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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 23.07.2009
Aktenzeichen: 7 U 25/09
Rechtsgebiete: ZPO, Bundesnotarordnung, BGB


Vorschriften:

ZPO § 287
ZPO § 313 a
Bundesnotarordnung § 19
Bundesnotarordnung § 19 Abs. 1 Satz 2
Bundesnotarordnung § 19 Abs. 1 Satz 3
BGB § 157
BGB § 275 a.F.
BGB § 323 a.F.
BGB § 323 Abs. a.F.
BGB § 323 Abs. 3 a.F.
BGB § 326 Abs. 4 n.F.
BGB §§ 812 ff a.F.
BGB § 839 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 13.02.2009 - 5 O 223/08 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

- Ohne Tatbestand gemäß § 313 a ZPO -

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Zutreffend hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung den Beklagten zur Schadensersatzzahlung in der ausgeurteilten Höhe gemäß § 19 Bundesnotarordnung für verpflichtet gehalten.

Nach dem beurkundeten Bauträgervertrag schuldete die später in die Insolvenz gefallene Bauträgerin, die Firma F. L. Eigenheim- und Wohnungsbau Gesellschaft mbH & Co & KG (hier im Folgenden immer F. genannt), dem Beklagten gegenüber auch die Erschließung, während die vom Kläger zu erbringende Kaufpreiszahlung allein nach den Vorgaben der Makler- und Bauträgerverordnung ausgestaltet war, und zwar ohne die Erschließungskosten gesondert auszuweisen. In dieser Hinsicht stellt sich die Kaufpreiszahlung des Klägers als ungesicherte Vorleistung dar, was auf Seiten des Beklagten als beurkundenden Notar die Plicht zur doppelten Belehrung auslöste. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Notar verpflichtet, bei ungesicherten Vorleistungen nicht nur über die Folgen bei Leistungsunfähigkeit des durch die Vorleistung Begünstigten zu belehren, sondern auch Wege aufzuzeigen, wie diese Risiken vermieden werden können. Dabei hat der Notar jedenfalls die Sicherungsmöglichkeiten zu nennen, die sich nach Sachlage anbieten und S.istisch in Betracht kommen (BGH Urteile vom 15.04.1999 - IX ZR 93/98 -, vom 12.02.2004 - III ZR 77/03 - und vom 17.01.2008 - III ZR 136/07 - zitiert nach juris).

Dieser Pflicht ist der Beklagte nicht nachgekommen, da er unstreitig den Beteiligten keine Lösungsvorschläge zur Risikovermeidung aufgezeigt hat. Soweit der Beklagte meint, dieser Pflicht enthoben gewesen zu sein, weil die Bauträgerfirma ihm mitgeteilt habe, auch für das Baugebiet des Objektes des Klägers einen Erschließungsvertrag mit der Stadt L., abgesichert durch eine Bankbürgschaft, geschlossen zu haben, so begegnet dieser rechtliche Ansatz schon deswegen Zweifeln, da eine gänzliche, bei anderer Vertragsgestaltung ohne weiteres (z.B. Kaufpreisteil auf Anderkonto) mögliche Sicherung des angeführten Vorleistungsrisikos so schon nicht zu erreichen war, wie gerade der vorliegende Fall im Hinblick auf die vom Beklagten vorgetragenen angeblichen Fehlinformationen doch zeigt. Grundsätzlich ist aber der im Übrigen zur Unparteilichkeit verpflichtete Notar immer gehalten, den "sicheren Weg zu gehen" (Haug, 2. Aufl. "Die Amtshaftung des Notars" Rdnr. 83).

Die erstinstanzliche Beweisaufnahme hat jedenfalls die diesbezügliche Behauptung des Beklagten schon nicht bestätigt. Zwecks Vermeidung von unnötigen Wiederholungen wird zur Begründung auf das angefochtene Urteil verwiesen. Die Nichterweislichkeit geht zu Lasten des Beklagten, da er sich bezogen auf seine Pflicht, Wege zur Risikovermeidung aufzuzeigen, auf eine Ausnahme von der Regel beruft.

Zu Recht hat das Landgericht auch unter Anwendung des § 287 ZPO die vom Kläger nachzuweisende Kausalität als bewiesen angesehen. Mit Rücksicht auf den Grundsatz des beratungsrichtigen Verhaltens streitet zu Gunsten des Klägers der Beweis des ersten Anscheins: Es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, dass sich beide Parteien bei entsprechender Belehrung zu einer anderweitigen Vertragsgestaltung ohne weiteres durchgerungen hätten. Die diesbezüglichen gegenteiligen Erwägungen des Beklagten sind zu pauschal gehalten. Es ist deswegen nicht erkennbar, dass sie geeignet sind, die oben angeführte Überzeugungbildung zu erschüttern, zumal die Zeugin T. bei ihrer Vernehmung bekundet hat, dass Änderungswünsche aufgenommen worden wären und eine Vertragsunterzeichnung zu einem anderen Zeitpunkt stattgefunden hätte.

Dem Klagebegehren steht auch nicht der Haftungsausschluss des § 19 Abs. 1 Satz 3 Bundesnotarordnung in Verbindung mit § 839 Abs. 3 BGB (unterlassenes Rechtsmittel), bzw. der Einwand gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 Bundesnotarordnung (anderweitige Ersatzmöglichkeit bei hier anzunehmender fahrlässigen Pflichtverletzung) entgegen.

Mit zutreffender, hiermit in Bezug genommener Begründung ist das Landgericht zum einem davon ausgegangen, dass der Kläger die diesbezüglich Kostenbescheide der Stadt L. hinnehmen konnte, ohne diese einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung zuführen zu müssen, was mit der Berufungsbegründung auch nicht mehr weiter angegriffen wird.

Zum anderen hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht eine anderweitige Ersatzmöglichkeit verneint.

Unabhängig davon, ob überhaupt die Verfolgung von etwaigen Erstattungsansprüchen gegenüber der I. S. G. als Rechtsnachfolgerin der Kaufpreiszessionarin für den Kläger als Geschädigten zumutbar gewesen wäre, was allerdings Tatbestandsvoraussetzung des Haftungsprivileges des § 19 Abs. 1 Satz 2 Bundesnotarordnung ist (vgl. hierzu grundsätzlich z.B. Haug o.g. Rdnr. 170 ff. 184 + 185), so geht der von Seiten des Beklagten erhobene Einwand schon deswegen fehl, da eine anderweitige Erstattungsmöglichkeit nicht gegeben ist. Soweit der Beklagte eine solche insbesondere im Hinblick auf §§ 323 Abs. 3, 812 ff BGB a.F. bzw. § 326 Abs. 4 BGB n.F. als gegeben erachtet, so ist zunächst festzuhalten, dass der streitgegenständliche Bauträgervertrag aus dem Jahre 1993 stammt, so dass hier nur "altes Recht" zur Anwendung kommen kann (Vgl. Art 229 § 5 EGBGB). § 323 Abs. 1 und 3 BGB a.F. setzt aber voraus, dass die unmöglich gewordene Pflicht als Hauptleistungspflicht im Gegenseitigkeitsverhältnis gestanden hat. Wenn auch die Erschließungskosten im Kaufpreis "enthalten" waren, so waren sie doch nicht im Kaufpreis gesondert ausgewiesen, insbesondere war nach der vertraglichen Regelung die Ausführung der Erschließung nicht für die Kaufpreisfälligkeit vorausgesetzt, was schon als Indiz dafür angesehen werden kann, dass nach dem Vertragswillen die Durchführung der Erschließung nicht zur Kaufpreiszahlung im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen sollte. Zudem verkennt der Beklagte aber auch, dass bezogen auf die Erschließungsverpflichtung keine Unmöglichkeit im Rechtsinne vorliegt. Soweit der Beklagte darauf verweist, die F. habe von Anfang an ihrer Verpflichtung, die Erschließung des Baugebietes durchzuführen, nicht nachkommen können, da ein Erschließungsvertrag mit der Stadt L. nicht vorgelegen habe, so stellt dies schon eine unzulässige Verkürzung des Regelungsgehaltes des zwischen dem Kläger und der F. zustande gekommenen Bauträgervertrages dar. Denn bei hier nach § 157 BGB vorzunehmender ergänzender Auslegung des Vertrages ging die Verpflichtung der "F." im Zweifel auch dahin, den Kläger als Grundstückseigentümer von der etwaigen Erschließungskostenlast gegenüber der Stadt L. freizustellen. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist diese Verpflichtung mit Rücksicht auf die Insolvenz bzw. Vermögenslosigkeit der F. nicht als unmöglich im Sinne des §§ 275, 323 BGB a.F. anzusehen. Denn, dass dem Schuldner finanzielle Mittel fehlen, um die Leistung zu erbringen, wie hier im Falle der F., kann ihn nicht von der Leistung befreien (so zu Recht die allgemeine Meinung: vgl. nur z.B. Staudinger-Löwisch, BGB, Bearbeitung 1995, § 279 Rdnr. 2, sowie Bearbeitung 2004, § 275 BGB Rdnr. 63; Palandt-Heinrichs, BGB, Bearbeitung 60. Aufl., § 279 BGB a.F. Rdnr. 4 sowie Bearbeitung 68. Aufl. § 275 Rdnr. 3 und § 276 Rdnr. 28 - jeweils mit weiteren Nachweisen).

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 97, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Insbesondere sind die anstehenden Rechtsfragen zur doppelten Belehrungspflicht des Notars in höchstrichterlicher Rechtsprechung geklärt. Auch dass die Vermögenslosigkeit des Schuldners nicht zur Unmöglichkeit einer übernommenen Verpflichtung führen kann, ist seit langem allgemeine Meinung in Rechtsprechung und Literatur.

Streitwert: 8.107,29 €

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