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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 25.05.2000
Aktenzeichen: 7 U 178/99
Rechtsgebiete: BGB, KAGG, KWG, WpHG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 839
KAGG § 7
KWG § 37
KWG § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
KWG § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3
WpHG § 3
WpHG § 31
WpHG § 32
WpHG § 34 a
WpHG § 2 Abs. 3
WpHG § 36 a
WpHG § 2 Abs. 3 Nr. 6
WpHG § 36 a Abs. 2 Satz 1
ZPO § 147
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 100 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 U 178/99 1 O 236/98 LG Bonn

Anlage zum Protokoll vom 25. Mai 2000

Verkündet am 25. Mai 2000

Lingnau, JHS'in als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 30. März 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Prior und die Richter am Oberlandesgericht Martens und Dr. Kling

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufungen der Kläger gegen die am 6. September 1999 verkündeten Urteile der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 1 O 222-240/98 - werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger zu folgenden Anteilen:

zu 1) 3,5%;

zu 2) 2,1%;

zu 3) 2%;

zu 4) 1,8%;

zu 5) 1,8;

zu 6) 3,1%;

zu 7) 2,1%;

zu 8) 2,6%;

zu 9) 1,8%;

zu 10) 3,5%;

zu 11) 1,9%;

zu 12) 1,9%;

zu 13) 1,8%;

zu 14) 7,1%;

zu 15) 28,3%;

zu 16) 3,5%;

zu 17) 2,3%;

zu 18) 3,5%;

zu 19) 8,8%;

zu 20) 3%;

zu 21) 1,8%;

zu 22) 2%;

zu 23) 4,4%;

zu 24) 5,4%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Zwangsvollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. Die Sicherheit bemisst sich nach der vorstehend für den jeweiligen Kläger ausgeurteilten Kostenquote, bezogen auf einen Gesamtbetrag von 70.000,00 DM. Sie kann beiderseits auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, Genossenschaftsbank oder öffentlichen Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Kläger haben Geld verloren, das sie in den Jahren 1995 und 1996 dem in der Republik I. ansässigen Unternehmen E. E. L. anvertraut haben. Sie verlangen von der Beklagten Schadensersatz wegen verspäteter Umsetzung der EG-Richtlinie vom 10.05.1993 über Wertpapierdienstleistungen (WPD-Richtlinie).

Die von den Klägern bei der E. angelegten Einzelbeträge schwanken zwischen 10.000,00 DM und 120.000,00 DM. Es wurde jeweils ein schriftlicher Vertrag ("Kapitalanlage-Auftrag" oder "Kapitalanlage-Vermittlungsauftrag") geschlossen, in dem die E. eine bestimmte, regelmäßig über 7% liegende jährliche Rendite garantierte. Der angelegte Geldbetrag wurde durch ein "Beteiligungs-Zertifikat" verbrieft.

Vertriebsbeauftragte der E. in Deutschland war die Firma U. in V.. als sog. Treuhänder, der die angelegten Gelder entgegen nahm und an die E. weiterleitete, fungierte 1995 der Rechtsanwalt R. H.. Gegen die U. und H. leitete das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen 1995 Verfahren wegen unerlaubter Bankgeschäfte ein. Mit Bescheiden vom 4. August 1995 (U) und 18.09.1995 (H) ordnete es die Einstellung und Abwicklung der Geschäfte gemäß § 37 KWG an. Neuer Treuhänder wurde daraufhin im Januar 1996 die in der Schweiz ansässige Firma F. Treuhand, die in der Folgezeit jedenfalls noch bis zum Juli 1996 Einzahlungen für die E. entgegennahm.

Die zur Durchführung der WPD-Richtlinie (RL) erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften hatten die Mitgliedstaaten bis zum 01.07.1995 zu erlassen und spätestens am 31.12.1995 in Kraft zu setzen (Art. 31 RL). Die Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber erfolgte in zwei Schritten. Das Kernstück bildete das Gesetz über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsgesetz - WpHG), das fristgerecht durch Art. 1 des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes vom 26.07.1994 (BGBl I, 1749) erlassen wurde. Den zweiten, verspäteten Schritt bildete das Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften vom 22.10.1997 (BGB l I, 2518), durch das u. a. das Wertpapierhandelsgesetz novelliert wurde.

Die Kläger haben geltend gemacht, durch die teilweise verspätete Umsetzung der Richtlinie hätten es die gesetzgebende Organe der Beklagten zu verantworten, dass ihre Anlagen bei der E. verloren gegangen seien. Bei rechtzeitiger Umsetzung bis Ende 1995 hätten die erst 1996 begangenen Untreuehandlungen bei der R. H. und der E. noch durch Maßnahmen des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen verhindert werden können.

Mit ihren Klageanträgen hat die Mehrheit der Kläger beantragt, die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe des jeweils verlorenen Anlagebetrags zu verurteilen. Ein Teil der Kläger hat die Beklagte darüber hinaus auf Ersatz von Rechtsverfolgungskosten in Anspruch genommen.

In den in erster Instanz noch getrennten Verfahren hat das Landgericht durch Urteile vom 06.09.1999 sämtliche Klagen abgewiesen. Es hat gemeint, ein gemeinschaftsrechtlicher Entschädigungsanspruch aus Art. 249 Satz 3 EGV i. V. m. § 839 BGB, Art. 34 GG stehe den Klägern schon deshalb nicht zu, weil es an der dafür erforderlichen Voraussetzung fehle, dass die von dem Mitgliedstaat verletzte gemeinschaftsrechtliche Norm den Zweck habe, zu Gunsten des Geschädigten hinreichend bestimmbare Rechte zu begründen. Die WPD-Richtlinie gewähre den Mitgliedstaaten im Verhältnis zu Wertpapierfirmen lediglich bestimmte Aufsichts- und Eingriffsbefugnisse, während sie nicht bezwecke, auch dem einzelnen Anleger bestimmte individuelle Ansprüche zu verschaffen. Insbesondere solle dem Anleger kein Entschädigungsanspruch gewährt werden. Dies sei vielmehr erst Gegenstand der am 03.03.1997 erlassenen Anlegerentschädigungsrichtlinie gewesen, die fristgerecht durch das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz vom 16.07.1998 umgesetzt worden sei.

Gegen die Urteile haben die Kläger jeweils form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese auch rechtzeitig begründet. Sie verfolgen ihre erstinstanzlichen Anträge weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufungen. Durch Beschluss vom 30.03.2000 hat der Senat die Verfahren gemäß § 147 ZPO zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden.

Wegen aller näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes einschließlich des genauen Inhalts der gestellten Anträge wird auf die angefochtenen Urteile und auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der Senatssitzung vom 30.03.2000 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen sind zulässig, haben in der Sache aber keinen Erfolg.

Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass die WPD-Richtlinie nicht (auch) den Zweck verfolgte, den einzelnen Anlegern in Bezug auf die Tätigkeit der Aufsichtsbehörden bestimmte individuelle Rechte zu verleihen. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen der angefochtenen Urteile Bezug genommen (§ 543 Abs. 1 ZPO). Die dagegen in der Berufungsinstanz vorgebrachten Einwände rechtfertigen keine für die Kläger günstigere Beurteilung.

Nach Auffassung des Senats steht den Klägern ein Entschädigungsanspruch aber auch schon deshalb nicht zu, weil das von der E. betriebene Anlagengeschäft, durch das sie ihr Geld verloren, von der WPD-Richtlinie überhaupt nicht erfasst wurde.

Eine Wertpapierdienstleistung im Sinne der Richtlinie ist nach Art. 1 Nr. 1 RL jede für Dritte erbrachte Dienstleistung, die in Abschnitt A des Anhangs aufgeführt ist und sich auf eines der Instrumente in Abschnitt B des Anhangs bezieht. Nach Auffassung der Kläger handelt es sich bei dem Geschäft der E. um eine "individuelle Verwaltung einzelner Portefeuilles" im Sinne des Anhangs Abschnitt A Nr. 3 (Portfolioverwaltung). Insoweit kann den Klägern jedoch nicht gefolgt werden.

Umgesetzt wurde die Richtlinie, soweit sie die Portfolioverwaltung in ihren Anwendungsbereich einbezieht, durch § 2 Abs. 3 Nr. 6 WpHG. Dort wird die Dienstleistung als Verwaltung einzelner in Wertpapieren, Geldmarktinstrumenten oder Derivaten angelegter Vermögen für andere mit Entscheidungsspielraum definiert. Die Bestimmung des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG beschreibt die entsprechende Finanzdienstleistung als die Verwaltung einzelner in Finanzinstrumenten angelegter Vermögen für andere mit Entscheidungsspielraum (Finanzportfolioverwaltung). Sowohl in der Richtlinie wie auch in den genannten Gesetzesbestimmungen kommt zum Ausdruck, dass es sich um die Verwaltung "einzelner Vermögen" handeln muss. Dementsprechend liegt eine Portfolioverwaltung nur dann vor, wenn das verwaltete Vermögen getrennt von dem eigenen Vermögen des Verwalters und dem Vermögen anderer Vermögensverwaltungskunden verwahrt wird (Schäfer, in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 11/28). Die getrennte Vermögensverwaltung wird den Wertpapierdienstleistungsunternehmen durch § 34 a WpHG auch ausdrücklich vorgeschrieben. Das Gegenstück der auf die Verwaltung einzelner Vermögen zugeschnittenen Portfolioverwaltung bildet das Investmentgeschäft, bei dem das angelegte Geld für "gemeinschaftliche Rechnung" der Einleger verwaltet wird (§ 1 Abs. 1 KAGG).

Die E. brachte schon durch ihren Namen zur Ausdruck, dass sie das ihr anvertraute Vermögen nicht für jeden einzelnen Anleger getrennt, sondern gemeinschaftlich für alle Anleger verwaltete. Nach § 7 KAGG dürfen Bezeichnungen und Firmenzusätze wie "Investmentgesellschaft" einschließlich bloßer Firmenbestandteile wie "Invest" nur von Unternehmen geführt werden, die tatsächlich im Bereich des Kapitalanlage- bzw. Investmentgeschäfts tätig sind. Für eine derartige Tätigkeit spricht auch die Ausgabe von Anteilscheinen sowie die Beschreibung des Anlagevorgangs in dem von der E. herausgegebenen Prospekt, wo von einem "Verkauf" der Anteile die Rede ist, der durch eine "Vertriebsbeauftragte" erfolgen soll. Dabei handelt es sich um typische Merkmale des Investmentgeschäfts. Einer individuellen Vermögensverwaltung sind Anteile und Anteilscheine sowie deren Vertrieb und Verkauf wesensfremd.

Investmentgesellschaften sind in der Sprache des Richtliniengebers "Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren" (OGAW), deren Tätigkeit durch die sogenannte OGAW-Richtlinie (auch Investment-Richtlinie) vom 20.12.1985 geregelt wurde (vgl. Baur, in Hellner/Steuer a. a. O. Rn. 9/604). An dieser Richtlinie, die durch die §§ 15 - 15 k AuslInvG umgesetzt wurde, hat sich durch die WPD-Richtlinie nichts geändert. Vielmehr stellt Art. 2 Abs. 2 h RL ausdrücklich klar, dass sie auf Organismen für gemeinsame Anlagen keine Anwendung findet.

Ob die E. den Organismen für gemeinsame Anlagen zuzuordnen ist, kann aber letztlich auch dahinstehen. Insbesondere braucht nicht weiter vertieft zu werden, ob es entscheidend gegen eine Investmenttätigkeit spricht, dass die E. den Anlegern eine bestimmte Mindestrendite garantierte. Im Hinblick auf das Renditeversprechen ist nämlich allenfalls in Betracht zu ziehen, dass es sich nicht um ein Investment-, sondern um ein Einlagengeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG gehandelt hat (zur Abgrenzung vgl. BGH NJW 1995, 1494, 1495). Bei dieser Beurteilung wäre die WPD-Richtlinie ebenfalls nicht anwendbar. Insbesondere enthält die Richtlinie für das Einlagengeschäft keine Erweiterung der aufsichtsbehördlichen Befugnisse. Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der Aufsicht durch die einzelnen Mitgliedsstaaten war für den Bereich der Bankgeschäfte bereits durch die 2. Bankrechtskoordinierungsrichtlinie vom 15.12.1989 eingeführt worden (§ 53 b KWG in der Fassung des Gesetzes vom 21.12.1992, BGBl I, 2211).

Im Ergebnis kommt es aber für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht einmal darauf an, ob die WPD-Richtlinie auf die Tätigkeit der E. anwendbar ist. Wäre sie anwendbar, so wäre ihre verspätete Umsetzung für die von den Klägern erlittenen Verluste jedenfalls nicht ursächlich geworden. Ihre Einlagen bei der E. hätten die Kläger auch dann verloren, wenn die Richtlinie in vollem Umfang bereits zum 01.01.1996 umgesetzt worden wäre.

Die Umsetzung ist, soweit hier von Interesse, durch Art. 2 des Gesetzes zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften vom 22.10.1997 (BGBl I, 2518) erfolgt. Dass das WpHG in der Fassung, die es durch dieses Gesetz erlangt hat, richtlinienkonform ist, wird von den Klägern nicht in Zweifel gezogen. Maßgebend ist deshalb letztlich, ob die Kläger sich besser gestanden hätten, wenn das WpHG in der seit dem 01.01.1998 geltenden Fassung bereits zum 01.01.1996 in Kraft getreten wäre.

Die Kläger berufen sich in diesem Zusammenhang auf die angeblich verbraucherschützenden Bestimmungen des Art. 10 (Aufsichtsregeln) und des Art. 11 (Wohlverhaltensregeln), die durch § 31 WpHG (allgemeine Verhaltensregeln) und § 32 WpHG (besondere Verhaltensregeln) umgesetzt wurden. Insoweit erfolgte die Umsetzung fristgerecht durch das zweite Finanzmarktförderungsgesetz vom 26.07.1994. Verspätet umgesetzt wurde nur die vollständige Einbeziehung der in Anhang A Abschnitt A bezeichneten Dienstleistungen, namentlich der Portfolioverwaltung, in den Katalog des § 2 Abs. 3 WpHG. Die Kläger vermögen aber nicht einmal ansatzweise darzulegen, durch welche Maßnahmen oder Ereignisse ihr Geld bei einer rechtzeitigen Umsetzung noch vor der Veruntreuung geschützt worden wäre. Richtig ist, dass die E., wenn ihre Geschäfte von § 2 Abs. 3 WpHG erfasst wären, mit Wirkung vom 01.01.1996 der Aufsicht des Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel unterstanden hätte (§ 3 WpHG). Zu den Aufgaben des Bundesaufsichtsamts gehört es, Missständen entgegen zu wirken, welche die ordnungsmäßige Durchführung des Wertpapierhandels oder von Wertpapierdienstleistungen oder Wertpapiernebendienstleistungen beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für den Wertpapiermarkt bewirken können (§ 4 Abs. 1 Satz 2 WpHG). Gegenüber ausländischen Unternehmen mit Sitz in Mitgliedstaaten der EU sind aber die Kompetenzen des Bundesaufsichtsamts, was die Überwachung der Einhaltung der Verhaltensregeln betrifft, erheblich eingeschränkt. Näher geregelt sind diese Befugnisse in § 36 a WpHG, der insoweit Art. 19 der Richtlinie umsetzt. Stellt das Bundesaufsichtsamt einen Verstoß gegen die Verhaltensregeln fest, so sieht § 36 a Abs. 2 Satz 1 WpHG als ersten Schritt vor, dass das Unternehmen aufgefordert wird, seine Verpflichtungen innerhalb einer bestimmten Frist zu erfüllen. Bleibt diese Aufforderung erfolglos, so ist der nächste Schritt die Unterrichtung der zuständigen Behörde des Herkunftsstaats (Satz 2). Wird auch dadurch keine Abhilfe erreicht, sei es, weil der Herkunftsstaat keine Maßnahmen ergreift oder weil sich die Maßnahmen als unzureichend erweisen, so erfolgt als dritter Schritt die Unterrichtung des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen (Satz 3). Damit enden die Kompetenzen des Bundesaufsichtsamts nach dem WpHG. Das weitere obliegt dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen, das die weiterreichende Befugnis hat, dem Unternehmen die Durchführung neuer Geschäfte im Inland zu untersagen (§ 53 b Abs. 4 Satz 3 KWG). Damit sind die einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie (Art. 19 Abs. 3 - 5) vollständig umgesetzt.

Es liegt auf der Hand, dass die genannten Maßnahmen der Bundesaufsichtsämter viel zu spät gekommen wären, um den Klägern noch irgendeinen Nutzen zu bringen. Allein das Sammeln der Informationen zur Vorbereitung der Aufforderung gemäß § 36 a Abs. 2 Satz 1 WpHG hätte eine nicht unerhebliche Zeit beansprucht, wobei noch fraglich ist, wann dem Bundesaufsichtsamt überhaupt eine Beschwerde zugegangen wäre, die Anlass geboten hätte, gegenüber der E. tätig zu werden. Nach dem eigenen Vorbringen der Kläger wurden die Untreuehandlungen, durch die das bei der E. angelegte Vermögen verloren ging, in der Zeit vom Februar bis zum Juni 1996 begangen. Innerhalb dieses Zeitraums wäre es allenfalls noch zu einer Aufforderung gemäß § 36 a Abs. 2 Satz 1 WpHG gekommen, der die E. mit großer Wahrscheinlichkeit nicht Folge geleistet hätte. Unter keinen Umständen hätte die Zeit ausgereicht, um das Verfahren so weit voranzutreiben, dass es zum Einsatz von Zwangsmitteln durch das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen gekommen wäre.

Das gilt ausnahmslos für sämtliche Kläger, ohne Rücksicht darauf, zu welchem Zeitpunkt sie ihre Anlagen zeichneten. Allenfalls bei denjenigen, die erst einige Zeit nach dem 01.01.1996 zeichneten, stellt sich die Frage, ob es bei rechtzeitiger Umsetzung der Richtlinie irgendwelche Ereignisse gegeben hätte, durch die sie sich von der Zeichnung hätten abhalten lassen. Hierfür ist aber letztlich nichts ersichtlich. Ob es Pressemeldungen über eventuelle Aktivitäten des Bundesaufsichtsamts gegeben hätte, ist ungewiss. Noch weniger steht fest, ob die Kläger von solchen Meldungen Notiz genommen und daraufhin von der Zeichnung Abstand genommen hätten. Dagegen spricht, dass die Maßnahmen, die das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen im August und September 1994 gegen die U. und Rechtsanwalt H. durchführte, in dieser Hinsicht offenbar wirkungslos geblieben sind.

Auch hinsichtlich der Geschäfte der U. hat sich die verspätete Umsetzung der Richtlinie nicht ausgewirkt.

Dabei kann wiederum dahingestellt bleiben, ob die WPD-Richtlinie überhaupt anwendbar ist. Das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen und ihm folgend das Verwaltungsgericht Berlin (Urteil vom 09.09.1996 - VG 25 A 330.95 -, Anlage 11 zur Klageschrift) haben die Tätigkeit der U. als Einlagengeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG behandelt. Bei dieser Beurteilung ist, wie bereits ausgeführt, nicht die WPD-Richtlinie, sondern die 2. Bankrechtskoordinierungsrichtlinie maßgebend. Handelt es sich dagegen um Wertpapierdienstleistungen im Sinne der WPD-Richtlinie, so sind die einschlägigen Bestimmungen jedenfalls nicht verspätet umgesetzt worden. Schon nach dem zweiten Finanzmarktförderungsgesetz gehörte zu den Wertpapierdienstleistungen die Vermittlung von Geschäften über die Anschaffung und die Veräußerung von Wertpapieren oder Derivaten (§ 2 Abs. 3 Nr. 3 WpHG a. F.). Eine derartige Vermittlungstätigkeit hat die U., wenn die WPD-Richtlinie auf sie anwendbar ist, ausgeübt. Für sie galten dann auch bereits seit dem Inkrafttreten des Gesetzes die Verhaltensregeln der §§ 31, 32 WpHG. Auch an den Befugnissen des Bundesaufsichtsamts hat sich, soweit die U. betroffen sein könnte, durch das Umsetzungsgesetz vom 22.10.1997 nichts mehr geändert. Die verspätet in Kraft getretene Regelung des § 36 a WpHG war für inländische Wertpapierdienstleistungen ohne Belang, da diese bereits aufgrund des zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes der Aufsicht des Bundesamts nach §§ 35, 36 WpHG unterstanden. Die Richtlinie ist daher hinsichtlich der hier in Betracht kommenden Rechte und Pflichten der U. fristgerecht umgesetzt worden.

Abgesehen davon gilt für die U. in gleicher Weise wie für die E., dass die verspätete Umsetzung der Richtlinie für die Verluste der Kläger jedenfalls nicht ursächlich geworden ist. Wie wenig aufsichtsbehördliche Maßnahmen bei der E. und den für sie tätigen Unternehmen und Personen bewirkten (bzw. bewirkt hätten), zeigt das Verhalten der E. im Anschluss an die Maßnahmen des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen gegen die U. und Rechtsanwalt H.. Die Reaktion der E. beschränkte sich darauf, dass der "Treuhänder" H. fallengelassen und als Zahlstelle durch die schweizerische "F. Treuhand" mit Konten in Bregenz und Frankfurt ersetzt wurde. Im übrigen setzte die E. ihre Aktivitäten ungeachtet der von der Behörde ergriffenen Maßnahmen fort. Es spricht nichts dafür, dass die Kläger sich günstiger gestanden hätten, wenn nicht das Bundesaussichtsamt für das Kreditwesen, sondern das nach § 3 WpHG errichtete Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel gegen die E. vorgegangen wäre.

Die Sache braucht dem Europäischen Gerichtshof nicht vorgelegt zu werden, da eine Haftung der Beklagten schon deshalb ausscheidet, weil die von ihr zu verantwortende Verzögerung bei der Umsetzung der WPD-Richtlinie für den Schaden der Kläger nicht ursächlich geworden ist. Insoweit beruht das Urteil nicht auf der Anwendung von Gemeinschaftsrecht im Sinne des Art. 234 EGV. Darüber hinaus ist es nach Auffassung des Senats offenkundig (im Sinne von EuGH NJW 1983, 1257), dass die E. keine individuelle Vermögensverwaltung betrieben hat und deshalb kein Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Sinne der Richtlinie ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 2 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und Sicherheitsleistung folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Berufungsstreitwert:

a) bis zur Verbindung: wie in erster Instanz;

b) seither: 566.205,25 DM.

Der Wert der Beschwer bemisst sich für jeden einzelnen Kläger nach dem von ihm eingeklagten Betrag, im übrigen nach der Summe der Klagebeträge.

Ende der Entscheidung

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