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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 02.07.2004
Aktenzeichen: 8 W 14/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 121
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

8 W 14/04

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die am selben Tage bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde des Beklagten zu 1) vom 15. Juni 2004 gegen den ihm am 1. Juni 2004 zugestellten Beschluss des Einzelrichters der 18. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 27. Mai 2004 (18 O 54/04), durch den sein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt L abgelehnt worden ist, durch den Richter am Oberlandesgericht Pamp als Einzelrichter

am 2. Juli 2004

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beklagte zu 1) trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2, Hs. 1 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht (§ 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO) eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und aus zutreffenden Erwägungen hat das Landgericht es abgelehnt, dem Beklagten zu 1) Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt L zu bewilligen. Das Beschwerdevorbringen gibt zu einer abweichenden Entscheidung keine Veranlassung.

Zwar ist der Beklagte zu 1) grundsätzlich berechtigt, einen eigenen Prozessbevollmächtigten zu beauftragen. Werden im Haftpflichtprozess neben dem Versicherer auch der Halter und der Fahrer des nach dem Klägervortrag unfallbeteiligten Fahrzeugs als Gesamtschuldner in Anspruch genommen, stehen sie untereinander im Verhältnis einfacher Streitgenossen (vgl. BGHZ 63, 51, 53 ff.; KG MDR 1984, 852). Jeder von ihnen führt seinen eigenen Prozess, der - nicht anders als bei der notwendigen Streitgenossenschaft - von den anderen Prozessrechtverhältnissen zu unterscheiden ist und damit insbesondere hinsichtlich der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der einzelnen Beteiligten selbständiger Beurteilung unterliegt (vgl. OLG Stuttgart MDR 2000, 545; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozeßkostenhilfe und Beratungshilfe 2. Aufl. Rdn. 47).

Über diese formale Betrachtung hinaus kann jedoch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen der Streitgenossen oder mehrere von ihnen Beschränkungen unterliegen, soweit es um die Anwaltsbeiordnung geht. Das Institut der Prozesskostenhilfe dient dem Zweck, einer Partei, die aus finanziellen Gründen nicht in der Lage ist, einen Anspruch gerichtlich zu verfolgen oder sich gegen eine gerichtliche Inanspruchnahme zu verteidigen, die Prozessführung zu ermöglichen, um eine Benachteiligung aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse zu verhindern. Zur Herstellung von Chancengleichheit mit dem anwaltlich vertretenen Gegner hat sie insbesondere Anspruch auf Beiordnung eines Rechtsanwalts ihrer Wahl (§ 121 Abs. 1 und 2 ZPO). Bei der Ausgestaltung dieses Grundsatzes ist indes zu beachten, dass eine Partei, die auf Kosten des Staates prozessieren möchte, den kostengünstigsten Weg zu wählen hat, wenn er ebenso zum Ziele führt. Hieraus folgt, dass dann, wenn eine bedürftige und eine nicht bedürftige Partei als Streitgenossen an einem Rechtsstreit beteiligt sind und beide in einer Weise in Anspruch genommen werden, bei der keine auf den Einzelnen bezogenen Einwände oder Gegenrechte bzw. sonstige für die Bestellung verschiedener Anwälte sprechenden stichhaltigen Gründe ersichtlich sind, der bedürftigen Partei regelmäßig zumutbar ist, sich von demselben Rechtsanwalt wie die nicht bedürftige Partei vertreten zu lassen und keine weiteren Kosten für einen zweiten Anwalt zu verursachen. Eine vermögende Partei würde sich nämlich in einer solchen Situation ebenso verhalten; das gegenteilige Verhalten der bedürftigen Partei wäre demgegenüber mutwillig (vgl. LG Tübingen JurBüro 1990, 506, 507).

Dem entspricht es, dass nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur im Verkehrsunfall- bzw. Haftpflichtprozess die bedürftige Partei keiner Beiordnung eines eigenen Rechtsanwalts im Wege der Bewilligung von Prozesskostenhilfe bedarf, wenn sie gemäß § 10 Abs. 1, 2, 5 AKB vom Versicherer, der Klagen gegen mitversicherte Personen abzuwehren hat, vertreten werden kann und keine sachlichen Gründe dafür bestehen, dass ihre Interessen über die der übrigen Streitgenossen hinausgehen bzw. von ihnen abweichen oder zu ihnen im Widerspruch stehen (vgl. LG Frankfurt JurBüro 1983, 1106, 1106 f.; KG MDR 184, 852, 853; OLG Bamberg JurBüro 1986, 923; KG JurBüro 1986, 272, 273; KG NZV 1988, 228; Zöller/Philippi ZPO 24. Aufl. § 121 Rdn. 14; Wax in MünchKommZPO 2. Aufl. § 114 Rdn. 69; Stein/Jonas/Bork, ZPO 21. Aufl. § 114 Rdn. 8; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO 25. Aufl. § 114 Rdn. 11; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs aaO Rdn. 50; Schoreit/Dehn, Beratungshilfe Prozesskostenhilfe 7. Aufl. § 114 ZPO Rdn. 28; Künzl/Koller, Prozesskostenhilfe 2. Aufl. Rdn. 20). Eine von diesem Grundsatz abweichende Situation ist hier nicht gegeben:

Der Beklagte zu 1) als Fahrer des angeblich unfallbeteiligten Fahrzeugs wird vom Kläger gemeinsam mit der Beklagten zu 2) als Halterin und der Beklagten zu 3) als Haftpflichtversicherer in Anspruch genommen. Nach § 10 Abs. 1, 5 AKB gilt die Beklagte zu 3) im Außenverhältnis zum Kläger als bevollmächtigt, im Namen der versicherten Personen insbesondere Schadensersatzansprüche abzuwehren. Mitversicherte Person ist neben der Beklagten zu 2) als Halterin gemäß § 10 Abs. 2 c) AKB auch der Beklagte zu 1) als Fahrer. § 10 Abs. 5 AKB dehnt - über die nur das Innenverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer betreffende Bestimmung des § 7 II Abs. 5 AKB hinaus - die Verfügungsbefugnis des Versicherers im Verhältnis zu den versicherten Personen auf die gesamte Schadensregulierung einschließlich der Prozessführung aus und berechtigt ihn, im Namen des betreffenden Personenkreises alle ihm zweckmäßig erscheinenden Erklärungen abzugeben (vgl. Stiefel/Hofmann, Kraftfahrtversicherung 17. Aufl. § 10 AKB Rdn. 92; Bauer, Die Kraftfahrtversicherung 5. Aufl. Rdn. 620 f.). Im Streitfall durfte die Beklagte zu 3) daher insbesondere mit Wirkung auch für den Beklagten zu 1) die Rechtsanwälte I & Collegen mit der Prozessvertretung für alle drei Beklagten beauftragen und ihnen entsprechende Prozessvollmacht erteilen.

Ist die Prozessführung auf Beklagtenseite derart in die Hand des Versicherers gegeben, haben die versicherten Personen einschließlich des Fahrers bei ungestörtem Leistungsverhältnis in der Regel kein im Rahmen von §§ 114 ff. ZPO erhebliches Interesse an der Bestellung eines eigenen Prozessbevollmächtigten (vgl. OLG Karlsruhe VersR 1979, 944, 945). Vielmehr vertritt regelmäßig der vom Versicherer beauftragte Rechtsanwalt die gleichgerichteten Interessen aller Streitgenossen, weshalb es einer zusätzlichen Rechtsvertretung für einen von ihnen nicht bedarf (vgl. KG MDR 1984, 852, 853 zu § 91 ZPO).

Tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte, die demgegenüber für eine ausnahmsweise beachtliche Interessenkollision zwischen dem Beklagten zu 1) auf der einen sowie der Beklagten zu 2) oder auch der Beklagten zu 3) auf der anderen Seite sprechen könnten, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich. Das parallele Interesse aller drei Beklagten geht auf Abwehr der ihres Erachtens unbegründeten Klage, also auf Klageabweisung. Der Prozessvortrag des Beklagten zu 1) im Schriftsatz der Rechtsanwälte L und F vom 26. April 2004 entspricht im Wesentlichen der - in den Einzelpunkten sogar noch ausführlicher gehaltenen - Klageerwiderung der Rechtsanwälte I & Collegen vom 6. April 2004. In beiden Schriftsätzen wird unter gegenbeweislicher Anführung desselben Zeugen eine Unfallverursachung durch den Beklagten zu 1) in Abrede gestellt und die Aktivlegitimation des Klägers bestritten. Sonstige Gesichtspunkte, die für eine im Rahmen der Prozesskostenhilfebewilligung beachtliche Interessenkollision sprechen könnten - etwa eine allein von der bedürftigen Partei erhobene Widerklage (vgl. OLG Nürnberg AnwBl 1982, 74), ein vom Versicherer im Innenverhältnis zum mittellosen Streitgenossen geltend gemachtes Leistungsverweigerungsrecht (vgl. OLG Karlsruhe VersR 1979, 944, 945) oder die Ankündigung eines Rückgriffs durch den Versicherer (vgl. OLG Koblenz MDR 1995, 263, 264) - sind ebenfalls nicht ersichtlich:

Dass der Beklagte zu 1) zwischenzeitlich nicht mehr bei der Beklagten zu 2) beschäftigt ist und zwischen beiden Beklagten ein arbeitsrechtlicher Streit schwebt, rechtfertigt keine andere Betrachtungsweise, unabhängig davon, ob die Formulierung im Schriftsatz der Rechtsanwälte L und F vom 21. Mai 2004, der Beklagte zu 1) wolle "nicht von einem Rechtsanwalt der Beklagten zu 2) vertreten werden", dahin zu verstehen sein soll, dass die Rechtsanwälte I & Collegen die Beklagte zu 2) in diesem Arbeitsrechtsstreit vertreten. Es ist nicht vorgetragen, dass Hintergrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und des arbeitsrechtlichen Streits etwa der vorliegend zur Beurteilung anstehende Verkehrsunfall wäre. Schon von daher ist nicht ersichtlich, weshalb die Gefahr bestehen sollte, die Rechtsanwälte I & Collegen könnten im Unfallprozess einseitig die Position der Beklagten zu 2) vertreten. Im Übrigen sind die vorgenannten Anwälte nicht nur die Rechtsanwälte der Beklagten zu 2), wie der Beklagte zu 1) formuliert, sondern auch diejenigen der Beklagten zu 3), die in jedem Falle außerhalb des Arbeitsrechtsstreits steht und der gegenüber die Anwälte I & Collegen - auch - zu einer ordnungsgemäßen Interessenwahrnehmung im Haftpflichtprozess verpflichtet sind.

Dass gegen den Beklagten zu 1) wegen des streitigen Unfallvorwurfs ein Strafverfahren eingeleitet worden ist, rechtfertigt es gleichfalls nicht, ihm im Zivilprozeß einen eigenen Anwalt beizuordnen. Die Rechtsanwälte I & Collegen haben den Zivilrechtsstreit für alle drei Beklagten ordnungsgemäß und interessegerecht zu führen und hierbei auch die Ergebnisse des Strafverfahrens zu berücksichtigen. Weshalb der Beklagte zu 1) - der seiner Darstellung im Schriftsatz vom 23. Juni 2004 zufolge in der Strafsache inzwischen freigesprochen wurde - im Strafverfahren dadurch in die Gefahr eines Nachteils geraten soll, dass er im Zivilprozeß von Rechtsanwälten vertreten wird, die er als diejenigen seines früheren Arbeitgebers ansieht, ist nicht nachvollziehbar dargetan.

Soweit der Beklagte zu 1) schließlich meint, die Rechtsanwälte I & Collegen seien aufgrund einer Interessenkollision ohnehin gehindert, gleichzeitig den Beklagten zu 1) und die Beklagte zu 2) zu vertreten, obwohl zwischen beiden Parteien arbeitsrechtlicher Streit bestehe, und müssten deshalb ihr Mandat niederlegen, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Eine relevante Interessenkollision liegt nämlich nicht vor. Nach § 3 Abs. 1 BerufsO darf der Rechtsanwalt nicht tätig werden, wenn er, gleich in welcher Funktion, eine andere Partei in derselben Rechtssache im widerstreitenden Interesse bereits beraten und vertreten hat oder mit dieser Rechtssache in sonstiger Weise beruflich befasst war. Diese Regelung, die dem Rechtsanwalt verbietet, denselben historischen Vorgang einmal in diesem und einmal im entgegen gesetzten Sinne zu würdigen, greift hier schon deshalb nicht ein, weil es sich bei dem vorliegenden Haftpflichtprozess einerseits und dem arbeitsrechtlichen Streit andererseits nicht um "dieselbe Rechtssache" handelt (vgl. zum Begriff vgl. Hartung, Anwaltliche Berufsordnung 3. Aufl. § 3 BerufsO Rdn. 16). Dass die arbeitsrechtliche Auseinandersetzung im Zusammenhang mit dem vorliegend streitgegenständlichen Unfallgeschehen steht, macht der Beklagte zu 1) nicht geltend. Fehlt es aber an einer Sachverhaltsidentität, liegt kein Fall von § 3 Abs. 1 BerufsO vor, dies selbst dann nicht, wenn die Rechtsanwälte I & Collegen im Arbeitsrechtsstreit für die Beklagte zu 2) tätig sein sollten. Bloße Mandantenidentität reicht nämlich für ein Tätigkeitsverbot nicht aus (vgl. Hartung aaO Rdn. 18).

Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurück zu weisen.

Beschwerdewert: 1.000,00 €

Ende der Entscheidung

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