Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 24.06.2004
Aktenzeichen: 7 U 23/04
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 19
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 U 23/04

Anlage zum Protokoll vom 24.6.2004

Verkündet am 24.6.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 3.6.2004 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Prior sowie der Richter am Oberlandesgericht Gundlach und Ring

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 16.1.2004 - 1 O 278/03 - wird zurück gewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten zu 1) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte zu 1) vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger, Träger des K Hospitals in E, begehrt von der Beklagten unter Aufopferungs- und Enteignungsgesichtspunkten Ersatz seiner Aufwendungen für die Behandlung der - nicht krankenversicherten - Patientin S T, die am 24.11.1999 als medizinischer Notfall in das vorgenannte Krankenhaus eingeliefert wurde und dort nach zwei Operationen am 21.1.2000 verstarb. Die gesetzlichen Erben der Frau T schlugen die Erbschaft aus. Ein Antrag des Klägers auf Übernahme der Behandlungskosten wurde vom zuständigen Sozialamt mit der Begründung abgelehnt, die erforderliche Hilfebedürftigkeit der Patientin lasse sich nicht mit Sicherheit feststellen (Bl. 124 GA). Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos; eine verwaltungsgerichtliche Klage hat der Kläger nicht erhoben.

Der Kläger meint, die Beklagte - sowie das in 1. Instanz mitverklagte Land O - müsste ihn für die entstandenen Behandlungskosten nach Aufopferungs- und/oder Enteignungsgrundsätzen entschädigen. Es könne nicht sein, dass er bzw. das Krankenhauspersonal zwar nach § 323 c StGB unter Strafandrohung zur medizinischen Nothilfe verpflichtet sei, dann aber auf seinen Kosten "sitzen bleibe". Eine verwaltungsgerichtliche Klage gegen den ablehnenden Bescheid des Sozialhilfeträgers sei aussichtslos gewesen, da nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Nothelfer im Rahmen des § 121 BSHG die materielle Beweislast für die Hilfebedürftigkeit trage und dieser Beweis kaum zu führen gewesen sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Das Landgericht hat die auf Zahlung von 16.593,17 € gerichtete Klage abgewiesen, weil etwaige Ansprüche aus Aufopferung oder Enteignung jedenfalls subsidiär gegenüber den Ansprüchen nach dem BSHG gegen den Sozialhilfeträger seien . Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen ursprünglichen Klageantrag lediglich noch gegen die beklagte Bundesrepublik weiter. Er hält die vom Landgericht angestellten Subsidiaritätserwägungen für fehlerhaft. Für ihn sei es weder zumutbar gewesen, die Vermögensverhältnisse der Patientin zu ermitteln noch, die Behandlungskosten während eines jahrelangen verwaltungsgerichtlichen Streitverfahrens gegen den Sozialhilfeträger - in dem er ohnehin nicht hätte obsiegen können - vorzufinanzieren. Dies verstoße gegen das Gebot der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes, Art. 19 Abs. 4 GG. In der Sache liege in der strafrechtlichen Sanktionsandrohung des § 323 c StGB ein Eingriff in die Freiheit des Krankenhauses, stationäre Behandlungen "eigentlich" nur gegen Entgelt erbringen zu wollen. Das Recht, eine angemessene Vergütung durchsetzbar fordern zu dürfen, sei verfassungsrechtlich durch Art. 12 GG geschützt. Angesichts dessen stellten sich die Kosten der medizinischen Notfallhilfe als Sonderopfer dar, für das die Beklagte ihn unter dem Gesichtspunkt der Aufopferung zu entschädigen habe. Hilfsweise stützt der Kläger sein Begehren auf die Grundsätze des enteignenden und enteignungsgleichen Eingriffs, den Gesichtspunkt der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung sowie - weil der Schutz des Lebens an sich die verfassungsrechtliche Aufgabe des Staates sei - öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag. Im Zweifel müsse die offensichtlich bestehende Regelungslücke im Krankenhausvergütungsrecht durch richterrechtliche Fortentwicklung des Staatshaftungsrechts geschlossen werden.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu 1) unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an ihn 16.593,17 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte zu 1) - im Folgenden: Beklagte - beantragt,

die Berufung zurück zu weisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und macht geltend, dem Kläger stünden gegen den zuständigen Sozialhilfeträger Ansprüche aus §§ 28 Abs. 2, 121 BSHG sowie Geschäftsführung ohne Auftrag zu. Ihm sei es daher wie jedem anderen Rechtssuchenden zuzumuten, diese Ansprüche in dem dafür vorgesehenen Verfahren geltend zu machen und notfalls streitig durchzusetzen. Eine Verpflichtung des Staates, Ansprüche zu erfüllen, deren Voraussetzungen im Einzelfall zweifelhaft seien, bestehe nicht.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Akten 13 VI 69/00 AG Duisburg-Ruhrort, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, denn keine der vom Kläger angeführten Anspruchsgrundlagen vermag die Klageforderung zu rechtfertigen. Anders als der Kläger meint, lässt der vorliegende Fall auch keine Regelungslücken im Krankenhausvergütungs- oder Staatshaftungsrecht erkennen, die im Wege richterlicher Rechtsfortbildung geschlossen werden müssten. Im Einzelnen gilt:

1. Einen Anspruch aus Aufopferung, auf den die Klageforderung in erster Linie gestützt ist (Bl. 379 GA), hat das Landgericht zu Recht verneint. Dabei kann offen bleiben, in welchem Umfang der Kläger als kirchlicher Zweckverband unbeschadet seiner Rechtsstellung als Körperschaft des öffentlichen Rechts grundrechtsfähig ist.

Der Aufopferungsanspruch soll lediglich Sonderopfer ausgleichen, die bei rechtmäßigen beeinträchtigenden Eingriffen des Staates in nichtvermögenswerte Rechtsgüter wie Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, Freiheit, Ehre und Privatsphäre entstehen (vgl. nur BGHZ 34, 24; 31, 187; 25, 238; Staudinger-Wurm, BGB, 13. Aufl. § 839 Rdnr. 503 ff.). Insoweit stellt er die notwendige Ergänzung zum Haftungsinstitut des enteignenden Eingriffs dar, von dem er sich nur durch das Eingriffsobjekt unterscheidet. Immaterielle Rechtsgüter des Klägers sind im vorliegenden Fall jedoch nicht berührt. Der Kläger sieht zwar in der Strafandrohung des § 323 c StGB einen - rechtmäßigen - Eingriff in seine allgemeine Handlungsfreiheit, verkennt aber nicht, dass es hier allein um den Ausgleich von Vermögensnachteilen geht (Bl. 379 GA). Dementsprechend beruft er sich auch darauf, in seinen Grundrechten aus Art. 12 und Art. 14 GG verletzt zu sein. Im Hinblick darauf scheidet ein Aufopferungsanspruch von vorneherein aus. Er lässt sich nach der Rechtsprechung des BGH insbesondere nicht aus einem Eingriff in das - durch die Grundsätze des enteignenden Eingriffs nicht geschützte - Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG herleiten. Vielmehr kommen Ansprüche aus Aufopferung selbst bei rechtswidrigen (aufopferungsgleichen), gegen Art. 12 GG verstoßenden Maßnahmen nicht in Betracht (vgl. BGH NJW 94, 1468 und 2229, 2230).

2. Ein Anspruch aus enteignendem Eingriff scheidet ebenfalls aus.

a) Der enteignende Eingriff ist dadurch gekennzeichnet, dass eine an sich rechtmäßige hoheitliche Maßnahme auf eine Rechtsposition des Eigentümers einwirkt und im konkreten Fall zu - meist atypischen und unvorhergesehenen - Nebenfolgen und Nachteilen führt, die die Schwelle des enteignungsrechtlich Zulässigen überschreiten (BGHZ 102, 350, 361; 100, 335, 337).

Im vorliegenden Fall kommt als durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützte Rechtsposition des Klägers nur der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb in Betracht (vgl. BGHZ 81, 21 für die Praxis des zugelassenen Kassenarztes). Ein enteignender Eingriff setzt in diesem Zusammenhang allerdings voraus, dass unmittelbar in die Substanz des Betriebes eingegriffen wird. Die den Betrieb darstellende Sach- und Rechtsgesamtheit muss derart beeinträchtigt werden, dass der Eigentümer gehindert wird, von dem Gewerbebetrieb als der von ihm aufgebauten und aufrechterhaltenen Organisation sachlicher und persönlicher Mittel den bestimmungsgemäßen Gebrauch zu machen (BGHZ 111, 349, 356; Staudinger/Wurm a.a.O. Rdnr. 454).

b) Dafür ist hier nichts ersichtlich. Der Argumentation des Klägers, die strafbewehrte Hilfspflicht des § 323 c StGB habe den nachteiligen, die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren überschreitenden Effekt, dass ein Krankenhaus "bisweilen ohne Entstehen eines durchsetzbaren Vergütungsanspruchs gegen ein bestimmtes Rechtssubjekt" arbeiten müsse (Bl. 380 GA), vermag der Senat nicht folgen.

Dass die Vorschrift des § 323 c StGB - unmittelbar - in den wirtschaftlichen Organismus des Krankenhausbetriebes bzw. sein ungestörtes Funktionieren eingreift, ist nicht erkennbar. Der Zulassungsstatus des vom Kläger betriebenen K Hospitals wird durch die allgemeine Hilfspflicht nicht - jedenfalls nicht unmittelbar - berührt. Dem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG kommt aber nur eine objektbezogene Schutzfunktion zu. Es schützt lediglich bereits erworbene Rechtspositionen, nicht dagegen den Erwerb und die Verdienstmöglichkeiten selbst (vgl. BVerfG NJW 92, 36; BGHZ 111, 349, 357, 360). Diese unterliegen vielmehr allein dem Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG. Davon geht - in anderem Zusammenhang - im übrigen auch der Kläger aus (Bl. 374 GA). Zwar mag es - irgendwann - den Bestand des Krankenhausbetriebes als solchen gefährden und ein Sonderopfer darstellen, wenn die Vergütung für medizinische Leistungen zu einem nicht nur unerheblichen Teil nicht durchgesetzt werden und das Krankenhaus nicht mehr kostendeckend arbeiten könnte. Abgesehen davon, dass dies vom Kläger nicht ansatzweise dargelegt ist - nach seinem Vortrag werde "bisweilen" ohne Entstehen eines durchsetzbaren Vergütungsanspruchs gearbeitet, wobei sich die Fälle häuften (Bl. 68, 380 GA) -, wäre die Uneinbringlichkeit des Vergütungsanspruchs keine Folge der die allgemeine Handlungsfreiheit einschränkenden Norm des § 323 c StGB:

Nach der Systematik des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) hat der Krankenhausträger bei der medizinischen Versorgung mittelloser, nicht versicherter Notfallpatienten grundsätzlich gem. § 121 BSHG bis zur Kenntnis des Sozialhilfeträgers von den die Hilfe rechtfertigenden Umständen einen Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen im gebotenen Umfang; nach dieser Kenntnis steht allein dem Hilfsbedürftigen ein Anspruch gegen den Sozialhilfeträger zu, § 5 BSHG (vgl. auch BVerwGE 91, 245, 249). Für den Fall, dass der Patient - wie hier - verstirbt, sichert die anlässlich der Reform des Sozialhilferechts vom 23.7.1996 (BGBl. I S. 1088 ff.) eingefügte Vorschrift des § 28 Abs. 2 BSHG den Vergütungsanspruch des Krankenhausträgers gegen den Sozialhilfeträger (Zur Rechtslage vor Einführung des § 28 Abs. 2 BSHG vgl. Senat NJW-RR 95, 570). Ist der Notfallpatient gar nicht hilfsbedürftig, kann der Krankenhausträger gegen ihn seinen zivilrechtlichen Vergütungsanspruch geltend machen. Aus der Sicht des Krankenhausträgers problematisch sind danach allenfalls diejenigen Fälle, in denen die Vermögenslosigkeit des Patienten nicht geklärt werden kann. Insoweit ist der Umstand, dass der Krankenhausträger - möglicherweise - auf seinen Kosten "sitzen bleibt", jedoch allein Folge der vom Kläger beanstandeten verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, wonach der Krankenhausträger im Verfahren gegen den Sozialhilfeträger auf Übernahme der Behandlungskosten die materielle Beweislast für die sozialhilferechtliche Hilfsbedürftigkeit des Patienten trägt (vgl. BVerwGE 45, 131, 133; OVG Münster DVBl. 01, 579, 580 - für den Nothelfer gem. § 121 BSHG).

3. Neben der Sache liegt der - auf einen Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff abzielende - Vorwurf, der Gesetzgeber habe dem Fehlen einer Vergütungsregelung bei der Reform des Sozialhilferechts vom 23.7.1996 bewusst nicht abgeholfen und dadurch rechtswidrig - nämlich durch Unterlassen - in den durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützten Krankenhausbetrieb eingegriffen (Bl. 380 GA).

Ein reines Unterlassen oder Untätigbleiben der öffentlichen Hand stellt grundsätzlich keinen Eingriff im enteignungsrechtlichen Sinne dar. Ein solcher ist nur dann zu bejahen, wenn sich das Unterlassen ausnahmsweise als ein in den Rechtskreis des Betroffenen eingreifendes Handeln qualifizieren lässt (vgl. nur BGHZ 102, 350, 364 m.w.N.). An einem qualifizierten Unterlassen in diesem Sinne fehlt es jedoch, wenn nicht eindeutig feststeht, welches konkrete Verhalten der öffentlichen Hand nach öffentlichem Recht geboten ist (BGH a.a.O.). So liegt es hier. Selbst vom Standpunkt des Klägers aus musste bei der Reform des Sozialhilferechts nicht zwingend ein Anspruch des Krankenhausträgers bzw. Nothelfers gegen den Sozialhilfeträger auf vollständige Vergütung der erbrachten Leistungen festgeschrieben werden. Seinen Interessen wäre unter dem Blickwinkel des Art. 14 GG Abs. 1 (Sonderopfer) auch gedient gewesen, wenn etwa die Beweislastrechtsprechung der Verwaltungsgerichte korrigiert worden wäre.

Im übrigen könnte durch das richterrechtliche Haftungsinstitut des enteignungsgleichen Eingriffs ohnehin kein Ausgleich von Schäden gewährt werden, die - nach der Vorstellung des Klägers - unmittelbar oder mittelbar durch das BSHG als gegen höherrangiges Recht verstoßendes formelles Parlamentsgesetz herbeigeführt worden sind (ständ. Rspr., vgl. nur BGHZ 134, 30, 32 f.; 100, 136; BGH NJW 89, 101).

4. Die Klageforderung steht dem Kläger auch nicht unter dem Gesichtspunkt der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung zu.

Insoweit kommt ein Entschädigungsanspruch in Betracht, wenn Maßnahmen der öffentlichen Hand, die nicht auf eine Enteignung i.S. des Art. 14 Abs. 3 GG abzielen, Inhalt und Umfang einer eigentumsmäßig geschützten Rechtsposition in einer Weise festlegen, die den betroffenen Eigentümer in unverhältnismäßiger Weise belasten (vgl. BGHZ 133, 271, 274; Staudinger/Wurm a.a.O. Rdnr. 496 ff.). Ein Entschädigungsanspruch nach diesen Grundsätzen setzt jedoch zwingend voraus, dass die Zubilligung einer Ausgleichsleistung von Gesetzes wegen festgelegt ist (vgl. nur BGHZ 102, 360 m.w.N.). Derartige Ausgleichsansprüche sieht § 323 c StGB für den zur Hilfeleistung Verpflichteten nicht vor. Angesichts dessen ist es - wie das Landgericht zutreffend erkannt hat - nicht zulässig, einen Entschädigungsanspruch kraft Richterrechts zu gewähren (BGHZ a.a.O.).

5. Der Auffassung des Klägers, die Beklagte hafte, weil sie das Leben und die körperliche Unversehrtheit ihrer Bürger zu schützen habe, für die entstandenen Behandlungskosten aus öffentlich-rechtlicher GoA analog §§ 677 ff. BGB, vermag der Senat nicht zu folgen. Die Verpflichtung des Staates zum Schutz von Leben und Gesundheit seiner Bürger ist ein Verfassungsauftrag, der den Gesetzgeber im hier interessierenden Kontext medizinischer Versorgung grundsätzlich nur dazu verpflichtet, die Voraussetzungen für ein funktionierendes Gesundheitswesen zu schaffen. Die Erwägung des Klägers, der Staat sei in sämtlichen - unzähligen - gesundheitlichen Notfällen seiner Bürger jeweils Geschäftsherr, liegt neben der Sache.

6. Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, die in ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung begründeten Aufopferungs- und Enteignungsansprüche - wie der Kläger meint - weiter zu entwickeln. Dem Begehren des Klägers, in richterlicher Rechtsfortbildung eine Art "Ausfallhaftung" der Beklagten zu begründen, fehlt jede sachliche Rechtfertigung.

a) Das folgt bereits daraus, dass eine verfassungswidrige Regelungslücke weder im Krankenhausvergütungsrecht noch im Staatshaftungsrecht besteht. Dem Kläger stehen - als Korrelat zur Handlungspflicht nach § 323 c StGB - bei der Behandlung mittelloser Notfallpatienten - wie oben unter 2 b) dargelegt - grundsätzlich die im BSHG normierten Vergütungsansprüche aus §§ 121, 28 Abs. 2 BSHG gegen den örtlichen Sozialhilfeträger zu. Lehnt dieser - wie hier - die Übernahme der Behandlungskosten ab, ist es Sache des Krankenhausträgers, seine Ansprüche - wie jeder andere Rechtssuchende auch - gegebenenfalls gerichtlich geltend zu machen.

Eine verwaltungsgerichtliche Klage gegen die ablehnenden Bescheide des Sozialamtes der Stadt E vom 9.8.2000 und der Widerspruchsbehörde vom 14.1.2001 (Bl. 4 GA) war dem Kläger ersichtlich nicht unzumutbar. Die - mutmaßliche - Dauer eines verwaltungsgerichtlichen Streitverfahrens als Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG zu rügen, ist dem Kläger schon deshalb verwehrt, weil er diesen Rechtsweg nicht beschritten hat. Die unter dem Blickwinkel des Art. 19 Abs. 4 GG angemessene (vgl. BVerfG NJW 01, 214 u. 215) Dauer eines gerichtlichen Verfahrens kann nicht abstrakt anhand von Statistiken oder absoluten Zeitangaben bestimmt werden (vgl. Schmidt-Aßmann in: Maunz-Dürig, Kommentar zum GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 262).

Anders als der Kläger meint, stellt auch der Umstand, dass ihn nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BVerwGE 45, 133; OVG Münster DVBl. 01, 580) die materielle Beweislast für die sozialhilferechtliche Hilfebedürftigkeit eines Notfallpatienten trifft, keinen Verstoß gegen das in Art. 19 Abs. 4 GG statuierte Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes dar. Art. 19 Abs. 4 GG gibt für die - gesetzliche oder richterrechtliche - Beweislastverteilung anerkanntermaßen nichts her. Aus der Garantie der Rechtsschutzeffektivität lässt sich nicht ableiten, dass der Rechtsschutzsuchende nicht mit dem Nachteil der Nichterweislichkeit einer Tatsache belastet werden darf (vgl. Maunz-Dürig a.a.O. Rdnr. 227 m.w.N.). Ob die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte in durch Art. 12 GG und 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtspositionen des Klägers eingreift und deshalb möglicherweise zu korrigieren ist, kann nicht im vorliegenden Rechtsstreit, sondern nur im verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren selbst geklärt werden. Solange die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte Bestand hat, braucht die Beklagte dem Kläger die Beweislast für die sozialhilferechtliche Hilfebedürftigkeit nicht abzunehmen. Die gegenteilige Argumentation des Klägers führt dazu, dass die Beklagte die dem Kläger entstandenen Behandlungskosten auch dann auszugleichen hätte, wenn der Notfallpatient in Wahrheit gar nicht hilfebedürftig war. Ein solches Ergebnis ist abwegig.

b) Mit der vom Kläger geforderten Entscheidung würde der Senat im übrigen die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschreiten. Die Zuerkennung von Entschädigungs- oder Ausgleichsansprüchen für auf ihren Aufwendungen "sitzen gebliebene" Krankenhausträger hätte erhebliche Folgen für die Staatsfinanzen. Nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung muss eine solche Ausgleichsregelung daher - selbst wenn man sie ungeachtet der §§ 28 Abs. 2, 121 BSHG noch in Betracht ziehen würde - der Entscheidung des Gesetzgebers vorbehalten bleiben (vgl. auch BGHZ 102, 350, 362 - Staatshaftung für Waldschäden).

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO. Die Frage, ob ein Krankenhausträger für die - vom Sozialhilfeträger nicht übernommenen - Kosten der nach § 323 c StGB gebotenen Behandlung mittelloser Notfallpatienten vom Staat nach Aufopferungs- und/oder Enteignungsgesichtspunkten zu entschädigen ist, stellt sich nicht nur im vorliegenden Rechtsstreit, sondern in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen.

Berufungsstreitwert: 16.593,17 €

Ende der Entscheidung

Zurück