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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 04.01.2008
Aktenzeichen: 82 Ss 180/07
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 268
StPO § 335 Abs. 3 S. 1
StPO § 353
StPO § 354 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts Köln zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Wipperfürth hat den Angeklagten mit Urteil vom 11. Dezember 2006 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 50 Euro kostenpflichtig verurteilt. Zugleich hat es seine Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis von 16 Monaten verhängt.

Gegen diese Entscheidung hat der Angeklagte (Sprung-)Revision, die Staatsanwaltschaft hingegen - mit dem Ziel der Verurteilung des Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe wegen vorsätzlicher Tatbegehung - Berufung eingelegt.

In der Berufungshauptverhandlung vom 25. Juli 2007 hat der Verteidiger ausweislich der Sitzungsniederschrift die Verwerfung der Berufung der Staatsanwaltschaft beantragt. Die Staatsanwaltschaft hat die Verurteilung wegen vorsätzlicher Trunkenheitsfahrt zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 50 Euro und Aufrechterhaltung der Nebenfolge beantragt. Die - gemäß § 335 Abs. 3 S. 1 StPO als Berufung zu behandelnde - Sprungrevision des Angeklagten findet in den Anträgen keine Erwähnung.

Das Landgericht Köln hat folgendes Urteil verkündet:

"Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts dahin abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 50,00 Euro verurteilt wird. Es wird weiterhin dahin abgeändert, dass die Verwaltungsbehörde angewiesen wird, vor Ablauf von noch weiteren 8 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Angeklagten auferlegt, dieser trägt auch seine notwendigen Auslagen."

Mit Beschluss vom 22. August 2007 hat die Strafkammer sodann die Urteilsformel wie folgt neu gefasst:

"Auf die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wird unter Verwerfung der Berufung des Angeklagten im Übrigen das Urteil des Amtsgerichts dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 50,00 Euro verurteilt wird. Es wird weiterhin dahingehend abgeändert dass die Verwaltungsbehörde angewiesen wird, vor Ablauf von noch weiteren 8 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Im Übrigen bleibt es bei dem Urteilsausspruch des amtsgerichtlichen Urteils. Die Kosten...."

Der Angeklagte hat gegen das Berufungsurteil Revision eingelegt, mit der die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt wird. Gerügt wird die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Daneben wendet sich der Angeklagte mit der sofortigen Beschwerde gegen die vom Landgericht im Urteil getroffene Kostenentscheidung.

II.

1.

Die Revision begegnet hinsichtlich ihrer Zulässigkeitsvoraussetzungen keinen Bedenken. Sie hat bereits mit der Sachrüge insofern (vorläufigen) Erfolg, als sie gemäß §§ 353, 354 Abs. 2 StPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts führt. Eines Eingehens auf die zugleich erhobene Verfahrensrüge bedarf es daher nicht.

Das Berufungsurteils hält einer materiell-rechtlichen Überprüfung nicht stand. Es verstößt gegen das Gebot, den Prozessgegenstand mit der verkündeten Urteilsformel erschöpfend zu erledigen.

Liegen mehrere Berufungen über eine Tat desselben Angeklagten vor, kann ein Rechtsmittel (teilweise) begründet, das andere unbegründet sein. Da über die mehreren Berufungen einheitlich zu entscheiden ist, muss die unbegründete Berufung mit Kostenentscheidung verworfen werden, auf die begründete im selben Urteil eine ebenfalls mit Kostenentscheidung versehene neue Sachentscheidung ergehen (Ruß in: Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Aufl., § 328 Rdnr. 6).

Diesen Anforderungen wird das in der Hauptverhandlung verkündete Urteil nicht gerecht.

Dem Urteilsausspruch lässt sich nicht entnehmen, dass (auch) eine Entscheidung über die gemäß § 335 Abs. 3 S. 1 StPO als Berufung zu behandelnde Sprungrevision des Angeklagten ergangen ist. Die Strafkammer hat vielmehr lediglich über die Berufung der Staatsanwaltschaft entschieden. Danach bleibt aber unklar, ob auch die - vom Angeklagten mit seinem Rechtsmittel begehrte - Überprüfung des Schuldspruchs erfolgt ist.

Der ergänzende Beschluss des Landgerichts vom 22. August 2007 kann insoweit nicht mit herangezogen werden. Er ist unwirksam, weil er nicht mit § 268 StPO und den hierzu entwickelten Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu vereinbaren ist (vgl. die Nachweise bei Meyer-Goßner, StPO, 50. Auflage, § 268 Rn. 10). Danach dürfen nach der Verkündung eines Urteils nur noch offensichtliche Schreibversehen und offensichtliche Unrichtigkeiten berichtigt werden, die sich ohne weiteres aus den für alle Verfahrensbeteiligten klar zutage liegenden Tatsachen ergeben. Es muss eindeutig erkennbar sein, was das Gericht tatsächlich gewollt hat, wobei jeder Verdacht einer späteren sachlichen Änderung ausgeschlossen sein muss.

Vorliegend ist - wie ausgeführt - dem Wortlaut der verkündeten Urteilsformel nicht zu entnehmen, dass über das Rechtsmittel des Angeklagten entschieden worden ist. Dies ergibt sich auch nicht aus den allen Verfahrensbeteiligten bekannten Umständen. Vielmehr deuten die nach Abschluss der Beweisaufnahme ausweislich der Sitzungsniederschrift gestellten Anträge eher darauf hin, dass ihnen zum Zeitpunkt der Schlussvorträge die Notwendigkeit einer Entscheidung auch über die Berufung des Angeklagten nicht (mehr) bewusst gewesen ist. Vor diesem Hintergrund kann daher gerade nicht ausgeschlossen werden, dass der Ergänzungsbeschluss eine nachträgliche sachliche Änderung des Urteils enthält. Es erscheint im Gegenteil naheliegend oder doch zumindest möglich, dass das Gericht damit einen versehentlich nicht mit abgeurteilten Teil des Prozessgegenstandes nachträglich hinzugefügt hat, was unzulässig ist.

2.

Mit der Aufhebung des Berufungsurteils (zur Hauptsache) entfällt dessen Kostenentscheidung als Annex der Sachentscheidung. Soweit der Angeklagte gegen die Kostenentscheidung des Landgerichts sofortige Beschwerde eingelegt hat, ist diese daher gegenstandslos (vgl. Meyer-Goßner a.a.O. § 464 Rn. 20; BGH NJW 2003, 907 [911]).

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