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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 16.10.2007
Aktenzeichen: 82 Ss 154/07
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 242
StGB § 244
StGB § 244 Abs. 1 Nr. 1
StGB § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a
StGB § 250
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Aachen zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls mit Waffen in 2 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.

Zum Schuldspruch hat das Amtsgericht Folgendes festgestellt:

"Nachdem der Angeklagte zuvor Amphetamin zu sich genommen hatte, entwendete der Angeklagte am Morgen des 16.11.2006 aus auf dem S-Platz in B abgestellten Pkw des Geschädigten D C aus Langeweile ein Navigationsgerät Typhoon im Wert von 300,00 Euro, indem er auf nicht weiter aufklärbare Weise in das Fahrzeuginnere gelangte. Gegen 2.17 Uhr setzte sich der Angeklagte sodann auf den Fahrersitz des in der T-Straße in B abgestellten Pkw des Typ Mazda MX 5 mit dem damaligen amtlichen Kennzeichen XX-XX XXX der Geschädigten K J und entwendete wiederum aus Langeweile aus dem Fahrzeuginneren zwei Ohrringe, drei CDs und eine Sonnenbrille, indem er diese Gegenstände in seine Kleidung bzw. den von ihm mitgeführten Rucksack steckte. Zudem zog er das Autoradio aus dem Schacht und durchwühlte das Handschuhfach des Fahrzeugs. Der Angeklagte beabsichtigte hierbei in beiden Fällen, die entwendeten Gegenstände für sich zu behalten. Im Rucksack des Angeklagten befanden sich zu diesem Zeitpunkt zwei Messer, da der Angeklagte geplant hatte, gegebenenfalls auch ein Fahrradschloss zu knacken."

Zur rechtlichen Würdigung heißt es im amtsgerichtlichen Urteil u.a.:

"... Der Angeklagte beabsichtigte hierbei, die Gegenstände für sich zu behalten und handelte daher in der Absicht, sich die weggenommenen Sachen rechtswidrig zuzueignen.

Wie dem Angeklagten auch im Zeitpunkt seiner Taten bewusst war, führte er während der Taten zudem jeweils andere gefährliche Werkzeuge im Sinne von § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a StGB bei sich, denn in seinem Rucksack befanden sich nach seiner Einlassung in der Hauptverhandlung zwei Messer. Messer sind hierbei als gefährliche Werkzeug anzusehen. Als solche werden in § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a StGB objektiv gefährliche Tatmittel erfasst, die nach ihrer objektiven Beschaffenheit und der Art ihrer Benutzung im konkreten Einzelfall geeignet sind, erhebliche Verletzungen zuzufügen. Dementsprechend sind Messer in der Rechtsprechung sowohl zu § 250 StGB als auch zu § 244 StGB bisher durchgängig als gefährliche Werkzeuge angesehen worden (vgl. nur BGH NStZ-RR 2005, 340 ff., BGH NStZ-RR 2001, 41; BayObLG NStZ-RR 2001, 202). Dieser Auffassung schließt sich auch das erkennende Gericht an. Nach Ansicht des Gericht kann dabei entgegen einer verbreiteten Auffassung auch dahinstehen, ob es sich bei den vom Angeklagten mitgeführten Messer um "kleinste Taschenmesser" oder "größere Messer" handelte. Diese vom Bundesgerichtshof in seiner neueren Rechtsprechung ausdrücklich offen gelassene Frage (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 340 ff.) ist vielmehr dahingehend zu entscheiden, dass auch konstruktionsbedingt nicht zur Verletzung von Personen bestimmte Werkzeuge gefährliche Werkzeuge im Sinne von § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. A StGB sein können (ebenso OLG Schleswig-Holstein NStZ 2004, 212 ff.; BayObLG NStZ-RR 2001, 202). Dafür spricht zum einen, dass § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a StGB nach seinem Wortlaut insoweit keine subjektive Eingrenzung in Bezug auf die Gefährlichkeit des Werkzeuges enthält. Auch die Systematik des § 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB legt dies nahe, da hiernach der Begriff des gefährlichen Werkzeuges neben dem ebenfalls rein objektiven Begriff der Waffe und dem Begriff des sonstigen Werkzeuges, das in Verwendungsabsicht mitgeführt wird, gegenüber gestellt wurde. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass bei der Auslegung des Begriffs des gefährlichen Werkzeuges auch die erhebliche Strafrahmenschärfung von § 242 StGB zu § 244 StGB zu berücksichtigen ist. Für eine einschränkende Auslegung des § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a StGB besteht jedoch jedenfalls dort kein Bedürfnis, wo - wie im vorliegenden Fall - ein abstrakt gefährlicher Gegenstand, wie es eben auch kleinere Messer sind, beisichgeführt wird, da gerade die potentielle Gefährlichkeit dieses Gegenstandes und nicht erst seine geplante oder übliche Verwendung nach dem Willen des Gesetzgebers die Strafschärfung rechtfertigen soll. Entgegen der Auffassung der Verteidigung kommt es im übrigen nach Ansicht des Gerichts jedenfalls bei abstrakt gefährlichen Gegenständen auch nicht darauf an, ob der Täter sich deren Verwendung im Sinne eines inneren Verwendungsvorbehaltes oder einer konkreten Gebrauchsabsicht vorbehalten hat. Für den Begriff des Beisichführens eines gefährlichen Werkzeugs im Sinne von § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a. StGB reicht es aus, dass sich das gefährliche Werkzeug derart in der Nähe des Täters befindet, dass er sich dessen jederzeit, also ohne nennenswerten Zeitaufwand und ohne besondere Schwierigkeiten bedienen kann, es ihm somit zu jedem von ihm gewünschten Zeitpunkt einsatzbereit zur Verfügung steht. Das ist, wenn der Täter wie hier das gefährliche Werkzeug in seinem Rucksack während der gesamten Tat bei sich trägt, der Fall. Ebenso ist nicht erforderlich, dass sich die Vorstellung des Täters von vorneherein auf einen Einsatz als Nötigungsmittel bezieht. Für ein "Beisichführen" reicht vielmehr das allgemeine, noch auf keinen bestimmten Zweck gerichtete Bewusstsein aus, ein funktionsbereites Werkzeug hier im Sinne eines gefährlichen Werkzeuges zur Verfügung zu haben, das geeignet ist, erhebliche Verletzung zu verursachen."

Die Revision des Angeklagten rügt Verletzung materiellen Rechts.

II.

Das Rechtsmittel hat (vorläufigen) Erfolg. Es führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

1.

Die Feststellungen belegen nicht, dass der Angeklagte bei den beiden Diebstählen jeweils den Qualifikationstatbestand des § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB verwirklicht hat. Ihnen lässt sich nicht entnehmen, dass es sich bei den zwei Messern, die sich im Rucksack des Angeklagten befanden, um "gefährliche Werkzeuge" im Sinne dieser Strafvorschrift handelt.

Ein "gefährliches Werkzeug" ist jeder körperliche Gegenstand, der sich bei der konkreten Art seiner Benutzung dazu eignet, einem Menschen erhebliche körperliche Verletzungen zuzufügen (vgl. nur OLG München NStZ-RR 2006, 342; OLG Frankfurt StraFo 2006, 467).

Bei Messern wird diese Eignung im Allgemeinen vorliegen (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 340 = StV 2005, 606 = StraFo 2005, 475: "generell", aber offen gelassen z. B. für Taschenmesser in der Art von Schweizer Offiziermessern). Ausnahmslos gilt das aber nicht. Es gibt keinen Erfahrungssatz des Inhaltes, dass Messer unabhängig von ihrer konkreten Beschaffenheit dazu geeignet sind, erhebliche Verletzungen beizufügen. In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird daher zu Recht auf die Art des Messers abgestellt (vgl. nur OLG München a.a.O.: "... erfüllt ein Schweizer Taschenmesser, das mit Schneide und Spitze zum Schneiden und Einstechen konstruiert und zu gebrauchen ist, diese Voraussetzungen"; OLG Frankfurt a.a.O.: "Wegen der von dem Amtsgericht festgestellten "minderen Qualität" des Taschenmessers bestehen bereits Bedenken, ob es im Hinblick auf seine Beschaffenheit überhaupt geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen. Da nicht ausgeführt wird, worauf sich die mindere Qualität bezieht, z.B. auf die Schärfe oder Bruchfestigkeit der Klinge des Taschenmessers, kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Messer generell ungeeignet ist, einem Menschen erhebliche Verletzungen zuzufügen"; SenE vom 30.09.2003 - Ss 363/03 -: "Da weder Größe noch Gestaltung des Taschenmessers beschrieben werden, kann das Revisionsgericht nicht nachvollziehen, ob es sich bei dem festgestellten Gegenstand um eine Waffe bzw. ein gefährliches Werkzeug ... handelt").

Im vorliegenden Fall lässt sich den Feststellungen hinsichtlich der Beschaffenheit der Messer nur entnehmen, dass diese nach der Einschätzung des Angeklagten zum "Knacken" von Fahrradschlössern geeignet sein sollten. Mangels darüber hinausgehender tatrichterlicher Beschreibungen ermöglicht diese Feststellung aber nicht die Prüfung, ob das Tatbestandsmerkmal "gefährliches Werkzeug" erfüllt ist. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Messer dazu bestimmt waren, - quasi anstelle eines Schlüssels - in das Schlüsselloch eines Fahrradschlosses eingeführt zu werden, um so den (Auf-)Schließmechanismus betätigen zu können. Dann aber könnte es sich um so kleine Messer gehandelt haben, dass sie nicht zugleich auch die Eignung hatten, bei einem Einsatz gegen Menschen erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen.

2.

Im Übrigen wäre das Urteil im Schuldspruch selbst dann aufzuheben, wenn die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen als zur Subsumtion unter das Tatbestandsmerkmal "gefährliches Werkzeug" ausreichend angesehen werden könnten. Denn jedenfalls für die Frage des Ausmaßes der Gefährlichkeit und damit des Schuldumfangs wäre eine Beschreibung der Messer nach Ausgestaltung und Größe ohnehin unverzichtbar.

Ende der Entscheidung

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