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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 18.11.2008
Aktenzeichen: 82 Ss 89/08
Rechtsgebiete: StPO, StGB
Vorschriften:
StPO § 7 Abs. 1 | |
StPO § 16 S. 3 | |
StPO § 329 | |
StPO § 243 Abs. 4 S. 2 | |
StPO § 353 | |
StPO § 354 Abs. 2 | |
StPO § 355 | |
StPO § 412 Abs. 1 | |
StGB § 9 | |
StGB § 9 Abs. 1 |
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Amtsgericht D- E verwiesen.
Gründe:
I.
In dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht C den Angeklagten wegen "versuchter Unterschlagung" zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 20,00 € verurteilt. Hiergegen richtet sich die (Sprung-)Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
II.
Das Rechtsmittel, das hinsichtlich seiner Zulässigkeit keinen Bedenken unterliegt, hat bereits mit der erhobenen Verfahrensrüge insofern (vorläufigen) Erfolg, als es gemäß §§ 353, 354 Abs. 2 StPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Verweisung der Sache an das örtlich zuständige Amtsgericht D- E führt.
1.
Mit der in zulässiger Form erhobenen Verfahrensrüge beanstandet die Revision, dass das Amtsgericht C seine örtliche Zuständigkeit zu Unrecht angenommen habe (§ 338 Ziff. 4 StPO).
a)
Dem liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
In der Anklage vom 12. August 2005 wird dem - jedenfalls seit März 2003 durchgängig in D- wohnhaften - Angeklagten zur Last gelegt, sich einen Laptop und einen Drucker, die ihm von seinem früheren Arbeitgeber, der in C ansässigen Fa. G.H., überlassen worden waren, rechtswidrig zugeeignet zu haben, nachdem das Anstellungsverhältnis zum 31. Dezember 2003 aufgelöst worden war.
Im Hauptverhandlungstermin vom 12. April 2007 erließ das Amtsgericht C gegen den nicht erschienen Angeklagten einen Strafbefehl, durch den dieser wegen Unterschlagung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt wurde. Den hiergegen gerichteten Einspruch verwarf das Amtsgericht in der darauf folgenden Hauptverhandlung am 6. Dezember 2007, da der Angeklagte erneut ausgeblieben war.
Auf seine Berufung wurde das Verwerfungsurteil durch das Landgericht C am 3. März 2008 aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen. Im Protokoll der Berufungshauptverhandlung sind - soweit hier von Bedeutung - folgende Verfahrensvorgänge dokumentiert:
"Der Angeklagte wurde darauf hingewiesen, dass es ihm freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen.
Die Sach- und Rechtslage wurde mit den Verfahrensbeteiligten erörtert.
Der Verteidiger gab eine Erklärung ab.
Die Sach- und Rechtslage wurde erneut mit den Verfahrensbeteiligten erörtert.
Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft gab eine Erklärung ab.
Die Sach- und Rechtslage wurde erneut mit den Verfahrensbeteiligten erörtert.
Die Hauptverhandlung wurde um 14:25 unterbrochen und um 14:36 fortgesetzt.
Die Sach- und Rechtslage wurde mit den Verfahrensbeteiligten erörtert.
Die Beweisaufnahme wurde im allseitigen Einverständnis geschlossen"
Im Protokoll der daraufhin am 6. Mai 2008 begonnenen weiteren amtsgerichtlichen Hauptverhandlung heißt es:
"Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. (...)
Der Verteidiger des Angeklagten erklärte, dass er die Zuständigkeit des Amtsgerichts C rüge.
Die Verhandlung wurde um 10.46 unterbrochen und um 11.16 wieder fortgesetzt
b.u.v.
Das Amtsgericht C ist örtlich zuständig. Tatort ist auch C. Nach § 9 StGB ist auch Ort der Tat an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist. Bei dem vorgeworfenen Unterschlagungsdelikt tritt der Erfolg, nämlich der Sachentzug nur bei der in C ansässigen Firma G.H. ein. In C hatte er die Sachen abzugeben. Insofern ist der Tatort auch C (vgl. insofern Tröndle/Fischer StGB-Kommentar 50. Auflage Rd.Nr. 4) Die Ansicht des Verteidigers, dass es allein auf den Ort der Willensbetätigung ankommt, ist nicht nachzuvollziehen. Es kann dem Zufall nicht überlassen sein, wo und wann der Beschuldigte einen solchen Entschluss fasst oder gefasst haben kann. Es wäre allein der Einlassung des Beschuldigten überlassen, an jedem nun einmal mit der Sache befassten Amtsgericht die örtliche Zuständigkeit zu rügen indem jeweils vorgetragen wird, dass er vielleicht an einem anderen Ort als den nun gerade mit der Sache befassten Amtsgericht den Entschluss gefasst haben kann.
Der Vertreter der Staatsanwaltschaft verlas den Anklagesatz (...).
Der Angeklagte wurde darauf hingewiesen, dass es ihm freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen."
b)
Auf der Grundlage dieser Verfahrenstatsachen rügt die Revision mit Recht, dass die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts C nicht begründet ist.
aa)
In Betracht kommt allein der - im Beschluss vom 6. Mai 2008 erörterte - Gerichtsstand des Tatorts gemäß § 7 Abs. 1 StPO.
Tatort ist nach § 9 Abs. 1 StGB u.a. jeder Ort, an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist. Mit "Erfolg" sind dabei nicht alle Auswirkungen der Tat gemeint, sondern nur solche Tatfolgen, die für die Verwirklichung des Tatbestands erheblich sind. Es muss sich um einen zum gesetzlichen Tatbestand gehörenden Handlungserfolg handeln; Tatwirkungen, die für die Tatbestandsverwirklichung nicht relevant sind, begründen keinen Tatort (vgl. BGHSt 44, 52 [56]; AG Bremen NStZ-RR 2005, 87; Fischer, StGB, 55. Auflage 2008, § 9 Rz. 4; Eser, in: Schönke-Schröder, StGB, 27. Auflage 2006, § 9 Rz. 6; Werle/Jeßberger, in: Leipziger Kommentar, StGB, 12. Auflage 2007, § 9 Rz. 22; Kühl, StGB, 26. Auflage 2007, § 9 Rz. 2). Bei dem reinen Tätigkeitsdelikt der Unterschlagung, bei dem der Tatbestand bereits durch das im Gesetz umschriebene Tätigwerden als solches erfüllt wird (vgl. Eser a. a. O. § 246 Rz. 8 ff.) gehört der Eintritt eines Schadens nicht zum tatbestandsmäßigen Erfolg in diesem Sinne. Vielmehr ist bei der Unterschlagung ein Tatort (nur) dort begründet, wo sich der Zueignungswille des Täters manifestiert (OLG Hamm, B. v. 01.09.2005 - 2 Ss 66/05 - = BeckRS 2005 11306 = wistra 2006, 37; AG Bremen NStZ-RR 2005, 87; für den Tatbestand der Hehlerei auch OLG München StV 1991, 504). Die Befürchtung des Amtsgerichts, der Angeklagte könne bei diesem Verständnis des Tatortbegriffs beliebig die örtliche Zuständigkeit mit der Behauptung rügen, den Willensentschluss zur Zueignung an einem anderen Ort als demjenigen des gerade mit der Sache befassten Gerichts gefasst zuhaben, entbehrt bereits deswegen der Grundlage, weil es für die Tatbestandsverwirklichung nicht auf einen Internum gebliebenen Willensentschluss, sondern auf dessen nach außen erkennbare Betätigung ankommt (Fischer a. a. O. § 246 Rz. 6a).
bb) Die Rüge der örtlichen Unzuständigkeit ist - entgegen der von der Generalstaatsanwaltschaft geäußerten Rechtsauffassung - auch rechtzeitig erhoben.
Sie kann gemäß § 16 S. 3 StPO von dem der Angeklagten nur bis zum Beginn seiner Vernehmung zur Sache (§ 243 Abs. 4 S. 2 StPO) erhoben werden. "Sachvernehmung" in diesem Sinne ist die Vernehmung des Angeklagten zu den ihm in der Anklageschrift zur Last gelegten geschichtlichen Vorgang (Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 243 Rz. 29; Schneider, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Aufl. 2008, § 243 Rz. 41; Gollwitzer, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Auflage 2001, § 243 Rz. 81). Eine solche hat aber weder in den amtsgerichtlichen Hauptverhandlungen am 12. April 2007 und 6. Dezember 2007, zu denen der Angeklagte nicht erschienen war, noch in der Berufungshauptverhandlung am 3. März 2008 stattgefunden. In der Verhandlung vor dem Landgericht ist vielmehr lediglich - nach Belehrung des Angeklagten über sein Schweigerecht - "die Sach- und Rechtslage mit den Verfahrensbeteiligten erörtert" worden. Dabei bleibt schon offen, ob sich der Angeklagte im Rahmen dieser Erörterung "mit den Verfahrensbeteiligten" überhaupt selbst geäußert hat; das Protokoll erwähnt nur, dass der Verteidiger und der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft Erklärungen abgaben. Vor allem aber würde selbst eine Äußerung des Angeklagten zum Gegenstand der vom Berufungsgericht zu treffenden Entscheidung nicht als Vernehmung zur Sache, nämlich zu dem ihm mit der Anklage vorgeworfenen geschichtlichen Vorgang, darstellen. Aufgrund der Berufung hatte das Rechtsmittelgericht nämlich (nur) zu überprüfen, ob das Amtsgericht die Bestimmung des § 412 Abs. 1 StPO bei der Verwerfung des Einspruchs rechtfehlerfrei zur Anwendung gebracht hatte, ob also die tatsächlichen Voraussetzungen für die Verwerfung des Einspruchs - namentlich das Fehlen eines genügenden Entschuldigungsgrundes - vorgelegen haben und das Amtsgericht sich davon in der gebotenen Weise - wie in Fällen des § 329 StPO - überzeugt hatte (SenE v. 08.08.2000 - Ss 289/00 -; SenE v. 25.09.2001 - Ss 350/01 -; Meyer-Goßner a. a. O. § 412 Rz. 10; Fischer, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Auflage 2008, § 412 Rz. 18 jeweils m. w. Nachw.). Das macht deutlich, dass eine Sachvernehmung des Angeklagten im Sinne des § 243 Abs. 4 S. 2 StPO am 3. März 2008 nicht stattgefunden hat. Soweit die Generalstaatsanwaltschaft darauf abstellt, dass es sich "um eine wegen der verfahrensgegenständlichen Tat anberaumte Hauptverhandlung in Anwesenheit des Angeklagten gehandelt hat", wird verkannt, dass der Verfahrensgegenstand nicht auch Gegenstand der Berufungsverhandlung war, weil in diesem Verfahrensstadium nur eine prozessrechtliche Entscheidung anstand.
Im Termin vom 6. Mai 2008 ist die Rüge alsdann rechtzeitig erhoben worden.
cc) Örtlich zuständig ist das Amtsgericht D- E, an das die Sache daher zu verweisen ist.
Zum Handlungsort hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:
"Der Angeklagte (nutzte) den Laptop und den Drucker zu eigenen Zwecken und spielte eigene Dateien auf. (...) Am 17.02.2005 erging gegen den Angeklagten vom Amtsgericht D- U ein Durchsuchungsbeschluss bezüglich der Adresse H-Weg (richtig: I-Weg) X. Die Durchsuchung sollte zur Auffindung von Beweismitteln führen, insbesondere des Laptops der Firma G.H., Typ V. (...). Bei der Durchsuchung stellte sich heraus, dass der Angeklagte auf die J-Straße XX in D- umgezogen war. Nach Umstellung des Durchsuchungsbeschlusses auf diese Adresse (...) mussten (die Kriminalbeamten) feststellen, dass die Wohnung leer stand. Durch die (..) Hausverwaltung (...) wurde den Polizeibeamten mitgeteilt, dass der Angeklagte über die K-Straße XY in D- E erreichbar sei.
Die Polizeibeamten suchten daraufhin die K-Straße XY in D- auf und fanden auf einem der Briefkästen undeutlich mit Kugelschreiber den Namen "L." vermerkt. Als die Beamten (..) klingelten, öffnete ihnen der (...) Angeklagte. Die Beamten ließ er freiwillig in die Wohnung (...). Auf dem Flur erkannten die Beamten (...), dass sich auf dem als Arbeitsplatz eingerichteten Schreibtisch im Wohnzimmer ein Notebook der Marke V. befand. (Sie) beschlagnahmten im Wohnzimmer das Notebook. Vorher stellten sie fest, dass es sich um das Gerät handelte, das ausdrücklich im Durchsuchungsbeschluss (...) aufgeführt war. Ebenfalls wurde der Laserdrucker der Marke M. beschlagnahmt."
Aus diesen Feststellungen wird deutlich, dass eine - über die bloße Nichterfüllung des Herausgabeanspruchs hinausgehende - als Betätigung und Manifestierung des Zueignungswillens in Betracht kommende Handlung erst in der K-Straße XY - durch Nutzung der Geräte zu eigenen Zwecken und den Versuch, sich weiter in ihrem Besitz zu halten - erfolgt ist. Handlungsort im Sinne des § 9 Abs. 1 StGB und damit Tatort im Sinne des § 7 Abs. 1 StPO ist daher die K-Straße in D-, die im Bezirk des Amtsgerichts D--E liegt. An dieses Gericht war die Sache daher gemäß § 355 StPO zu verweisen.
Ende der Entscheidung
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