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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 02.06.2005
Aktenzeichen: 7 U 5/05
Rechtsgebiete: SGB IV
Vorschriften:
SGB IV § 93 |
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Anlage zum Protokoll vom 02.06.2005
Verkündet am 02.06.2005
In dem Rechtsstreit
hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln
durch den Richter am Oberlandesgericht Gundlach, die Richterin am Oberlandesgericht Zakosek-Röhling und den Richter am Oberlandesgericht Ring
auf die mündliche Verhandlung vom 28. April 2005
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 02.12.2004 - 5 O 178/04 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
I.
Mit seiner Klage - und nach deren erstinstanzlicher Abweisung mit seiner Berufung - begehrt der Kläger Schadensersatz für eine falsche Auskunft im Zusammenhang mit der Beantragung seiner Altersrente. Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme, die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteil (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und die zwischen den Parteien gewechselten erst- und zweitinstanzlichen Schriftsätze nebst den dazu überreichten Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet, denn das Landgericht hat zu Recht eine Schadensersatzverpflichtung der Beklagten verneint. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen; das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung. Ergänzend sei daher nur kurz ausgeführt:
Das Berufungsvorbringen erschöpft sich im Wesentlichen in der Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens; neue Gesichtspunkte werden nicht aufgezeigt. Insbesondere werden die Tatsachenfeststellungen nicht in erheblicher Weise angegriffen, weshalb gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO von den getroffenen Feststellungen des angefochtenen Urteils auszugehen ist. Für das Berufungsverfahren steht somit aufgrund der nicht zu beanstandenden Beweiswürdigung des Landgerichts fest, dass der Zeuge F auf die Unverbindlichkeit seiner Angaben hingewiesen und erklärt hat, dass entsprechende und endgültige Auskünfte nur von dem Rentenversicherungsträger, mithin der Beklagten zu 2), verbindlich eingeholt werden könnten.
Bei dieser Sachlage aber stellt sich das angefochtene Urteil als zutreffend dar. Es ist schon fraglich, ob sich der Kläger im Verhältnis zur Beklagten zu 1) überhaupt auf den von ihm für seine Auffassung in Anspruch genommenen § 14 SGB I berufen kann, da in dieser Regelung gerade auf den "zuständigen Leistungsträger" abgestellt wird. Selbst wenn man ihm dies jedoch zugesteht -ggf. wegen der Aufgabenregelung der Versicherungsämter in § 93 SGB IV - war es hier so, dass der Zeuge F auf den zuständigen Leistungsträger als die allein relevante Stelle verwiesen hat.
Dem Zeugen F ist zwar im Rahmen seiner Beratung ein Fehler unterlaufen, weshalb die von ihm erteilten Auskünfte unzutreffend waren. Er hat aber zugleich bei der Erteilung darauf hingewiesen, dass verbindliche Auskünfte zur Rentenhöhe - und darunter fallen als notwendiger Bestandteil auch die konkreten Berechnungsgrundlagen im Einzelfall, hier die fraglichen Kürzungen um 0,3 % je Monat wegen vorzeitiger Altersrente vor Erreichen des Rentenalters des Klägers - nur von der Beklagten zu 2) selbst erteilt werden könnten, und seine Angaben unter diesen Vorbehalt gestellt. Dies gilt nach seiner Aussage (Bl. 110 GA) gerade auch für die hier relevante Frage der Entscheidung über den Vertrauensschutzgrundsatz aufgrund der geleisteten Pflichtbeiträge. Hat aber der Zeuge F einen solchen Vorbehalt gemacht, konnte der Kläger kein Vertrauen in die Richtigkeit seiner Auskünfte entwickeln, da es schon an einer Basis für ein schutzwürdiges Vertrauen fehlte. Für einen Vertrauenstatbestand als Anknüpfungspunkt einer Amtshaftung fehlt es, wenn mit der Auskunftserteilung zugleich in zulässiger Weise klargestellt wird, dass die Auskunft unter dem Vorbehalt der Entscheidung durch den eigentlich zuständigen Leistungsträger steht.
Aus der von dem Kläger für seine Auffassung in Anspruch genommenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs (MDR 2003, 1416) ergibt sich für den vorliegenden Fall nichts anderes, denn zu Recht hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass es sich in dieser Entscheidung gerade um den Fall einer Auskunft durch den zuständigen Leistungsträger handelte. Um dem Auskunftssuchenden eine verlässliche Entscheidungsgrundlage zu bieten, kann der Leistungsträger als die letztlich zuständige Stelle nicht eine Auskunft erteilen und diese gleichzeitig für unverbindlich erklären, da dann derartige Auskünfte kaum noch einen Sinn machen. Anders verhält es sich aber in dem hier gegebenen Fall, in dem in Form einer gesetzlich geregelten Serviceleistung für den Bürger Beratungen erbracht und Auskünfte erteilt werden durch eine Stelle, die zwar sach- und fachkundig sowie gemäß § 93 SGB IV auch dafür zuständig, aber nicht zur Entscheidung befugt ist. Weist diese Stelle darauf hin und macht entsprechende Vorbehalte, hat es der Auskunftssuchende in der Hand, entweder auf diese Auskünfte in ihrer Unverbindlichkeit zu vertrauen oder aber die eigentliche zuständige Stelle, wie in § 14 SGB I vorgesehen, um eine gesicherte Auskunft angehen.
Soweit der Kläger im Hinblick auf die genannte Entscheidung (BGH MDR 2003, 1416) rügt, dass Landgericht sei insoweit von einem nicht mündlich verhandelten Sachverhalt ausgegangen und der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs sei verletzt, weil die Akten dieses Verfahrens nicht beigezogen worden seien, kann dem schon im Ansatz nicht gefolgt werden. Aus der von dem Kläger selbst zu den Akten gereichten Urteilsabschrift (Bl. 13 AH) dieser Entscheidung ist ersichtlich, dass es sich bei der Beklagten dieses zitierten Verfahrens um einen gesetzlichen Rentenversicherungsträger handelte; für eine Beiziehung der Akten bestand kein Anlass. Soweit eine Haftung der Beklagten zu 2) in Rede steht, fehlt es mangels eigener Tätigkeit schon an einer Haftungsgrundlage. Die fehlerhafte Auskunft der Beklagten zu 1) ist ihr unter keinem Gesichtspunkt zuzurechnen, denn es fehlt an jeglicher konkreter rechtlicher Verbindung. Allein durch die der Gesetzeslage entsprechenden - vgl. dazu § 93 Abs. 1 SGB IV - Hinweise in ihren Bescheiden und auf ihren Internetseiten, dass neben eigenen Stellen auch die örtlichen Versicherungsämter Beratung und Auskunft gewähren, lässt sich keine Haftungsübernahme im Sinne einer Gewähr für die Richtigkeit der dort erteilten Auskünfte herleiten, schon gar nicht, wenn die Auskünfte wie hier geschehen unter entsprechendem Vorbehalt erteilt werden. Ob ggf. etwas anderes gilt, wenn Stellen wie hier das Versicherungssamt der Beklagten zu 1) gemäß § 93 Abs. 2 Satz 2 SGB IV auf Verlangen der Beklagten zu 2) im Einzelfall konkret tätig werden, und ob dann eine Ausnahme von dem Grundsatz gelten könnte, dass im Rahmen von Amtshaftungsansprüchen gemäß § 839 BGB grundsätzlich immer nur die Anstellungskörperschaft des konkret handelnden Beamten - auch im Falle von Aufgabenübertragung, Auftragsverwaltung und Amtshilfe - haftet, kann dahinstehen, da diese Fallkonstellation nicht gegeben ist.
Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen sind Klage und Berufung aber auch deshalb nicht begründet, weil sich der Kläger die erhaltene Abfindung im Wege des Vorteilsausgleichs anrechnen lassen muss mit der Folge, dass hinsichtlich des geltend gemachten Zahlungsantrages ein Schaden nicht verbleibt und hinsichtlich des Feststellungsantrages ein Schaden nicht hinreichend wahrscheinlich ist.
Nach seinem eigenen Vorbringen hätte der Kläger im Fall einer zutreffenden Auskunft sein Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst und bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres weiter gearbeitet, mithin auch die wegen vorzeitiger Aufhebung des Arbeitsverhältnisses gezahlte Abfindung von 125.000 DM (entspricht 63.911,49 €) nicht erhalten. Nach der für die Schadensberechnung maßgeblichen Differenzmethode, wonach ein Vergleich der Vermögenslage mit und ohne schadensauslösendes Ereignis zu ziehen ist, ist die erhaltene Abfindung auf den etwaigen Schadensersatzanspruch anzurechnen. Der mit dem Zahlungsantrag geltend gemachte Betrag von 3.023,07 € bis zum 01.04.2004 wird durch die erhaltene Abfindungsleistung von 63.911,49 € vollständig aufgezehrt, weshalb ein Schaden insoweit nicht entstanden ist und dem Kläger sogar noch ein Vermögensvorteil von 60.888,42 € verbleibt. Der mit dem Feststellungsantrag verfolgte weitere Schaden ab dem 01.04.2004, der sich nach Angaben des Klägers auf derzeit monatlich 113,27 € und somit auf einen Jahresbetrag von 1.359,24 € beläuft, ist danach nicht mehr als hinreichend wahrscheinlich anzusehen, denn der Kläger hat nach der einschlägigen Sterbetafel ab diesem Zeitpunkt eine statistische Lebenserwartung von 15,55 Jahren. Daraus ergibt sich ein hinreichend wahrscheinlicher Schaden von lediglich 21.136,18 €, der aber durch den verbliebenen Vermögensvorteil von 60.888,42 € ebenfalls aufgezehrt wird. Ein über den anzurechnenden Vermögensvorteil von 60.888,42 € hinausgehender Schaden, der die begehrte Feststellung rechtfertigen könnte, liegt außerhalb aller Wahrscheinlichkeit, da ein solcher sich erst ab einem Lebensalter des Klägers von über 109 Jahren realisieren könnte. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass die Höhe der mit dem Feststellungsantrag verfolgten Rentendifferenz sich künftig ggf. ändern kann, denn eine solche Änderung würde wegen der gleichermaßen steigenden tatsächlichen und potentiellen Rentenhöhe nur geringfügig ausfallen, macht einen höheren Schaden mithin nicht wahrscheinlicher. Das gilt auch für die Rentenmehrbeträge, die dem Kläger bei Nichtannahme des Abfindungsangebotes infolge längerer Beitragszeiten zugeflossen wären.
III.
Eine Zulassung der Revision kam unbeschadet der Frage, ob die Sache grundsätzliche Bedeutung hat, schon deshalb nicht in Betracht, weil die Klage unabhängig von der Frage der Unverbindlichkeit der Auskunft auch wegen der im Wege des Vorteilsausgleichs anzurechnenden Abfindung unbegründet ist.
IV.
Die prozessualen Nebenfolgen bestimmen sich nach § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
Streitwert für das Berufungsverfahren und Wert der Beschwer des Klägers: 7.100,92 €
Ende der Entscheidung
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