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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 24.01.2006
Aktenzeichen: 83 Ss-OWi 68/05
Rechtsgebiete: StPO, OWiG


Vorschriften:

StPO § 345 II
OWiG § 80 III 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

83 Ss OWi 68/05

In der Bußgeldsache

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Köln im Verfahren über den Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Kerpen vom 9. August 2005 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft in der Besetzung gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG durch den Richter am Oberlandesgericht Siegert

am 24. Januar 2006

beschlossen:

Tenor:

Der Zulassungsantrag wird als unbegründet verworfen.

Die Rechtsbeschwerde gilt damit als zurückgenommen.

Die Kosten des Verfahrens vor dem Beschwerdegericht trägt der Betroffene.

Gründe:

I.

Durch Urteil des Amtsgerichts Kerpen vom 09.08.2005 ist gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Verstoßes gegen § 24 a Abs. 2 und Abs. 3 StVG eine Geldbuße von 250,00 € verhängt worden. In dem Verfahren bis dahin hatte sich Rechtsanwalt D F aus L unter dem Briefkopf "Rechtsanwälte F und F" zum Verteidiger des Betroffenen bestellt; dieser war bis dahin auch allein tätig geworden.

Gegen das vorbezeichnete Urteil hat Rechtsanwalt F für den Betroffenen unter dem 9. August 2005 Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt und Rechtsbeschwerde eingelegt.

Mit weiterem Schriftsatz vom 22. September 2005 unter dem Briefkopf "Rechtsanwälte F und F", unter welchem nachstehend im Einzelnen die Rechtsanwälte D F, Q F und N O aufgeführt sind, ist der Zulassungsantrag begründet worden. Dieser Schriftsatz, indem auch mehrfach von "mein Mandant" die Rede ist und der dasselbe Aktenzeichen wie alle vorherigen Schriftsätze "F..." aufweist, schließt mit den maschinenschriftlichen Worten "für Rechtsanwalt D F"; darunter befindet sich die Unterschrift des Rechtsanwalts O, an welche sich die maschinenschriftlichen Worte "N O Rechtsanwalt" anschließen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen, weil er nicht der Formvorschrift des § 345 Abs. 2 StPO entspreche. Es ließen sich der Rechtsmittelbegründung Hinweise auf eine Unterbevollmächtigung des Rechtsanwalts O, der mit dem Verteidiger Rechtsanwalt D F in derselben Kanzlei tätig ist, nicht entnehmen. Zudem müsse der Unterzeichnende die volle Verantwortung für den Inhalt der Schrift übernehmen. Insoweit liege ein beachtenswerter Zweifelsfall, der die Rechtsbeschwerdebegründung formunwirksam mache, dann vor, wenn nicht auszuschließen ist, dass der unterzeichnende Rechtsanwalt den Kollegen nur bei der Unterzeichnung eines von diesem allein verfassten und verantworteten Schriftsatzes vertreten wollte.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nach § 80 OWiG statthaft und auch im Übrigen zulässig; er ist aber unbegründet.

1.

Das Rechtsmittel ist - entgegen der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft - in zulässiger und dem § 345 Abs. 2 StPO i. V. m. § 80 Abs. 3 S. 3 OWiG entsprechender Weise angebracht. Dies steht nicht deswegen "im Zweifel" in Frage, weil der unterzeichnende Rechtsanwalt O die Rechtsbeschwerdebegründung "für" Rechtsanwalt D F unterschrieben hat, die nach dem Aktenzeichen und nach den Formulierungen "von meinem Mandanten" etc. von diesem verfasst und diktiert worden war. Rechtsanwalt O ist jedenfalls Rechtsanwalt und genügt so von der Funktion her dem § 345 Abs. 2 StPO, der schon nach seinem Wortlaut die Unterzeichnung einer Revisions- (bzw. hier: Rechtsbeschwerde-) Begründung nicht nur durch den Verteidiger, sondern (auch) durch jeden Rechtsanwalt zulässt. Zwar muss der unterzeichnende Rechtsanwalt beim Fehlen eines allgemeinen Verteidigungsauftrags wirksam bevollmächtigt sein (Kuckein in Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Aufl., § 345 Rdn. 11). Eine solche Bevollmächtigung, etwa durch Untervollmacht, bedarf aber nicht der Schriftform (BGH NStZ 01, 52; Brandenburgisches OLG NStZ 95, 52; Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 345 Rdn. 11; Kuckein in KK a. a. O.). Dass Rechtsanwalt D F seinerseits bevollmächtigt war, auch Untervollmacht zu erteilen, ergibt sich aus der bei den Akten befindlichen Vollmachtsurkunde vom 4. Februar 2005. Dafür, dass Rechtsanwalt O hier die Unterschrift ohne eine solche Untervollmacht durch Beauftragung seitens des (etwa nach Diktat verreisten) Verteidigers Rechtsanwalt D F erteilt hätte, ist nicht ersichtlich.

Allerdings gehört es zu den Erfordernissen nach § 345 Abs. 2 StPO, dass der die Rechtsbeschwerdebegründung unterzeichnende Rechtsanwalt die volle Verantwortung für diese Schrift einschließlich der darin enthaltenen Anträge übernimmt (vgl. BayObLGSt 75, 153; Kuckein in KK § 345 Rdn. 15); bestehen hieran Zweifel, ist die Begründungsschrift trotz Unterzeichnung durch den Rechtsanwalt unwirksam (vgl. BGHSt 25, 272, 274; Kuckein in KK a. a. O., Rdn. 16 m. w. N.). Im Hinblick hierauf haben - von der Generalstaatsanwaltschaft zutreffend zitiert - das Kammergericht (JR 87, 217) und das OLG Hamm (MDR 00, 1245) entschieden, dass eine Revisions- bzw. eine Rechtsbeschwerdebegründung zur Unzulässigkeit der Revision bzw. der Rechtsbeschwerde führen kann, wenn ein Rechtsanwalt den Verteidiger lediglich bei der Unterzeichnung eines von diesem allein verfassten und verantworteten Schriftsatzes (so KG a. a. O.) bzw. bei der Unterzeichnung mit dem Zusatz "i. V." (so OLG Hamm a. a. O.) vertreten hat. Diesen Entscheidungen (deren Sachverhalt mit dem vorliegenden nicht ganz gleichgelagert ist, so dass es auch keiner Vorlage nach § 121 Abs. 2 GVG bedarf) kann nicht gefolgt werden, zumal sie mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht vereinbar sind:

Die vorgenannte Rechtsprechung setzt schon mit der Formulierung zu einem von dem Verteidiger "allein...verantworteten" Schriftsatz voraus, was es erst nachzuweisen gälte; die vertretungsweise Unterzeichnung durch einen anderen Rechtsanwalt lässt als solche nicht erkennen, dass er den betreffenden Schriftsatz nicht auch selbst (mit) verantworten will. Es wird unausgesprochen davon ausgegangen, dass ein "i. V." oder "für" u. ä. unterzeichnender Rechtsanwalt sich den Inhalt der von einem anderen verfassten Rechtsmittelbegründungsschrift nicht zu Eigen gemacht hat. Dies bleibt eine Unterstellung. Vielmehr (so auch ausdrücklich BVerfG NJW 96, 713; auszugsweise abgedruckt auch bei Korte NStZ 96, 322) ist umgekehrt regelmäßig davon auszugehen, dass ein unterbevollmächtigter Rechtsanwalt, der den von einem anderen Rechtsanwalt als dem eigentlichen Sachbearbeiter verfassten Schriftsatz im eigenen Namen unterschreibt, sich den Inhalt des Schreibens zu Eigen gemacht hat und dafür aufgrund eigener Prüfung die Verantwortung übernimmt. Die Einschätzung von Oberlandesgerichten, in solchen Fällen bestünden Zweifel an der Übernahme der Verantwortung für die Rechtsbeschwerde, beruht (so ausdrücklich BVerfG a. a. O.) auf Anforderungen an die Erfüllung von gesetzlichen Formerfordernissen, die sich durch die Zwecke des § 345 Abs. 2 OWiG (auch im Bereich der Rechtsbeschwerde) nicht mehr rechtfertigen lassen, den Zugang zum Rechtsmittelgericht ganz wesentlich erschweren und für den Rechtssuchenden zu unangemessenen Ergebnissen führen können. Das Erfordernis, den Schriftsatz selbst zu verantworten, ist nicht gleichbedeutend mit dem Erfordernis, den Schriftsatz selbst zu verfassen (wiederum BVerfG a. a. O.).

Demgemäß kann auch vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass Rechtsanwalt O die Rechtsbeschwerdebegründung gänzlich ungeprüft unterzeichnet hat; der bloße Zusatz "für" ergibt nichts dafür, dass er sie nicht dennoch gelesen und ihren Inhalt gebilligt hat. Der verfassungsrechtliche Anspruch des Betroffenen auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) gebietet es, von der Annahme auszugehen, dass er aufgrund eigener Prüfung die Verantwortung für den Inhalt übernommen hat. Die vorliegende Fallgestaltung ist gerade nicht mit derjenigen vergleichbar, die dem Zweck des § 345 Abs. 2 StPO zugrunde liegt: nämlich etwa von dem Betroffenen selbst verfasste ungeeignete Revisions- oder Rechtsbeschwerdebegründungen, die ein Rechtsanwalt auf dessen Wunsch hin nur pro forma unterzeichnen soll, von den Gerichten fernzuhalten (vgl. BGHSt 25, 272, 273; BayObLGSt 75, 153, 154). Es ist auch nicht einzusehen, dass bei Rechtsanwälten als Organen der Rechtspflege strengere Maßstäbe angelegt werden sollten als bei Staatsanwälten, die häufig "für" einen anderen Staatsanwalt Anklageschriften unterzeichnen.

Diese Entscheidung steht nicht in Widerspruch zu dem Beschluss des Senats - 8 Ss 427/04 - vom 07.12.2004, in dem eine Revision u.a. deswegen als unzulässig erachtet worden ist, weil die Unterschrift des die Revisionsbegründung verfassenden Verteidigers durch die eines anderen Rechtsanwalts mit dem Zusatz "i. A." ersetzt worden war. Es beruhte dies dort auf dem ganz anderen Gesichtspunkt, dass speziell der - im dortigen Fall - Pflichtverteidiger, der die Revisionsbegründung verfasst hatte, nicht befugt ist, einem anderen Rechtsanwalt Untervollmacht für die Revisionsbegründung zu erteilen.

2.

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist jedoch in der Sache zu verwerfen. Von einer Begründung wird insoweit gemäß § 80 Abs. 4 Satz 3 OWiG abgesehen.

Die Rechtsbeschwerde gilt damit nach § 80 Abs. 4 Satz 4 OWiG als zurückgenommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 473 Abs. 1 StPO, 46 Abs. 1 OWiG.

Ende der Entscheidung

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