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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 07.09.2006
Aktenzeichen: 8 U 29/06
Rechtsgebiete: BGB, StGB


Vorschriften:

BGB § 259
BGB § 611
StGB § 57
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 31.03.2006 verkündete Teilurteil der 30. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 30 O 334/04 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,- € abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Kläger, die mit dem Beklagten zur gemeinsamen Berufsausübung in einer Steuerberater- und Wirtschaftsprüferkanzlei verbunden waren, nehmen diesen im Wege der Stufenklage auf Auskunft und Zahlung wegen angeblicher Verstöße gegen ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot in Anspruch.

Mit Vereinbarung vom 17.10.2002 einigten die Parteien sich auf ein Ausscheiden des Beklagten aus der bis dahin bestehenden Sozietät zum 02.01.2003. Dazu wurde der 20-%ige Gesellschaftsanteil des Beklagten zu einem Festkaufpreis von 470.388,53 € an die verbleibenden Gesellschafter veräußert, die zu diesem Zweck eine neue Gesellschaft bürgerlichen Rechts gründeten. Zudem sollten gemäß Ziff. 4 der Ausscheidevereinbarung Kapitalkonten geführt werden, um festzustellen, ob in der Vergangenheit Gewinne nicht vollständig entnommen oder überentnommen wurden. Über die Auslegung der diesbezüglichen Vereinbarungen herrscht Streit, der Gegenstand der Widerklage ist. Wegen aller Einzelheiten der vertraglichen Bestimmungen wird auf den Sozietätsvertrag vom 11.12.1998 sowie die oben erwähnte Vereinbarung vom 17.10.2002 Bezug genommen. Der Beklagte ist seit seinem Ausscheiden bei den Klägern in den Räumen der Steuerberatungskanzlei N./U./C. in L. tätig.

Die Kläger haben verschiedene Verstöße des Beklagten gegen das vereinbarte Wettbewerbsverbot behauptet: Mehrere frühere Mandanten, nämlich die Firmen L. & Q. GmbH, L. & Q. GbR und die B. GmbH sowie die Eheleute L. & Q., haben mitgeteilt, dass sie sich künftig von dem Steuerberater C. vertreten lassen wollten. Für die Fa. S. Immobilien GmbH habe die Steuerberatungskanzlei N./U./C. erklärt, dass sie künftig deren Lohn- und Finanzbuchhaltung führen werde. Außerdem habe die Mandantin Ochs telefonisch mitgeteilt, der Beklagte habe ihr die Weiterbearbeitung des Mandates angeboten. Schließlich habe die Finanzverwaltung ihnen - den Klägern - versehentlich Steuerunterlagen des früheren Mandanten H. zugesandt. Eine Nachfrage beim Finanzamt habe ergeben, dass dieser nunmehr von der Fa. X. Treuhand GmbH betreut werde, dessen alleiniger Gesellschafter der Beklagte sei. Die Kläger haben die Auffassung vertreten, die Mandatswechsel seien nicht zufällig in zeitlichem Zusammenhang mit dem Ausscheiden des Beklagten erfolgt. Es sei vielmehr anzunehmen, dass der Beklagte diese weiter betreue und somit gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen habe.

Der Beklagte hat behauptet, lediglich Büroräume von der Steuerberaterkanzlei N./U./C. angemietet zu haben, ohne für diese als Steuerberater tätig zu sein.

Nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen C. und N. hat das Landgericht in dem angefochtenen Teilurteil der Auskunftsklage stattgegeben. Hinsichtlich der Widerklage ist der Rechtsstreit noch beim Landgericht anhängig. Zur Klage hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, dass sich nach Durchführung der Beweisaufnahme der begründete Verdacht einer Vertragsverletzung in jedenfalls 2 Fällen ergeben habe.

Der Beklagte hat gegen das Teilurteil frist- und formgerecht Berufung eingelegt und das Rechtsmittel ordnungsgemäß begründet. Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und beanstandet die angefochtene Entscheidung in rechtlicher Hinsicht. Er beruft sich auf berufsrechtliche sowie strafrechtliche Verschwiegenheitspflichten des Steuerberaters und meint, er verstieße bereits dann gegen die entsprechenden Vorschriften, wenn er das Bestehen oder Nichtbestehen eines Mandatsverhältnisses offenbare. Eine direkte oder mutmaßliche Einwilligung der Mandanten liege nicht vor. Auch eine gesetzliche Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht sei nicht gegeben.

Der Beklagte beantragt,

das Teilurteil des Landgerichts Köln vom 31.03.2006 - 30 O 334/04 - aufzuheben und die Klage hinsichtlich des Auskunftsanspruches abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil und wiederholen im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Sachvortrag. Sie halten das Bestehen eines Mandatsverhältnisses nicht für geheimhaltungsbedürftig, zumal sämtliche Mandanten zuvor von ihnen - den Klägern - betreut worden seien und insofern die wirtschaftlichen Verhältnisse der Mandanten den Klägern ohnehin bekannt seien. Im Übrigen sei es bei der Verfolgung von Ansprüchen aus nachvertraglichen Wettbewerbsverboten anerkannt, dass die Verschwiegenheitspflicht den Steuerberater nicht hindere, Auskunft über die Mandanten zu erteilen, mit welchen nachträglich Beratungsverträge abgeschlossen worden seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Kläger wird Bezug genommen auf die Berufungserwiderung vom 20.07.2006 (Bl. 200 ff. GA).

II.

Die formell bedenkenfreie Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Zutreffend hat das Landgericht der Klage auf der ersten Stufe stattgegeben und einen Auskunftsanspruch gegen den Beklagten in der hier gegebenen Konstellation bejaht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist ein Auskunftsanspruch aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben gegeben, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, und wenn der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderliche Auskunft zu erteilen (vgl. BGH NJW 2002, 3771; Palandt/Heinrichs §§ 259ff. Rdnr. 8 m. w. N.). Soll die begehrte Auskunft einen vertraglichen Schadensersatzanspruch belegen, muss dieser nach allgemeiner Meinung nicht bereits dem Grund nach feststehen; vielmehr reicht schon der begründete Verdacht einer Vertragspflichtverletzung aus, was insbesondere auch bei der Verletzung von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten in Betracht kommen kann (Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., §§ 259 ff., Rn. 16; BAG AP Nr. 35 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel).

Die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts zu den Voraussetzungen des Anspruchs greift die Berufung nicht an: Danach ist davon auszugehen, dass der Beklagte in mehreren Fällen Mandanten betreut hat, die nach dem Ausscheiden des Beklagten aus der Sozietät der Kläger zur Steuerberatungskanzlei N./S./C. gewechselt sind, mit denen der Beklagte eine Bürogemeinschaft unterhält. Es geht insoweit um die Kunden L. & Q. sowie S. Immobilien. Darüberhinaus betreut die Fa. X. Treuhand GmbH, deren alleiniger Gesellschafter der Beklagte ist, den früheren Mandanten der Kläger H. in steuerlicher Hinsicht. Diese Umstände sowie die zeitliche Übereinstimmung der Mandantenwechsel mit dem Ausscheiden des Beklagten aus der Steuerberatersozietät der Kläger hat das Landgericht mit Recht ausreichen lassen, um vom begründeten Verdacht einer Vertragsverletzung auszugehen.

Zu Unrecht beruft der Beklagte sich demgegenüber auf seine berufsbezogenen Verschwiegenheitspflichten.

Zwar hat der Steuerberater seinen Beruf gem. § 57 Abs. 1 StBG unter anderem verschwiegen auszuüben. Die berufliche Schweigepflicht erstreckt sich dabei auf alles, was ihm in Ausübung oder bei Gelegenheit seiner Berufstätigkeit anvertraut oder sonst bekannt geworden ist. Grundsätzlich fällt darunter auch schon der bloße Umstand, dass ein Mandat besteht; der Steuerberater darf also auch nicht verlauten lassen, wer zu seinen Mandanten zählt (vgl. Kuhls/Maxl, Steuerberatungsgesetz, 2. Aufl. 2004, Rn. 196).

Eine Ausnahme macht die Rechtsprechung indes u. a. in Wettbewerbsprozessen mit ehemaligen Gesellschaftern einer Sozietät, in denen es auf Mandatsinterna ankommen kann. Der ausgeschiedene neue Mandatsträger ist danach nicht durch strafrechtliche oder standesrechtliche Verschwiegenheitspflichten gehindert, Auskunft zu erteilen, mit welchen ehemaligen Mandanten er (vertragswidrig) Beratungsverträge abgeschlossen hat (vgl. BAG AP Nr. 35 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel). Das BAG geht - für einen ehemals angestellten Steuerberater - davon aus, dass nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Beratungsverträge wegen der fortbestehenden Konkurrenzklausel noch Nachwirkungspflichten aus dem Arbeitsvertrag bestehen, die es erlauben, die verlangten Auskünfte zu geben. Kein Unterschied besteht nach Auffassung des Senates, wenn es wie hier um einen in Sozietät verbunden Steuerberater geht. Die Erteilung der Information an die bisherige Sozietät, dass ein Mandatsverhältnis zum ausgeschiedenen Steuerberater begründet worden ist, ist weit vom Normzweck der §§ 57 Abs. 1 StBG, 203 StGB entfernt. Allein der Umstand, dass der Mandant die Dienstleistungen eines Steuerberaters in Anspruch nimmt, ist keine überragend geheimhaltungsbedürftige Tatsache; Aufträge dieser Art sind heute allgemein üblich und sozial anerkannt (vgl. BGH NJW 1999, 1544, 1547). Zudem wird dem Mandanten nur insoweit ein Eingriff in sein informationelles Selbstbestimmungsrecht zugemutet, als sein bisheriger Berater, der seine finanziellen Verhältnisse bestens kennt, erfährt, dass er nun von seinem früheren Sozius beraten wird. Die Belange des Mandanten werden danach kaum tangiert. Die Weitergabe der Information erfolgt überdies allein innerhalb der Berufsgruppe; die bisherigen Sozien unterliegen ihrerseits der beruflichen Schweigepflicht. Auch in der Abwicklung des Anspruches erfolgt keine Weitergabe von Daten, die allein dem neuen Steuerberater anvertraut worden sind, da die Höhe der Entschädigung an die in der bisherigen Sozietät erzielten durchschnittlichen Umsätze angeknüpft wird.

Nach alldem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§§ 542 Abs. 1, 543 Abs. 1, Abs. 2 ZPO). Rechtsfragen grundsätzlicher Natur, die über den konkreten Einzelfall hinaus von Interesse sein könnten, haben sich nicht gestellt und waren nicht zu entscheiden.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 5.000,- €

Ende der Entscheidung

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