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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 02.12.2008
Aktenzeichen: 83 Ss 90/08
Rechtsgebiete: StGB, BGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 25 Abs. 2
StGB § 53
StGB § 263
StGB § 263 Abs. 1
BGB § 444
BGB § 474 Abs. 1 S. 1
BGB § 475 Abs. 1
StPO § 353
StPO § 357
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Das angefochtene Urteil wird - auch soweit es den Angeklagten I. betrifft - mit seinen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Köln zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat die Angeklagte (und Revisionsführerin) T. und den Mitangeklagten I. des Betruges in zwei Fällen schuldig gesprochen. Es hat die Angeklagte T. zu einer Gesamtgeldstrafe von 45 Tagessätzen zu je 15 Euro und den Mitangeklagten I. unter Einbeziehung der Strafe aus einem früheren Urteil zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 35 Euro verurteilt.

Zum Schuldspruch hat das Amtsgericht Folgendes festgestellt:

"Entsprechend der soeben bei der Vorstrafe dargestellten Vorgehensweise veräußerte der Angeklagte auch am 13.04.2004 und 14.12.2004 gebrauchte Pkws als scheinbarer Privatmann, um das nur bei Privatverkäufen zulässige Vertragsformular mit Gewährleistungsausschluss verwenden zu können. Dabei wurden die jeweiligen Vertragsverhandlungen in Absprache der beiden Angeklagten von der Angeklagten geführt, die dabei den angeblichen privaten Charakter der Verkäufe noch durch die falsche Behauptung der Herkunft der Fahrzeuge aus dem eigenen Familienkreis unterstrich. Im Einzelnen.

Am 13.04.2004 verkaufte der Angeklagte, bei Vertragsverhandlungen und - schluss vertreten durch die Angeklagte, einen als "neuwertigen Rentnerwagen" inserierten Mercedes Benz C 220 CDI für 12.550,- € an den Zeugen M. N. Dabei teilte die Angeklagte dem Käufer wahrheitswidrig mit, bei dem Fahrzeug handele es sich um ein Geschenk ihres Opas. In dem verwendeten "ADAC-Kaufvertrag für den privaten Verkauf eines gebrauchten Kraftfahrzeugs" war der bei privaten Verkäufen übliche Gewährleistungsausschluss vorgegeben, wobei allerdings durch einen handschriftlichen Zusatz auf einen Front/Stoßstangenschaden hingewiesen wurde. Tatsächlich hatte der Wagen aber deutlich größere Unfallschäden, weswegen der Käufer ein auf Wandlung gerichtetes Versäumnisurteil erwirkte, das der Angeklagte inzwischen erfüllt hat. Hätte der Käufer gewusst, dass es sich bei dem Angeklagten um einen gewerblichen Kfz-Händler handelt, hätte er jedenfalls nicht den vertraglichen Gewährleistungsausschluss akzeptiert.

Am 14.12.2004 verkauften die Angeklagten einen als "unfallfreien Seniorenwagen" inserierten Golf III für 4.999,- € an den Zeugen C. J. Dabei teilte die Angeklagte dem Käufer wahrheitswidrig mit, das Fahrzeug gehöre ihrer Oma. Wie am 13.04.2004 wurde wieder das ADAC-Kaufvertragsformular mit Gewährleistungsausschluss verwendet, wobei die Angeklagte als privaten Verkäufer den Angeklagten einsetzen wollte, auf Drängen des Käufers dann aber sich selbst einsetzte. Im Zusammenhang mit diesem Verkauf tauchte eine Vollmacht der Voreigentümerin K. L. auf, deren Echtheit und Herkunft allerdings unklar ist. Der Käufer machte später erhebliche Unfallschäden geltend, die sich im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens aber nicht bestätigten. Auch er hätte den vertraglichen Gewährleistungsausschluss keinesfalls akzeptiert, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass der Angeklagte als eigentlicher Verkäufer gewerblicher Kfz-Händler ist."

Zur Beweiswürdigung heißt es im amtsgerichtlichen Urteil u.a.:

"Die Angeklagten haben letztlich nicht bestritten, die beiden Verkäufe privat abgewickelt zu haben, wobei die Angeklagte allerdings in Abrede stellt, von Fahrzeugen ihres Opas oder ihrer Oma gesprochen zu haben. Zudem verweist der Angeklagte auf seine (zumindest damalige) Auffassung, dass es ihm nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit ohnehin freistehe, welche Art von Verträgen er schließe. Vielleicht hätten die Käufer die Verträge ja auch genau so schließen wollen, zumal er bei auftretenden Problemen grundsätzlich entgegenkommend sei. Beide Angeklagten bestreiten, von den erheblichen Unfallschäden des am 13.04.2004 verkauften Pkw etwas gewusst zu haben und verweisen darauf, dass der Angeklagte keine eigene Werkstatt habe. Die im Zusammenhang mit dem Verkauf vom 14.12.2004 aufgetauchte Vollmacht der K. L. wollen beide nicht gefälscht und auch nicht dem Verkäufer ausgehändigt haben.

Die letztgenannten Behauptungen bezüglich Unfallschäden und Vollmacht konnten im Rahmen der Beweisaufnahme nicht ausreichend widerlegt werden.

Widerlegt ist dagegen die Einlassung des Angeklagten, die Käufer hätten die Verträge womöglich genau so abgeschlossen, wenn ihnen seine gewerbliche Tätigkeit bekannt gewesen wäre. Die Zeugen N. und J. haben absolut lebensnah und - nicht nur deswegen - überzeugend bekundet, dass sie bei Kenntnis, dass sie von einem gewerblichen Kfz-Händler kaufen, selbstverständlich keinesfalls den vertraglichen Gewährleistungsausschluss akzeptiert hätten. Sie haben auf das Gericht einen geschäftlich so versierten Eindruck gemacht, dass ihnen diese - ohnehin naheliegende - Aussage ohne weiteres abzunehmen ist. Beide haben zudem nochmals übereinstimmend bekräftigt, dass nichts auf einen Kauf von einem Kfz-Händler hindeutete, sondern die Angeklagte durch den Hinweis, es handle sich um das Fahrzeug ihres Opas (Zeuge N.) bzw. ihrer Oma (Zeuge J.), den privaten Charakter des Verkaufs noch besonders betont habe. Trotz des auf der Hand liegenden Eigeninteresses der Zeugen haben sie auf das Gericht einen in jeder Hinsicht glaubwürdigen Eindruck gemacht, zumal ihre Aussagen ohne jede Einschränkung zu den zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Schriftstücken passen."

Zur rechtlichen Würdigung hat das Amtsgericht ausgeführt:

"Die Angeklagten haben sich daher wegen 2-fachen gemeinschaftlichen Betrugs gemäß den §§ 263 Abs. 1, 25 Abs. 2, 53 StGB strafbar gemacht.

Durch das Auftreten als Privatpersonen unter Verschweigen des gewerblichen KfzHandels des Angeklagten und das nur dadurch ermöglichte Verwenden der für Privatverkäufe üblichen und zulässigen Vertragsformularen mit Gewährleistungsausschluss haben sie den jeweiligen Käufern zumindest eine schadensgleiche Vermögensgefährdung zugefügt. Ein Haftungsausschluss gemäß § 444 BGB kann nämlich bei einem sog. Verbrauchsgüterkauf im Sinne des § 474 Abs. 1 S. 1 BGB, an dem neben dem Verbraucher ein Unternehmer i.S. des § 14 Abs. 1 als Verkäufer beteiligt ist, nicht wirksam vereinbart werden. Dies ergibt sich zwingend aus § 475 Abs. 1 BGB, der ausdrücklich auch ein Umgehungsverbot normiert. Angesichts dieser klaren Gesetzeslage geht der Hinweis des Angeklagten auf den Grundsatz der Vertragsfreiheit ersichtlich ins Leere. Ein gewerblicher Kfz-Händler kann es sich eben nicht nach Belieben aussuchen, ob er Fahrzeuge gewerblich oder privat verkauft, weil der gesetzliche Verbraucherschutz nicht abdingbar ist (von steuerrechtlichen Fragen ganz abgesehen). Den Angeklagten war dies auch klar, denn ihre auffällige Vorgehensweise hatte ja gerade - was auf der Hand liegt - den Sinn, die für Unternehmer verschärften gesetzlichen Gewährleistungsregeln zu unterlaufen."

Die Revision der Angeklagten T. rügt Verletzung formellen und materiellen Rechts.

II.

Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge (zumindest vorläufigen) Erfolg.

1.

Es führt gemäß § 353 StPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, das materiell-rechtlicher Überprüfung nicht standhält.

Die Sachverhaltsfeststellungen des Amtsgerichts belegen nicht, dass die Angeklagte den Tatbestand des § 263 StGB vollständig erfüllt hat. Es fehlt nämlich an tatrichterlichen Feststellungen, aus denen sich ergibt, dass den Käufern - Zeuge N. (Fall 1), Zeuge J. (Fall 2) - durch den Abschluss des Kaufvertrages ein Vermögensschaden entstanden ist.

a)

§ 263 StGB schützt nicht die Entschließungsfreiheit (Dispositionsfreiheit; vgl. Fischer, StGB, 55. Auflage, § 263 Rn. 72, 85) oder die Wahrheit im Geschäftsverkehr (vgl. BGH NStZ-RR 2001, 41). Zur Tatbestandsverwirklichung ist vielmehr die Herbeiführung eines Vermögensschadens bei dem Getäuschten erforderlich, der nicht schon darin liegt, dass die von ihm eingegangene Verpflichtung ohne den durch Täuschung bewirkten Irrtum nicht entstanden wäre (vgl. BGH NJW 2006, 1679 mit weiteren Nachweisen; SenE v. 07.02.2006 - 81 Ss 63/05 -; SenE v. 17.10.2006 - 81 Ss 123/06 -; SenE v. 01.08.2008 - 82 Ss 62/08 -). Eine Vermögensschädigung liegt also nicht schon dann vor, wenn jemand infolge eines durch Täuschung hervorgerufenen Irrtums eine Vermögensverfügung getroffen hat, die er bei Kenntnis der tatsächlichen Umstände nicht getroffen hätte (BGHSt 3, 99; BGHSt 16, 222; BGHSt 16, 321; Fischer a.a.O., § 263 Rdnr. 72, 85; Senat a.a.O.). Auch bei einer solchermaßen erschlichenen Disposition durch Abschluss eines Austauschschuldverhältnisses liegt eine Vermögensminderung des Getäuschten nicht vor, wenn sich Leistung und Gegenleistung im Sinne einer Kompensation entsprechen (BGHSt 31, 115; OLG Düsseldorf NJW 1991, 1841; Senat a.a.O.; Fischer a.a.O. § 263 Rn. 77). Ein Schaden fehlt, wenn die täuschungsbedingte Vermögensminderung durch den wirtschaftlichen Wert des unmittelbar Erlangten ausgeglichen wird (BGHSt 3, 102; BGHSt 16, 220; Senat a.a.O.; Fischer a.a.O. § 263 Rn. 74, 85).

b)

Die Feststellungen des Amtsgerichts belegen indessen nicht, dass sich bei den Gebrauchtwagenverkäufen an die Zeugen N. und J. Leistung und Gegenleistung im Sinne einer Kompensation nicht entsprochen haben.

Das Amtsgericht hat eine "schadensgleiche Vermögensgefährdung" auf Seiten der Käufer vielmehr schon darin gesehen, dass sie jeweils - den Kaufvertrag über das Gebrauchtfahrzeug täuschungsbedingt als Rechtsgeschäft zwischen Privatpersonen ansehend - einen Gewährleistungsausschluss akzeptiert haben. Dem liegt ersichtlich die Vorstellung zugrunde, dass allein schon die für die Käufer (schuldrechtlich) ungünstige Vertragsgestaltung - Gewährleistungsausschluss statt Gewährleistungshaftung - einen betrugsrelevanten Schaden darstellt. Das Amtsgericht hat nämlich keine Erwägungen zum tatsächlichen Wert der Fahrzeuge (Marktwert) im Verhältnis zum Kaufpreis angestellt. In den Urteilsgründen wird der tatsächliche Fahrzeugwert nicht erwähnt. Es bleibt daher offen, ob der Leistungsaustausch bei den Käufern zu einer Vermögensminderung geführt hat. Die Urteilsgründe werden damit den Anforderungen, die - wie oben dargelegt - an die Annahme eines Vermögensschadens im Sinne des Betrugstatbestandes zu stellen sind, nicht gerecht.

2.

Der festgestellte materiell-rechtliche Mangel führt gemäß § 357 StPO auch zur Aufhebung des angefochtenen Urteils in Bezug auf die Verurteilung des Angeklagten I. Denn der Schuldspruch leidet an derselben, auf die Sachrüge festzustellenden fehlerhaften Rechtsanwendung.

3.

Die Aufhebung des Urteils bedingt hier die Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz (§ 354 Abs. 2 StPO), wobei der Senat trotz des weitergehenden, auf Freispruch gerichteten Antrags der Generalstaatsanwaltschaft nicht gehindert ist, im Beschlusswege zu entscheiden (vgl. BGH NJW 2005, 2933).

Der Senat kann - abweichend von der Einschätzung der Generalstaatsanwaltschaft - nicht ausschließen, dass in einer neuen tatrichterlichen Verhandlung weitergehende Feststellungen getroffen werden können, die zur rechtsfehlerfreien Verurteilung der Angeklagten führen.

Die Annahme eine vollendeten Betruges wird allerdings nach dem oben Ausgeführten jeweils die Feststellung erfordern, dass das verkaufte Fahrzeug den vereinbarten Kaufpreis objektiv nicht wert war, und zwar entweder schon allein wegen des (wenn auch nicht wirksam, § 475 Abs. 1 Satz 1 BGB) vereinbarten Gewährleistungsausschlusses - falls insoweit in der Gegenüberstellung mit einer Gewährleistungshaftung eine Kommerzialisierung möglich ist -, oder wegen des Gewährleistungsausschlusses und etwaiger Mängel des jeweiligen Fahrzeugs.

Sollten solche Feststellungen nicht getroffen werden können, werden die Voraussetzungen des versuchten Betruges (§§ 263 Abs. 2, 22, 23 StGB) zu prüfen sein, und zwar jedenfalls unter dem Gesichtspunkt, dass der Angeklagte I. über keine eigene Werkstatt verfügte - so die Einlassung beider Angeklagten ausweislich des angefochtenen/aufgehobenen Urteils - und die Angeklagten daher in Bezug auf etwaige Fahrzeugmängel mit bedingtem Vorsatz gehandelt haben könnten.

Ende der Entscheidung

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