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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 03.04.2008
Aktenzeichen: 8 W 19/08
Rechtsgebiete: ZPO, GVG, EnWG, StromGVV, NAV, NDAV, GWB, BGB, Delegations-VO, Konzentrations-VO


Vorschriften:

ZPO § 29
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 5
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 37 Abs. 1
ZPO § 281
ZPO § 281 Abs. 2 Satz 4
GVG § 71 Abs. 1
GVG § 23 Nr. 1
EnWG § 36
EnWG § 37
EnWG § 42
EnWG § 102
EnWG § 102 Abs. 1
EnWG § 102 Abs. 1 Satz 1
EnWG § 102 Abs. 1 Satz 2
EnWG § 103
EnWG § 103 Abs. 1
StromGVV § 9
StromGVV § 19 Abs. 2
StromGVV § 22
NAV § 21
NAV § 21 Abs. 1 Satz 1
NAV § 24 Abs. 2
NAV § 24 Abs. 3
NDAV § 21
GWB § 87
BGB § 315
BGB § 315 Abs. 1
BGB § 315 Abs. 3
Delegations-VO § 1
Konzentrations-VO § 1 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Zuständig ist das Landgericht Köln.

Gründe:

Das zuständige Gericht ist gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu bestimmen, nachdem sich sowohl das Amtsgericht Euskirchen mit Beschluss vom 28.12.2007 (Bl. 23 GA), als auch das Landgericht Bonn mit Beschluss vom 21.02.2008 (Bl. 67-68 GA) und das Landgericht Köln mit Beschluss vom 07.03.2008 (Bl. 77-78 GA) für unzuständig erklärt haben (§§ 36 Abs.1 Ziffer 6, 37 ZPO). Zuständig ist das Landgericht Köln.

I.

Die Klägerin beliefert den Beklagten mit Energie. Mit der am 18.09.2007 (Bl. 1 GA) bei dem Amtsgericht Euskirchen eingereichten Klage nimmt sie ihn auf Duldung des Zutritts zu von ihm genutzten Räumlichkeiten sowie auf Duldung der Einstellung der dortigen Energieversorgung durch Ausbau des Stromzählers in Anspruch. Sie macht geltend, dass der Beklagte unberechtigt 11.240,21 € für Energieverbrauch nicht bezahlt habe und ihr daher ein Zurückbehaltungsrecht bezüglich weiterer Energielieferungen zustehe.

Nachdem es sowohl der Klägerin unter dem 12.10.2007 (Bl. 7 GA) als auch dem Beklagten unter dem 30.11.2007 (Bl. 23 GA) Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte, hat das Amtsgericht Euskirchen durch Beschluss vom 28.12.2007 (Bl. 23 GA) den Streitwert auf zwei Drittel der in Rede stehenden Summe (= 7.476,00 €) festgesetzt, sich gemäß §§ 71 Abs. 1, 23 Nr. 1 GVG für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Bonn verwiesen.

Unter dem 21.01.2008 (Bl. 36/36 GA) wies das Landgericht Bonn die Klägerin darauf hin, dass das Landgericht Köln für den Rechtsstreit örtlich zuständig sein dürfte gemäß §§ 102, 103 Abs. 1 EnWG (Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung - Energiewirtschaftsgesetz - Energiewirtschaftsgesetz) i.V.m. § 1 der Verordnung über die Ermächtigung des Justizministeriums zum Erlass von Rechtsverordnungen nach § 103 Abs. 1 EnWG (Delegations-VO - § 103 EnWG) vom 23. Mai 2006 (GV. NRW. S. 217) i.V.m. § 1 Nr. 3 der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten nach dem Energiewirtschaftsgesetz (Konzentrations-VO - § 103 EnWG) vom 24. Juli 2006 (GV. NRW. S. 388), weil der Beklagte mit Schreibens seines Vertreters vom 27.12.2007 (27 GA) "neben der Höhe des Tarifs auch die Transparenz (§ 42 EnWG) gerügt" (Bl. 36 GA) habe; es räumte der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme ein. Nachdem die Klägerin zunächst mit Schriftsatz vom 04.02.2008 (Bl. 40 GA) die Ansicht vertreten hatte, dass es sich hier um eine Auseinandersetzung im Zusammenhang mit einem individuellen Vertragsverhältnis handele, die keine Fragen aus dem Bereich des Energiewirtschaftsgesetzt berühre, hat sie mit Schriftsatz vom 05.02.2008 (Bl. 52 GA) gleichwohl die Verweisung an das Landgericht Köln beantragt. Auf richterlichen Hinweis vom 06.02.2008 (Bl. 53 GA) hat auch der Beklagte mit Schriftsatz vom 21.02.2008 (Bl. 64 GA) die Verweisung an das Landgericht Köln - Kammer für Handelssachen - beantragt. Mit Beschluss vom selben Tag (Bl. 67-68 GA) hat sich das Landgericht Bonn für örtlich und funktionell unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Köln - Kammer für Handelssachen - verwiesen.

Da sie die Voraussetzungen des § 102 Abs. 1 Satz 1 EnWG nicht als erfüllt ansah, hat sich die 10. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln mit Beschluss vom 07.03.2008 (Bl. 77-78 GA) für unzuständig erklärt und die Sache dem Oberlandesgericht Köln zur Entscheidung zur Bestimmung der Zuständigkeit gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vorgelegt.

II.

1. Das Oberlandesgericht Köln ist als nächst höheres gemeinschaftliches Gericht des Amtsgerichts Euskirchen sowie der Landgerichte Bonn und Köln zur Entscheidung des zwischen diesen Gerichten bestehenden Zuständigkeitsstreits berufen (§ 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO).

2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind gegeben.

a) Dass weder die Klägerin noch der Beklagte um die Bestimmung des zuständigen Gerichts nachgesucht haben, ist trotz des Wortlauts des § 37 Abs. 1 ZPO ("Gesuch") unschädlich. Der Senat hat sich in ständiger Rechtsprechung der u.a. vom Bundesgerichtshof geteilten Auffassung angeschlossen, wonach im Falle des Kompetenzkonflikts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 5 oder 6 ZPO - wie er auch hier gegeben ist - die Antragstellung einer Partei entbehrlich ist und die Vorlage durch eines der beteiligten Gerichte ausreicht (Nachweise bei Vollkommer in Zöller, 26. Auflage, 2007, § 37 Rn. 2).

b) Gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO wird das zuständige Gericht bestimmt, wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Solche Unzuständigkeitserklärungen liegen hier mit den Beschlüssen des Amtsgerichts Euskirchen vom 28.12.2007, des Landgerichts Bonn vom 21.02.2008 und des Landgerichts Köln vom 07.03.2008 ungeachtet einer eventuellen Bindungswirkung der Verweisungsbeschlüsse des Amtsgerichts Euskirchen oder des Landgerichts Bonn im Sinne von § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO vor, denn auch der Zurückverweisungsbeschluss des Landgerichts Köln vom 07.03.2008 ist grundsätzlich unanfechtbar und daher rechtskräftig im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (ebenso BayOblG, Beschluss vom 09.05.1990 - 1 ZR 45/90, NJW-RR 1991, 187).

3. Unter Zurückstellung von Bedenken wird zum örtlich zuständigen Gericht das Landgericht Köln bestimmt.

a) Bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind nicht nur allgemeine Zuständigkeitsvorschriften, sondern auch die verfahrensrechtlichen Bindungswirkungen (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO) und Zuständigkeitsverfestigungen (§ 261 Abs. 3 ZPO) zu beachten (ständige Rechtsprechung, Nachweise bei Vollkommer, a.a.O., § 36 Rn. 28 m.w.N.; ebenso BayOblG, Beschluss vom 09.05.1990 - 1 ZR 45/90, NJW-RR 1991, 187). Die Bindungswirkung des ersten Verweisungsbeschlusses wirkt daher auch im Bestimmungsverfahren fort (Vollkommer, ebd., m.w.N.), weshalb regelmäßig das Gericht als zuständig zu bestimmen ist, an das die Sache durch den ersten - bindenden - Verweisungsbeschluss gelangt ist (BayOblG, Beschluss vom 09.05.1990 - 1 ZR 45/90, NJW-RR 1991, 187). Dies ist hier das Landgericht Köln, an das das Landgericht Bonn den Rechtsstreit durch Beschluss vom 21.02.2008 mit Bindungswirkung hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit verwiesen hat, nachdem es selbst aufgrund der Verweisung durch das Amtsgericht Euskirchen nur hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit gebunden worden war.

b) Der Beschluss des Landgerichts Bonn vom 21.02.2008 ist für das Landgericht Köln bindend gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO. Er weist keine Mängel auf, die seiner Bindungswirkung entgegenstehen könnten.

aa) Der Beschluss des Landgerichts Bonn vom 21.02.2008 war mit Gründen versehen und ist den Parteien zugestellt worden.

bb) Allerdings kommt offenbar gesetzeswidrigen und offensichtlich unrichtigen Verweisungsbeschlüssen nach allgemeiner Ansicht keine Bindungswirkung zu (Vollkommer, a.a.O., § 36 Rn. 28 m.w.N.).

(1) Hierunter fallen insbesondere Verweisungsbeschlüsse, die unter Verletzung des Gebots des rechtlichen Gehörs oder des gesetzlichen Richters ergangen sind (ebd.). Dies ist vorliegend ersichtlich nicht der Fall, insbesondere hat das Landgericht Bonn den Parteien unter Hinweis auf seine Rechtsauffassung Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, worauf beide Parteien - die Klägerin mit Schriftsatz vom 06.02.2008, der Beklagte mit Schriftsatz vom 21.02.2008 - die Verweisung an das Landgericht Köln beantragt hatten.

(2) Darüber hinaus kann auch nicht festgestellt werden, dass der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Bonn auf objektiver Willkür beruht. Dies wäre der Fall, wenn er schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen angesehen werden könnte, also nicht etwa nur auf eventuell unrichtiger Rechtsanwendung beruhte, sondern jeder gesetzlichen Grundlage entbehrte (ständige Rechtsprechung, BGH, Beschluss vom 06.10.1993 - XII ARZ 22/93, NJW-RR 1994, 126 m.w.N.; BGH NJW 2002, 3634 ff.; Vollkommer, a.a.O., § 36 Rn. 28 m.w.N.). Obwohl der Senat erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Rechtsauffassung des Landgerichts Bonn zu der Frage der Vorgreiflichkeit des Energiewirtschaftsrechts hat, kann nicht festgestellt werden, dass der Rechtsauffassung des Landgerichts Bonn, die begründet worden ist, jede gesetzliche Grundlage fehlt.

(a) Die sachliche Zuständigkeit folgt in Fällen wie dem vorliegenden aus § 23 Nr. 1 GVG, die örtliche aus § 22 StromGVV (Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Elektrizität aus dem Niederspannungsnetz - Stromgrundversorgungsverordnung; entsprechende Regelungen in § 22 GasGVV <Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Gas aus dem Niederdrucknetz - Gasgrundversorgungsverordnung>) und § 29 ZPO (BGH NJW 2003, 3418; Vollkommer in Zöller, ZPO, 26. Auflage, 2007, § 29 Rn. 25 "Energieversorgungsverträge", m.w.N.).

Aus § 102 Abs. 1 EnWG ergibt sich keine ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts, wenn lediglich die Rechtsfolgen der Nichterfüllung von Zahlungsverpflichtungen des Kunden eines Energieversorgungsunternehmens im Streit stehen. Ein solcher Streit stellt keine bürgerliche Rechtsstreitigkeit im Sinne von § 102 Satz 1 EnWG dar, die sich aus dem Energiewirtschaftsgesetz ergibt, und die Entscheidung des Rechtstreits hängt auch nicht im Sinne von § 102 Satz 2 EnWG ganz oder teilweise von einer Entscheidung ab, die nach diesem Gesetz zu treffen ist (Senat, Beschlüsse vom 24.10.2007 - 8 W 80/07 - und 14.09.2007 - 8 W 75/07; ebenso LG Kassel, Urteil vom 10.05.2007 - 1 S 430/06, BeckRS 2007, 09957, LSK 2007, 410162).

(b) Ob sich die Rechtsstreitigkeit aus dem Energiewirtschaftsgesetz ergibt oder von einer hiernach zu entscheidenden Vorfrage abhängt, bestimmt sich nach dem prozessual geltend gemachten Anspruch, also dem Klagebegehren (ebenso LG Kassel, a.a.O.; für den Parallelfall des § 87 GWB: Karsten Schmidt in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Auflage, 2001, § 87, Rn. 9 m.w.N.). Begehrt ein Energieversorgungsunternehmen - wie auch hier - vor dem Hintergrund dargelegter Zahlungsrückstände des Kunden die Duldung des Zutritts zu seinen Räumlichkeiten zum Zwecke der Einstellung der Energieversorgung sowie des Ausbaus der Stromzähler, stehen damit weder die Grundversorgungspflicht des Energieversorgungsunternehmens (§ 36 EnWG) noch eventuelle Ausnahmen von der Grundversorgungspflicht (§ 37 EnWG) im Streit. Denn die §§ 36, 37 EnWG betreffen lediglich den Anspruch des Kunden gegen den Grundversorger auf Abschluss eines Versorgungsvertrages und damit ausschließlich das "Ob" eines Vertragsschlusses (Kontrahierungszwang), wohingegen sich die Einzelheiten der vertraglichen Ausgestaltung nach den Strom- und Gasgrundversorgungsverordnungen richten, die gemäß ihres jeweiligen § 1 Vertragsbestandteil der Versorgungsverträge mit dem Kunden werden, sowie ergänzend nach den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften, nicht aber nach dem Energiewirtschaftsgesetz (LG Kassel, a.a.O.). Seine Pflicht, den Gegner mit Energie zu beliefern, erkennt das Energieversorgungsunternehmen in einer solchen Konstellation - und so auch hier - nicht nur an. Es hat den Anspruch des Kunden auf einen entsprechenden Vertragsabschluss sogar bereits erfüllt, indem es mit ihm einen entsprechenden Belieferungsvertrag abschloss. Allerdings obliegt ihm die Belieferung nur nach den Allgemeinen Bedingungen für die Grundversorgung in Niederspannung und Niederdruck und unter Zugrundelegung der Allgemeinen Preise (§ 36 Abs. 1 Satz 1 EnWG). Das Energieversorgungsunternehmen ist nicht etwa verpflichtet die Grundversorgung kostenlos zu erbringen und muss auch Vertragsverletzungen des Kunden, insbesondere die Nichterfüllung von Zahlungsverpflichtungen, nicht rechtlos hinnehmen.

(c) Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sind die Rechte der Klägerin infolge eines behaupteten Zahlungsverzugs des Beklagten. Die Rechte des Energieversorgungsunternehmens im Falle einer Vertragsverletzung durch den Kunden finden ihre Grundlage nicht im Energiewirtschaftsgesetz, sondern - was das Recht auf Unterbrechung der Stromversorgung bei Nichterfüllung einer Zahlungsverpflichtung trotz Mahnung und Androhung anbelangt - in § 19 Abs. 2 StromGVV i.V.m. §§ 21 Abs. 1 Satz 1, 24 Abs. 2, 3 NAV (Verordnung über Allgemeine Bedingungen für den Netzanschluss und dessen Nutzung für die Elektrizitätsversorgung in Niederspannung - Niederspannungsanschlussverordnung; entsprechende Regelungen für die Gasversorgung in § 19 Abs. 2 GasGVV i.V.m. §§ 21 Abs. 1 Satz 1, 24 Abs. 2, 3 NDAV <Verordnung über Allgemeine Bedingungen für den Netzanschluss und dessen Nutzung für die Gasversorgung in Niederdruck - Niederdruckanschlussverordnung>). Die geltend gemachten Zutrittsrechte ergeben sich ebenfalls nicht aus dem Energiewirtschaftsgesetz, sondern, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind, aus den §§ 9 StromGVV, 21 NAV und 21 NDAV.

(d) Die Entscheidung des vorliegenden Rechtstreits hängt nach Auffassung des Senats - entgegen der Ansicht der 18. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - auch nicht ganz oder teilweise von einer Entscheidung ab, die nach dem Energiewirtschaftsgesetz zu treffen ist (§ 102 Abs. 1 Satz 2 EnWG). Hierfür müsste sie von einer Vorfrage abhängig sein, die - wäre sie Hauptfrage - unter § 102 Abs. 1 Satz 1 EnWG fiele; dabei ist das Merkmal der Vorgreiflichkeit streng zu handhaben (so für den Parallelfall des § 87 GWB: Karsten Schmidt, a.a.O., § 87, Rn. 24). An der Vorgreiflichkeit einer Frage, die nach dem Energiewirtschaftsgesetz zu entscheiden wäre, fehlt es hier zum einen, weil die Klägerin ihre Grundversorgungspflicht niemals bestritten, sondern im Gegenteil mit dem Beklagten einen Versorgungsvertrag abgeschlossen hat. Sie ist allerdings - wie dargelegt - nur verpflichtet, ihm Strom nach den Allgemeinen Bedingungen und Allgemeinen Preisen zu liefern und braucht eventuelle Vertragsverletzungen seinerseits nicht zu dulden.

Für eine strenge Auslegung der Norm sprechen auch Sinn und Zweck des § 102 EnWG. Die Vorschrift entspricht § 87 GWB (Begründung zu § 102 EnWG, BT-Drucks. 15/3917, S. 75) und dient damit wie diese Regelung der Vereinheitlichung der Rechtspflege durch Konzentration der zivilprozessualen energiewirtschaftsrechtlichen Rechtsstreitigkeiten bei bestimmten, besonders sachkundigen Gerichten und Spruchkörpern (Karsten Schmidt, a.a.O., vor § 87 Rn. 2, § 87 Rn. 1), unter Umständen - wie auch hier - bei einem Landgericht für mehrere Bezirke (§ 103 Abs. 1 EnWG). Dieser Konzentration bedarf es jedoch nur bezüglich Fragen, die von grundsätzlicher, über den einzelnen Fall hinausgehender Bedeutung sind. Hingegen erfordert es dieser Zweck gerade nicht, auch hinsichtlich individueller Streitigkeiten über einzelvertragliche Ansprüche die allgemeine streitwertabhängige Zuständigkeitsregelung außer Kraft zu setzen (ebenso LG Kassel, a.a.O.). Solche Rechtsstreitigkeiten sind sachgerecht bei den Amts- und Landgerichten vor Ort angesiedelt.

Dahingestellt bleiben kann, ob die Voraussetzungen des § 102 Abs. 1 Satz 2 EnWG erfüllt wären, wenn über die Frage der Billigkeit des Energiepreises gemäß § 315 Abs. 1 und 3 BGB zu entscheiden wäre. Denn das vorliegende Verfahren hat diese Frage nicht zum Gegenstand und unterscheidet sich hierdurch von anderen gerichtlichen Verfahren, deren Entscheidungen sich zur sachlichen Zuständigkeit der Amts- oder Landgerichte im Zusammenhang mit § 102 EnWG verhalten (z.B. Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 10.11.2005 - 7 O 116/05; weitere Nachweise bei Holling/Peters, ZNER 2007, 161, insbesondere in Fn. 13 und 18). Zu § 315 BGB mag mit gutem Grund die Auffassung vertreten werden können, dass diese Norm eine kartellrechtliche Vorfrage erfasst (vgl. Nachweise bei Holling/ Peters, a.a.O., Fn. 13); jedoch greift dieses Argument dann nicht, wenn es um die Nichterfüllung der Zahlungsverpflichtungen eines einzelnen Kunden geht. Dies ist nach Ansicht des Senates vorliegend ausschließlich der Fall, auch wenn der Beklagte mit Schreiben seines (nichtanwaltlichen) Prozessbevollmächtigten vom 27.12.2007 (Bl. 27-28 GA) eine "Klärung der zu hohen Konditionen" anmahnte, die "überzogen hohen Tarife" rügte und eine "Tarifauseinandersetzung" ankündigte. Im Kontext des Schreibens im Übrigen dürften diese Ausführungen eher dahin zu verstehen sein, dass sich der Beklagte über die Zuweisung einer für seine Verbrauchsmengen ungünstige Tarifklasse beschwert, er aber nicht die Preisbildung der Klägerin als solche, d.h. deren Allgemeine Preise (§ 39 EnWG), als unangemessen rügt. Hierfür spricht auch der Umstand, dass der anwaltliche Prozessbevollmächtigte des Beklagten nicht etwa die Preisbildung, sondern den angeblichen Mangel einer detaillierten und nachvollziehbaren Abrechnung rügt (Schriftsatz vom 20.02.2008, Bl. 71 GA).

Schließlich überzeugt es den Senat auch nicht, wenn das Landgericht meint, der Beklagte rüge auch die Transparenz der Stromrechnungen (§ 42 EnWG). Es ist schon fraglich, ob § 42 EnWG überhaupt eine Entscheidung betrifft, die "nach diesem Gesetz zu treffen ist" (§ 102 Abs. 1 Satz 2 EnWG). Jedenfalls betrifft § 42 EnWG die Transparenz der Stromrechnung aber nur insoweit als es Informationen zum Energieträgermix, zu den Umweltauswirkungen und dem Entgelt für den Netzzugang betrifft. Dem gegenüber scheint der nichtanwaltliche Prozessbevollmächtigte des Beklagten in seinem Schreiben vom 27.12.2007 doch eher rügen zu wollen, dass dem Beklagten, der angeblich einen "Anspruch auf absolute Transparenz" habe, nicht die Daten der letzten Zählerablesung zur Verfügung gestellt worden sind.

(e) Obgleich sich der Senat nach alledem nicht der Auffassung der 18. Zivilkammer des Landgerichts Bonn anzuschließen vermag, kann diese Auffassung doch nicht als objektiv willkürlich qualifiziert werden. Denn das Gericht hat sich mit dem Gesetzestext einerseits und den Einlassungen des Beklagten andererseits auseinandergesetzt und seine Auffassung ist auch nicht schlechterdings unvertretbar.

c) Einer bindenden Verweisung durch das Landgericht Bonn steht auch nicht die Verweisung durch das Amtsgericht Euskirchen entgegen.

Zwar entfaltete auch der Beschluss des Amtsgerichts Euskirchen vom 28.12.2007 Bindungswirkung gemäß § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO, dies aber nur hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit (Amtsgericht/Landgericht) und nicht hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit (Köln/Bonn), die hier durch § 1 der Delegations-VO - § 103 EnWG - vom 23.05.2006 (GV. NRW. S. 217) i.V.m. § 1 Nr. 3 der Konzentrations-VO - § 103 EnWG - vom 24.07.2006 (GV. NRW. S. 388) geregelt wird. Die örtliche Zuständigkeit hat das Amtsgericht mangels anderweitiger Hinweise, insbesondere mangels jedweder in dieser Richtung zielende Ausführungen in den Gründen seines Beschlusses, weder geprüft noch bedacht. Auf weitere Zuständigkeitsfragen als die, hinsichtlich der verweisendes und aufnehmendes Gericht konkurrieren, erstreckt sich die Bindungswirkung aber nur, wenn das verweisende Gericht sie ebenfalls geprüft und bei seiner Entscheidung bedacht hat (Greger, in Zöller, a.a.O., § 281 Rn. 16a m.w.N.). Fehlt es hieran, dann bindet die Verweisung wegen sachlicher Unzuständigkeit nicht hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit und umgekehrt (ebd.). So liegt es, wie dargestellt, hier.

Ende der Entscheidung

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