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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 03.12.2001
Aktenzeichen: 8 W 15/01
Rechtsgebiete: GVG, ZPO, ArbGG, SGB IV


Vorschriften:

GVG § 17 a
GVG § 17 a Abs. 4 Satz 3
GVG § 13
ZPO § 577
ZPO § 91 Abs. 1
ArbGG § 2
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 a
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 c
ArbGG § 5 Abs. 1 Satz 2
SGB IV § 7
SGB IV § 7 Abs. 4
SGB IV § 7 Abs. 4 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

8 W 15/01

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Ketterle, Dr. Brenner und Dr. Grüneberg am 3. Dezember 2001

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss der 15. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 7. Mai 2001 - 15 O 743/00 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten wird für zulässig erklärt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von Vertragsstrafe wegen angeblicher Verletzung einer Mandantenschutzklausel in Anspruch.

Die Klägerin ist eine Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft. Der Beklagte, selbst Steuerberater, arbeitete mit der Klägerin im Zeitraum vom 01.07.1996 bis 30.06.2000 auf vertraglicher Grundlage zusammen; der Beklagte kündigte die Vereinbarung zum 30.06.2000. In diesem Zusammenhang streiten die Parteien zunächst darüber, ob es sich bei ihrem Vertragsverhältnis um ein Arbeitsverhältnis handelt.

Der Vertrag enthält unter anderem nachfolgende Bestimmungen:

Vorbemerkung:

Der Auftragnehmer ist für die oben genannten Gesellschaften freiberuflich tätig.

§ 1

Freiberufliche Zusammenarbeit

Der Auftragnehmer und der Auftraggeber beabsichtigen, in freiberuflicher Form zusammen zuarbeiten. ...

§ 2

Vergütung

1. Die Vergütung erfolgt nach Zeitaufwand mit einem Stundensatz von DM ... zzgl. Umsatzsteuer und Reisekosten.

Vergütet wird nur der für die Bearbeitung vergleichbare Angelegenheiten übliche und angemessene Zeitaufwand. Erkennt der Auftragnehmer, dass für die Bearbeitung in einer konkreten Angelegenheit aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls ein atypisch hoher Zeitaufwand erforderlich ist, ist dies dem Auftraggeber unverzüglich anzuzeigen und dessen Entscheidung einzuholen.

2. Als Vorschuss erhält der Auftragnehmer einen monatlich in Rechnung zustellenden Betrag in Höhe von DM ... zzgl. Umsatzsteuer.

Die Endabrechnung erfolgt vierteljährlich nach dem jeweiligen zu spezifizierenden Zeitaufwand.

§ 3

Auftragserledigung

Der Auftragnehmer erledigt die ihm übertragenden Arbeiten in der Regel außerhalb und innerhalb des Büros des Auftraggebers. Während der Dauer der Bearbeitung einer Angelegenheit ist der Auftragnehmer für die Überwachung und Einhaltung mitgeteilter oder aus den Unterlagen ersichtlicher Fristen verantwortlich.

§ 4

Loyalitätsklausel

1. Der Auftragnehmer wird jegliche Ansprache von Mandanten des Auftraggebers auf seine selbständige Tätigkeit unterlassen und keinerlei Aktivitäten unternehmen, um einen Wechsel der Mandanten herbei zuführen.

3. Der Auftragnehmer verpflichtet sich, für die Dauer von 2 Jahren, berechnet ab dem Zeitpunkt der Erledigung eines Auftrags, keine Mandatsbeziehung zu Mandanten des Auftraggebers aufzunehmen, deren Angelegenheit er im Rahmen der freiberuflichen Zusammenarbeit für den Auftraggeber bearbeitet hat.

4. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Loyalitätspflichten gemäß Abs. 1 und 3 ist ohne Rücksicht auf Verschulden eine Vertragsstrafe in Höhe von 150 % des nachhaltigen Umsatzes verwirkt. Bei andauerndem Verstoß gilt die Tätigkeit während eines Monats als jeweils ein selbständiger Verstoß.

Nach Darstellung der Klägerin hat der Beklagte nachhaltig gegen die Mandantenschutzklausel verstoßen und wird von ihr deshalb auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von DM 123.211,49 in Anspruch genommen.

Der Beklagte tritt der Klage entgegen und macht geltend, der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten sei unzulässig, weil er als Arbeitnehmer oder jedenfalls als arbeitnehmerähnliche Person einzustufen sei. Da er noch bis Ende Juni 1996 für die Klägerin als angestellter Steuerberater tätig gewesen sei, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, habe sich durch die vertragliche Regelung für die Zeit ab 01.07.1996 an seiner Angestellteneigenschaft nichts geändert. Deshalb erweise sich auch das Wettbewerbsverbot als nichtig, es fehle an der Vereinbarung einer Karenzentschädigung. Im übrigen trägt der Beklagte ausführlich zu den tatsächlichen Umständen der Zusammenarbeit mit der Klägerin vor.

Das Landgericht Köln hat durch den angefochtenen Beschluss sich für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Köln verwiesen. In einem Parallelrechtsstreit vor dem Landgericht Bonn, dem ein nahezu identischer Sachverhalt zu Grunde liegt, an dem ebenfalls die Klägerin und ein früherer Mitarbeiter beteiligt sind, hat das Landgericht Bonn hingegen entschieden, dass der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten zulässig sei.

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hat der Senat unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts Köln den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig erklärt. (Im Parallelverfahren hat er die sofortige Beschwerde des Beklagten zurückgewiesen.)

Gründe:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts nach § 17 a GVG ist gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG i. V. m. § 577 ZPO zulässig, sie ist insbesondere rechtzeitig binnen der Notfrist von zwei Wochen, die mit der Zustellung des Beschlusses am 15.05.2001 begonnen hat, mit Schriftsatz vom 29.05.2001, bei Gericht eingegangen am selben Tage, eingelegt worden.

Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Entgegen der Auffassung im angefochtenen Beschluss sind für diesen Rechtsstreit über die Zahlung einer Vertragsstrafe wegen angeblicher Verletzung einer Mandantenschutzklausel durch den Beklagten als Steuerberater nicht gemäß § 2 ArbGG die Gerichte für Arbeitssachen zuständig, sondern vielmehr gemäß § 13 GVG die ordentlichen Gerichte. Während des hier maßgebenden Zeitraums vom 01.07.1996 bis 30.06.2000 war der Beklagte weder Arbeitnehmer der Klägerin gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a, c ArbGG, noch war er als arbeitnehmerähnliche Person im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG anzusehen. Die anders lautende Auffassung des Landgerichts im angefochtenen Beschluss, die vom Beklagten mit umfangreichen Ausführungen verteidigt wird, vermag der Senat nicht zu teilen. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Beschwerde sind in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht begründet.

1. Für die Beurteilung der angeblichen Arbeitnehmereigenschaft eines Steuerberaters ist von den Grundsätzen auszugehen, die das Bundesarbeitsgericht und der Bundesgerichtshof zur Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters sowie einer arbeitnehmerähnlichen Person aufgestellt haben. Beide unterscheiden sich wesentlich durch den Grad der persönlichen bzw. wirtschaftlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet.

Arbeitnehmer ist derjenige, der seine vertraglich geschuldete Leistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere daran, dass der Beschäftigte einem Weisungsrecht seines Vertragspartners (Arbeitgeber) unterliegt, das Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen kann. Für die Abgrenzung von Bedeutung sind demnach in erster Linie die Umstände, unter denen die Dienstleistung zu erbringen ist, nicht die Bezeichnung, die die Parteien ihrem Rechtsverhältnis gegeben haben, oder eine von ihnen gewünschte Rechtsfolge. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Dieser wiederum folgt aus den getroffenen Vereinbarungen oder aus der tatsächlichen Durchführung des Vertrags. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, so ist letztere maßgebend (BAGE 78, 343, 347; BAG NJW 1998, 3661).

Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Manche Tätigkeiten können sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch im Rahmen eines freien Mitarbeiterverhältnisses erbracht werden, andere regelmäßig nur im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses. Letztlich kommt es zur Beantwortung der Frage, welches Rechtsverhältnis im konkreten Fall vorliegt, auf eine Gesamtwürdigung der maßgebenden Umstände des Einzelfalls an. Arbeitnehmer ist insbesondere der Mitarbeiter, der nicht im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 HGB; vgl. BAGE a. a. O.).

2. In Anwendung dieser Grundsätze ist der beklagte Steuerberater, der unstreitig neben seiner Tätigkeit für die Klägerin eine Einzelpraxis betrieben hat, als freier Mitarbeiter der Klägerin anzusehen.

Unter Anwendung der Kriterien der örtlichen, zeitlichen und inhaltlichen Weisungsbindung sowie der Einbindung in die Organisation gelangt der Senat zu einem Gesamtbild der Mitwirkung des Beklagten im Aufgabenbereich der Klägerin, das eine Arbeitnehmereigenschaft des Beklagten ausschließt.

a)

Auf der Grundlage der zwischen den Parteien getroffenen vertraglichen Vereinbarung vom 05.07.1996, die dem Inhalt nach zwischen den Parteien unstreitig ist, steht nach deren klarem Wortlaut außer Zweifel, dass eine Tätigkeit des Beklagten als freier Mitarbeiter vorgesehen war. Dies folgt ausdrücklich aus der Vorbemerkung der Vereinbarung ("freiberuflich") und aus § 1 des Vertrages, wonach eine Zusammenarbeit in "freiberuflicher Form" beabsichtigt war. Diese Konstruktion wird in § 2 der Vereinbarung konsequent fortgeschrieben, soweit dort eine Vergütungsreglung getroffen ist, die eine lediglich vorschussweise Auszahlung nach Zeitaufwand mit einem bestimmten Stundensatz vorsieht, der zzgl. Umsatzsteuer berechnet werden sollte. Danach war also nicht die Auszahlung einer festen Vergütung, sondern ein steuerbarer Umsatz angestrebt.

Die Auftragserledigung durch den Beklagten sollte ausweislich § 3 der Vereinbarung auch nicht im Rahmen einer ständigen Präsenzpflicht erfolgen; vielmehr war dem Beklagten auch gestattet, die ihm übertragenen Arbeiten in der Regel auch außerhalb des Büros des Auftraggebers zu erledigen.

Nach der vertraglichen Regelung war der Beklagte zudem bei der Erledigung der Arbeiten im wesentlichen frei von fachlichen Weisungen. Lediglich im Rahmen der Vergütungsregelung hatte sich die Klägerin ausbedungen, dass der Beklagte im Falle der Notwendigkeit eines atypischen hohen Zeitaufwandes für die Bearbeitung einer Einzelangelegenheit dies der Klägerin unverzüglich anzuzeigen und deren Entscheidung einzuholen hatte. Dass dieser Umstand allein nicht gegen die Einordnung als freier Mitarbeiter spricht, folgt bereits aus der naheliegenden Erwägung, dass die Klägerin ihrerseits Absprachen über den jeweiligen Mandatsumfang und die dabei entstehenden Kosten mit dem Mandanten treffen muss und auch für den Mandanten ein außergewöhnlich hoher kostenpflichtiger Zeitaufwand möglichst frühzeitig erkennbar sein muss.

b)

Soweit der Beklagte im Beschwerdeverfahren unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Sachvortrags ein enges fachliches Weisungsrecht der Klägerin im Hinblick auf die ihm übertragenen Arbeiten behauptet, fehlt diesem Vorbringen die erforderliche inhaltliche Substanz; insbesondere ist nicht ansatzweise nachvollziehbar dargetan worden, in welcher Weise und mit welchem Inhalt der Geschäftsführer der Klägerin auf die konkreten Arbeiten des Beklagten im Wege eines angenommenen Direktionsrechts inhaltlich-fachlich Einfluss genommen haben soll.

Entgegen der Darstellung des Beklagten vermag der Senat auch eine zeitliche Weisungsbindung nicht festzustellen. Es ist nicht streitentscheidend, ob der Geschäftsführer der Klägerin tatsächlich dem Beklagten die Weisung erteilt hat, täglich spätestens um 8.30 Uhr seine Arbeit aufzunehmen. Wie die zwischen den Parteien unstreitige Vertragspraxis belegt, hat die tatsächliche Durchführung des Vertrages keine ständige Präsenzpflicht des Beklagten während dieser Zeit ergeben. Hierzu wird vom Beklagten nicht in Abrede gestellt, dass sein Arbeitsbeginn im Zeitraum von Mai bis Juli 2000 zwischen den Anfangszeiten von 8.45 Uhr und 11.30 Uhr schwankte, so dass von einem regelmäßigem Beginn der Dienstleistung zu den von der Klägerin angeblich exakt vorgegebenen Tageszeiten nicht die Rede sein kann. Die vom Beklagten für diese Schwankungen gegebene Erklärung, die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses habe bereits festgestanden und er habe Zeit benötigt, um die Weiterführung seiner beruflichen Laufbahn innerhalb seiner eigenen Praxis zu organisieren, vermag nicht plausibel zu erläutern, wieso es ihm als angeblich festangestelltem und einem Direktionsrecht unterworfenem Arbeitnehmer nunmehr erlaubt gewesen sein soll, den Beginn der Arbeitszeit nach eigenem Belieben zu gestalten. Auch im übrigen fehlt es zum Beginn der täglichen Arbeitszeit an substantiiertem Vorbringen des Beklagten, der seinen Standpunkt zu anderen Gesichtspunkten stets sehr ausführlich dargelegt hat. Hierzu wird indessen nur vorgetragen, er sei regelmäßig spätestens ab ca. 9.00 Uhr in der Praxis der Klägerin anwesend gewesen. Diese Ausführungen belegen nicht nur, dass sich der Beklagte tatsächlich nicht an einen angeblich angeordneten Arbeitsbeginn um 8.30 Uhr gehalten hat, sondern zeichnen sich darüber hinaus durch eine eine Reihe allzu vager und unbestimmter Komponenten aus.

Die vom Beklagten nach der tatsächlichen Vertragspraxis für sich in Anspruch genommene Flexibilität hinsichtlich seiner Arbeitszeit wird auch durch die erheblichen Schwankungen bestätigt, die die vom Beklagten während eines Monatszeitraums erbrachten und der Klägerin in Rechnung gestellten Arbeitszeiten ausweisen. Nach Maßgabe der vom Beklagten der Klägerin übersandten Gebührenrechnungen, die jeweils auch nach der Steuerberatergebührenverordnung abgefasst und spezifiziert sind und deren Richtigkeit hinsichtlich der Stundenzahlen vom Beklagten nicht in Abrede gestellt worden ist, bewegen sich die vom Beklagten abgerechneten Stundenzahlen innerhalb einer Spanne von 62,5 Stunden bis zu 249,25 Stunden je Monat.

Dies unterstreicht die Richtigkeit der Annahme einer freien Zeiteinteilung des Beklagten und stimmt schließlich auch mit der Handhabung der Urlaubsregelung überein, der ebenfalls Bedeutung bei der Einordnung des Vertragsverhältnisses zuzumessen ist. Denn der Beklagte bedurfte für den Antritt von Erholungsurlaub unstreitig keiner Genehmigung der Klägerin,;er hat dieser lediglich mitgeteilt und gemeldet, wann er Urlaub nehmen werde. Dass der Beklagte seinen Urlaub mit anderen bei der Klägerin tätigen (freien) Mitarbeitern abstimmte, macht den Beklagten ersichtlich nicht zum Angestellten der Klägerin, weil die bloße Abstimmung mit Dritten kein Weisungsrecht der Klägerin begründete, sondern allenfalls im wohlverstanden Eigeninteressen des Beklagten erfolgte.

Aus alle dem ergibt sich für die Beurteilung durch den Senat, dass der Beklagte nicht verpflichtet war, der Klägerin seine gesamte Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Vielmehr sollte der Beklagte weiter in der Lage sein, als Steuerberater die von ihm unstreitig betriebene eigene Praxis fortzuführen. Dies belegen auch die in der Zeit von 1996 bis zum Ende des ersten Quartals 2000 erwirtschafteten stei-genden Umsatzzahlen aus der Einzelpraxis des Beklagten, in der er ab 1997 bereits weitere Mitarbeiter beschäftigte (dazu nachfolgend unter 3.).

c)

Auch die vom Beklagten umfangreich vorgetragenen Schilderungen der weiteren Arbeitsabläufe bei der Auftragserledigung für die Klägerin führen zu keiner der Auffassung des Beklagten günstigeren Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Die vom Beklagten behauptete sog. Arbeitszuweisung durch den Geschäftsführer der Klägerin schließt seine Einordnung als freiberuflicher Mitarbeiter nicht aus und begründet keine Arbeitnehmerstellung. Nach seiner eigenen Darstellung war der Beklagte in der Auftragsabwicklung frei. Dass eingehende Mandate auf die zur Verfügung stehenden Mitarbeiter verteilt werden müssen, ist ein typisches Merkmal freiberuflicher und damit auch steuerberatender Tätigkeit. Diese Aufgabe steht regelmäßig der Geschäftsführung zu und gehört nicht zum Aufgabenbereich eines jeden Mitarbeiters. Der Aufgabenbereich auch eines freiberuflich tätigen Mitarbeiters ist nicht dadurch gekennzeichnet, dass er über den eigentlichen Gegenstand seiner Tätigkeit selbst entscheiden, sich also gleichsam die Arbeit nach eigenem Belieben frei aussuchen kann. Maßgeblich ist vielmehr die Art und Weise der Ausführung einmal übernommener Aufgaben.

Dass die Methode der Postverteilung bei der Klägerin die Arbeitnehmereigenschaft des beklagten Steuerberaters begründe, ist zumindest fernliegend. Die Feststellung, dass eingehende Post, die alle Mandate betreffen kann oder auch sogar unternehmseigene Vorgänge, zunächst von einem der verantwortlichen Geschäftsführer durchgesehen wird, ist für die rechtliche Beurteilung des Vertragsverhältnisses zwischen der Klägerin und dem Beklagten ohne Bedeutung; denn es ist eine wenig plausible Annahme, dass der Beklagte nur dann freier Mitarbeiter gewesen wäre, wenn ihm die gesamte Post zugänglich gemacht worden wäre.

Dass die an einen Mandanten adressierte Post von einem der Geschäftsführer mit unterschrieben wird, ist nach Auffassung des Senats gleichfalls kein entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer Arbeitnehmereigenschaft des beklagen Steuerberaters. Maßgeblich ist - wie bereits mehrfach ausgeführt - , ob der Beklagte gegenüber seinem Vertragspartner die zu erledigenden Arbeiten frei ausführt, nicht indessen, ob ein Mitarbeiter gegenüber der Mandantschaft völlig selbstständig auftritt. Insoweit wird die freiberufliche Tätigkeit des Beklagten auch nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass der Geschäftsführer Vorgaben hinsichtlich der Reihenfolge der zu bearbeitenden Mandate gemacht haben mag, zumal die Erledigung von Steuerangelegenheiten zum einen fristgebunden und zum anderen auch von den Vorgaben des Auftraggebers, also der Mandanten, abhängig ist. Richtigerweise geht es im Streitfall nicht um die Klärung der Frage, ob der Beklagte über die rechtlichen Kompetenzen und die tatsächliche Stellung verfügte, die der eines Geschäftsführers entspricht; entscheidend ist vielmehr die Qualifizierung seines Mitarbeiterstatus im Rahmen der Tätigkeit für die Klägerin.

d)

Dass die Mitarbeit des Beklagten bei der Klägerin sich als Teil seiner selbstständigen unternehmerischen Tätigkeit als Steuerberater darstellt, wird im übrigen durch weitere Umstände bestätigt. Der Beklagte selbst hat stets die Auffassung vertreten, dass seine Tätigkeit während des hier maßgebenden Zeitraumes ab 01.07.1996 eine selbstständige Tätigkeit als freier Mitarbeiter ist. Das ergibt sich bereits als Absichtserklärung für die Zeit vor Abschluss des Vertrages vom 05.07.1996 aus einem dem Inhalt nach unstreitigen Ergebnisprotokoll über ein Gespräch zwischen Vertretern der Klägerin und dem Beklagten vom 21.05.1996. Darin ist festgehalten, dass der Beklagte zusätzlich eine eigene selbstständige Tätigkeit aufzubauen beabsichtigt und deshalb wünscht, ab 01.07.1996 als freier Mitarbeiter tätig zu sein.

Darüber hinaus hat der Beklagte aus Anlass der Problematik einer möglichen Scheinselbstständigkeit von Arbeitnehmern in einer schriftlichen Stellungnahme vom 23.03.1999 die Selbsteinschätzung festgehalten, dass er die Voraussetzungen eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers nicht erfülle. Er sei insbesondere nicht in die Arbeitsorganisation der Klägerin als eines Auftraggebers eingegliedert, da er die Zeit, die Dauer, den Ort und die Art der Arbeitsausführung selbst bestimmen könne; zudem beziehe er rund 25 % seiner Einnahmen von Dritten und erwarte im Jahre 1999 eine weitere Steigerung der privaten Einnahmen. Es bedarf keiner näheren Begründung, dass die Selbsteinschätzung des Beklagten nicht abschließend über die Rechtsfrage, ob seine Rechtsstellung als die eines freien Mitarbeiters oder Arbeitnehmers einzuordnen ist, entscheiden kann. Zudem ist diese Selbsteinschätzung durch die besondere Problematik des § 7 SGB IV veranlasst, dessen Neufassung auf dem Gesetz zur Förderung der Selbstständigkeit vom 20.12.1999 beruht. Die Vermutungsregelung in § 7 Abs. 4 SGB IV stellt Grundsätze zur Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit auf und enthält eine Klarstellung hinsichtlich des Amtsermitlungsgrundsatzes in der Sozialversicherung. Die Vermutungsregelung ist indessen auf die sozialversicherungsrechtliche Zuordnung beschränkt. Auch wenn die Vermutung nicht widerlegt wird, hat sie deshalb keine Bedeutung für das Arbeitsverhältnis. Gesetzestext und Entstehungsgeschichte bestätigen, dass die in § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB IV genannten Merkmale keine Bewertungskriterien für eine Neudefinition des Arbeitnehmerbegriffs darstellen (vgl. Richardi, in Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2000, § 24 Rz. 11 m. w. N.; Baumbach/Hopt, HGB, § 84 Rn. 35 jeweils m. w. N.).

Unbeschadet dieser Einschränkung ist die Selbsteinschätzung des Beklagten für die rechtliche Beurteilung gleichwohl von Bedeutung. Denn wie eingangs bereits dargelegt, ergibt sich der jeweilige Vertragstyp bei Abgrenzung zwischen einer selbstständigen Tätigkeit und einer Arbeitnehmereigenschaft aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Dieser wiederum folgt aus den getroffenen Vereinbarungen oder aus der tatsächlichen Durchführung des Vertrags. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, so ist letztere maßgebend. Auf der Grundlage der Selbsteinschätzung des Beklagten sind aber die im Vertrag von 05.07.1996 getroffenen Vereinbarungen, die auf das vorstehend erwähnte Gespräch vom 21.05.1996 zurückzuführen sind, und die tatsächliche Durchführung des Vertrages deckungsgleich.

Bei einer Gesamtwürdigung aller vom Beklagten vorgetragene Umstände vermag der Senat die für eine Arbeitnehmerstellung geforderte Weisungsbefugnis des Arbeitgebers in zeitlicher, örtlicher und fachlicher Hinsicht sowie eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Klägerin nicht festzustellen. Vielmehr sind die Umstände, die der Beklagte zur Begründung der behaupteten Arbeitnehmerstellung anführt, darunter auch die Arbeitsverteilung und das Anvertrauen von Überwachungsaufgaben hinsichtlich der Arbeitserledigung durch Dritte, für die Ausführung steuerberatender Tätigkeiten und einen entsprechenden Praxisbetrieb allgemein wesensgemäß und hinsichtlich der vorliegenden Abgrenzung nicht aussagekräftig.

3. Der Beklagte ist schließlich auch nicht als arbeitnehmerähnliche Person im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG anzusehen.

Nach der ständigen Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs unterscheiden sich die arbeitnehmerähnlichen Personen von den Arbeitnehmern durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, wobei vor allem die Eigenart der jeweiligen Tätigkeit zu berücksichtigen ist. Arbeitnehmerähnliche Personen sind wegen ihrer fehlenden Eingliederung in eine betriebliche Organisation und im wesentlichen freie Zeitbestimmung nicht im gleichen Maß persönlich abhängig wie Arbeitnehmer; an die Stelle der persönlichen Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit tritt das Merkmal der wirtschaftlichen Abhängigkeit. Ferner muss der wirtschaftlich Abhängige auch seiner gesamten sozialen Stellung nach einem Arbeitnehmer vergleichbar sozial schutzbedürftig sein (BAGE 66, 113, 116; BAG NJW 1996, 3293; BGH NJW 1999, 218, 220 jeweils m. w. N.).

Diese Voraussetzungen sind hier schon nach der vom Beklagten vorgetragenen Schilderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse nicht erfüllt. Gegen die wirtschaftliche Abhängigkeit des Beklagten spricht insbesondere der Umstand, dass er neben seinem Verdienst aus der Tätigkeit für die Klägerin über erhebliche anderweitige Einkünfte verfügte. Die Einkünfte aus der Tätigkeit für die Klägerin stellten gerade nicht seine alleinige Existenzgrundlage dar.

Ausweislich der Selbsteinschätzung des Beklagten vom 23.03.1999, deren Richtigkeit durch die von ihm in erster Instanz dargelegten Umsatzzahlen bestätigt wird, hat der Beklagte rund 25 % seiner Einnahmen von Dritten bezogen. Die Erheblichkeit seiner Einkünfte aus der selbstständigen unternehmerischen Tätigkeit als Steuerberater wird auch dadurch unterstrichen, dass der Beklagte nach seiner Darstellung bereits seit 1997 seinerseits einen freien Mitarbeiter für die Auftragserledigung in seiner Einzelpraxis beschäftigt hatte, den er seit dem 01.06.1999 als Arbeitnehmer anstellte, und er darüber hinaus ab Mitte 1999 zusätzlich durch einen weiteren freien Mitarbeiter unterstützt worden ist, er mithin im Bereich seiner eigenen Steuerberaterpraxis zwei Mitarbeiter beschäftigen konnte.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Mitarbeit des Beklagten bei der Klägerin lediglich als Teil seiner selbstständigen unternehmerischen Tätigkeit als Steuerberater dar. Seine Tätigkeit für die Klägerin hat sich damit nicht von der Betreuung eines Großmandats oder der Wahrnehmung eines umfangreichen Beratervertrags mit weitgehender Beanspruchung der Arbeitskraft unterschieden.

Schließlich fehlt es auch an der sozialen Schutzbedürftigkeit des Beklagten.

Der Beklagte war nicht gleich einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig. Seine Stellung entsprach nicht der eines angestellten Mitarbeiters. Der Beklagte war kein Berufsanfänger, der sich unter Anleitung und Aufsicht erfahrener Steuerberater oder anderer Mitarbeiter der Klägerin erst in die Materie einarbeiten sollte. Er hatte vielmehr von Beginn an selbstständig zu arbeiten und zwar im wesentlichen frei von fachlichen Weisungen, ohne dass ihm dem zeitlichen Umfang und der inhaltlichen Gestaltung nach die Ausführung der Tätigkeit im einzelnen vorgeschrieben gewesen wäre. Er war nicht vollständig in die Organisation der Klägerin eingebunden, und die Tätigkeit bei der Klägerin ließ in nennenswertem und im Laufe der Jahre auch erheblich zunehmendem Umfang eine anderweitige Berufsausübung in seiner Einzelpraxis zu. Deswegen war der Beklagte entgegen seiner Auffassung nicht vergleichbar mit angestellten Steuerberatern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Zulassung der weiteren Beschwerde bedurfte es nicht, weil die hier zu entscheidende Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung hat und weil der Senat mit seiner Entscheidung nicht von einer Entscheidung des BAG oder BGH abweicht (§ 17 a Abs. 4 GVG).

Beschwerdewert: 41.000,00 DM (1/3 des Hauptsachewertes).

Ende der Entscheidung

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