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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 29.08.2002
Aktenzeichen: 8 U 5/02
Rechtsgebiete: BGB, UStDV, HGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 31
BGB § 166 Abs. 1
BGB § 254
BGB § 278
UStDV § 36
UStDV § 37
HGB § 125 Abs. 2 Satz 3
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 108
ZPO § 543 Abs. 2 n. F.
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 U 5/02

Verkündet am 29.08.2002

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 6. Juni 2002 durch seine Mitglieder Ketterle, Schmitt und Statthalter

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 27.09.2001 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 7 O 249/00 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 16.500,00 € abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Beiden Parteien wird nachgelassen, die Sicherheitsleistung durch selbstschuldnerische, unbeschränkte und unwiderrufliche Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse zu erbringen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt als Konkursverwalter die Beklagten aus deren Tätigkeit im Zusammenhang mit der Erbringung von Hilfeleistung in Steuersachen auf Schadensersatz in Anspruch.

Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der Großbäckerei T GmbH & Co. KG (im folgenden Gemeinschuldnerin). Die Beklagten waren im Zeitraum von Februar 1995 bis November 1997 für die Gemeinschuldnerin mit der Erbringung von Hilfeleistungen in Steuersachen beauftragt. Ihnen oblag es, aus den von der Gemeinschuldnerin vorgelegten Belegen deren Buchhaltung und aus der Buchhaltung die Jahresabschlüsse zu erstellen, ferner betriebswirtschaftliche Auswertungen, Umsatzsteuervoranmeldungen und -erklärungen zu fertigen. Darüber hinaus hat der Beklagte zu 1) an zumindest 4 Gesellschafterversammlungen in den Jahren 1996 und 1997 teilgenommen; die Beklagten hatten aber keinen Auftrag zur Prüfung der Jahresabschlüsse.

In dem Zeitraum der Tätigkeit der Beklagten ereignete sich nach Darstellung des Klägers eine Vielzahl von Pflichtverletzungen des damaligen Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin, Herrn X, wegen derer auch strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue gegen Herrn X eingeleitet wurden. Herr X war in der Zeit von Juli 1993 bis März 1997 Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin, bis ihm u. a. vorgeworfen wurde, in großem Umfang Aufwendungen, die seine private Lebensführung betrafen, als betrieblich veranlasste Aufwendungen gegenüber der Gemeinschuldnerin abgerechnet zu haben.

Die Spesenpraxis bei der Gemeinschuldnerin sah zunächst so aus, dass Herr X seine Spesenbelege Mitarbeitern der Beklagten in verschlossenen Umschlägen übergab, auf denen die Summe der in den Umschlägen enthaltenen Belege notiert war. Diese Beträge wurden dann von Mitarbeitern der Beklagten ohne Prüfung des Inhalts der Umschläge verbucht.

Bereits im Herbst 1995 fand bei der Gemeinschuldnerin eine Steuerprüfung statt. Dabei wurde nach Darstellung des Klägers von Seiten des Finanzamtes C2 die Spesenabrechnung des Geschäftsführers beanstandet, weil dieser offensichtlich in erheblichem Umfang Privatausgaben als betrieblich veranlasste Aufwendungen abgerechnet habe; nach Darstellung der Beklagten handelte es sich lediglich um eine Lohnsteuer-Außenprüfung, deren Gegenstand die unrichtige Behandlung der Pauschalierung von Aushilfslöhnen gewesen sei. Die Gemeinschuldnerin akzeptierte vertreten durch ihren Geschäftsführer einen pauschalen Strafbetrag von DM 10.000,00. In der Folgezeit jedenfalls wurden die vom Geschäftsführer X eingereichten Umschläge von Mitarbeitern der Beklagten zumindest geöffnet.

Über die Art und Weise der Spesenabrechnungen ("Umschlagpraxis") hinaus, durch die nach Darstellung des Klägers ein Schaden von zumindest 125.494,87 DM entstanden sein soll, werden dem Geschäftsführer weitere vorsätzliche Pflichtverletzungen in erheblichem Umfang vorgeworfen. So soll er Barverkäufe von Maschinen und Maschinenteilen vorgenommen haben, ohne den Erlös an die Gemeinschuldnerin abzuführen; insoweit wird ein Schaden in Höhe von 59.034,00 DM behauptet. Ferner sei das Betriebsgrundstück C in nicht vertragsgerechtem Zustand verkauft worden, wodurch ein Schaden in Höhe von DM 45.000,00 verursacht worden sei. Weiterhin habe der Geschäftsführer X der Gemeinschuldnerin zustehende Schecks selbst vereinnahmt, hierdurch sei ein Schaden in einer Größenordnung von 195.412,49 DM entstanden. Zudem habe der Geschäftsführer die Gemeinschuldnerin dadurch nachhaltig geschädigt, dass er durch die Kooperation mit anderen Unternehmen die Konkurrenten der Gemeinschuldnerin gestärkt habe, es handelt sich hierbei um die sog. "Cityback-Geschäfte", die einen Schaden von 50.000,00 DM verursacht hätten. Weitere Vorwürfe des Klägers betreffen die Tätigkeit des Geschäftsführers und anderer Mitarbeiter für Konkurrenzunternehmen, durch die infolge Ausfalls der vollen Arbeitskraft für die Gemeinschuldnerin ein Schaden von DM 144.439,43 DM verursacht worden sei, und Pflichtverletzungen aus Anlass unrichtiger Urlaubsabgeltung, die einen Schaden im Wert von 22.153,84 DM herbeigeführt hätten. Wegen der Einzelheiten der dem Geschäftsführer X vorgeworfenen Pflichtverletzungen wird auf die Klageschrift vom 05.06.2000 (Bl. 1, 7 ff. GA) Bezug genommen.

Der Kläger nimmt wegen aller behaupteten Pflichtverletzungen des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin und damit in Zusammenhang gebrachten Vermögenseinbußen die Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagten hätten ihre vertraglichen Pflichten gröblich verletzt, da sie in Ansehung der sog. Umschlagspraxis die vom Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin eingereichten Spesenbelege zunächst überhaupt nicht, später dann nur unzureichend geprüft hätten. Bei ordnungsgemäßer Prüfung hätte ihnen auffallen müssen, dass der Geschäftsführer in großem Umfang Privatausgaben abgerechnet habe. Hätten die Beklagten die Gesellschafter der Gemeinschuldnerin hierauf pflichtgemäß hingewiesen, hätten diese den Geschäftsführer umgehend abberufen und weiterer Schaden wäre vermieden worden.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagten zu verurteilen, an ihn gesamtschuldnerisch 641.534,63 DM nebst 4% Zinsen seit Rechtshängigkeit (23.06.2000) zu zahlen.

2. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, sämtliche Schäden zu ersetzen, die über den im Klageantrag zu 1) bezeichneten Betrag hinausreichen und die aus ihren Pflichtverletzungen anlässlich ihrer Steuerberater- und Buchhaltungstätigkeiten für die der Großbäckerei T GmbH & Co. KG resultieren.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben. Darüber hinaus haben sie die Auffassung vertreten, dass sie das Mandat der Buchführung ordnungsgemäß ausgeführt hätten und ihnen Pflichtverletzungen nicht angelastet werden könnten. Da die Gemeinschuldnerin - wie unstreitig ist - keinen Auftrag zur Belegprüfung erteilt habe und auch die Jahresabschlüsse der Gemeinschuldnerin deshalb nicht geprüft worden seien, sei auch die Sammelbuchung der Spesenabrechnungen zulässig gewesen und habe sich im Rahmen des von der Gemeinschuldnerin erteilten Mandates gehalten. Jedenfalls aber seien angebliche Pflichtverletzungen für die behaupteten Schäden nicht ursächlich geworden. Es sei auch keine Pflicht der Beklagten gewesen, die Gesellschafter der Gemeinschuldnerin über etwaige ihnen bekannt gewordene Unregelmäßigkeiten in der Spesenabrechnung des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin zu unterrichten; Vertragspartner der Beklagten sei die Gemeinschuldnerin gewesen. Schließlich fehle es an der Ursächlichkeit und an einem Schaden, da die Auszahlung der geltend gemachten Spesen bereits unabhängig von der Verbuchung erfolgt sei und die Verbuchung der tatsächlichen Auszahlung bekanntlich erst nachfolge.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird insbesondere auf die Klageerwiderung vom 15.12.2000 (Bl. 114 ff. GA) Bezug genommen.

Im übrigen wird wegen der weiteren umfangreichen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, dass die Klage bereits mangels Darlegung einer für die behaupteten Schäden ursächlichen Pflichtverletzung der Beklagten unbegründet sei. Zwar habe der Kläger im Ansatz schlüssig vorgetragen, dass das Belegsystem bzw. die Verbuchung der eingereichten Spesenbelege des Geschäftsführers nicht den Regeln ordnungsgemäßer Buchhaltung entsprochen habe, indessen sei ein Zusammenhang zwischen einer derartigen Pflichtverletzung und den behaupteten Schäden jenseits der falschen Spesenabrechnungen auch nicht ansatzweise dargetan. Zumindest fehle es aber an einem Zurechnungszusammenhang zwischen dieser Pflichtverletzung und den weiter behaupteten Schäden, weil diese nicht vom Schutzzweck der verletzten Pflicht umfasst seien. Hinsichtlich der Pflichtverletzung wegen der ordnungswidrigen Belegpraxis müsse sich der Kläger auch ein weit überwiegendes Mitverschulden der Gemeinschuldnerin entgegenhalten lassen; hier gelte der Grundsatz, dass bei vorsätzlicher Schadensverursachung durch den Geschädigten selbst eine Ersatzpflicht des nur fahrlässig handelnden Schädigers entfalle.

Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers, mit der er seinen erstinstanzlichen Zahlungsantrag in Höhe eines Betrages von 505.917,91 DM (= 258.671,71 €) sowie den Feststellungsantrag weiterverfolgt.

Der Kläger wiederholt und vertieft sein Vorbringen in erster Instanz und vertritt insbesondere weiterhin die Auffassung, dass die von den Beklagten erstellte Buchführung nicht den Grundprinzipien der ordnungsgemäßen Buchführung genügt habe; eine ordnungsgemäße Buchführung setze zunächst sowohl materiell als auch formell richtige Buchungen voraus, an dieser wie auch den übrigen Voraussetzungen habe es gefehlt. Wenn die Beklagten die ihnen vom Geschäftsführer monatlich übergebenen Umschläge geöffnet und anhand der in den Umschlägen befindlichen Belege gebucht hätten, wären sie auf zahlreiche Ungereimtheiten gestoßen und wären so gehalten gewesen, Unstimmigkeiten und Differenzen bei der Verarbeitung der Belege zu klären. In keinem Fall hätten sie die sog. Umschlagpraxis des Geschäftsführers akzeptieren dürfen, sondern hätten im Rahmen der bei der Buchung notwendigen Arbeitsschritte zu Rückfragen, Warnungen oder Konsequenzen gelangen müssen. Wenn nach ihrer Auffassung die Beklagten das ihnen übertragene Mandat, die Buchführung der Gemeinschuldnerin ordnungsgemäß zu erstellen, ernstgenommen hätten, dann hätten ihnen die Pflichtversäumnisse des Geschäftsführers nicht entgehen können und es hätten die Schäden aus den falschen Spesenabrechnungen sowie aus den weiteren Unregelmäßigkeiten und Pflichtwidrigkeiten des Geschäftsführers vermieden werden können.

Der Kläger ist ferner der Auffassung entgegengetreten, dass sich die Gemeinschuldnerin die Pflichtverstöße ihres Geschäftsführers gemäß §§ 254, 278, 31 BGB zurechnen lassen müsse, und weist die Anwendbarkeit des § 31 BGB und des Grundsatzes zurück, wonach gegenüber vorsätzlichen Pflichtverstößen des Geschädigten eine fahrlässige Haftung des Schädigers zurücktreten müsse.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird insbesondere auf die Berufungsbegründung vom 14.01.2002, (Bl. 359 ff. GA) sowie den Schriftsatz vom 29.05.2002 (Bl. 445 ff. GA) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

1. unter teilweiser Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Beklagten zu verurteilen, gesamtschuldnerisch an ihn 505.917,91 DM (= 258.671,71 €) nebst 4% Zinsen seit Rechtshängigkeit (23.06.2000) zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, sämtliche Schäden zu ersetzen, die über den im Klageantrag zu 1) bezeichneten Betrag hinausreichen und die aus ihren Pflichtverletzungen anlässlich ihrer Steuerberater- und Buchhaltungstätigkeit für die Großbäckerei T GmbH & Co. KG resultieren.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil im Ergebnis unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Sie vertreten die Auffassung, dass ihnen - insoweit auch entgegen der Ansicht im angefochtenen Urteil - eine Pflichtverletzung nicht angelastet werden könne. Anders als der Kläger und das Landgericht meinen sie, die Beklagten seien im Rahmen der Buchführung gerade nicht verpflichtet gewesen, jeden Buchhaltungsbeleg daraufhin zu überprüfen, ob eine unredliche oder gar strafbare Handlung des Geschäftsführers als Auftraggeber vorgelegen habe; insbesondere seien sie nicht verpflichtet gewesen, unter Übergehung des Geschäftsführers die Gesellschafter der Gemeinschuldnerin zu unterrichten, wenn ihnen tatsächlich Unregelmäßigkeiten aufgefallen wären. Dies gelte schon deshalb in besonderem Maße, weil ihnen - wie unstreitig ist - kein ausdrücklicher Prüfungsauftrag erteilt worden ist. Selbst wenn einzelne zur Verbuchung hereingereichte Belege den formalen steuerrechtlichen Anforderungen nicht entsprochen haben sollten, würde sich eine Pflichtverletzung allenfalls auf einen dadurch ausgelösten Steuerschaden beschränken, es fehle aber an jedem Zurechnungszusammenhang mit den vom Kläger behaupteten Vermögensschäden. Der Kläger verkenne insoweit, dass die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, soweit sie vom Steuerberater zu beachten sind, hinsichtlich ihres Schutzzweckes dazu dienten, die Entstehung von Mehrsteuern gegenüber dem Fiskus zu verhindern; Schutzzweck sei aber nicht, Gesellschafter vor ihren ungetreuen Geschäftsführern zu schützen. Im übrigen verteidigen die Beklagten den im angefochtenen Urteil herangezogenen Mitverschuldenseinwand und erheben weiterhin vorsorglich die Einrede der Verjährung.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten wird auf die Berufungserwiderung vom 29.04.2002 nebst Anlagen (Bl. 432 ff. GA) sowie den Schriftsatz vom 19.06.2002 (Bl. 465 ff. GA) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die förmlich unbedenkliche Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klage ist unbegründet.

Ein Anspruch der Gemeinschuldnerin gegen die Beklagten, den der Konkursverwalter im Interesse aller Konkursgläubiger der Gemeinschuldnerin durchsetzen könnte, besteht nicht.

Der eingeklagte Schadensersatzanspruch ist aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt, insbesondere nicht aus der Erwägung einer vermeintlichen Schlechterfüllung des zwischen der Gemeinschuldnerin und den Beklagten geschlossenen Vertrages über die Erbringung von Hilfeleistungen in Steuersachen herzuleiten.

Die Beklagten haben - entgegen der Auffassung des Klägers - den mit der Gemeinschuldnerin geschlossenen Vertrag nicht schlecht erfüllt.

1.

Das Landgericht ist in der angefochtenen Entscheidung zugunsten des Klägers davon ausgegangen, dass die Verbuchung der eingereichten Spesenbelege des Geschäftsführers der späteren Gemeinschuldnerin nicht den Regeln ordnungsgemäßer Buchhaltung entsprochen habe; es hat seine Auffassung, ohne dies ausdrücklich hervorzuheben, auf die Nichtbeachtung auch der §§ 36 und 37 UStDV gestützt und hat damit eine wenigstens stichprobenweise Überprüfung der eingereichten Spesenbelege im Rahmen der sog. Umschlagpraxis verlangt.

Diese Ansicht wirft die Fragestellung auf, ob ein Steuerberater die Belege, die ihm vom Geschäftsführer seines Mandanten zur Verbuchung hereingereicht werden, daraufhin überprüfen muss, ob diesen Belegen jeweils eine betriebliche Veranlassung zugrunde liegt. Die Rechtsprechung des BGH begründet durchaus eine Pflicht des Beraters, sich von der Ordnungsmäßigkeit einer Buchführung zu überzeugen; er meint damit die Pflicht zu prüfen, ob die Buchführung in ihrer Anlage und Ausgestaltung den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Buchführung entspricht. Dazu gehört aber nicht die Prüfung jeder einzelnen Buchung oder der Gesamtheit der Buchungen auf ihre materielle Richtigkeit in jedem Einzelfall und darüber hinaus - gar in der Art einer Unterschlagungsprüfung - eine Nachprüfung, ob der Mandant Geschäftsvorfälle unterdrückt hat (vgl. BGH VersR 1968, 48). Ferner soll ein Steuerberater, auch wenn ihm kein Auftrag zur "Buchprüfung" erteilt war, dennoch dem Mandanten gegenüber vertraglich verpflichtet sein, auf etwaige Mängel der Buchführung, soweit sie ihm - im Rahmen der vertraglichen Tätigkeit zur Fertigung von Steuerbilanzen und Steuererklärungen - anhand der Bücher bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennbar waren, hinzuweisen (vgl. BGH WM 1971, 1206). Demgegenüber kann der Steuerberater grundsätzlich aber auch auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der ihm gegebenen Auskünfte und Belege vertrauen, es besteht insbesondere keine Pflicht, nach evtl. Unterschlagungen von Angestellten des Mandanten zu suchen (vgl. OLG Hamm, ZIP 1983, 90; OLG München, GI 2002, 174; Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, 3. Aufl., Rn. 299, 306; Späth, Die zivilrechtliche Haftung des Steuerberaters, 4. Aufl., Rn. 490). Lediglich erkannten Mängeln der Buchführung, d. h. erkannten Unstimmigkeiten und Unklarheiten in den Mandantenangaben muss er nachgehen und sie durch Rückfragen bei dem Auftraggeber zu beheben suchen; sind Verschleierungen bei Durchführung der berufsüblichen Buchführungsarbeit erkennbar, so trifft den Steuerberater eine Mitteilungspflicht; dies kann aber nur im Einzelfall festgestellt werden (vgl. BGH, WM 1971, 1206; OLG München, WM 1997, 613, 617; Gräfe/Lenzen/Schmeer, a.a.O., Rn. 306; Späth, a.a.O. Rn. 490).

Eine abschließende Entscheidung dieser Fragestellung ist hier indessen nicht erforderlich. Die Gemeinschuldnerin muss sich vielmehr das Verhalten ihres (früheren) Geschäftsführers, das der Kläger selbst als bewusst verschleiernd und betrügerisch darstellt, zurechnen lassen. Für die hier zu beurteilende GmbH & Co KG gründet sich die Wissenszurechnung auf § 166 Abs. 1 BGB, § 125 Abs. 2 Satz 3 HGB, § 35 Abs. 2 Satz 2 GmbH-Gesetz analog, wonach es auf die Person des Vertreters und damit des Geschäftsführers aufgrund seiner Organstellung ankommt (vgl. BGHZ 132, 26, 35 ff.; Baumbach/Duden/Hopt, HGB, 30. Aufl. 2000, § 125 Rn. 4; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 17. Aufl. 2000, § 35 Rn. 84; Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 15. Aufl. 2000, § 36 Rn. 2 - 4). Danach muss derjenige, der sich bei der Erledigung bestimmter Angelegenheiten eines Vertreters oder vergleichbarer Personen, d. h. erst recht seiner Organe bedient, die Kenntnisse und das Kennenmüssen dieser Personen gegen sich gelten lassen, also auch die Kenntnisse des Organs, das bei dem konkreten Ereignis, wie etwa der Schädigung der Gesellschaft, für die Gesellschaft aufgetreten ist.

Eine andere Auffassung begründet dasselbe Ziel, die Wissenszurechnung des Organs, aus dem Gesichtspunkt der organschaftlichen Kenntnis entsprechend § 31 BGB (K. Schmidt, GesR § 10 V 2). Danach muss sich auch hier die Gemeinschuldnerin, die nur durch ihren Geschäftsführer handeln kann, entsprechend § 31 BGB so behandeln lassen, als habe sie die Kenntnisse im Zusammenhang mit der sog. Umschlagpraxis selbst besessen.

Danach bestand gegenüber der Gemeinschuldnerin keine Mitteilungs- oder Aufklärungspflicht der Beklagten. Dies gilt um so mehr, als nach der eigenen - bestrittenen - Darstellung des Klägers im Herbst 1995 bereits von Seiten des Finanzamtes C2 die Spesenabrechnungen des Geschäftsführers beanstandet worden sein sollen, und zwar mit der Begründung, dass dieser offensichtlich in erheblichem Umfang Privatausgaben als betrieblich veranlasste Aufwendungen abrechnete. Die sich aus dem eigenen Vortrag des Klägers ergebende Kenntnis der Gemeinschuldnerin schließt Ansprüche des Klägers, soweit er einen Schaden der Gemeinschuldnerin geltend macht, gegen die Beklagten aus. Denn es wäre zudem ein grober Verstoß gegen Treu und Glauben, wenn man der Gemeinschuldnerin, die durch ihren Geschäftsführer bewusst Falschbuchungen verursacht hat, die Möglichkeit geben würde, ihren Steuerberater auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, weil er im Vertrauen auf die Richtigkeit ihrer Angaben die Falschbuchungen nicht aufgedeckt hat ( § 242 BGB aus dem Gesichtspunkt "venire contra factum proprium"; vgl. OLG Köln, DStR 1991, 1675).

Damit ist auch die Grenze der Zurechnung zulasten der Gemeinschuldnerin aufgezeigt und gezogen. Eine Zurechnung des unredlichen Verhaltens ihres Geschäftsführers müsste ausscheiden, wenn der Geschäftsführer und die Beklagten in unredlicher Weise zum Nachteil der Gemeinschuldnerin zusammengewirkt hätten (kollusives Verhalten). Hierfür sind jedoch Anhaltspunkte weder dargetan noch sonst aus dem Akteninhalt ersichtlich.

Schließlich ist die vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzforderung der Gemeinschuldnerin gegen die Beklagten auch - wie das Landgericht im Ansatzpunkt zurecht ausgeführt hat - unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Mitverschuldens (§ 254 BGB) ausgeschlossen. Da nach dem Vorstehenden der Gemeinschuldnerin die Kenntnis ihres unredlich handelnden Geschäftsführers zuzurechnen ist, kommt der Grundsatz zum Tragen, wonach ein - wie hier - vorsätzlich handelnder Geschädigter im Verhältnis zu einem fahrlässig handelnden Beteiligten seinen Schaden allein zu tragen hat (vgl. BGH, NJW 1991, 3208; OLG Hamburg, ZIP 1988, 1551, 1554; OLG Köln, DStR 1991, 1675; Späth, a.a.O., Rn. 490 a. E.; Palandt - Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 254 Rn. 53 jeweils m. w. N.).

2.

Auch die vom Kläger behaupteten weiteren erheblichen Schäden zum Nachteil der Gemeinschuldnerin, die deren Geschäftsführer durch die Vielzahl der ihm angelasteten Pflichtverletzungen herbeigeführt haben soll, sind nicht den Beklagten anzulasten.

Nach der vom BGH grundsätzlich für Schadensersatzansprüche aller Art anerkennten Schutzzwecklehre besteht eine Schadenseratzpflicht nur, wenn der geltend gemachte Schaden nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm oder Pflicht fällt. Bei Vertragsverletzungen muss es sich also um Nachteile handeln, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte vertragliche Pflicht übernommen worden ist (vgl. zuletzt BGH NJW 2002, 2459, 2460).

Die vom Kläger jenseits der angeblich fehlerhaften Buchführungspraxis behaupteten Unregelmäßigkeiten in der Person des früheren Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin und die damit in Zusammenhang gebrachten Schadensvorfälle sind nicht vom Schutzzweck der nach Ansicht des Klägers verletzten Pflichten aus dem Steuerberaterverhältnis umfasst. Der Umfang und die Reichweite des Mandats, das die Gemeinschuldnerin den Beklagten übertragen hat, waren klar umrissen. Das Mandat umfasste insbesondere nicht eine Belegprüfung oder gar eine Prüfung der Jahresabschlüsse. Die Aufgabe der Beklagten bestand darin, die Buchhaltung zu erstellen, die Jahressteuererklärungen zu fertigen, die Lohnbuchhaltung und Bilanzen zu erstellen sowie die im Zusammenhang mit der Umsatzsteuer erforderlichen Voranmeldungen und Erklärungen anzufertigen. Der Aufgabenkatalog der Beklagten umfasste nicht die Prüfung der Geschäftsführung der Gemeinschuldnerin auf ihre Zweckmäßigkeit und Ordnungsgemäßheit. Der Senat teilt hierzu die von den Beklagten vertretene Auffassung, dass die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung und die Grundsätze im Zusammenhang mit der Erstellung der Jahresabschlüsse, soweit sie vom Steuerberater zu beachten sind, hinsichtlich ihres Schutzzwecks dazu dienen, die Entstehung von Mehrsteuern gegenüber dem Fiskus zu verhindern, nicht aber dazu, Gesellschafter vor unredlichen Geschäftsführern zu bewahren. Wenn noch nicht einmal ein tatsächlich erteilter Auftrag zur Abschlussprüfung schon zur Durchführung einer Unterschlagungsprüfung verpflichtet (vgl. OLG München, GI 2002, 174; Gräfe/Lenzen/Schmeer, a.a.O., Rn. 393 m. w. N.), dann ist erst recht der Steuerberater im Rahmen eines Mandates mit dem hier vorliegenden fest umrissenen Inhalt nicht verantwortlich für die Verhinderung von Fehlern, Täuschungen, Vermögensschädigungen und sonstigen Gesetzesverstößen des Geschäftsführers.

Es mag zwar zutreffen, dass ein langjährig für einen Mandanten tätiger Steuerberater über den Rahmen des ihm erteilten Auftrages hinaus weitergehende Sorgfaltspflichten beispielsweise als Informationsbeschaffer, Krisenwarner und Betreuer zu erfüllen hat (vgl. OLG Karlsruhe, WM 1997, 613, 618). Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen sind jedoch im Sreitfall nicht dargetan, insbesondere reicht für eine Treuebeziehung der vorstehend beschriebenen Qualität nicht die viermalige Teilnahme des Beklagten zu 1) an Gesellschafterversammlungen aus, ohne dass ihm - wie unstreitig ist - konkrete Prüfungsaufträge erteilt worden wären.

3.

Der Feststellungsantrag ist ebenfalls unbegründet.

Die zwischen den Parteien umstrittene Frage der Zulässigkeit des Feststellungsantrags bedarf keiner Vertiefung. Es mag zweifelhaft sein, ob mit Rücksicht auf das Ausscheiden des Geschäftsführers vor rund 5 1/2 Jahren die angeblichen Schadensersatzansprüche gegen ihn nicht bereits abschließend beziffert werden könnten. Dies bedarf indessen keiner abschließenden Beurteilung, weil der Gemeinschuldnerin jedenfalls in der Sache ein Schadensersatzanspruch wegen dieser Pflichtverletzungen gegen die Beklagten nicht zusteht. Damit scheidet auch die Feststellung eines Schadensersatzanspruchs aus.

Die nach alledem erfolglose Berufung war mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Eine Zulassung der Revision kam nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO n. F. nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits waren im wesentlichen tatsächliche Fragen unter Berücksichtigung der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung. Rechtsfragen grundsätzlicher Art, die über den konkreten Einzelfall hinaus von Interesse sein könnten, haben sich nicht gestellt und waren nicht zu entscheiden.

Streitwert und Beschwer des Klägers:

1) 258.671,71 € (Zahlungsantrag) 2) 204.516,75 € (Feststellungsantrag) 463.188,46€ (Summe)

Ende der Entscheidung

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