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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 30.03.2007
Aktenzeichen: 81 Ss 38/07
Rechtsgebiete: StPO, SGB I


Vorschriften:

StPO § 335 Abs. 1
StPO § 344 Abs. 1
StPO § 354 Abs. 1
SGB I § 60 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Der Angeklagte wird freigesprochen.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:

Die Generalstaatsanwaltschaft hat zur Begründung ihres Antrags ausgeführt:

"I.

Gegen den Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Siegburg vom 05.12.2006 207 Ds 404/06 (Bl. 94 R, 98 f. d. A.) wegen Betrugs eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10,00 Euro verhängt worden.

Hiergegen hat der Angeklagte mit Telefax seiner Verteidigerin vom 12.12.2006, laut Telefaxleiste in der Kanzlei abgesandt am selben Tage, Revision eingelegt (Bl. 95 d. A.) und diese nach Zustellung des Urteils an den Angeklagten am 02.01.2007 (Bl. 100, 100 R d. A.) und an die Verteidigerin am 04.01.2007 (Bl. 102 d. A.) mit weiteren Schriftsätzen der Verteidigerin vom 04. und 05.01.2007 mit der Verletzung materiellen Rechts begründet (Bl. 103 ff. d. A.).

II.

Das Rechtsmittel ist als Sprungrevision gemäß § 335 Abs. 1 StPO statthaft und fristgerecht eingelegt worden.

Der Zulässigkeit steht auch nicht entgegen, dass der Angeklagte einen bestimmten Antrag im Sinne von § 344 Abs. 1 StPO nicht gestellt hat. Das Fehlen des Antrages ist unschädlich, wenn das Ziel der Revision aus dem Inhalt der Revisionsschrift eindeutig hervorgeht (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 49. Auflage, § 344, Rdz. 2 m. w. N.). Dies ist vorliegend der Fall, da der Angeklagte erkennbar eine Urteilsaufhebung erstrebt.

Die Revision ist auch begründet.

Die Sachrüge führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Freisprechung des Angeklagten, da der Schuldspruch materiell-rechtlicher Nachprüfung nicht standhält.

Das Amtsgericht hat insoweit Folgendes festgestellt:

"Der Angeklagte bezog in der Zeit vom 05.11.2001 bis 17.06.2002 Arbeitslosenunterstützung in Höhe von insgesamt 6.694,61 Euro. Er hatte den Antrag auf Arbeitslosengeld in I. am 15.11.2001 gestellt und dabei mit Unterschrift versichert, dass seine Angaben im Antrag zutreffen. Als persönliche Daten hat der Angeklagte angegeben, er heiße mit Familienname T. und mit Vorname B.. Diese Angaben zur Person waren falsch, was der Angeklagte auch wusste. Außer der Arbeitslosenunterstützung in Höhe von annähernd 6.700,- Euro im genannten Zeitraum zahlte die Agentur für Arbeit in C. Beiträge für den Angeklagten zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 1.502,80 €. Insgesamt hat also die Agentur für Arbeit an die Person des Angeklagten 8.197,41 Euro ausgezahlt."

Der Angeklagte hat sich ausweislich der Urteilsgründe wie folgt eingelassen:

"Der Angeklagte gesteht zu, er sei unter der Agentur für Arbeit unter falschem Namen aufgetreten und habe auch unter falschem Namen gelebt. Hintergrund seien politische Gründe bei einer drohenden Abschiebung in sein Heimatland. Dort habe er wegen Gefahr für sein Leib und Leben seine Personenidentität verschleiern müssen. Der Angeklagte lässt die rechtliche Auffassung vortragen, er habe keinen Betrug begangen, weil die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld vorgelegen hätten. Er habe in der Zeit vom 06.07.2000 bis 31.10.2001 als Helfer bei einer Baufirma gearbeitet und sei aus betrieblichen Gründen arbeitslos geworden. Er habe also den Anspruch auf Arbeitslosengeld für seine Person gehabt, auch wenn er unter falschem Namen aufgetreten sei."

Zu der Einlassung des Angeklagten hat das Amtsgericht ausgeführt:

"Die vorgetragene rechtliche Ansicht des Angeklagten ist nach Auffassung des Gerichts unzutreffend. Der Name einer Person, in Verbindung mit den Geburtsdaten identifiziert und kennzeichnet die Person des Anspruchsstellers. Der Name einer Person, der in den Datenträgern gespeichert wird, dient auch dazu, dass nicht ein und derselbe Mensch unter Auftritt verschiedener Namen soziale Leistungen vom Staat erhält. Wer dies bezüglich falsche Angaben macht, hat keinen Anspruch, hier auf Arbeitslosengeld. Das wusste der Angeklagte auch, er hat diesbezüglich die Richtigkeit seiner Angaben versichert. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass der Angeklagte bei Angabe seiner richtigen Personalien ebenfalls den Anspruch gehabt hätte, weil dieser Fall nicht zur Entscheidung ansteht.

Der Angeklagte hat die Agentur für Arbeit durch falsche Angaben getäuscht und dadurch Geldleistungen erwirkt, auf die er keinen Anspruch hatte. Die Tatumstände waren dem Angeklagten bekannt, wenn er glaubte, sich nicht strafbar zu machen, so war dieser Irrtum unbeachtlich."

Nach den Urteilsfeststellungen ist bereits der objektive Tatbestand des Betruges nicht erfüllt, weil es an dem Tatbestandsmerkmal des Schadens fehlt.

Bei der Erschleichung öffentlicher Leistungen, auf die nur unter bestimmten Leistungen (Senat: Voraussetzungen) ein Anspruch besteht, liegt ein Schaden vor, wenn die Leistung erbracht wird, ohne dass die Anspruchsvoraussetzungen gegeben sind (vgl. Cramer in Schönke/Schröder, StGB, 27. Auflage, Rdz. 104a zu § 263). In der Person des Angeklagten waren die Voraussetzungen für einen Anspruch aufgrund seiner vorangegangenen Erwerbstätigkeit ... erfüllt.

Dass er sich bei der Antragstellung eines falschen Namens bediente, änderte hieran nichts, weil gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I lediglich die Tatsachen anzugeben sind, die für die Leistung erheblich sind. Hierzu dürften insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse zählen, nicht jedoch der Name des Anspruchstellers.

Die Angabe des Namens dient, dies hat das Amtsgericht insoweit zutreffend festgestellt, lediglich der Vermeidung evtl. Doppelzahlungen. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte eine Doppelzahlung erwirken wollte, enthalten die Urteilsgründe nicht.

Zudem hatte der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen bereits die Erwerbstätigkeit unter dem falschen Namen "T." ausgeübt und in der Bundesrepublik Deutschland ausschließlich unter diesem Namen gelebt. Der Name "T." ist somit zum Identitätsmerkmal des Angeklagten geworden, sodass Zweifel daran bestehen, ob er über seine Identität und damit über die in seiner Person entstandenen Anspruchsvoraussetzungen überhaupt getäuscht hat (vgl. BGH, NStZRR 1997, 358 f. [359]).

Ungeachtet des zuvor Ausgeführten sind die Urteilsgründe hinsichtlich des Vorliegens des subjektiven Tatbestandes unvollständig.

Soweit das Amtsgericht hierzu ausführt, dem Angeklagten sei bekannt gewesen, dass er aufgrund der Angabe des falschen Namens einen Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht gehabt habe und ein entsprechender Irrtum über die Strafbarkeit sei unbeachtlich (Bl. 99 d. A.), hat es sich im Folgenden weder mit der in dieser Hinsicht bestreitenden Einlassung des Angeklagten auseinandergesetzt, noch die Annahme des Vorsatzes hinsichtlich der Rechtswidrigkeit des angestrebten Vermögensvorteils begründet.

Die Aufhebung des angefochtenen Urteils bedingt vorliegend die Freisprechung des Angeklagten. Es ist auszuschließen, dass in einer neuen Verhandlung noch Feststellungen getroffen werden könnten, die geeignet sind, ein strafrechtlich relevantes Handeln des Angeklagten zu belegen. Der Sachverhalt ist, wie die Urteilsgründe erkennen lassen, vielmehr bereits durch die Einlassung des Angeklagten in tatsächlicher Hinsicht abschließend geklärt. Es steht daher nicht zu erwarten, dass eine erneute Beweisaufnahme weitergehende Erkenntnisse erbringen könnte. Der Senat ist deshalb gemäß § 354 Abs. 1 StPO berechtigt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils auf Freispruch zu erkennen (vgl. MeyerGoßner, StPO, 49. Auflage, § 354 Rn. 3)."

Dem stimmt der Senat zu (vgl. zur Rechtslage auch AG Bremen NStZ-RR 2005, 342).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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