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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 22.05.2007
Aktenzeichen: 82 Ss 45/07
Rechtsgebiete: StGB, BtMG, StPO


Vorschriften:

StGB § 27
StGB § 27 Abs. 2
StGB § 49
StGB § 49 Abs. 1
StGB § 52 Abs. 2
BtMG § 29 a Abs. 2
BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 4
BtMG § 30 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Unter Verwerfung der weitergehenden Revision wird das an-gefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den dazu gehörigen Feststellungen aufgehoben.

In diesem Umfang wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts Köln zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Vorlageverfügung Folgendes ausgeführt:

"Das Amtsgericht Leverkusen hat mit Urteil vom 13.10.2006 51 Ls 41/06 gegen den Angeklagten "unter Freisprechung im Übrigen wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr tateinheitlich zu unerlaubtem Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen in jeweils minder schweren Fällen" eine Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 10,00 Euro verhängt (Bd. V Bl. 852 ff. d. A.).

Auf die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung der Staatsanwaltschaft Köln hat die 1. kleine Strafkammer des Landgerichts Köln mit dem angefochtenen Urteil vom 16.01.2007 das Urteil des Amtsgerichts Leverkusen dahin abgeändert, dass es den Angeklagten "zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr unter Strafaussetzung zur Bewährung" verurteilt hat (Bd. V Bl. 919 ff. d. A.). Das Landgericht hat für jeden der acht festgestellten Fälle der Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr und zum unerlaubten Handeln mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge auf eine Freiheitsstrafe von jeweils sieben Monaten erkannt und hieraus eine Gesamtstrafe von einem Jahr gebildet, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat (Bd. V Bl. 929 ff. d. A.).

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte mit dem am 19.01.2007 beim Landgericht Köln eingegangenen Schriftsatz seines Verteidigers vom 17.01.2007 Revision eingelegt (Bd. V Bl. 911 d. A.) und diese, nach Zustellung des Urteils an den Verteidiger am 06.02.2007 (Bd. V Bl. 940, 940 R d. A.) mit einem weiteren, am 16.02.2007 beim Landgericht Köln eingegangenen Schriftsatz seines Verteidigers vom 14.02.2007 begründet. Mit der Revision wendet sich der Angeklagte im wesentlichen dagegen, dass die Strafkammer das Vorliegen eines minder schweren Falles verneint hat (Bd. V Bl. 941 f. d. A.).

...

Der statthaften und auch im Übrigen zulässigen Revision kann in der Sache der Erfolg nicht versagt bleiben.

Zur Strafzumessung hat die Strafkammer - einleitend - Folgendes ausgeführt:

"Gemäß § 52 Abs. 2 StGB war zunächst von dem Strafrahmen des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG auszugehen, der für jede Tat eine Einsatzstrafe von zwei bis fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe vorsieht. Gemäß § 27 StGB war dieser zu mildern auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis elf Jahre drei Monate.

Hinreichende Anhaltspunkte für die Einstufung der Taten als minderschwere Fälle im Sinne von §§ 30 Abs. 2 bzw. 29a Abs. 2 BtMG haben sich nicht ergeben."

Die Erwägungen, mit denen die Strafkammer das Vorliegen minder schwerer Fälle verneint hat, halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Ein minder schwerer Fall liegt dann vor, wenn das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem solchen Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint. (vgl. nur BGH, NJW 2000, 3580; BGH, NStZRR 2002, 329 ; st. Senatsrechtsprechung, vgl. nur SenE v. 16.11.2004 Ss 413/04 ; Weber, BtMG, 2. Auflage, vor § 29 Rn. 590, 591 m. w. N.). Zur Beurteilung ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der alle Umstände heranzuziehen und zu würden sind, die für eine Wertung von Tat und Täter in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, ihr vorausgehen oder nachfolgen (zu vgl. TröndleFischer, 52. Auflage, § 46 Rn. 85 m. w. N.). Dabei sind alle wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände gegeneinander abzuwägen. Erst nach dem Gesamteindruck kann entschieden werden, ob der außerordentliche Strafrahmen anzuwenden ist.

Sieht aber das Gesetz einen minder schweren Fall vor und ist wie hier ein gesetzlicher vertypter Milderungsgrund im Sinne von § 49 StGB gegeben, stehen dem Tatrichter grundsätzlich zwei verschiedene Strafrahmen zur Verfügung. Zwar ist der Tatrichter nicht verpflichtet, den für den Täter günstigeren Strafrahmen zu wählen, jedoch müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass sich der Tatrichter aller Möglichkeiten bewusst war (zu vgl. Weber, BtMG 2. Auflage vor § 29 Rn. 628 ).

Der Tatrichter hat also zunächst zu entscheiden, welcher Strafrahmen zur Anwendung gelangt. Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung vorrangig zu prüfen, ob und gegebenenfalls aufgrund welcher Umstände ein minder schwerer Fall gegeben ist oder nicht. Dabei zu ist zuerst zu erwägen, ob schon die allgemeinen Strafmilderungsgründe für die Annahme eines minder schweren Falles ausreichen, oder ob erst das Hinzutreten des vertypten Milderungsgrundes die Tat als minder schwer erscheinen lässt oder ob erst aufgrund der anzustellenden Gesamtwürdigung der wegen des vertypten Milderungsgrundes nach § 49 StGB gemilderte Normalstrafrahmen besser zur Ahndung des Unrechts geeignet ist (vgl. zum Vorstehenden: Weber, BtMG, 2. Auflage vor § 29 Rn. 634).

Dem wird die Strafzumessung nicht gerecht. Die Strafkammer hat schon nicht erörtert, ob der gesetzlich vertypte Milderungsgrund nach § 27 StGB allein oder dieser erst im Zusammenhang mit den weiteren festgestellten Strafmilderungsgründen das Verhalten des Angeklagten als minder schwer erscheinen lässt. Denn die Strafkammer hat (lediglich) mehrere strafmildernde (zu Gunsten des Angeklagten sprechende) Umstände aufgeführt (zu vgl. UA S. 9, 10) und im einzelnen begründet, warum jeder der festgestellten strafmildernden Umstände für sich allein nicht die "Taten als minder schwer" erscheinen lässt. Auch im übrigen begegnet diese Strafzumessung aber auch deshalb durchgreifenden Bedenken, weil sie die gebotene Gesamtbetrachtung der strafschärfenden und mildernden Umstände vermissen lässt."

II.

1.

Bezüglich des Schuldspruches hat die Überprüfung des Urteils anhand der Revisionsbegründung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Was die Wirkstoffgehalte der in den Fällen 1 bis 7 durch die Haupttäterin G. eingeführten Drogen anbetrifft, entnimmt der Senat dem Zusammenhang der Urteilsgründe, dass das Landgericht sich von annähernd gleichen Werten wie im Fall 8 überzeugt hat. Die Revision ist daher insoweit dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft folgend gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.

2.

Das Rechtsmittel hat indes mit der Sachrüge insofern (vorläufigen) Erfolg, als das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand haben kann. In diesem Umfang ist es aufzuheben und die Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen.

a)

Der Senat nimmt Bezug auf die zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft und bemerkt ergänzend dazu noch Folgendes:

Der vom Landgericht erst im Rahmen der Gesamtstrafenbildung verwertete Umstand, dass die vom Angeklagten entfaltete Hilfetätigkeit für die Durchführung der Haupttaten jeweils nicht von entscheidender Bedeutung war, hätte als (gewichtiger) strafmildender Gesichtspunkt bereits bei der Prüfung der Frage berücksichtigt werden müssen, ob minder schwere Fälle anzunehmen waren. Das gilt in gleicher Weise für die Feststellung des Landgerichts, dass der Angeklagte die Taten aus Gründen der "familiären Nähe" zu seiner künftigen Schwiegermutter begangen hat. Beide Aspekte sind geeignet, das Tatgeschehen in einem milderen Licht erscheinen zu lassen, haben bei der Abwägung der Strafkammer im Rahmen der §§ 29 a Abs. 2, 30 Abs. 2 BtMG aber keine Berücksichtigung gefunden.

b) Es kann vorliegend auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Einzelstrafen und damit in der Folge auch die Gesamtstrafe bei Beachtung der genannten Grundsätze niedriger ausgefallen wären. Bei der Annahme von jeweils minder schweren Fällen der Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bzw. der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge wäre zugunsten des Angeklagten jeweils ein deutlich geringerer Strafrahmen eröffnet gewesen. §§ 29a Abs. 2, 30 Abs. 2 BtMG sehen nämlich die Verhängung von Freiheitstrafe zwischen drei Monaten und fünf Jahren vor, während der vom Landgericht gemäß §§ 27 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB ermittelte Strafrahmen Freiheitstrafe von sechs Monaten bis zu elf Jahren und drei Monaten vorsieht. Die von der Strafkammer ausgeprochenen Einzelfreiheitsstrafen von jeweils sieben Monaten bewegen sich zwar im (ganz) unteren Bereich der von ihr angewendeten Strafrahmen. Das trifft aber in Bezug auf die hier in Betracht kommenden reduzierten Strafrahmen gemäß §§ 29 a Abs. 2, 30 Abs. 2 BtMG nicht zu.

Ende der Entscheidung

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