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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 13.09.2007
Aktenzeichen: 8 U 19/07
Rechtsgebiete: EStG, ZPO, AO 1977, StBerG, EGBGB
Vorschriften:
EStG § 23 Abs. 1 | |
EStG § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) | |
ZPO § 167 | |
ZPO § 253 Abs. 1 | |
ZPO § 261 Abs. 1 | |
ZPO § 262 Satz 2 | |
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1 | |
BGB § 204 Abs. 1 Nr. 1 | |
BGB § 242 | |
BGB § 280 | |
BGB § 288 Abs. 1 Satz 2 | |
BGB § 291 | |
AO 1977 § 164 | |
AO 1977 § 164 Abs. 1 | |
AO 1977 § 164 Abs. 2 | |
StBerG § 68 a. F. | |
EGBGB Art. 229 § 6 | |
EGBGB Art. 229 § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 | |
EGBGB Art. 229 § 12 Abs. 1 Satz 2 |
Tenor:
1. Die Berufung des Beklagten gegen das am 29.03.2007 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 2 O 636/05 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
Die Parteien streiten um einen Schadensersatzanspruch, dessen sich die Klägerin gegen den Beklagten wegen angeblich fehlerhafter steuerlicher Beratung berühmt.
Der Beklagte beriet die Klägerin bis Ende des Jahres 2004 laufend in steuerlichen Angelegenheiten. Die Klägerin hatte am 14.06.1999 ihre Einkommensteuererklärung für das Jahr 1998 eingereicht, woraufhin am 19.07.1999 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ein Steuerbescheid ergangen war. Im Jahr 2000 beauftragte die Klägerin den Beklagten mit der Erstattung einer Berichtigungsanzeige (Selbstanzeige) hinsichtlich Spekulationsgewinnen aus Wertpapiergeschäften, die sie in den Veranlagungszeiträumen 1995 bis 1998 erzielt hatte. Der Beklagte erstattete die Berichtigungsanzeige unter dem 11.05.2000, woraufhin durch Änderungsbescheid vom 05.07.2000 für die Klägerin und ihren gemeinschaftlich veranlagten Ehemann Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag für den Veranlagungszeitraum 1998 abweichend von dem Bescheid vom 19.07.1999, aber unter Aufrechterhaltung des Vorbehalts der Nachprüfung, insgesamt um 26.324,98 € höher festgesetzt wurden.
Auf den Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs vom 16.07.2002 - IX R 62/99 - (NJW 2003, 83) erklärte das Bundesverfassungsgericht durch Urteil vom 09.03.2004 - 2 BvL 17/02 - (NJW 2004, 1022) die Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) EStG in der für die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 geltenden Neufassung des Einkommensteuergesetzes vom 16.04.1997 (im Folgenden: a. F.), der auch die Grundlage für die Besteuerung der von der Klägerin im Jahr 1998 erzielten Spekulationsgewinne darstellte, für verfassungswidrig und nichtig, soweit er Veräußerungsgeschäfte bei Wertpapieren betraf.
Mit ihrer am 20.12.2005 bei Gericht eingegangenen und nach Zahlung des Kostenvorschusses am 30.12.2005 am 06.01.2006 zugestellten Klage begehrt die Klägerin die Erstattung der nacherhobenen Einkommensteuer nebst Solidaritätszuschlag in Höhe von 26.324,98 €.
Sie ist der Ansicht gewesen, der Beklagte hätte bereits aufgrund des Vorlagebeschlusses des Bundesfinanzhofs damit rechnen müssen, dass § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) EStG a. F. für verfassungswidrig erklärt wird. Er hätte daher vor dem 31.12.2003 - dem Ende der Festsetzungsverjährung - einen Änderungsantrag stellen oder Einspruch gegen den Bescheid vom 05.07.2000 einlegen müssen, um den Änderungsbescheid "offen" zu halten. In diesem Fall hätte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bei der Steuerfestsetzung für den Veranlagungszeitraum 1998 noch berücksichtigt werden können, so dass ihre Steuerschuld wie ursprünglich festgesetzt um insgesamt 26.324,97 € niedriger ausgefallen wäre.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 26.324,97 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte, der die Einrede der Verjährung erhoben hat, hat sich im Übrigen damit verteidigt, dass er auf die Verfassungsgemäßheit des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) EStG a. F. habe vertrauen dürfen. Außerdem habe er vor dem 09.03.2004 nicht erkennen können, dass die Norm auch für den Veranlagungszeitraum 1998 wegen eines Vollzugsdefizits für verfassungswidrig erklärt werden könnte. Denn der Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs habe nur den Veranlagungszeitraum 1997 betroffen.
Wegen der weiteren Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wird gemäß § 540 Abs.1 Nr. 1 ZPO auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (Bl. 53 bis 55 GA).
Das Landgericht hat der Klage durch Urteil vom 29.03.2007 in vollem Umfang stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin stehe gegen den Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 280 BGB bzw. positiver Vertragsverletzung wegen Schlechterfüllung des Steuerberatervertrages zu. Unter Zugrundelegung der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei der Steuerberater im Rahmen des ihm erteilten Auftrags verpflichtet, den Mandanten umfassend zu beraten und ungefragt über alle steuerlichen Einzelheiten und deren Folgen zu unterrichten. Er habe seinen Mandanten möglichst vor Schaden zu schützen und dabei den relativ sichersten Weg aufzuzeigen und die für den Erfolg notwendigen Schritte vorzuschlagen. Zwar könne er grundsätzlich auf die Verfassungsmäßigkeit der bestehenden Steuergesetze vertrauen. Lege aber der Bundesfinanzhof dem Bundesverfassungsgericht eine Norm im Wege der konkreten Normenkontrolle gemäß Art. 100 Abs. 1 GG vor, müsse der Steuerberater die Verfassungswidrigkeit der betreffenden Norm in Betracht ziehen.
Im vorliegenden Fall hätte der Beklagte daher die Klägerin mit der Veröffentlichung des Vorlagebeschlusses des Bundesfinanzhofs vom 16.07.2002 im Bundessteuerblatt darauf hinweisen müssen, dass die Verfassungsmäßigkeit des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) EStG a. F., auf dem die erhöhte Einkommensteuerfestsetzung durch den Änderungsbescheid vom 05.07.2000 beruhte, fragwürdig geworden sei, und ihr raten müssen, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um eine etwaige Nichtigkeitserklärung durch das Bundesverfassungsgericht für die Einkommensteuerfestsetzung für 1998 noch berücksichtigen zu können. Zwar sei die Einlegung eines Einspruchs gegen den Änderungsbescheid vom 05.07.2000 nicht mehr in Betracht gekommen. Hier habe jedoch die Besonderheit vorgelegen, dass der Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO 1977 gestanden habe, also gemäß § 164 Abs. 2 AO auf Antrag der Klägerin ohne Weiteres zu ändern gewesen wäre. Indem der Beklagte den Rat, einen Änderungsantrag im Hinblick auf die mögliche Verfassungswidrigkeit des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) EStG a. F. zu stellen, unterlassen habe, habe er seine Pflichten aus dem Steuerberaterberatervertrag schuldhaft verletzt.
Der Beklagte könne auch nicht damit gehört werden, dass er nicht habe erkennen können, dass von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch der Veranlagungszeitraum 1998 hätte betroffen sein können. Das Gegenteil sei der Fall gewesen. Denn die dem Bundsverfassungsgericht vorgelegte Norm des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) EStG a. F. habe sowohl für 1997 als auch für 1998 gegolten und sei erst zum 31.12.1998 außer Kraft getreten. Folglich habe der Beklagte damit rechnen müssen, dass das Bundesverfassungsgericht die Norm einheitlich verwerfe. Etwas anderes habe auch der Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofes nicht nahe gelegt. Soweit die Vorlagefrage den Veranlagungszeitraum 1997 benannt habe, habe dies lediglich dazu gedient, die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage kenntlich zu machen. Im Übrigen hätten auch keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass das vom Bundesfinanzhof für 1997 angenommene strukturelle Vollzugshindernis im Jahr 1998 nicht mehr bestanden haben könnte.
Durch diese Pflichtverletzung sei der Klägerin ein Schaden in Höhe von 26.324,97 € entstanden, weil bei pflichtgemäßem Verhalten des Beklagten die Einkommensteuer und der Solidaritätszuschlag für den Veranlagungszeitraum 1998 für die Klägerin und ihren Ehemann um diesen Betrag niedriger festgesetzt worden wäre. Dafür, dass die Klägerin auf den pflichtgemäßen Rat des Beklagten, einen Änderungsantrag zu stellen, einen solchen auch tatsächlich gestellt hätte, spreche die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens, die der Beklagte nicht widerlegt habe.
Der Schadensersatzanspruch sei auch nicht gemäß § 68 StBerG a. F. i.V.m. Art. 229 § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 und Satz 2, § 6 EGBGB verjährt. Die Verjährung gemäß § 68 StBerG beginne mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Anspruch entstanden sei, wobei die Anspruchsentstehung voraussetze, dass bereits ein Schaden des Mandanten bestehe. Hier sei der Schaden der Klägerin aber erst mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09.03.2004 entstanden. Aufgrund des Verwerfungsmonopols des Bundesverfassungsgerichts sei die Norm des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) EStG a. F. bis zum 09.03.2004 gültiges Recht und von der Verwaltung und den Gerichten zu beachten gewesen. Folglich sei der Einkommensteueränderungsbescheid vom 05.07.2000 bis zu diesem Zeitpunkt rechtmäßig ergangen und objektiv habe ein Steueranspruch in Höhe des Mehrbetrages von 26.324,97 € bestanden. Die objektive Vermeidbarkeit der Steuermehrbelastung von 26.324,97 € sei erst infolge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eingetreten, so dass die dreijährige Verjährungsfrist auch erst mit dem 09.03.2004 zu laufen begonnen habe und durch die Einreichung der vorliegenden Klage am 20.12.2005 gehemmt worden sei.
Der Beklagte hat gegen das Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel, mit dem er seinen Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiterverfolgt, ordnungsgemäß begründet.
Er ist der Ansicht, das Landgericht habe zu Unrecht die Verjährung des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs nach § 68 StBerG a. F. verneint. Denn es habe auf einen unzutreffenden Beginn der Verjährungsfrist abgestellt. Die Verjährung beginne grundsätzlich in dem Zeitpunkt, in dem der Schaden entstanden ist. Dies sei spätestens der Zeitpunkt der letztmöglichen Einflussnahmemöglichkeit des Steuerberaters. Dieser Zeitpunkt sei vorliegend das Ende der Einspruchsfrist bezüglich des Änderungsbescheids, also der 08.08.2000, gewesen. Auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09.03.2004 komme es nicht an, weil zu diesem Zeitpunkt keine Handlungsmöglichkeit mehr bestanden habe. Selbst wenn man auf die Änderungsmöglichkeit des Bescheids nach § 164 AO abstelle, habe die Verjährung mit Bekanntwerden des Vorlagebeschlusses des Bundesfinanzhofs vom 16.07.2002 begonnen, selbst unter Einschluss einer Karenzzeit also spätestens im August 2002. In jedem Fall sei die dreijährige Verjährungsfrist bei Einreichung der Klageschrift am 20.12.2005 abgelaufen gewesen.
Abgesehen davon meint der Beklagte, seine Pflichten als Steuerberater nicht verletzt zu haben. Das Landgericht überspanne die einem Steuerberater obliegenden Sorgfaltspflichten. Anerkannt sei, dass ein Steuerberater auf die Verfassungsmäßigkeit der Steuergesetze vertrauen dürfe, bis diese ausdrücklich vom Bundesverfassungsgericht verworfen worden seien. So lange dies nicht geschehen sei, könne ihm folglich nicht vorgeworfen werden, wenn das bis dahin geltende Recht nachteilige Auswirkungen auf die steuerlichen Belange seiner Mandanten habe. Sofern - wie vorliegend - im Zeitpunkt der verfassungsgerichtlichen Entscheidung (09.03.2004) Rechtsbehelfs- und Festsetzungsfristen der Abgabenordnung abgelaufen seien mit der Folge, dass eine Änderung des Bescheids ausgeschlossen sei, sei dies Konsequenz aus dem verfahrensrechtlichen Postulat der Rechtssicherheit.
Eine Pflichtwidrigkeit ergebe sich schließlich auch nicht im Zusammenhang mit dem Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs vom 16.07.2002. Zum einen überzeuge die Differenzierung des Landgerichts nicht, wonach die Vorlage des Bundesfinanzhofs an das Bundesverfassungsgericht qualitativ ein anderes Gewicht für die Bestimmung der Beratungspflichten haben soll als beispielsweise eine Verfassungsbeschwerde durch einen Steuerbürger, die, wie das Landgericht zu Recht anerkenne, keine zusätzlichen Beratungspflichten für den Steuerberater begründe. Der Differenzierungsgrund könne auch nicht in der Veröffentlichung des Vorlagebeschlusses im Bundessteuerblatt gesehen werden, denn dort würden auch alle anhängigen Verfassungsbeschwerden veröffentlicht. Zum anderen habe die Vorlage des Bundesfinanzhofs nicht das hier in Rede stehende Jahr 1998, sondern das Vorjahr 1997 betroffen. Es verbiete sich aber, auf Grund des Vollzugsdefizits in einem Jahr (1997) auf ein ebensolches in einem anderen Jahr (1998) zu schließen. Denn die Voraussetzungen eines Vollzugsdefizits seien für jedes Jahr gesondert zu prüfen. Anhaltspunkte für eine etwaige Verfassungswidrigkeit der Norm für das Folgejahr (1998) hätten sich weder aus dem Verfahren selbst noch aus dem Vorlagebeschluss ergeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufung wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 25.06.2007 und den Schriftsatz vom 07.08.2007 (Bl. 79 bis 87, 111 GA) Bezug genommen.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils der 2. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 29.03.2007 - 2 O 636/07 - die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Was die Verjährung angeht, so meint die Klägerin, auf den Ablauf der Einspruchsfrist könne vorliegend nicht abgestellt werden, weil die Festsetzungsverjährung gemäß § 164 AO gehemmt gewesen sei. Abzustellen sei ihres Erachtens auf den 31.12.2003, weil der Beklagte bis zu diesem Tag die Möglichkeit gehabt habe, die steuerliche Veranlagung der Klägerin abändern zu lassen oder den Vorbehalt der Nachprüfung aufrecht zu erhalten.
Das Urteil überspanne auch nicht die Sorgfaltspflichten des Beklagten als Steuerberater. Denn Steuerberater seien, wenn sich auf einem Rechtsgebiet ein dogmatischer Wandel andeute, aufgrund ihrer Pflicht zur Wahl des relativ sichersten Weges gehalten, eine mögliche Änderung der Rechtslage zu berücksichtigen; dies gelte insbesondere bei der Beachtung von Vorlagen des Bundesfinanzhofs zum Bundesverfassungsgericht. Das Jahr 1997 sei im Übrigen genauso Gegenstand der Mandatierung gewesen wie das Jahr 1998 (1995 bis 1998). Abgesehen davon habe der Beschluss durchaus Anlass geboten, sich über eventuelle den Veranlagungszeitraum übergreifende Konsequenzen des Beschlusses Gedanken zu machen. Denn der Bundesfinanzhof habe mehrfach auf ein strukturelles Vollzugproblem abstellt, das nicht auf das Jahr 1997 beschränkt sei. Dem Beklagten hätte im Übrigen auffallen können, dass keiner der zahlreichen Literaturbeiträge zwischen den Veranlagungszeiträumen 1997 bis 1999 unterschieden habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 26.07.2007 und den am 10.08.2007 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz der Klägerin (Bl. 105 bis 110, 112 bis 116 GA) Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat den geltend gemachten Schadensersatzanspruch nebst Zinsanspruch zu Recht in vollem Umfang zugesprochen. Das Vorbringen des Beklagten im Berufungsverfahren führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn die Entscheidung des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die im Berufungsverfahren zugrunde zu legenden Tatsachen (§§ 529, 531 ZPO) eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).
1. Auf das Rechtsverhältnis der Parteien sind die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung anzuwenden, weil es vor dem 01.01.2002 entstanden ist (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB) und die zum Schadensersatz verpflichtende Pflichtverletzung vor dem 01.01.2003 begangen wurde (Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB).
2. Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Schadensersatzanspruch nach den seinerzeit noch nicht kodifizierten Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung zu.
a) Zu Recht hat das Landgericht auf die Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgestellt, der sich auch der Senat in ständiger Rechtsprechung angeschlossen hat (zuletzt Urteil vom 12.07.2007 - 8 U 6/07 = DB 2007, 1749) und nach denen davon auszugehen ist, dass der Steuerberater im Rahmen seines Auftrages verpflichtet ist, seinen Mandanten umfassend zu beraten und ungefragt über alle steuerlichen Einzelheiten und deren Folgen zu unterrichten. Er hat seinen Mandanten möglichst vor Schaden zu schützen. Hierzu hat er den relativ sichersten Weg zu dem angestrebten steuerlichen Ziel aufzuzeigen und die für den Erfolg notwendigen Schritte vorzuschlagen (BGH, NJW 2004, 3487; BGHZ 128, 358, 361 = NJW 1995, 958; BGH, NJW-RR 2003, 1064, 1065; Senat, OLGR 2003, 69; Urteil vom 26.06.2007 - 8 U 49/06). Der Steuerberater hat den Mandanten in die Lage zu versetzen, eigenverantwortlich seine Rechte und Interessen zu wahren und eine Fehlentscheidung vermeiden zu können (BGH, NJW-RR 2003, 1064, 1065). Er muss ihn daher grundsätzlich auch ungefragt nach jeder Richtung über alle steuerrechtlichen Einzelfragen und deren Folgen erschöpfend belehren und ihn über das Ergebnis seiner Sach- und Rechtsprüfung aufklären. Dabei hat der Steuerberater für die Kenntnis des Steuerrechts einzustehen. Die mandatsbezogen erheblichen Gesetzes- und Rechtskenntnisse muss er besitzen oder sich ungesäumt verschaffen. Neue oder geänderte Rechtsnormen hat er in diesem Rahmen zu ermitteln (BGH, NJW 2004, 3487 m.w.N.; KG Berlin, DStR 2007, 453-455). Insbesondere kann von einem Steuerberater erwartet werden, dass er die im Einzelfall einschlägigen Steuergesetze, Verordnungen und Erlasse, die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs in gleich gelagerten Fällen und die ständige Verwaltungspraxis der Finanzämter kennt (Senat, Urteil v. 26.04.2007 - 8 U 49/06; Gräfe/Lenzen/ Schmeer, Steuerberaterhaftung, 4. Aufl., 2006, Rn. 234 ff.). Um dem Auftraggeber eine eigenverantwortliche Entscheidung zu ermöglichen, muss der Steuerberater ihn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schließlich sogar dann über eine Anfechtung des Steuerbescheids belehren, wenn er die Anfechtung selbst für aussichtslos hält (BGH, NJW 1999, 2435, 2436).
Dies kann allerdings nicht unbeschränkt gelten. Der Steuerberater kann nur dann verpflichtet sein, die Anfechtung eines Bescheides zumindest theoretisch in Betracht zu ziehen, wenn der Sachverhalt hierzu Veranlassung gibt. Denn dem Mandanten wäre mit einer formularmäßigen Wiederholung der behördlichen Rechtsbehelfsbelehrung durch seinen Steuerberater in keiner Weise gedient. Der grundlose Hinweis auf die Möglichkeit, Einspruch einzulegen, würde ihm nicht nur nichts nutzen, sondern ihn möglicherweise verunsichern oder ihm gar schaden, wenn nämlich sein wohlverstandenes Interesse dahin gehen muss, den Bescheid schlicht bestandskräftig werden zu lassen, z.B. sich das Finanzamt nach längeren Verhandlungen endlich der eigenen Rechtsansicht angeschlossen hat. Da der Steuerberater gemäß § 242 BGB verpflichtet ist, seine Leistung (nur) so zu erbringen, wie Treu und Glauben es unter Berücksichtigung der Verkehrssitte erfordern, kann er sinnvollerweise nur dann für aufklärungspflichtig erachtet werden, wenn er Anlass haben muss, die Anfechtung des Bescheides zumindest theoretisch in Erwägung zu ziehen. Dies wiederum ist zu bejahen, wenn Grund zu der Annahme besteht, der Bescheid könnte gesetz- oder rechtswidrig sein und den Mandanten in seinen Rechten verletzen. Gesetz- oder rechtswidrig ist ein Bescheid unproblematisch dann, wenn er gegen geltendes Recht, eine ständige höchstrichterliche Rechtsprechung oder ständige Verwaltungspraxis der Finanzämter verstößt. Dass ein Steuerberater in diesen Fällen - vorausgesetzt der Mandat erleidet einen Nachteil - Einspruch eingelegt, versteht sich von selbst. Problematisch indes sind die Fälle, in denen der Steuerberater auf den Fortbestand der Gesetzeslage oder die Fortsetzung einer bestimmten höchstrichterlichen Rechtsprechung vertraut, obwohl eine Gesetzesänderung, eine Änderung in der Rechtsprechung oder - wie möglicherweise hier - die Feststellung der Nichtigkeit eines Gesetzes bevorsteht (Senat, Urteil vom 12.07.2007 - 8 U 6/07 = DB 2007, 1749 f.).
Wegen der richtungsweisenden Bedeutung, die höchstrichterlichen Entscheidungen für die Rechtswirklichkeit zukommt, hat sich ein Rechtsanwalt - und nichts anderes kann für einen Steuerberater gelten - bei der Wahrnehmung eines Mandats grundsätzlich an dieser Rechtsprechung auszurichten (BGH, NJW 2001, 675, 678; BGH, NJW 1993, 3323, 3324 m.w.N.; KG Berlin, DStR 2007, 453-455). Er darf in der Regel auf ihren Fortbestand vertrauen. Das gilt insbesondere in den Fällen einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung, weil von einer solchen nur in besonderen Ausnahmefällen abgegangen zu werden pflegt. Entgegenstehende Judikatur von Instanzgerichten und abweichende Stimmen im Schrifttum verpflichten den Rechtsanwalt regelmäßig nicht, bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben die abweichende Meinung zu berücksichtigen. Gleichwohl darf sich der Anwalt nicht blind auf die Fortdauer einer höchstrichterlichen Rechtsprechung verlassen, sondern hat die Auswirkungen neuer Gesetze, Hinweise eines obersten Gerichts auf die Möglichkeit einer Rechtsprechungsänderung und neue Entwicklungen in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft zu berücksichtigen (BGH, NJW 1993, 3323, 3324 f., KG Berlin, DStR 2007, 453-455). Eine Pflicht des Rechtsanwalts, die Instanzrechtsprechung und das Schrifttum, insbesondere die Aufsatzliteratur heranzuziehen, besteht grundsätzlich nur in beschränktem Maße; strengere Anforderungen sind jedoch zu stellen, wenn ein Rechtsgebiet ersichtlich in der Entwicklung begriffen und (weitere) höchstrichterliche Rechtsprechung zu erwarten ist. Ihm muss aber auch dabei insgesamt ein "realistischer Toleranzrahmen" zugebilligt werden (BGH, NJW 2001, 675, 678; KG, DStR 2007, 453-455). Im Ergebnis kann dies dazu führen, dass der Anwalt wegen seiner Pflicht zur Wahl des relativ sichersten Weges gehalten ist, eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Rechnung zu stellen. Allgemeine Regeln lassen sich insoweit kaum finden. Entscheidend sind stets die besonderen Umstände des Einzelfalls. Grundsätzlich wird darauf abzustellen sein, mit welchem Grad an Deutlichkeit (Evidenz) eine neue Rechtsentwicklung in eine bestimmte Richtung weist und eine neue Antwort auf eine bisher anders entschiedene Frage nahe legt (BGH, NJW 1993, 3323, 3325; KG Berlin, DStR 2007, 453-455). Regelmäßig wird es sich um besonders zu begründende, eng umgrenzte Ausnahmefälle handeln, in denen es als schuldhafte Pflichtverletzung des Anwalts zu werten ist, dass er seiner Beratung die Möglichkeit einer Änderung der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zugrunde gelegt hat (BGH, NJW 1993, 3323, 3325). Bei hinreichend deutlichen Anzeichen im Beratungszeitpunkt ist der Steuerberater verpflichtet auf eine bereits absehbare bestimmte Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung hinzuweisen (BGH, NJW-RR 2006, 273; KG, DStR 2007, 453-455; Senat, Urteil vom 12.07.2007 - 8 U 6/07 = DB 2007, 1749 f.).
Wird schließlich in der Tages- oder Fachpresse über Vorschläge zur Änderung des Steuerrechts berichtet, die im Falle ihrer Verwirklichung von dem Mandanten des Beraters erstrebte Ziele unter Umständen vereiteln oder beeinträchtigen, kann der Steuerberater gehalten sein, sich aus allgemein zugänglichen Quellen über den näheren Inhalt und den Verfahrensstand solcher Überlegungen zu unterrichten, um danach prüfen zu können, ob es geboten ist, dem Mandanten Maßnahmen zur Abwehr drohender Nachteile anzuraten (BGH, NJW 2004, 3487; KG, DStR 2007, 453-455; Senat, Urteil vom 12.07.2007 - 8 U 6/07 = DB 2007, 1749, 1750).
b) Vor diesem Hintergrund war der Beklagte - wie das Landgericht zutreffend angenommen hat - nach der Veröffentlichung des Vorlagebeschlusses des Bundesfinanzhofs an das Bundesverfassungsgericht verpflichtet, die Klägerin darüber zu informieren, dass die Verfassungsmäßigkeit des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) EStG a. F., auf dem die erhöhte Einkommensteuerfestsetzung gemäß dem Änderungsbescheid vom 05.07.2000 beruhte, zweifelhaft geworden sei, und ihr zu raten, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen bzw. durch ihn ergreifen zu lassen, um sich die Chance zu erhalten, im Fall einer eventuellen Nichtigkeitserklärung durch das Bundesverfassungsgericht die Einkommensteuerfestsetzung für 1998 zu revidieren.
Dabei kann dahin gestellt bleiben, ob der Beklagte hierzu schon aufgrund des bis Ende des Jahres 2004 laufenden allgemeinen Beratungsmandats in steuerlichen Angelegenheiten oder allein wegen des im Jahr 2000 erteilten Auftrags zur Erstattung einer Berichtigungsanzeige (Selbstanzeige) verpflichtet war. Dass ihn diese Pflicht jedenfalls in Folge der Kombination beider Aufträge traf, steht außer Frage.
Des weiteren kann offen bleiben, wann genau der Beklagte die Klägerin über den Beschluss vom 16.07.2002 hätte aufklären müssen. Jedenfalls hätte dies zwischen dem 18.07.2002, dem Tag, an dem der Bundesfinanzhof eine Pressemitteilung bezüglich des Vorlagebeschlusses veröffentlichte, und dem 31.12.2003 geschehen müssen, dem Tag, bis zu dem die Klägerin als Steuerpflichtige die Aufhebung der Steuerfestsetzung vom 05.07.2000 hätte beantragen können (§ 164 Abs. 2 Sätze 1 und 2, Abs. 4 AO), nachdem sie erstmals im Jahre 1999 ihre Steuererklärung für das Veranlagungsjahr 1998 eingereicht hatte und hierdurch für den Fall, dass - wie geschehen - die Steuerfestsetzung nur vorläufig erfolgte, eine vierjährige Festsetzungsfrist in Gang gesetzt wurde (§§ 169 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 170 Abs. 1, und 2 Satz 1 Nr. 1 AO). Der Beklagte hatte also ein Jahr und viereinhalb Monate Zeit, die Beratung durchzuführen. In diesem langen Zeitraum durfte ihm die Kenntnis des Beschlusses des Bundesfinanzhofs vom 16.07.2002 nicht verborgen bleiben.
Denn dieser Beschluss wurde in den folgenden Wochen und Monaten in praktisch allen einschlägigen Fachzeitschriften abgedruckt wurde (Nachweise auf Seite 3 der Klageschrift, Bl. 3 GA) und es wurde über ihn, wie gerichtsbekannt ist, auch in der Tagespresse in aller Breite berichtet. Jedenfalls aufgrund seiner Bekanntmachungen im Bundessteuerblatt (BStBl II 2003, 74) und in der Zeitschrift "Deutsches Steuerrecht" (DStRE 2002, 1431) hätte der Beklagte als Steuerberater den Vorlagebeschluss kennen müssen. Denn von einem Steuerberater kann in der Regel die Kenntnisnahme von Entscheidungen erwartet werden, die im Bundessteuerblatt und in der von der Bundessteuerberaterkammer herausgegebenen Zeitschrift "Deutsches Steuerrecht" veröffentlicht sind. Wenngleich sich diese Pflicht in erster Linie auf Urteile des Bundesfinanzhofs bezieht (Gräfe/Lenzen/Schmeer, a.a.O., Rn. 237, 241; LG Hamburg, GI 1993, 15 m.w.N.), kann es doch keinem Zweifel unterliegen, dass von einem Steuerberater auch die Kenntnisnahme eines Beschlusses verlangt werden muss, der in diesen Publikationen veröffentlicht ist, erst recht wenn dieser - wie hier - von einem höchsten Bundesgericht stammt. Abgesehen davon will der Beklagte aber wohl auch gar nicht in Abrede stellen, zwischen dem 18.07.2002 und 31.12.2003 von dem Beschluss erfahren zu haben.
Entgegen der Ansicht des Beklagten überspannt die Sichtweise des Landgerichts, die den Steuerberater unter diesen Umständen zur Beratung verpflichtet sieht, nicht die einem Steuerberater obliegenden Sorgfaltspflichten. Zwar ist anerkannt, dass ein Steuerberater auf die Verfassungsmäßigkeit der Steuergesetze vertrauen darf, bis diese ausdrücklich vom Bundesverfassungsgericht verworfen worden sind. Dies schließt es aber nicht aus, ihm vorzuwerfen, den rechten Zeitpunkt verpasst zu haben, um eine notwendige Sicherungsmaßnahme für den sich abzeichnenden Fall einer Nichtigkeitserklärung zu treffen. Rechtsbehelfs- und Festsetzungsfristen der Abgabenordnung "sehenden Auges" verstreichen zu lassen, obwohl es ernst zu nehmende Indizien dafür gibt, dass eine Norm für verfassungswidrig und damit für nichtig erklärt werden könnte, auf der die Steuerfestsetzung beruht, ist nicht - wie der Beklagte meint - "Konsequenz aus dem verfahrensrechtlichen Postulat der Rechtssicherheit", sondern eine vermeidbare Nachlässigkeit.
Ein ernst zu nehmendes Indiz in diesem Sinne war hier der Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs vom 16.07.2002 (NJW 2003, 83), durch den eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage eingeholt wurde, ob § 23 Abs. 1, Satz 1 Nr. 1 Buchstabe b EStG mit dem Grundgesetz insoweit unvereinbar sei, als die Durchsetzung des Steueranspruchs wegen struktureller Vollzugshindernisse weitgehend vereitelt werde. Denn dieser Beschluss brachte zum Ausdruck, dass immerhin schon ein anderes höchstes Bundesgericht die entscheidende Norm für verfassungswidrig hielt (Senat, 12.07.2007 - 8 U 6/07 = DB 2007, 1749).
Auch wenn die Vorlage des Bundesfinanzhofs für das Bundesverfassungsgericht rechtlich in keiner Weise bindend war, kam ihr - entgegen der Auffassung des Beklagten - eine erheblich höhere Bedeutung für die Bestimmung des Umfangs der Beratungspflichten zu, als es beispielsweise bei einer Verfassungsbeschwerde durch einen beliebigen Steuerbürger der Fall gewesen wäre. Eine solche begründet in der Regel keine zusätzlichen Beratungspflichten für den Steuerberater, denn sie stellt letztlich nicht mehr dar als eine Einzelmeinung, die noch dazu von einer Partei stammt, die dem Verfahren naturgemäß befangen gegenüber steht. Eine Verfassungsbeschwerde bietet daher im Regelfall ebenso wenig Anlass für eine Beratung oder Aufklärung des Mandaten wie ein wissenschaftlicher Aufsatz, ein Interview mit dem Kläger eines finanzgerichtlichen Verfahrens oder die Kenntnis von einer Revisionsschrift. Dass das Bundesverfassungsgericht der Verfassungsbeschwerde stattgeben und die in Rede stehende Norm als verfassungswidrig verwerfen könnte, kann für den Regelfall nicht nur nicht bejaht werden, sondern ist erfahrungsgemäß überaus selten. Anders ist dies jedoch bei einem Vorlagebeschluss eines höchsten Bundesgerichts. Denn einem solchen Beschluss ist in Gestalt eines förmlichen Gerichtsverfahrens ein fundierter Meinungsbildungsprozess von Fachleuten auf dem betreffenden Rechtsgebiet vorausgegangen, wobei die Besonderheit hinzutritt, dass diese Fachleute - nämlich die Mitglieder des vorlegenden Senats - selbst nur an Gesetz und Recht gebunden und zur Neutralität verpflichtet sind. Vorliegend kommt hinzu, dass die Mitglieder des IX. Senats des Bundesfinanzhofs vor ihrer Entscheidung das Bundesministerium für Finanzen zum Beitritt und Bericht aufgefordert und einen Bericht des Bundesrechnungshofs eingeholt hatten. Ihre Entscheidung war daher nicht nur von ihrer ohnehin bestehenden Sachkunde getragen, sondern fußte auch auf tatsächlichen Ermittlungen. Dass einem solchen Beschluss eine ungleich größere Überzeugungskraft für das gefundene Ergebnis zukommt, als es bei einer Verfassungsbeschwerde der Fall gewesen wäre, bedarf daher keiner weiteren Begründung.
Schließlich ist auch der Einwand des Beklagten, die Vorlageentscheidung des Bundesfinanzhofs habe nicht (ausdrücklich) das hier in Rede stehende Jahr 1998, sondern das Vorjahr 1997 betroffen, unerheblich. Denn es ging - anders als der Beklagte meint - vorliegend nicht darum, "auf Grund des Vollzugsdefizits in einem Jahr (1997) auf ein ebensolches in einem anderen Jahr (1998) zu schließen." Es steht außer Frage, dass die Voraussetzungen eines Vollzugsdefizits für jedes Jahr gesondert zu prüfen waren. Jedoch folgten die in Rede stehenden Jahre 1997 und 1998 unmittelbar auf einander. Wenn der Bundesfinanzhof daher mit guten Gründen für das Jahr 1997 ein Vollzugsdefizit bejahte, musste der Beklagte als Steuerberater prüfen und erkennen, dass dieselben guten Gründe möglicherweise auch noch für das Folgejahr 1998 galten. Sofern er einen Gleichlauf in beiden Jahren nicht ausschließen konnte - und das war hier der Fall -, musste er daher die Klägerin als seine Mandantin vorsorglich auf die Möglichkeit hinweisen, dass die entscheidende Norm für nichtig erklärt und mit einem einfachen Mittel (§ 164 Abs. 2 AO) dafür gesorgt werden könnte, ihr für diesen Fall die Chance auf eine Steuerrückerstattung erheblichen Ausmaßes zu eröffnen. Diese Pflicht entsprang der gebotenen - naheliegenden - Schutzpflicht des Steuerberaters und nicht etwa übertriebener Sorge.
Denn die Gründe, die der Bundesfinanzhof für die Verfassungswidrigkeit der genannten Norm anführte, waren ersichtlich allgemein halten und beschränkten sich nicht etwa auf Besonderheiten des Jahres 1997. Dies wird deutlich, wenn der Bundesfinanzhof etwa darauf abstellt, dass den Finanzbehörden für das Erfassen von Spekulationsgeschäften i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG a.F. kein hinreichendes gesetzliches Instrumentarium zur Verfügung stehe, mit dessen Hilfe die Einkommensteuer auf Grund solcher Einkünfte entsprechend dem Gleichheitssatz zutreffend festgesetzt und erhoben werden könne und zur Erfüllung der verfassungsrechtlichen Anforderungen nach Ansicht des vorlegenden Senats eine umfassende, voraussetzungslose Prüfungsbefugnis zur Überwachung dieser Einkünfte erforderlich sei (BFH, NJW 2002, 83, 85). Diese Ausführungen geben nicht den geringsten Anlass anzunehmen, dass sich die Lage im Jahr 1998 anders dargestellt haben könnte als (noch) im Jahr 1997. Gleiches gilt für die Feststellung, dass der vorlegende Senat aufgrund der dargestellten Erhebungssituation (Bundesrechnungshof) zu der Überzeugung gelangt sei, dass ein gleichmäßiger Belastungserfolg bei den Einkünften aus Spekulationsgeschäften i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG a.F. "prinzipiell" verfehlt werde. Dass sich zwischen 1997 und 1998 "prinzipiell" etwas geändert haben könnte, ist nicht ersichtlich, so dass es keinem Zweifel unterliegen kann, dass der Bundesfinanzhof in seinen Betrachtungen über das Jahr 1997 hinausging und auf ein strukturelles Vollzugproblem abstellte.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Bundesfinanzhof ausdrücklich auf eine Untersuchung des Bundesrechnungshofs für das Bundesministerium für Finanzen abgehoben hatte, für die bei vier Finanzämtern in vier Ländern die Grundsatzakten von rund 400 Steuerfällen eingesehen und mit veranlagten Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften untersucht worden waren, die überwiegend Veranlagungen der Jahre 1997 und 1998 betrafen. Der Bundesfinanzhof sah also - was auch der Beklagte hätte erkennen müssen - keinen Grund dafür, zwischen 1997 und 1998 zu unterscheiden. Der Beklagte hätte nach alledem dringenden Anlass gehabt, sich über Konsequenzen des Vorlagebeschlusses des Bundesfinanzhofs auch solche Gedanken zu machen, die über den Veranlagungszeitraum 1997 hinausgingen.
c) Die Klägerin hat infolge der Pflichtverletzung des Beklagten den geltend gemachten Schaden in Höhe eines Betrages von 26.324,98 € erlitten, der ihr an zu Unrecht gezahlten Steuern nicht zurückerstattet worden ist.
d) Zutreffend hat das Landgericht schließlich erkannt, dass der Schadensersatzanspruch der Klägerin nicht verjährt ist.
Gemäß § 68 StBerG in der bis zum 15.12.2004 geltenden Fassung, der vorliegend noch zur Anwendung gelangt, verjährte der vertragliche Schadensersatzanspruch gegen einen Steuerberater in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden war. Die Regelung knüpfte den Verjährungsbeginn also allein an den objektiven Umstand der Schadensentstehung (Gräfe/Lenzen/Schmeer, a.a.O., Rn. 850, S. 617). Entstanden ist der Anspruch, sobald er im Wege der Klage, und sei es der Feststellungsklage, geltend gemacht werden kann (Heinrichs in Palandt, BGB, 66. Auflage, 2007, § 199 Rn. 3). Wenngleich also weder Umfang noch Höhe des Schadens festzustehen brauchen, muss sich die Vermögenslage des Auftraggebers, um von einem entstandenen Schaden sprechen zu können, infolge der Pflichtverletzung des Steuerberaters bereits objektiv verschlechtert haben (Gräfe/Lenzen/Schmeer, a.a.O., Rn. 872, S. 632).
Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht zu Recht auf den sehr späten Zeitpunkt der Nichtigerklärung des § 23 Abs. 1, Satz 1 Nr. 1 Buchstabe b EStG (1997) durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abgestellt. Denn so lange diese Norm nicht verfassungswidrig und damit nichtig war, bildete sie die rechtmäßige Grundlage für den Änderungsbescheid vom 05.07.2000, der die Klägerin gerade eben zur Zahlung der Streitsumme verpflichtete. Erst mit der Nichtigkeitserklärung vom 09.03.2004 entstand der Klägerin ein Schaden in der geltend gemachten Höhe, weil (erst) hiermit die Rechtsgrundlage des Änderungsbescheides entfiel.
Dem Beklagten kann daher nicht gefolgt werden, wenn er meint, abzustellen sei (schon) auf den Zeitpunkt der letztmöglichen Einflussnahmemöglichkeit des Steuerberaters. Schuldete der Mandant zu diesem Zeitpunkt dem Fiskus objektiv Steuern, war ihm unzweifelhaft noch kein Schaden entstanden. Denn die Begleichung objektiv bestehender Steuerschulden bedeutet nie einen Schaden (normativer Schadensbegriff). Daher ist - entgegen der Ansicht des Beklagten - vorliegend weder auf das Ende der Einspruchsfrist bezüglich des Änderungsbescheids, also den 08.08.2000, noch auf das Bekanntwerden des Vorlagebeschlusses des Bundesfinanzhofs vom 16.07.2002 spätestens im August 2002 abzustellen.
Selbst wenn man aber - wie die Klägerin selbst - früher als bei der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09.03.2004 ansetzen wollte, nämlich bei dem Ende der Festsetzungsverjährung am 31.12.2003, weil die Klägerin nach diesem Zeitpunkt keinen Festsetzungsantrag mehr hätte stellen können, so wäre die Verjährungsfrist gewahrt. Denn in diesem Fall wäre die am 31.12.2005 endende Verjährungsfrist durch die Klageeinreichung am 20.12.2005 (Zahlungseingang des Kostenvorschusses 30.12.2005, Zustellung 06.01.2006) gehemmt worden, §§ 262 Satz 2, 167 ZPO, 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB.
3. Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus den §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB, 261 Abs. 1, 253 Abs. 1 ZPO.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 709 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§§ 542 Abs. 1, 543 Abs. 1, Abs. 2 ZPO). Gegenstand des vorliegenden Verfahrens waren überwiegend Tatsachenfragen. Rechtsfragen grundsätzlicher Natur, die über den konkreten Einzelfall hinaus von Interesse sein könnten, haben sich nicht gestellt und waren nicht zu entscheiden.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 26.324,97 €
Ende der Entscheidung
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