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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 08.03.2007
Aktenzeichen: 8 U 19/06
Rechtsgebiete: DÜG, UStG, AO, ZPO, BGB, StBerG


Vorschriften:

DÜG § 1
UStG § 1 Abs. 1 Satz 1
UStG § 4 Nr. 1
UStG § 4 Nr. 2
UStG § 4 Nr. 3
UStG § 4 Nr. 4
UStG § 4 Nr. 5
UStG § 4 Nr. 6
UStG § 4 Nr. 7
UStG § 4 Nr. 17
UStG § 4 Nr. 17b
UStG § 8 Abs. 2
UStG § 15 Abs. 1
UStG § 15 Abs. 2 Nr. 1
UStG § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
AO § 165
AO § 233a
ZPO § 253 Abs. 1
ZPO § 261
ZPO § 287
ZPO § 287 Abs. 1
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 209 Abs. 1 a.F.
BGB §§ 249 ff.
BGB § 282 a.F.
BGB § 286 Abs. 1 Satz 1
BGB § 288 Abs. 1 Satz 2
BGB § 291
BGB § 421 Satz 1
StBerG § 68
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 02.03.2006 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 2 O 622/04 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.728,29 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskont-Überleitungs-Gesetzes vom 9. Juni 1998 (BGBl. I S. 1242) seit dem 16.11.2004 zu zahlen. Die Klage im Übrigen wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 87 % und der Beklagte zu 13 % tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche, deren sich die Klägerin gegen den Beklagten wegen angeblich fehlerhafter steuerlicher Beratung berühmt. Berufung und Klage sind nur zu einem geringen Teil begründet, da es der Klägerin überwiegend nicht gelungen ist, den geltend gemachten Schaden darzulegen.

Die Klägerin betreibt eine Fluggesellschaft. Für ihre Flüge setzt sie Chartermaschinen ein, mit denen sie u.a. auch inländische Krankentransporte durchführt. Der beklagte Steuerberater betreut die Klägerin seit 1986. Sein Auftrag umfasst die Erstellung der Jahresabschlüsse und die Fertigung der Jahressteuererklärungen. Die Finanzbuchhaltung und die Umsatzsteuervoranmeldungen werden von der Klägerin selbst gefertigt. Bis 1996 wurde die Buchhaltung der Klägerin vom Büro des Beklagten erstellt; seit 1997 erstellt die Klägerin die Buchhaltung selbst. Die Parteien streiten um die Pflicht des Beklagten, die Klägerin auf die Umsatzsteuerpflichtigkeit der Umsätze aus inländischen Krankentransporten hinzuweisen. Betroffen sind die Umsätze aus den Jahren 1997 bis 2000, die mit Steuerbescheiden vom 01.10.2003 - objektiv zu Recht - mit Umsatzsteuer belegt wurden, nachdem das Finanzamt in den Jahren zuvor die Umsatzsteuerpflichtigkeit dieser Umsätze verkannt hatte.

Das Finanzamt L.-Q. führte vom 06.08.1996 bis 04.02.1997 bei der Klägerin eine Betriebsprüfung für den Zeitraum 1992 bis 1994 durch. An der Schlussbesprechung am 04.02.1997 nahm der Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft der Klägerin teil. Im Betriebsprüfungsbericht vom 06.03.1997 hieß es u.a.: "Bezüglich der Frage, ob es sich bei den erklärten Ambulanzflüge um umsatzsteuerpflichtige Vermietungsleistungen, steuerfreie Umsätze gem. § 4 Nr. 2 UStG i.V.m. § 8 Abs. 2 UStG oder steuerfreie Umsätze gem. § 4 Nr. 17b UStG handelt, verbleiben die Umsatzsteuerbescheide 1992 bis 1994 hinsichtlich der betreffenden Umsätze sowie der Vorsteuern bis zur endgültigen Klärung vorläufig gem. § 165 AO" (Bl. 39 GA). Ab dem 27.01.1997 fand bezüglich des Zeitraums 1-11/1996 eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung statt, in deren Prüfungsbericht vom 12.02.1997 u.a. festgestellt wurde: "Die Steuerpflichtige (...) erbringt neben Personen- und Güterbeförderung im Luftverkehr auch Ambulanzflugleistungen. Die Beförderung von kranken und verletzten Personen ist nach § 4 Nr. 17b UStG steuerfrei". Das Finanzamt kürzte daraufhin den von der Klägerin geltend gemachten Vorsteueranspruch um den Anteil des Gesamtumsatzes, der auf Ambulanzflüge entfiel, weil gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG Steuern vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sind, soweit sie im Zusammenhang mit den steuerfreien Umsätzen nach § 4 Nr. 17b UStG stehen; als solche qualifizierte das Finanzamt die Umsätze der Klägerin aus den Ambulanzflügen.

Mit Schreiben vom 14.02.1997 an das Finanzamt L.-Q. widersprach der Beklagte im Auftrag der Klägerin dieser Rechtsansicht. Er führte aus, dass sich bei den Ambulanzflügen nicht um Umsätze handelte, die nach § 4 Nr. 17b UStG zu beurteilen seien, weil die Flugzeuge der Klägerin für die Beförderung der Kranken nicht "besonders eingerichtet" seien im Sinne dieser Norm. Vielmehr lägen Personenbeförderungen vor, die gemäß § 4 Nrn. 1 bis 7 UStG nicht vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen seien. Das Finanzamt L.-Q. schloss sich mit Bescheid vom 12.09.1997 der Ansicht des Beklagten an, stellte fest, dass die Umsatzsteuer-Sonderprüfung zu keinen Änderungen der Besteuerungsgrundlagen geführt habe und gewährte den zunächst versagten Vorsteuerabzug. Mit weiterem Bescheid vom 16.09.1997 bescheinigte es der Klägerin als Luftverkehrsunternehmen überwiegend internationalen Luftverkehr zu betreiben und keine nach § 4 Nr. 17b UStG steuerfreien Beförderungsleistungen zu erbringen.

Vom 05.08.2002 bis 07.05.2003 führte das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung L. bei der Klägerin eine Betriebsprüfung für den Zeitraum 1997 bis 2000 durch. Im Betriebsprüfungsbericht vom 19.05.2003 stellte es unter der Überschrift "Inlandsflüge (Krankentransport)" u.a. fest: "Die bisher als steuerfrei behandelten Krankentransporte im Inland sind umsatzsteuerbar und -pflichtig. Die Stpfl. erzielt keine steuerfreien Umsätze im Sinne des § 4 Nr. 17 UStG, da die Flugzeuge nicht speziell zum Krankentransport ausgestattet sind. Die Ausstattung ist mobil und wird im Bedarfsfall eingebaut und nach Beendigung wieder ausgebaut. (...) Die Umsätze aus Krankentransporte sind demnach nur dann steuerfrei, wenn es sich um grenzüberschreitende Beförderungen handelt. Krankentransporte, die sich nur auf das Inland beschränken, sind steuerpflichtig" (Bl. 5/183 GA). Daraufhin ermittelte das Finanzamt Mehrsteuern, die es mit Bescheiden vom 01.10.2003 für die Jahre 1997 bis 2000 zuzüglich Zinsen in Höhe von 0,5 % je Monat festsetzte. Wegen der Berechnung wird auf Seite 3 der Klageschrift Bezug genommen (Bl. 3 GA).

Nachdem sie den Beklagten mit Schreiben vom 09.01.2004 vergeblich zur Begleichung des ihr angeblich entstandenen Schadens in Höhe von 32.215,15 € aufgefordert hatte, nimmt die Klägerin den Beklagten im Klagewege auf Ersatz von 29.655,00 € in Anspruch (Umsatzsteuer: 25.181,00 €, Nachzahlungszinsen: 4.474,00 €).

Sie ist der Ansicht gewesen, der Beklagte hätte bei der Erstellung der Jahresumsatzsteuererklärung die Frage der Steuerfreiheit der Umsätze eigenständig prüfen und verneinen und die Klägerin darauf hinweisen müssen, dass die Krankentransporte nicht nach § 4 Nr. 17b UStG steuerbefreit seien und nach § 4 Nr. 2 UStG nur dann steuerbefreit wären, wenn zugleich die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 UStG (Auslandskrankentransport) erfüllt wären. Dies habe der Beklagte - unstreitig - aber erst nach der zweiten Betriebsprüfung mit Telefax vom 22.08.2002 getan. Ihr selbst sei die Steuerpflicht dieser Umsätze nicht, auch nicht aus der Betriebsprüfung von 1996/1997 bekannt gewesen. Denn die Frage der Steuerpflicht der Ambulanzflüge sei damals nicht Thema gewesen und eine endgültige Klärung gerade nicht erfolgt.

Die Klägerin hat behauptet, sie hätte bei pflichtgemäßem Hinweis auf die Umsatzsteuerpflicht der Entgelte für inländische Krankentransporte ihre Preise sofort um die Umsatzsteuer erhöht. Dies sei möglich gewesen, wie sich auch daraus ergebe, dass sie sofort nach Bekanntwerden der von der Betriebsprüfung vertretenen Auffassung ab August 2002 ihre bisherigen Preise für diese Transporte um die Umsatzsteuer erhöht habe.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 29.655,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 15.02.2004 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen

Er hat eine Pflichtverletzung in Abrede gestellt. Er hat behauptet, er hätte nicht feststellen können, dass die Klägerin die steuerpflichtigen Umsätze für Krankentransporte im Inland als steuerfrei behandelt habe und daher auch keinen Verdacht schöpfen müssen. Denn er habe die Umsatzsteuerjahreserklärungen lediglich aus der von der Klägerin erstellten Finanzbuchhaltung und den Umsatzsteuervoranmeldungen entwickelt, ohne dass ihm die einzelnen Rechnungen vorgelegen hätten. Ferner habe er davon ausgehen dürfen, dass der Klägerin die Umsatzsteuerpflicht für inländische Krankentransporte bekannt gewesen sei, weil die Behandlung der Ambulanzflüge bei den Betriebsprüfungen eine zentrale Rolle gespielt hätten. Der Beklagte ist ferner der Ansicht gewesen, dass die Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO keinen ersatzfähigen Schaden darstellten.

Wegen der weiteren Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wird gemäß § 540 Abs.1 Nr. 1 ZPO auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (Bl. 107 bis 114 GA).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte habe keine ihm aus dem Steuerberatervertrag gegenüber der Klägerin obliegenden Pflichten verletzt. Es könne dahinstehen, ob der Beklagte nach dem Inhalt des erteilten Mandats - zur Begleitung der Klägerin während der Betriebsprüfung im Jahr 1996/1997, der Umsatzsteuersonderprüfung und der Betriebsprüfung im Jahr 2002 sowie der Erstellung der Jahresabschlüsse und zur Fertigung der Jahressteuererklärungen, nicht jedoch zur Finanzbuchhaltung und zu Umsatzsteuervoranmeldungen - Ende des Jahres 1996 zu dem Hinweis verpflichtet gewesen sei, dass künftig damit gerechnet werden müsse, dass die Finanzverwaltung die von der Klägerin durchgeführten Inlandskrankentransporte als umsatzsteuerpflichtig ansehe. Ein solcher Hinweis sei entbehrlich gewesen, weil der Beklagte davon habe ausgehen können und müssen, dass der Klägerin diese Möglichkeit bekannt war. Denn der Geschäftsführer der Klägerin habe an der Schlussbesprechung der Betriebsprüfung für die Jahre 1992 bis 1994 am 04.02.1997 teilgenommen und unmittelbar miterlebt, wie sich die Finanzverwaltung der Ansicht des Beklagten anschloss, wonach es sich bei den Inlandskrankenflügen nicht um umsatzsteuerfreie Umsätze i. S. v. § 4 Nr 17b UStG handelt, diese Umsätze folglich nicht nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen seien, sondern die Klägerin überwiegend steuerbefreite Auslands- (Ambulanz-) flüge gemäß § 4 Nr. 2 UStG i.V.m. § 8 Abs. 2 UStG erbringe. Für die Klägerin habe daher ebenso klar erkennbar wie für den Beklagten die Möglichkeit auf der Hand gelegen, dass die Finanzverwaltung Inlandskrankentransporte künftig als steuerpflichtige Umsätze betrachten würde. Der Beklagte sei auch nicht gehalten gewesen, in den Folgejahren bei der Erstellung der Umsatzsteuerjahreserklärungen darauf zu achten, ob von der Klägerin die Umsätze aus Inlandskrankentransporten als umsatzsteuerpflichtig behandelt worden sind. Dies sei ihm schon deshalb nicht möglich gewesen, weil ihm die einzelnen Rechnungen der Inlandskrankenflüge - unstreitig - nicht vorgelegt worden seien, weil er weder die Finanzbuchhaltung zu erstellen noch die Umsatzsteuervoranmeldungen vorzunehmen gehabt habe.

Die Klägerin hat gegen das Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel, mit dem sie ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiterverfolgt, ordnungsgemäß begründet. Sie macht geltend, selbst keine Kenntnis von der Umsatzsteuerpflichtigkeit der Umsätze aus Inlandskrankenflügen gehabt zu haben; von etwas Anderem habe der Beklagte auch nicht ausgehen dürfen. Vielmehr habe der Beklagte eine ihm obliegende vertragliche Aufklärungs- und Hinweispflicht verletzt.

Die Klägerin meint, sie habe aus dem Bescheid des Finanzamtes L.-Q. vom 16.09.1997 nicht auf die Umsatzsteuerpflichtigkeit der Umsätze aus Inlandskrankenflügen schließen müssen. Denn dieser besage nichts über die steuerliche Behandlung von Inlandsflügen. Auch das Schreiben des Beklagten vom 14.02.1997 habe sie nicht zu anderen Schlussfolgerungen veranlassen müssen. Denn es enthalte keine Ausführungen zur Umsatzsteuerpflicht, wohl aber zur Umsatzsteuerfreiheit der Ambulanzflugleistungen. Aufgrund der Umsatzsteuer-Sonderprüfung für den Zeitraum 1-11/1996 habe sie sogar positiv davon ausgehen dürfen, dass die Umsätze aus Inlandskrankentransporten umsatzsteuerfrei seien, weil es in dem Betriebsprüfungsbericht vom 12.02.1997 ausdrücklich heiße, dass die Beförderung von kranken und verletzten Personen nach § 4 Nr. 17b UStG steuerfrei sei, und das Finanzamt in seinem Schreiben vom 12.09.1997 ausdrücklich festgestellt habe, dass die Umsatzsteuer-Sonderprüfung zu keinen Änderungen der Besteuerungsgrundlagen geführt habe. Die Auseinandersetzung zwischen dem Beklagten und dem Finanzamt über den Vorsteuerabzug habe überhaupt nur Sinn gemacht, wenn keine Umsatzsteuerpflicht der inländischen Ambulanzflüge bestanden habe, denn sonst wäre gemäß § 15 Abs. 1 UStG ohne weiteres ein Vorsteuerabzug zu gewähren gewesen. Im Übrigen habe von ihr keine bessere Erkenntnis erwartet werden können als von dem Beklagten und dem Finanzamt L.-Q., die beide von einer Steuerbefreiung der inländischen Ambulanzflüge ausgegangen seien.

Die Klägerin meint weiterhin, dass der Beklagten im Rahmen seiner Beratungen bei der Betriebsprüfung 1996/1997 und bei der Umsatzsteuer-Sonderprüfung 1997 verpflichtet gewesen sei, selbstständig die Steuerpflicht zu prüfen und zu bejahen und dies der Klägerin mitzuteilen. Eine gleiche Hinweispflicht ergebe sich aufgrund der Erstellung der Jahresumsatzsteuererklärungen für die Zeit nach dem Betriebsprüfungszeitraum (also ab 1995). Der Auftrag zur Erstellung der Jahresumsatzsteuererklärungen der Klägerin beschränke sich nicht darauf, die monatlichen Umsatzsteuer-Voranmeldungen in eine Jahresumsatzsteuererklärung zu übernehmen, sondern erfordere eine zumindest stichprobenhafte Überprüfung, ob die Behandlung der inländischen Ambulanzflüge als steuerbefreite Umsätze rechtens war. Bei der Erstellung der Jahresabschlüsse und Jahressteuererklärungen hätte ihm auffallen müssen, dass die umsatzsteuerfrei behandelten Umsätze mit Abstand die höchsten Umsatzposten darstellten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Klägervorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 24.05.2006 (Bl. 144-151 GA) sowie auf die Schriftsätze vom 04.10.2006 (Bl. 273-277 GA), 27.12.2006 (Bl. 316-317 GA) und 12.01.2007 (Bl. 436-438 GA) Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Köln vom 02.03.2006 - 2 O 622/06 - aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an sie 29.655,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 15.02.2004 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Seines Erachtens fehlt es an einer Pflichtverletzung und an einem kausal verursachten Schaden. Der Beklagte meint, die Entgelte für die von der Klägerin im Inland durchgeführten Krankentransporte hätten objektiv betrachtet seit eh und je der Mehrwertsteuer unterlegen, weil weder der Befreiungstatbestand der §§ 4 Nr. 2, 8 Abs. 2 UStG (Auslandsflug) noch der des § 4 Nr. 17b UStG (besondere Einrichtung) erfüllt seien. Er behauptet, die Klägerin habe gewusst, dass nicht alle Krankentransporte mehrwertsteuerbefreit seien, sondern nur Ambulanzflüge im grenzüberschreitenden Verkehr; jedenfalls meint er, er habe davon ausgehen dürfen, dass die Klägerin dies gewusst habe. Denn die Klägerin habe bei der Verbuchung der Entgelte aus Ambulanzflügen genau zwischen steuerfreien und steuerpflichtigen Umsätzen aus Krankentransporten unterschieden, für die jeweils ein separates Konto bestanden habe. Für ihn habe kein Anlass bestanden, die Buchungen zu überprüfen, die die Klägerin selbst vorgenommen habe. Gegenstand seiner Korrespondenz mit dem Finanzamt Anfang 1997 sei im Übrigen nur noch die Frage gewesen, ob und inwieweit der Vorsteuerabzug anerkannt werden würde. Erst die Betriebsprüfung vom 05.08.2002 bis zum 07.05.2003 habe festgestellt, dass auf den Konten der Klägerin für steuerbefreite Umsätze auch mehrwertsteuerpflichtige Umsätze verbucht worden sind.

Der Beklagte hält seine Ansicht aufrecht, wonach der behauptete Schaden schon nicht substantiiert vorgetragen sei, weil die Klägerin nicht vor dem Hintergrund der Marktsituation die Kalkulation ihrer Preise offengelegt habe. Ferner seien die Nachzahlungszinsen nicht erstattungsfähig und es fehle an der Kausalität der angeblichen Pflichtverletzung für den geltend gemachten Schaden. Erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 31.08.2006 hat der Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 16.08.2006 (Bl. 166 bis 175 GA) sowie die Schriftsätze vom 18.09.2006 (Bl. 223-232 GA) und 12.01.2007 (Bl. 414-418 GA) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache zu einem geringen Teil Erfolg. Zwar besteht - entgegen der Auffassung des Landgerichts - der geltend gemachte Schadensersatzanspruch, weil der Beklagte schuldhaft eine ihm gegenüber der Klägerin obliegende Aufklärungspflicht verletzt hat. Jedoch ist es der Klägerin nur zu einem geringen Teil gelungen, einen erstattungsfähigen Schaden nachzuweisen.

Auf das Rechtsverhältnis der Parteien sind die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung anzuwenden, da es vor dem 01.01.2002 entstanden ist (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

1. Die Klägerin hat nach den seinerzeit noch nicht kodifizierten Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 3.728,29 €.

a) Dem Beklagten oblag die vertragliche Nebenpflicht, die Umsätze der Klägerin aus inländischen Krankentransporten auf ihre Umsatzsteuerpflichtigkeit zu überprüfen und - da sie zu bejahen war - die Klägerin auf diesen Umstand, den die Finanzverwaltung bis zum Jahr 2003 nicht bemerkt hat, hinzuweisen. Gegen diese Pflicht hat der Beklagte verstoßen.

aa) In ständiger Rechtsprechung, der sich der erkennende Senat angeschlossen hat, qualifiziert der Bundesgerichtshof einen Vertrag, durch den einem Steuerberater allgemein die Wahrnehmung aller steuerlichen Interessen des Auftraggebers übertragen wird, regelmäßig als Dienstvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat (BGH NJW 2002, 1571, 1572 m.w.N.). Inhalt und Umfang der Pflichten des Steuerberaters im Einzelnen richten sich nach dem erteilten Auftrag und damit nach den Besonderheiten des Einzelfalles (BGH MDR 1980, 1980, 303). In den hierdurch gezogenen Grenzen ist der Steuerberater verpflichtet, den Mandanten umfassend zu beraten und ungefragt über alle steuerlichen Einzelheiten und deren Folgen zu unterrichten, insbesondere auch über die Möglichkeit einer Steuerersparnis zu belehren. Er muss davon ausgehen, dass sein Auftraggeber in der Regel in steuerlichen Dingen unkundig und vielfach deshalb auch gar nicht in der Lage ist, von sich aus die entsprechenden Fragen zu stellen. Er hat ihn möglichst vor Schaden zu schützen. Hierzu hat er den relativ sichersten Weg zu dem angestrebten steuerlichen Ziel aufzuzeigen, sachgerechte Vorschläge zu dessen Verwirklichung zu unterbreiten und die für den Erfolg notwendigen Schritte vorzuschlagen (BGH DB 2006, 1106, BGHZ 129, 386, 396; BGH ZIP 2004, 2058; BGH NJW 2002, 1571, 1572). Die Beratung soll den Mandanten in die Lage versetzen, eigenverantwortlich seine Rechte und Interessen wahren und eine Fehlentscheidung vermeiden zu können (vgl. nur BGH DB 2004, 131 ff., m.w.N.; Senat, OLGR 2003, 69 ff., OLGR 2005, 521).

bb) Dies zugrunde gelegt, war der Beklagte vorliegend verpflichtet, die Umsätze der Klägerin aus inländischen Krankentransporten auf ihre Umsatzsteuerpflichtigkeit zu überprüfen und die Klägerin über die Steuerpflicht zu informieren. Diese Verpflichtung ergab sich nicht erst in der Schlussbesprechung der Betriebsprüfung für die Jahre 1992 bis 1994 am 04.02.1997, sondern sie resultierte bereits aus dem zwischen den Parteien seit 1986 bestehenden Steuerberatungsvertrag, der die Erstellung der Jahresabschlüsse, die Fertigung der Jahressteuererklärungen sowie die Beratung der Klägerin bei den Betriebsprüfungen 1996/1997 (Prüfungszeitraum 1992 bis 1994, Umsatzsteuer-Sonderprüfung 1-11/1996) und 2002/2003 (Prüfungszeitraum 1997 bis 2000) erfasste, in Verbindung mit dem von 1986 bis Ende 1996 bestehenden Auftrag des Beklagten, die Finanzbuchhaltung für die Klägerin zu führen.

(1) Die Frage der Umsatzsteuerpflicht der von der Klägerin erzielten Umsätze aus inländischen Krankentransporten war von Beginn an von zentraler Bedeutung sowohl für die Richtigkeit der Jahresabschlüsse und Jahressteuererklärungen als auch für die Beurteilung des Prüfberichte der Finanzverwaltung. Denn von ihr hing unmittelbar die Höhe der Steuerlast der Klägerin ab. Um die Richtigkeit der positiven wie negativen Feststellungen der Finanzverwaltung zur Umsatzsteuerpflicht beurteilen zu können, hätte der Beklagte sie notwendigerweise selbstständig überprüfen und die Klägerin über seine gegebenenfalls abweichenden Ansichten informieren müssen, damit sie über eventuelle Konsequenzen (Rechtsbehelfe, Rückstellungen etc.) hätte entscheiden können.

Da er bis Ende 1996 für die Buchführung der Klägerin zuständig war, hätte dem Beklagten bei der Erstellung der Jahresabschlüsse und Jahrssteuererklärungen auffallen müssen, dass die als umsatzsteuerfrei behandelten Umsätze mit Abstand die höchsten Umsatzposten darstellten (z.B. 1994: 1.200.550,00 DM umsatzsteuerfrei gegenüber 45.000,00 DM umsatzsteuerpflichtig). Diese Auffälligkeit hätte eine Rückfrage bei der Klägerin erfordert, in deren Folge sich der Irrtum über die vermeintliche Umsatzsteuerfreiheit inländischer Ambulanzflüge leicht aufgeklärt hätte, wenn sie denn erfolgt wäre. Da der Beklagte selbst die Konten eingerichtet hatte, hätte ihm die Diskrepanz der Eingänge erst recht auffallen müssen. Auch wenn der Beklagte keinen Auftrag hatte, die von der Klägerin erstellte Buchhaltung zu überprüfen, hätte sich angesichts dieser Auffälligkeit doch die Frage aufgedrängt, ob es wirklich sein könne, dass die Kläger fast 30-mal mehr Umsätze im grenzüberschreitenden Verkehr als im Inland macht.

Bei ordnungsgemäßer Prüfung hätte der Beklagte aufgrund der ihm eigenen Sachkunde - ebenso wie später die Mitarbeiterin des Finanzamtes für Groß- und Konzernbetriebsprüfung L. bei der Betriebsprüfung 2002/2003 - erkannt, dass im Falle eines inländischen Ambulanzflugs weder der umsatzsteuerliche Ausnahmetatbestand der §§ 4 Nr. 2, 8 Abs. 2 UStG ("grenzüberschreitender Luftverkehr") noch der des § 4 Nr. 17b UStG ("besondere Einrichtungen") und auch kein anderer Ausnahmetatbestand erfüllt ist, so dass es bei der normalen Umsatzsteuerpflicht gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 UStG verbleibt. Hätte der Beklagte die Umsatzsteuerpflichtigkeit der Umsätze aus inländischen Ambulanzflügen zutreffend erkannt, hätte er zugleich feststellen müssen, dass das Finanzamt die Umsatzsteuer versehentlich nicht festgesetzt hat. Dies hätte er der Klägerin mitteilen müssen, damit sie den Umstand entweder sogleich gegenüber der Finanzverwaltung hätte richtig stellen und hierdurch spätere Nachforderungen vermeiden oder sich zumindest auf Steuernachforderungen hätte einstellen können. In jedem Fall hätte sie diesen Umstand bei der Kalkulation ihrer Preise berücksichtigen können. Prüfung und Hinweis an die Klägerin wären für einen Fachmann wie dem Beklagten ohne Weiteres zumutbar gewesen. Denn sie wären mit keinen besonderen Umständen und Mühen verbunden gewesen.

(2) Der Umstand, dass die Klägerin ab 1997 ihre Buchführung selbst erstellte und daher bei der Verbuchung der Entgelte aus Ambulanzflügen selbst zwischen steuerfreien und steuerpflichtigen Umsätzen aus Krankentransporten unterscheiden musste, ändert nichts an dem festgestellten Beratungsbedürfnis. Zum einen bestand dieses Bedürfnis schon vor 1997 und wäre von dem Beklagten, der seit 1986 die Jahresabschlüsse der Klägerin erstellte und die Jahressteuererklärungen fertigte, schon zu dieser Zeit zu befriedigen gewesen. Zum anderen hat der Beklagte unstreitig die beiden Konten vor 1997 eingerichtet und die Klägerin hat sie ab 1997 lediglich fortgeführt.

(3) Die Aufklärungspflicht entfiel auch nicht deswegen, weil die Klägerin ab dem Zeitpunkt einer korrekten Aufklärung durch ihn die Umsätze aus inländischen Krankentransporten umgehend als umsatzsteuerpflichtig hätte verbuchen müssen, um sich nicht der vorsätzlichen Steuerhinterziehung schuldig zu machen und, soweit die Festsetzungsfristen noch nicht abgelaufen waren, auch für bereits veranlagte Steuerjahre ihre objektiv falschen Steuererklärungen zu ihrem Nachteil hätte berichtigen müssen. Selbst wenn diese Folgen eingetreten wären, hätte dies die Aufklärungspflicht des Beklagten schon deswegen nicht entfallen lassen, weil es die Klägerin auch vor künftigen Schäden, wie sie hier in Rede stehen, zu bewahren galt. Dies hätte durch Aufklärung der Klägerin geschehen können, die die Umsatzsteuer dann an ihre Kunden weitergegeben hätte.

(4) Ohne Belang ist es für die Begründung einer objektiven Prüfungs- und Hinweispflicht des Beklagten auch, dass es vorliegend niemals um die Verringerung der Steuerlast der Klägerin oder die Vermeidung einer Steuer gehen konnte. Es steht außer Streit, dass die Umsätze, die die Klägerin mit inländischen Ambulanzflügen erzielte, stets der Umsatzsteuer unterlagen und die Bescheide vom 01.10.2003 richtig sind. Der Schaden, den es für die Klägerin allein zu vermeiden galt, war der hier in Rede stehende: die Belastung mit Umsatzsteuern, die bei früherer Kenntnis an die Kunden hätte weitergegeben werden können, und die Belastung mit Nachzahlungszinsen. Um diesen Schaden zu vermeiden, hätte die Klägerin von dem Beklagten über die Umsatzsteuerpflichtigkeit der inländischen Ambulanzflüge aufgeklärt werden müssen.

(5) Die Aufklärung war schließlich auch nicht deshalb ausnahmsweise entbehrlich, weil die Klägerin die Umsatzsteuerpflichtigkeit der Umsätze aus inländischen Ambulanzflügen gekannt hätte oder sich die Kenntnis mindestens ebenso leicht auf andere Weise und ohne Hilfe des Beklagten hätte beschaffen können oder von sich aus auf die Umsatzsteuerpflichtigkeit hätte schließen müssen.

Die Anwesenheit des Geschäftsführers der Klägerin bei der Schlussbesprechung der Betriebsprüfung für die Jahre 1992 bis 1994 am 04.02.1997 berechtigt nicht zu der Annahme, dass die Klägerin die Kenntnis bereits erlangt hat. Über den Inhalt dieser Schlussbesprechung ist nichts Genaueres bekannt, als aus dem Betriebsprüfungsbericht vom 06.03.1997 folgt. Hieraus ergibt sich aber nur, dass die steuerliche Behandlung der Ambulanzflüge umstritten war und nicht abschließend gelöst worden ist; die Umsatzsteuerbescheide sollten hinsichtlich der betreffenden Umsätze sowie der Vorsteuern bis zur endgültigen Klärung vorläufig bleiben (§ 165 AO). Der erwähnte Streit betraf aber nicht die grundsätzliche Frage nach der Umsatzsteuerpflicht, sondern die spezielle Frage, ob es sich bei den Ambulanzflügen um umsatzsteuerpflichtige Vermietungsleistungen oder um steuerfreie Umsätze gemäß den §§ 4 Nr. 2, 8 Abs. 2 UStG oder um steuerfreie Umsätze gemäß § 4 Nr. 17b UStG handelte. Zwar hätte ein Fachmann wie der Beklagte erkennen müssen, dass steuerfreie Umsätze gemäß den §§ 4 Nr. 2, 8 Abs. 2 UStG mangels Grenzüberschreitung und steuerfreie Umsätze gemäß § 4 Nr. 17b UStG mangels "besonderer Einrichtung" ausschieden. Jedoch fehlt es an einen Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin dieses Wissen hatte. Der Umstand, dass sie die Umsätze nicht mit Umsatzsteuer verbuchte, spricht im Gegenteil eindeutig gegen diese Kenntnis.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts musste schließlich für die Klägerin - anders als für den Beklagten - die Möglichkeit, dass die Finanzverwaltung Inlandskrankentransporte als steuerpflichtige Umsätze betrachten würde, nach der Schlussbesprechung am 04.02.1997 auch nicht - wie es im angefochtenen Urteil heißt - "klar erkennbar auf der Hand liegen". Eine solche Behandlung hätte zwar der objektiven Rechtslage entsprochen und als Gewerbetreibende musste die Klägerin grundsätzlich auch die Umsatzsteuerpflichtigkeit inländischer Umsätze kennen. Doch besteht die Besonderheit des vorliegenden Falles darin, dass die Finanzverwaltung - in Gestalt des Finanzamtes L.-Q., z.B. bei der Betriebsprüfung 1996/1997 (06.03.1997) - die Umsatzsteuerpflichtigkeit der Umsätze aus inländischen Ambulanzflügen selbst jahrelang übersehen und erst spät - in Gestalt des Finanzamtes für Groß- und Konzernbetriebsprüfung L. bei der Betriebsprüfung 2002/2003 (19.05.2003) - erkannt hat. Von der Klägerin kann keine bessere Erkenntnis verlangt werden, als das Finanzamt L.-Q. sie zeigte, wohingegen von dem beklagten Steuerberater als Fachmann verlangt werden kann, auch den wiederholten Irrtum des Finanzamtes zu erkennen und die Klägerin hierüber aufzuklären. Wenn schon nach längerer Diskussion das Finanzamt selbst eine "auf der Hand liegende" Schlussfolgerung der Umsatzsteuerpflichtigkeit nicht zog, berechtigt nichts zu der Annahme, dass es der Klägerin ein Leichtes gewesen wäre, diese Schlussfolgerung zu ziehen oder auch nur, dass sie sie hätte ziehen müssen. Die Klägerin bedurfte vielmehr gerade dann der Beratung, wenn sie erkannt haben sollte, dass die Finanzverwaltung zwar einerseits alle angesprochenen Steuerfreiheitstatbestände ausschloss, andererseits aber gleichwohl keine Umsatzsteuer festsetzte. Auch diesen Widerspruch hätte die Klägerin aber nicht selbstständig zu lösen brauchen, wenn sie mit dem Beklagten einen Steuerberater mit der Erstellung ihrer Jahresabschlüsse und Jahressteuererklärungen und ihrer Beratung bei der Betriebsprüfung beauftragt hatte. Daran änderte auch der Umstand nichts, dass der Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft der Klägerin bei der Schlussbesprechung anwesend war.

Schließlich musste die Klägerin auch nicht aufgrund des Schriftwechsels von 1997 zwischen dem Beklagten und dem Finanzamt L.-Q. die wirkliche Rechtslage erkennen. Denn hierin war nie von "Umsatzsteuerpflicht", sondern nur von "Umsatzsteuerfreiheit" die Rede, ohne dass angesprochen worden wäre, was gälte, wenn die Voraussetzungen einer Umsatzsteuerfreiheit gemäß den §§ 4 Nr. 2, 8 Abs. 2 UStG und § 4 Nr. 17b UStG nicht gegeben wären.

b) Die objektive Pflichtverletzung ist dem Beklagten auch zuzurechnen. In Analogie zu § 282 BGB a.F. wird das Verschulden vermutet. Dem Beklagten ist es nicht gelungen, diese Vermutung zu widerlegen.

Unerheblich ist zum einen, ob der Beklagte die Umsatzsteuerpflicht tatsächlich erkannt hat. Denn der Vorwurf, der ihm als Fachmann zu machen ist, geht nicht nur dahin, die Klägerin nicht über seine vorhandenen besseren Erkenntnisse aufgeklärt zu haben, sondern auch dahin, die Rechtslage nicht sorgfältig geprüft und die Umsatzsteuerpflicht der Umsätze aus inländischen Ambulanzflügen daher nicht erkannt zu haben. Ob dem Beklagten das Verschulden gefehlt hätte, wenn er davon hätte ausgehen dürfen, dass die Klägerin Kenntnis von der wahren Rechtslage hatte oder sie sich die Kenntnis selbst verschaffen würde, kann dahingestellt bleiben. Denn aus den oben dargestellten Gründen ist Beides nicht der Fall.

c) Der Klägerin ist infolge der Pflichtverletzung des Beklagten ein ersatzfähiger Schaden in Höhe geltend gemachten Nachzahlungszinsen (4.474,00 €) abzüglich eines Vorteilsausgleichs (745,71 €) entstanden, den sie sich anrechnen lassen muss, weil sie von 1997 bis 2003 über die bis dahin nicht erhobenen Umsatzsteuerbeträge verfügen konnte (§§ 249 Satz 1, 252 BGB a.F.).

aa) Ob und inwieweit ein nach den §§ 249 ff. BGB zu ersetzender Schaden vorliegt, beurteilt sich grundsätzlich nach einem rechnerischen Vergleich der durch das schädigende Ereignis bewirkten Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenen Umstand eingetreten wäre. Der haftpflichtige Steuerberater hat den Mandanten so zu stellen, wie er bei pflichtgemäßem Verhalten des Beraters stünde. Dazu muss die tatsächliche Gesamtvermögenslage derjenigen gegenübergestellt werden, die sich ohne den Fehler des Steuerberaters ergeben hätte (BGH NJW, 1998, 982). Die Differenzrechnung darf sich nicht auf einzelne Rechnungsposten beschränken, sondern hat einen Gesamtvermögensvergleich vorzunehmen, der alle von dem haftungsbegründenden Ereignis betroffenen finanziellen Positionen umfasst (BGH, GI 2004, 72, 76; OLG Düsseldorf, GI 2005, 53). Bei der Beurteilung der haftungsausfüllenden Kausalität kommen dem Mandanten eines Steuerberaters die Beweiserleichterungen des § 287 ZPO und des Anscheinsbeweises zugute.

bb) Vor diesem Hintergrund hat die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der Umsatzsteuer schon nicht schlüssig vorgetragen.

Zwar scheitert ein solcher Anspruch nicht schon daran, dass eine berechtigte Steuernachforderung - wie hier die Umsatzsteuerforderungen - ohnehin keinen Schaden im Rechtssinne darstellt, weil die Belastung mit den im Gesetz vorgesehenen Steuern auch bei pflichtgemäßem Handeln angefallen wäre (Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung. 4. Aufl., 2006, Rn. 550). Denn wenn es der Klägerin gelungen wäre, die Umsatzsteuer an ihre Kunden durchzureichen, hätte sie in Höhe der Umsatzsteuer Einnahmen erzielt, die ihr als entgangener Gewinn zu erstatten gewesen wären. Jedoch ist es der Klägerin nicht gelungen darzulegen, dass ihr im Umfang der nachträglich erhobenen Umsatzsteuer ein Gewinn entgangen ist. Hierfür hätte sie darlegen und gegebenenfalls beweisen müssen, dass es ihr bei rechtzeitiger Aufklärung durch den Beklagten gelungen wäre, in den Jahren 1997 bis 2000 ihre Flugpreise um die Umsatzsteuer zu erhöhen, ohne dass es zu einem Rückgang ihres Geschäftes gekommen wäre. Diese Darlegung ist ihr nicht gelungen.

Macht der Mandant eines Steuerberaters im Falle einer rechtmäßigen Steuernachzahlung geltend, dass er den Betrag bei pflichtgemäßer Aufklärung in die Kalkulation seiner Preise aufgenommen und an seine Kunden weitergegeben hätte, so kann dies einen Schaden begründen, erfordert aber grundsätzlich, dass der Geschädigte seine Kalkulation offen legt und nachvollziehbar macht, dass er auch den höheren Preis am Markt hätte durchsetzen können (LG Weiden, GI 1995, 37; Gräfe/Lenzen/Schmeer, a.a.O., Rn. 553;). Da sich die Preise - vorbehaltlich anderen Vortrags - regelmäßig am Markt orientieren und der im Wettbewerb stehende Kaufmann regelmäßig den höchsten am Markt erzielbaren Preis berechnet und nicht einen um 15 % bzw. 16 % zu niedrigen, spricht die Erfahrung dagegen, dass der Mandant einen um die Steuernachzahlung erhöhten Preis ohne Weiteres auf dem Markt hätte durchsetzen können (ebd.).

Die Klägerin ist vorliegend einen schlüssigen Vortrag dazu, warum dies hier anders gewesen sein sollte, schuldig geblieben. Um einen Anspruch auf Erstattung der Umsatzsteuerzahlungen für die Jahre 1997 bis 2000 in Höhe von 25.181,00 € schlüssig vorzutragen, hätte sie nachvollziehbar darlegen müssen, dass sie ohne Rückgang der Flugzahlen in den Jahren 1997 bis 2000 einen um die Umsatzsteuer in Höhe von 15 % bzw. 16 % erhöhten Preis am Markt hätte durchsetzen können. Hierfür hätte sie ihre Kalkulation offen legen und einen Vergleich mit Mitbewerbern anstellen oder darlegen müssen, aus welchen besonderen Gründen ihr ihre Kunden z.B. auch trotz eines höheren Preises und ohne Rücksicht auf eventuell billigere Konkurrenzangebote im gleichen Umfang treu geblieben wären. Dies alles ist nicht in hinreichendem Maße geschehen. Die Klägerin hat lediglich Indizien vorgetragen, die für sich genommen nicht ausreichen.

Die Klägerin hat weder ihre Kalkulation aufgedeckt noch einen Vergleich mit Mitbewerbern angestellt. Anstelle eines Marktvergleichs für die Jahre 1997 bis 2000, der nach dem Hinweisbeschluss vom 09.11.2006 zu erwarten gewesen wäre (Flugpreise der Klägerin? Flugpreise der Mitbewerber?), hat sich die Klägerin darauf beschränkt, eigene Kundenlisten, eigene Rechnungskonvolute und einen eigenen Flugpreisvergleich von 1997 bis 2005 vorzulegen. Dass die Kunden in den Jahren 1997 bis 2000 eine Preiserhöhung um 15 bzw. 16 % hingenommen hätten, lässt sich diesen Unterlagen jedoch nicht entnehmen. Der interne Flugpreisvergleich der Klägerin, d.h. die Gegenüberstellung der von 1997 bis 2005 für gleiche Strecken verlangten Preise, sagt ebenfalls nichts zu dem Marktbild von 1997 bis 2000 aus. Ihm kann zwar die Entwicklung der Flugpreise der Klägerin über die Jahre hinweg entnommen werden (z.B. Köln-Berlin von 2.556,46 € (1997), bis 5.243,20 € (2005)). Wie es zu diesen Preisen gekommen ist, wie seinerzeit die Preise der Mitbewerber waren etc., ergibt sich jedoch nicht. Auch dass ab September 2002 die Netto-Flugpreise der Klägerin trotz Zuschlags der Umsatzsteuer gegenüber den Flugpreisen von 1997 bis 2000 nicht reduziert worden sind, sagt nichts über die Preise der Mitbewerber in den Jahren 1997 bis 2000 aus und auch nichts darüber, ob es sich die Klägerin ohne Umsatzverluste hätte leisten können, in diesen Jahren ihre Preise zu erhöhen.

Der relative Geschäftserfolg der Klägerin, die ab 2002 nur noch ein Flugzeug statt drei Flugzeuge hatte und gleichwohl in den vier Jahren von 2002 bis 2005 immerhin 23 Flüge absolvierte - im Vergleich zu 55 Flügen in den vier Jahren von 1997 bis 2000 mit drei Flugzeugen -, könnte zwar dafür sprechen, dass die Klägerin jedenfalls ab 2002 marktgerechte, vielleicht sogar besonders günstige Preise verlangte. Denkbar sind für diesen Geschäftserfolg aber auch eine Reihe anderer Faktoren. Jedenfalls lassen die von der Klägerin ab 2002 erbrachten Flugleistungen keine belastbaren Rückschlüsse auf die allein entscheidungserhebliche Frage zu, ob der Markt 1997 bis 2000 eine 15 bzw. 16 %ige Preiserhöhung zugelassen hätte. Über die Marktsituation von 1997 bis 2000 ist nichts bekannt.

Ohne entscheidenden Belang sind auch die Kundenlisten, die die Klägerin vorgelegt hat. Aus ihnen ergibt sich zwar, dass es sich bei den Kunden der Klägerin durchweg um Hilfsorganisationen handelte, die die Flugkosten insbesondere an Versicherungen und Krankenkassen weitergegeben haben dürften. Indes berechtigt dies nicht zu der Annahme, dass diese Kunden "jeden Preis" gezahlt hätten. Im Gegenteil muss grundsätzlich doch gerade derjenige, der einen Dritten mit seinen Aufwendungen belasten will, besonders darauf achten, dass er selbst einen verkehrsüblichen, d.h. marktgerechten Preis zahlt.

Zwar hat die Klägerin schließlich in der mündlichen Verhandlung vom 22.02.2007 ausgeführt hat, dass in dem Marktsegment der "Ambulanzflüge" der Flugpreis von untergeordneter Bedeutung sei. Sie selbst strebe dort nicht nach eine Gewinnmaximierung und auch für die Kunden seien zahlreiche andere Kriterien von größerer Bedeutung als der Preis, so z.B. die örtliche und zeitliche Verfügbarkeit der Flugzeuge, die Zuverlässigkeit des Flugunternehmens und die Preisstabilität. Jedoch lässt auch dieser weder hinreichend substantiierte noch unter Beweis gestellte Vortrag keine sicheren Erkenntnisse darüber zu, ob die Kunden wegen solcher Präferenzen eine Preiserhöhung von 15 bzw.16 % der Klägerin akzeptiert hätten.

Entgegen der nunmehr im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 01.03.2007 vertretenen Auffassung der Klägerin hat der Beklagte im Übrigen nicht lediglich den Zeitpunkt der Preiserhöhung bestritten. Schon in der Klageerwiderung wie auch durchgängig im folgenden Verlauf des Rechtsstreits hat er vielmehr die Auffassung vertreten, die Klägerin habe einen Schaden nicht hinreichend substantiiert dargelegt und bei verständiger Würdigung schon damit einen Schadenseintritt sowie die Möglichkeit, dass die Klägerin im in Rede stehenden Zeitraum die Umsatzsteuer auf ihre Kunden habe "abwälzen" können, bestritten.

cc) Die Klägerin kann allerdings die Erstattung der in Höhe von 4.474,00 € geltend gemachten Nachzahlungszinsen verlangen, wenn auch nur abzüglich eines Vorteilsausgleichs, der mit 745,71 € zu bemessen ist.

(1) Die Nachzahlungszinsen nach § 233a AO sind grundsätzlich erstattungsfähig, weil sie einen durch die Pflichtverletzung adäquat verursachten Vermögensschaden der Klägerin darstellen. Vermögensschaden ist eine Einbuße, die der Geschädigte infolge des schädigenden Ereignisses an seinem Vermögen erlitten hat. Infolge der hier bejahten Prüfungs- und Aufklärungspflichtverletzung hat die Klägerin es jahrelang unterlassen, Umsatzsteuer für die Umsätze zu leisten, die sie mit inländischen Ambulanzflügen erzielt hat. Neben der Steuernachforderung, die sich hieraus ergab, die aber selbst - weil objektiv unvermeidbar - keinen Schaden darstellt, hat die Pflichtverletzung unmittelbar die Erhebung von Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO zur Folge. Diese wären bei rechtzeitiger Zahlung der Umsatzsteuerschuld nicht angefallen. Ihre Begleichung stellt mithin bei natürlicher Betrachtung einen Schaden der Klägerin dar.

Zwar trifft es zu, dass der Zweck des § 233a AO in der Abschöpfung von Zinsen und Liquiditätsvorteilen liegt, die dadurch entstehen, dass die Steuern zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt werden. Bis zur Einführung der Vollverzinsung enthielt die Abgabenordnung nur einzelne Zinsregelungen, die eine Verzinsung an besondere gesetzliche Voraussetzungen, z.B. die Stundung, knüpften. Dies ergab erhebliche Verzinsungslücken, die bei Nachzahlungen zu Zinsnachteilen für den Fiskus und in Erstattungsfällen zu Zinseinbußen für den Steuerpflichtigen führten (Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, § 233a, Rn. 6). Die Vollverzinsung des § 233a AO soll also die Ungleichbehandlung der Steuerpflichtigen, die durch die unterschiedliche Dauer der Veranlagungsarbeiten entsteht, durch Abschöpfung des Zinsvorteils weitgehend beseitigen und zugleich die Zinsvorteile und -nachteile zwischen Fiskus und Steuerpflichtigen ausgleichen (Pahlke/Koenig, ebd., mit Verweis auf BT-Drs. 11/2157, S. 194 u.a.). Dies aber steht einer Erstattungsfähigkeit der Nachzahlungszinsen nicht grundsätzlich entgegen.

Auch dass in der Hauptsache kein "Steuerschaden", also kein Ersatz für eine vom Steuerberater verschuldete Mehrforderung, ersetzt verlangt wird, sondern Ersatz dafür, dass die Klägerin die an sich berechtigte Umsatzsteuer nicht ihren Kunden in Rechnung stellen konnte, was sie getan hätte, wenn sie rechtzeitig über die Umsatzsteuerpflicht aufgeklärt worden wäre, ändert nichts daran, dass die Nachzahlungszinsen adäquat kausale Folge der Pflichtverletzung des Beklagten sind. Denn der Anfall von Nachzahlungszinsen setzt keinen Steuerschaden im engeren Sinne voraus, sondern lediglich, dass Steuern zu Unrecht nicht gezahlt worden sind und nachentrichtet werden müssen. Eben dies war hier der Fall. Ob und in welchem Umfang die Steuerschuld erstattungsfähig ist, ist für die Frage der Erstattungsfähigkeit der Nachzahlungszinsen ohne Belang.

(2) Indes muss sich die Klägerin auf den Erstattungsanspruch eine Vorteilsausgleichung in Höhe von 745,71 € anrechnen lassen.

(a) Ob und inwieweit eine Minderung oder Beseitigung des eingetretenen Vermögensschadens auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen ist, beurteilt sich nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung. Wegfall oder Minderung des Schadens sind nur insoweit zu berücksichtigen, als sie in einem adäquat-kausalen Zusammenhang zu dem schädigenden Ereignis stehen (BGH NJW 2006, 499 und 2042). Außerdem muss die Anrechnung dem Zweck des Schadensersatzes entsprechen und darf weder den Geschädigten unzumutbar belasten noch den Schädiger unbillig entlasten (BGH ebd. mit Verweis auf BGHZ 74, 103, 113 f; BGHZ 109, 380, 392).

(b) Dass die Klägerin von dem Irrtum der Finanzverwaltung bezüglich der Umsatzsteuerpflichtigkeit der Umsätze aus inländischen Ambulanzflügen in den Jahren 1992 bis 1994 profitiert, nämlich ungerechtfertigte Steuervorteile in erheblicher Höhe erzielt hat, die rückwirkend nicht mehr erhoben werden konnten, ist im Rahmen einer Vorteilsausgleichung von vornherein unbeachtlich, weil dieser Vorteil schon nicht in einem adäquat-kausalen Zusammenhang zu der Pflichtverletzung des Beklagten steht, die Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist. Überdies ist auch kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, dass nunmehr dem Beklagten der aus einem Irrtum der Finanzverwaltung resultierende ungerechtfertigte Vorteil gebühren sollte.

(c) Abzuschöpfen ist der Vorteil, den die Klägerin dadurch erlangt hat, dass sie mit der nicht abgeführten Umsatzsteuer für die Jahre 1997 bis 2000 in Höhe von 25.181,00 € bis Oktober 2003 wirtschaften konnte. Dieser Ansatz entspricht dem Gedanken des § 233a AO, so dass die Rechnung, die die Klägerin auf Seite 3 der Klageschrift (Bl. 3 GA) aufgemacht hat, grundsätzlich auch hier zugrunde zu legen ist. Mangels anderer Erkenntnisse ist im Rahmen der anzustellenden Schadensschätzung gemäß § 287 Abs. 1 ZPO ein Jahreszins von 1 % zugrunde zu legen, nämlich der Zinssatz der Habenzinsen der Banken für Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist mit Mindest-/Grundverzinsung in den Jahren 1997 bis 2003. Hiernach errechnet sich ein Abzug in Höhe von 745,71 €.

(d) Für eine höhere Vorteilsausgleichung besteht keine Berechtigung. Zwar wäre ein höherer Abzug veranlasst, wenn die Klägerin in dem in Rede stehenden Zeitraum einen jederzeit rückzahlbaren Kredit in einer die Umsatzsteuerforderungen übersteigenden Höhe in Anspruch genommen hätten. Denn hätte die Klägerin mit einem solchen Kredit gearbeitet, hätte sie einen Vermögensvorteil nicht nur in Höhe des Anlagezinses, sondern in Höhe der ersparten Kreditaufwendungen erzielt. Dies indessen ist nicht ersichtlich; jedenfalls fehlt es an einem Beweisantritt des insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten.

Von vornherein außer Betracht zu bleiben haben bei dieser Betrachtung langfristige Kredite wie z.B. Immobilien- oder Investitionskredite, weil sie nicht sukzessive hätten zurückgeführt werden können und die Klägerin daher trotz der Verfügbarkeit die Umsatzsteuerbeträge keine Kreditzinsen gespart hätte. Ohne Belang ist daher, dass die Klägerin wegen der Finanzierung eines weiteren Flugzeugs für rund 1 Mio. DM hohe Bankschulden hatte und hierfür Zinsen von mehr als 5,98 % p.a. zahlte. Dass die Klägerin zusätzlich mit einem jederzeit rückzahlbaren Kredit arbeitete, hat der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte weder substantiiert vorgetragen noch unter Beweis gestellt. Zwar hat der Beklagte bestritten, dass die Klägerin für die Unterhaltung des laufenden Betriebes - wie sie in der mündlichen Verhandlung vom 22.02.2007 behauptete - keinen Finanzierungsbedarf gehabt, sondern stets über flüssige Mittel und kurzfristige Forderungen in ausreichender Höhe verfügt habe. Genaueren Vortrag und einen Beweisantritt ist der Beklagte hierzu jedoch schuldig geblieben. Insbesondere reicht hierfür auch nicht die Behauptung aus, wonach Gesellschafterkonten normalerweise verzinst würden, was die Klägerin für den konkreten Fall ausdrücklich bestritten hat.

d) Der nach alledem in Höhe von 3.728,29 € bestehende Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten ist auch nicht verjährt. Er entstand erst ein gutes Jahr vor Einreichung der Klageschrift am 03.11.2004 mit dem Zugang der Umsatzsteuerbescheide bei der Klägerin im Oktober 2003 und damit lange vor Ende der dreijährigen Verjährungsfrist gemäß § 68 StBerG.

Ansprüche wegen fehlerhafter steuerlicher Beratung verjähren nach der - vorliegend noch anwendbaren, erst mit Wirkung vom 15.12.2004 aufgehobenen - Vorschrift des § 68 StBerG in drei Jahren seit der Entstehung des Anspruchs. Hierfür muss der Anspruch erstmals geltend gemacht und notfalls eingeklagt werden können. Die Vermögenslage des Auftraggebers muss sich bereits objektiv verschlechtert haben. Eine bloße Vermögensgefährdung ist verjährungsrechtlich ohne Bedeutung (Gräfe/Lenzen/Schmeer, a.a.O., Rn. 870 ff. m.w.N.). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist daher der Schadensersatzanspruch wegen vermeidbarer Steuerbelastung frühestens mit dem Zugang des nachteiligen Steuerbescheides bei dem Steuerpflichtigen entstanden (BGHZ 119, 69, 73; Gräfe/Lenzen/Schmeer, a.a.O., Rn. 850, 870 ff., 876 m.w.N.). Dies war hier erst im Oktober 2003 der Fall, die Umsatzsteuerbescheide erst vom 01.10.2003 datieren. Durch Einreichung der Klageschrift am 03.11.2004 ist der Lauf der Verjährungsfrist nach § 209 Abs. 1 BGB a.F. daher unterbrochen worden.

Der festgestellte Verjährungsbeginn gilt nicht nur für Ansprüche, denen ein Steuerschaden zugrunde liegt, sondern auch für solche, die - wie der vorliegende - aus der Nichterzielung angeblich durch Preiserhöhungen erzielbarer Umsatzsteigerungen entstanden sind. Entscheidend ist, dass der Anspruch - wie ausgeführt - erstmals geltend gemacht und notfalls eingeklagt werden kann und sich die Vermögenslage bereits objektiv verschlechtert haben muss. Vor diesem Hintergrund ist es ohne Belang, ob der Steuerberater versehentlich eine vermeidbare Steuermehrforderung verursacht oder - wie hier - eine berechtigte Steuernachforderung hat entstehen lassen, die der Steuerpflichtigte bei rechtzeitiger Kenntnis an Dritte hätte weitergeben können. Denn in jedem Fall ist das Vermögen des Steuerpflichtigen erst mit dem Zugang des Steuerbescheides geschädigt und nicht nur gefährdet.

2. Der Zinsanspruch folgt im zugesprochenen Umfang aus den §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2, 421 Satz 1 BGB in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung i.V.m. §§ 261, 253 Abs. 1 ZPO. Hiernach hat die Klägerin einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von Rechtshängigkeitszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit, die am 16.11.2004 eingetreten ist. Ein darüber hinausgehender Zinsanspruch, namentlich der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen ab dem 15.02.2004, besteht nicht. Denn es fehlt insoweit an einer wirksamen Mahnung der Klägerin.

Der mit Schreiben der Klägerin vom 09.01.2004 geforderte Schadensersatz in Höhe von 32.215,15 € überstieg den der Klägerin in Wirklichkeit zustehenden Betrag von 3.728,29 € bei Weitem. Ob eine Zuvielforderung die Wirkungen einer den Verzug auslösenden Mahnung im Sinne des § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB auslöst, entscheidet sich unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach Treu und Glauben (ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. nur BGH NJW-RR 1987, 679, 682, NJW 1991, 1286, 1288, jeweils m.w.N.; Heinrichs in Palandt, BGB, 66. Auflage, 2007, § 286 Rn. 20 m.w.N.). Dabei kann das Ausmaß der Zuvielforderung eine wesentliche Rolle spielen (BGH ebd.), ebenso wie der Umstand, ob der Schuldner die wirklich geschuldete Leistung zuverlässig feststellen kann (Heinrichs, ebd.). Eine erhebliche Zuvielforderung entfaltet nur dann die Wirkungen einer den Verzug auslösenden Mahnung, wenn der Schuldner die Erklärung des Gläubigers nach den Umständen des Falls als Aufforderung zur Bewirkung der tatsächlich geschuldeten Leistung verstehen muss und der Gläubiger zur Annahme der gegenüber seinen Vorstellungen geringeren Leistung bereit ist. Dies zugrunde gelegt kann vorliegend nicht von einer wirksamen Mahnung ausgegangen werden. Denn die an die Beklagten gerichtete Forderung war weit überhöht - sie belief sich fast auf das Fünffache der geschuldeten Summe - und der Beklagte hatten keinen Anlass anzunehmen, dass sich die Klägerin mit der Zahlung der wirklich geschuldeten Leistung zufrieden geben würde.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§§ 542 Abs. 1, 543 Abs. 1, Abs. 2 ZPO). Gegenstand des vorliegenden Verfahrens waren überwiegend Tatsachenfragen. Rechtsfragen grundsätzlicher Natur, die über den konkreten Einzelfall hinaus von Interesse sein könnten, haben sich nicht gestellt und waren nicht zu entscheiden.

IV.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 01.03.2007 (Bl. 475 - 478 GA) hat vorgelegen, zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung aber keine Veranlassung gegeben.

Streitwert für das Berufungsverfahren:

Berufung: 29.655,00 €

Ende der Entscheidung

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