit erheblicher Verzögerung beauftragten Privatgutachtern ermittelt worden sein mögen (auch wenn es sich um bisher unbekannte, im Rahmen des vorliegenden Verfahrens noch zu verifizierende Indizien für ein Kopieren von PHP-Quellcodes handelt), begründen keine neue Dringlichkeit. Dass dies erst recht für die unternehmerische Entscheidung der Antragstellerin gilt, seit März 2008 auch eine deutsche Sprachversion ihres Internetdienstes anzubieten und damit stärker als bisher in Konkurrenz zur Antragsgegnerin als vermeintlicher Rechtsverletzerin zu treten, liegt auf der Hand.

Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unter Nr. III der Antragsschrift war unter Nr. I und II - wohl der sogenannten "Düsseldorfer Besichtigungspraxis" folgend - ein im angefochtenen Beschluss nicht ausdrücklich behandelter Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens gemäß § 485 Abs. 2 S. 1 ZPO vorangestellt. Wenn der Antrag nicht dahin auszulegen sein sollte, dass eine Entscheidung insoweit nur für den Fall einer positiven Entscheidung über den Verfügungsantrag zu Nr. III begehrt werde, wird das Landgericht darüber (gegebenenfalls nach Anhörung der Antragsgegnerin) noch zu befinden haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Beschwerdewert: 200.000,00 €

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