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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 23.03.2005
Aktenzeichen: 8 W 4/05
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 45 | |
ZPO § 348 | |
ZPO § 348 a | |
ZPO § 572 |
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS
In dem Rechtsstreit
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die am selben Tage bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde des Beklagten vom 21. Januar 2005 gegen den ihm am 11. Januar 2005 zugestellten Beschluss der 21. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 21. Dezember 2004, durch den das Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden Richter am Landgericht S für unbegründet erklärt worden ist,
am 23. März 2005
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe:
Die gemäß § 46 Abs. 2, §§ 567 ff. ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht (§ 569 Abs. 1 ZPO) eingelegte sofortige Beschwerde ist unbegründet. Der Beklagte hat einen Grund, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten Richters zu rechtfertigen, nicht glaubhaft gemacht.
1. Nachdem die Zivilkammer durch Beschluss des Kollegiums vom 4. März 2005 dem Rechtsmittel des Beklagten nicht abgeholfen und die Sache (erneut) dem Oberlandesgericht vorgelegt hat, liegt nunmehr eine ordnungsgemäße Abhilfeentscheidung des erstinstanzlichen Gerichts vor. Der frühere, allein vom Einzelrichter getroffene Nichtabhilfebeschluss vom 31. Januar 2005 entsprach in einem wesentlichen Punkt nicht den Vorgaben der Zivilprozessordnung, weshalb die Akten zunächst zur Herbeiführung einer ordnungsgemäßen Abhilfeprüfung an das Landgericht zurückzugeben waren.
Die angefochtene Entscheidung vom 21. Dezember 2004, mit der das Befangenheitsgesuch gegen den Vorsitzenden der Zivilkammer als Einzelrichter für unbegründet erklärt worden ist, hat zutreffend die Kammer - d. h. das Kollegium, dem der abgelehnte (Einzel-)Richter angehört - getroffen. Nach § 45 Abs. 1 ZPO entscheidet über das Ablehnungsgesuch das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung. Wird also - wie hier - das Mitglied eines Kollegialgerichts wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, so ist zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch das Kollegium ohne das abgelehnte Mitglied berufen; das gilt auch dann, wenn für den konkreten Rechtsstreit nicht das Kollegium, sondern der Abgelehnte als Einzelrichter gemäß §§ 348, 348a ZPO zuständig ist (vgl. Zöller, ZPO 25. Aufl. § 45 Rdn. 2).
Hat aber über einen Befangenheitsantrag das Kollegium entschieden und legt die antragstellende Partei hiergegen sofortige Beschwerde ein, dann muss auch über die Abhilfefrage das an der angefochtenen Entscheidung beteiligte Kollegium insgesamt und nicht nur, wie hier zunächst geschehen, eines seiner Mitglieder als Einzelrichter befinden. Das folgt schon aus dem Wortlaut des § 572 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wonach "das Gericht" - also der Einzelrichter, Spruchkörper oder Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird (vgl. Musielak/Ball, ZPO 4. Aufl. § 572 Rdn. 1; Gehrlein MDR 2003, 547, 552) - für die Entscheidung über Abhilfe oder Vorlage der Akten an das Beschwerdegericht zuständig ist, ergibt sich aber auch aus Sinn und Zweck des Abhilfeverfahrens als einer Selbstkontrolle des erstinstanzlichen Gerichts (vgl. dazu Musielak/Ball aaO), die notwendigerweise nur durch alle beteiligten Richter gemeinsam und nicht lediglich durch einen von ihnen allein erfolgen kann.
Diese Entscheidung hat die Zivilkammer nunmehr mit Beschluss vom 4. März 2005 nachgeholt und nach erneuter Nichtabhilfe die Akten wiederum dem erkennenden Senat zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde vorgelegt. Der Senat hat es für erforderlich erachtet, vor der Entscheidung über das Rechtsmittel zunächst auf eine ordnungsgemäße Abhilfeprüfung durch die Kammer hinzuwirken. Zwar wird in Rechtsprechung und Literatur durchweg die Meinung vertreten, die ordnungsgemäße Durchführung des Abhilfeverfahrens sei nicht Verfahrensvoraussetzung des Beschwerdeverfahrens, das Beschwerdegericht könne daher auch nach fehlerhafter oder unzulässiger Nichtabhilfe selbst in der Sache entscheiden (vgl. Zöller/Gummer aaO § 572 Rdn. 4; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO 26. Aufl. § 572 Rdn. 11; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 63. Aufl. § 572 Rdn. 10; Gehrlein aaO, jeweils m. weit. Nachw.). Das Beschwerdegericht kann aber auch - insbesondere in bei gänzlich fehlender oder nicht begründeter Nichtabhilfeentscheidung - das Verfahren zur ordnungsgemäßen Abhilfeprüfung an die Ausgangsinstanz zurückgeben (vgl. Zöller/Gummer aaO § 572 Rdn. 4; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann aaO, jeweils m. weit. Nachw.; enger - "in der Regel nicht" - BayObLG FamRZ 1996, 1023). Unabgängig davon, ob die hier zunächst gegebene Situation einer Nichtabhilfeentscheidung durch den Einzelrichter an Stelle des zuständigen Kollegiums dem Fall der völlig fehlenden Nichtabhilfeentscheidung zumindest gleichzustellen ist oder von einer "bloß fehlerhaften" Nichtabhilfeentscheidung auszugehen ist, hält der Senat es für geboten, in einer solchen Situation vor einer eigenen Sachentscheidung auf die Befassung des zuständigen erstinstanzlichen Gerichts mit dem Rechtsmittel hinzuwirken, weil sonst der mit der Abhilfeprüfung verfolgte Zweck der Eigenkontrolle leer liefe. Ob in Eilfällen anderes zu gelten hat, kann hier dahin stehen, weil ein solcher Fall nicht vorliegt.
2. In der Sache selbst hat das Rechtsmittel des Beklagten keinen Erfolg. Zu Recht und aus zutreffenden Erwägungen ist die Zivilkammer davon ausgegangen, dass kein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Vorsitzenden Richters am Landgericht S zu rechtfertigen. Das Beschwerdevorbringen gibt zu einer abweichenden Betrachtung keine Veranlassung.
Misstrauen gegen eine unparteiliche Amtsausübung des Richters können grundsätzlich nur solche - objektiven - Gründe rechtfertigen, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO aaO § 42 Rdn. 9). Derartige Gründe ergeben sich hier indes weder aus der bisherigen Verfahrensleitung durch den abgelehnten Richter noch aus seiner dienstlichen Äußerung vom 24. November 2004 zu dem Ablehnungsgesuch. Insoweit nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholung Bezug auf die richtigen Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung. Die Beschwerdeangriffe geben lediglich Veranlassung zu folgenden ergänzenden Hinweisen:
Zwar wird, wie der Beklagte im Ausgangspunkt mit Recht rügt, die Sachdarstellung in der dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters vom 24. November 2004, der Sachverhalt sei zwischen den Parteien unstreitig, streitig sei allein die Höhe des Schmerzensgeldanspruchs, dem Sach- und Streitstand nach Aktenlage nicht gerecht. Ausweislich der Klageerwiderung vom 20. Oktober 2003 ist insbesondere das Ausmaß der Verletzungsfolgen, die der Kläger seinem Vorbringen zufolge durch den streitgegenständlichen Vorfall erlitten hat, zwischen den Parteien umstritten. Danach bestreitet der Beklagte - neben den psychischen Folgeschäden - insbesondere, dass der Kläger durch den Faustschlag die in der Klageschrift angeführten Verletzungen erlitten hat, soweit diese über eine Jochbein- sowie eine Nasengerüst - Trümmerfraktur links und eine Septumfraktur hinausgehen. Bei dieser Sachlage kann von einem "unstreitigen Sachverhalt" nur mit Einschränkungen die Rede sein. Es geht im Rechtsstreit nicht allein darum, welches Schmerzensgeld die vom Kläger vorgebrachten Schäden rechtfertigen, sondern auch um das zugrunde liegende Schadensausmaß überhaupt.
Des weiteren beanstandet der Beklagte im Ansatz zu Recht den in der dienstlichen Äußerung formulierten Rückschluss aus der Wahrscheinlichkeit des Klagevorbringens auf die Erfolgsaussicht seiner Rechtsverteidigung. Dass die Rechtsverteidigung des Beklagten "nicht aussichtsreich" sein soll, weil die Höhe des vom Kläger begehrten Schmerzensgeldes "nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit" liege, stellt eine rechtlich fehlerhafte Verknüpfung zweier Gesichtspunkte dar, worauf der Senat bereits mit Beschluss vom 12. November 2004 (8 W 27/04) im Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahren hingewiesen hat. Einer Rechtsverteidigung kann sowohl denkgesetzlich als auch aus Rechtsgründen nicht allein deshalb die Erfolgsaussicht abgesprochen werden, weil das Klagebegehren nicht von vornherein unwahrscheinlich ist.
Diese Umstände geben indes aus der Sicht einer ruhig und vernünftig denkenden Partei weder allein noch in der Gesamtschau hinreichenden Anlass, an der Unvoreingenommenheit des abgelehnten Richters zu zweifeln. Hierbei ist mit dem Landgericht davon auszugehen, dass die Befangenheitsablehnung grundsätzlich kein Instrument zur Fehler- und Verfahrenskontrolle darstellt (vgl. Zöller/Vollkommer aaO § 42 Rdn. 28 m. Rechtsprechungsnachweisen). Verfahrensverstöße im Rahmen der Prozessleitung, fehlerhafte Entscheidungen oder Rechtsauffassungen vermögen daher ebenso wenig wie etwa Verstöße gegen die Denkgesetze die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Mit dem Landgericht und entgegen der Auffassung des Beklagten ist auch davon auszugehen, dass die Frage, ob ein Sachverhalt unstreitig ist, den Bereich der rechtlichen Bewertung betrifft, mögen dieser Wertung auch - worauf der Beklagte in der Beschwerdebegründung abstellt - Tatsachen zugrunde liegen. Umstände, die die Annahme rechtfertigen könnten, die dargestellten Rechtsanwendungsfehler könnten auf persönlicher Voreingenommenheit des abgelehnten Richters oder gar auf Willkür beruhen, sind weder glaubhaft gemacht noch überhaupt sonst ersichtlich.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (vgl. Zöller/Vollkommer aaO § 46 Rdn. 20; Zöller/Herget aaO § 91 Rdn. 13 Stichwort "Richterablehnung").
Streitwert: 40.000,00 €
Ende der Entscheidung
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