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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 19.07.2006
Aktenzeichen: 82 Ss-OWi 45/06
Rechtsgebiete: ABMG, LKWMautVO, OWiG, StPO


Vorschriften:

ABMG § 2
ABMG § 3 Abs. 2
ABMG § 3 Abs. 2 Satz 1
ABMG § 4 Abs. 1
ABMG § 4 Abs. 1 Satz 1
ABMG § 4 Abs. 1 Satz 2
ABMG § 4 Abs. 3
ABMG § 4 Abs. 3 Satz 1
ABMG § 4 Abs. 3 Satz 2
ABMG § 4 Abs. 3 Satz 3
ABMG § 4 Abs. 4 Satz 2
ABMG § 5 Satz 2
ABMG § 10 Abs. 1 Nr. 1
ABMG § 10 Abs. 1 Ziff. 1
ABMG § 12 Satz 1
LKWMautVO § 3 Nr. 2
LKWMautVO § 3 Nr. 3
LKWMautVO § 3 Ziff. 3
LKWMautVO § 5 Abs. 2
LKWMautVO § 5 Abs. 3
LKWMautVO § 5 Abs. 3 Satz 2
LKWMautVO § 10 Abs. 2
LKWMautVO § 10 Abs. 3
OWiG § 47
OWiG § 47 Abs. 2
OWiG § 79 Abs. 1 S. 1
OWiG § 79 Abs. 1 S. 2
OWiG § 79 Abs. 3
OWiG § 80 Abs. 1
OWiG § 80 Abs. 1 Nr. 1
OWiG § 80 Abs. 2
StPO § 336
StPO § 344 Abs. 2 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I. Der Zulassungsantrag wird als unbegründet verworfen.

II. Die Rechtsbeschwerde gilt damit als zurückgenommen (§ 80 Abs. 4 S. 4 OWiG).

III. Die Kosten des Verfahrens vor dem Beschwerdegericht trägt der Betroffene.

Gründe:

I.

Gegen den Betroffenen ist in dem angefochtenen Urteil wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 10 Abs. 1 Nr. 1, 4 Abs. 1 Satz 1, 2 ABMG eine Geldbuße in Höhe von 75,00 Euro verhängt worden. Dem Schuldspruch liegen folgende Feststellungen des Amtsgerichts zugrunde:

"Der Betroffene führte am 6.1.2005 einen Schwertransport mit einem Sattelzug mit dem amtlichen Kennzeichen X, zulässiges Gesamtgewicht über 12 t, durch. Dabei benutzte er die gebührenpflichtige Bundesautobahn A 13 von E. bis S.. Der Sattelzug wurde am 6.1.2005 um 13.46 Uhr auf der Bundesautobahn A 13, Rastplatz L., km 15,0, kontrolliert. Eine gültige Gebührenbescheinigung für die benutzte Strecke der A 13 konnte der Betroffene bei der Kontrolle nicht vorlegen. Die Maut für die vorgenommene Benutzung dieses gebührenpflichtigen Autobahnabschnitt war nicht entrichtet worden. Der Betroffene hat die Maut für die o.g. Beförderung am 5.1.2005 nach Einbuchung für den 6.1.2005, 9.00 bis 11.30 Uhr gezahlt. Zur Zeit der tatsächlichen Beförderung bestand aufgrund der vorgenommenen Buchung keine Berechtigung mehr, die gebührenpflichtige Autobahn zu benutzen, da das bei Einbuchung vorgegeben Zeitfenster abgelaufen war.

...

Nach den getroffenen Feststellungen hat sich der Betroffene durch die Benutzung einer gebührenpflichtigen Autobahn mit einer Beförderungseinheit von mehr als 12 t außerhalb des bei der Einbuchung vorgegebenen Zeitfensters einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 10 I Nr. 1, § 4 I 1, S. 1, § 2 ABMG schuldig gemacht.

Gemäß § 10 I Nr. 1 ABMG handelt ordnungswidrig, wer entgegen § 4 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 3 Abs. 2 Satz 1 ABMG die Maut nicht entrichtet. Der Betroffene hatte die Maut vorliegend für den Benutzungszeitraum nicht entrichtet, denn das bei der, Buchung vorgesehene Zeitfenster war zum Zeitpunkt der Beförderung abgelaufen. Die Bindung an das vorgegebene Zeitfenster ergibt sich aus dem System des ABMG in Verbindung mit dem Regelungen der LKWMautVerordnung, insbesondere aus § 4 Abs. 3 Satz 1 und 2 ABMG in Verbindung mit § 3 Ziffer 3, § 5 Abs. 3 und § 10 Abs.3 LKWMautVO, deren Anwendung im vorliegenden Fall nicht durch den in § 10 Abs. 1 Nr. 1 ABMG vorgenommene Verweisung auf die in § 3 Abs. 2 ABMG genannte Rechtsverordnung ausgeschlossen wird. Diese Verweisung bezieht sich nur auf die Regelung der Höhe der Maut, während sich die weitere Ausgestaltung der Zahlung der Maut nach § 4 Abs. 3 ABMG in Verbindung mit der LKWMautVO richtet.

Nach § 5 Abs. 2 in Verbindung mit § 3 Ziffer 3 LKWMautVO sind bei der Einbuchung Datum und Uhrzeit des Fahrtbeginns der mautpflichtigen Straßenbenutzung anzugeben, woraufhin der Fahrer gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 LKWMautVO einen Beleg erhält, der den Gültigkeitszeitraum ausweist, in dem die mautpflichtige Straßenbenutzung durchgeführt werden darf. Während des Gültigkeitszeitraums und nach Ablauf des Gültigkeitszeitraums der Autobahnbenutzung steht dem Fahrer unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 und 3 LKWMautVO ein Recht auf Rückerstattung zu.

Der Betroffene hätte daher im vorliegenden Fall unter Vornahme einer Neueinbuchung eine Stornierung gemäß § 10 Abs. 3 LKWMautVO vornehmen können. Die Benutzung des o.g. Autobahnabschnitts ohne Neueinbuchung war ordnungswidrig gemäß § 10 I Nr. 1 ABMG."

Mit Telefax seines Verteidigers vom 25.05.2006 hat der Betroffene die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt und diesen Antrag zugleich begründet. Er hält die Zulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und zur Fortbildung des Rechts für geboten. Dazu vertritt er die Auffassung, § 10 Abs. 1 Ziffer 1 ABMG genüge mangels Bestimmtheit nicht den grundgesetzlichen Anforderungen dahingehend, dass "eine Fahrt trotz erfolgter Zahlung außerhalb des in der Quittung angegebenen Zeitfensters ebenfalls bußgeldbewährt sein könnte". Aus § 3 Abs. 2 Satz 1 ABMG und der dort angeführten Rechtsverordnung ergebe sich dies nicht, zumal die bezeichnete Rechtsverordnung sich lediglich auf die Höhe der zu entrichtenden Maut beziehe. § 3 Abs. 2 S. 1 ABMG ermächtige den "Gesetzgeber", die Höhe der Maut festzusetzen; soweit sie weitere Regelungen enthalte, könne daraus nicht der Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit erhoben werden. Aus § 10 Abs. 1 Nr. 1 ABMG erschließe sich nicht, dass auch eine Fahrt außerhalb des Zeitfensters mit einer Geldbuße geahndet werde. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass das Zeitfenster nicht von dem Mautpflichtigen vorgegeben werde; er könne nur den geplanten Fahrtbeginn bestimmen.

Die Rechtsbeschwerde sei zur Fortbildung des Rechts auch deshalb zuzulassen, weil die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens bei der Entscheidung über die Verfahrenseinstellung nach § 47 OWiG als Ausdruck des Gleichheitsgrundsatzes tragfähiger Beurteilungsgrundlagen bedarf.

II.

Der in formeller Hinsicht unbedenkliche Zulassungsantrag bleibt in der Sache ohne Erfolg.

In dem angefochtenen Urteil ist ausschließlich eine Geldbuße von nicht mehr als 250,00 € festgesetzt worden. Die Rechtsbeschwerde ist daher nicht nach § 79 Abs. 1 S. 1 OWiG ohne weiteres statthaft, sondern bedarf gemäß § 79 Abs. 1 S. 2 OWiG der Zulassung. Deren gesetzliche Voraussetzungen sind hier allerdings nicht gegeben.

Nach § 80 Abs. 1 OWiG kann die Rechtsbeschwerde bei weniger bedeutsamen Ordnungswidrigkeiten, bei denen sie grundsätzlich ausgeschlossen ist, nur ausnahmsweise zugelassen werden, soweit dies nämlich geboten ist, um den Oberlandesgerichten im allgemeinen Interesse Gelegenheit zu geben, durch eine Entscheidung zur Rechtsfortbildung oder zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung beizutragen. Im Einzelnen sieht die Bestimmung vor, dass die Rechtsbeschwerde nur zugelassen werden kann, wenn dies entweder zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (Nr. 1) oder wenn die Aufhebung des Urteils wegen Versagung des rechtlichen Gehörs geboten ist (Nr. 2). Beträgt - wie im vorliegenden Fall - die festgesetzte Geldbuße nicht mehr als 100,00 €, so ist die Möglichkeit der Rechtsbeschwerde durch § 80 Abs. 2 OWiG noch weiter, nämlich in der Weise eingeschränkt, dass in den Fällen des § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG nur noch die Notwendigkeit einer Rechtsfortbildung bezogen auf das sachliche Recht die Zulassung rechtfertigt.

Beide Voraussetzungen, die danach die Zulassung der Rechtsbeschwerde ermöglichen, liegen hier nicht vor.

1.

Eine Versagung des rechtlichen Gehörs, die mit einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügenden Verfahrensrüge geltend zu machen wäre (st. Senatsrechtsprechung; vgl. SenE 04.02.1999 - Ss 45/99 Z - = NZV 1999, 264 = VRS 96, 451; SenE v. 15.04.1999 - Ss 144/99 Z - = VRS 97, 187 = NZV 1999, 436; SenE v. 08.01.2001 - Ss 545/00 Z - = DAR 2001, 179 = VRS 100, 189 [190]; SenE v. 11.01.2001 - Ss 532/00 Z - = VRS 100, 204; OLG Düsseldorf VRS 97, 55 = NZV 1999, 437 L.; OLG Hamm VRS 98, 117 f.), ist weder dargetan noch sonst erkennbar.

2.

Der vorliegende Fall gibt darüber hinaus auch keine Veranlassung, allgemeine Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (vgl. BGH VRS 40, 134 [137]). Zulassungsbedürftige Fragen in dieser Hinsicht wirft die Sache nicht auf.

a)

Die Bestimmung des § 10 Abs. 1 Nr. 1 ABMG bedarf weder der Auslegung noch begegnet sie im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit ihres Anwendungsbereichs.

Mit Geldbuße bedroht wird danach die Verletzung der Pflicht zur (rechtzeitigen) Zahlung der geschuldeten Maut nach § 4 Abs. 1 S. 1 ABMG. Dort heißt es, dass die Maut in der sich aus Rechtsverordnung ergebenden Höhe spätestens bei Beginn der mautpflichtigen Benutzung oder im Fall einer Stundung zu dem festgesetzten Zeitpunkt zu entrichten ist.

Dabei versteht es sich zum einen von selbst, dass die Zahlung der Maut im Rahmen eines dazu einzurichtenden Systems zu erfolgen hat. Zum anderen liegt auf der Hand, dass in den Fällen der gesetzlich bestimmten Vorauszahlung diese einem konkreten künftigen Benutzungsfall zugeordnet werden muss. Die mautpflichtige Fahrt, auf die sich die (Einbuchung und) Mautzahlung bezieht, stellt einen nach Raum und Zeit zu definierender Vorgang dar, der also nicht nur räumlich - nach der mautpflichtigen Autobahnstrecke -, sondern darüber hinaus auch zeitlich konkret bestimmt sein muss. Ansonsten bliebe bei jeder Benutzung einer Strecke offen, ob sich Einbuchung und Zahlung gerade auf sie oder aber auf eine frühere (oder spätere) beziehen. Der Notwendigkeit, im Falle der Vorauszahlung der Maut eine konkrete räumlich-zeitliche Bestimmung der damit zulässigen Autobahnbenutzung vorzunehmen, tragen insbesondere die Bestimmungen des § 3 Nr. 2 u. 3 LKW-MautVO und des § 5 Abs. 3 LKW-MautVO Rechnung, die in den §§ 4 Abs. 3 S. 3, Abs. 4 S. 2 sowie §§ 5 S. 2, 12 S. 1 ABMG eine tragfähige Rechtsgrundlage haben.

Davon ausgehend erschließt sich ohne weiteres, dass der Betroffene für die Benutzung der A 13 von E. nach S. am 01.06.2005 um 13.46 Uhr die geschuldete Maut nicht gezahlt und damit den Tatbestand des § 10 Abs. 1 Nr. 1 ABMG erfüllt hat.

b)

Hinsichtlich der Rüge einer rechtsfehlerhaft unterlassenen Verfahrenseinstellung hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrem Verwerfungsantrag ausgeführt:

"Es ist anerkannt, dass die Fragen, ob der Tatrichter die Anwendbarkeit des § 47 Abs. 2 OWiG bedacht und, wenn er dies getan hat, ob er sie ohne Ermessensfehler abgelehnt hat, nicht der Nachprüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen (vgl. OLG Zweibrücken, MDR 71, 324; BayObLG, VRS 40, 279). Eine Nichtanwendung des § 47 Abs. 2 OWiG ist nach dessen Satz 2 nicht anfechtbar. Damit ist nicht nur eine Nachprüfung im Beschwerdeverfahren, sondern auch eine solche im Rechtsbeschwerdeverfahren untersagt; die Ablehnung einer Einstellung nach § 47 Abs. 2 OWiG ist deshalb keine nach § 79 Abs. 3 OWiG, § 336 StPO der Beurteilung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegende Entscheidung. Damit ist auch die Frage, ob der Tatrichter die Anwendbarkeit des § 47 Abs. 2 OWiG erwogen hat oder ob er dies unterlassen und damit das Recht verletzt hat, einer Nachprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren entzogen."

Dem ist zuzustimmen (so a. bereits OLG Köln - 3. StrafS - Beschl. v. 24.11.1982 - 3 Ss 812/82 Z - sowie Beschl. v. 18.08.1978 - 3 Ss 606/78 -).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 473 Abs. 1 StPO, 46 OWiG.

Ende der Entscheidung

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