Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 13.11.2007
Aktenzeichen: 9 Sch 8/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, InsO


Vorschriften:

BGB § 247
BGB § 288
BGB § 288 Abs. 2
ZPO § 240
ZPO § 1025 Abs. 1
ZPO § 1062 Abs. 1 Nr. 4
ZPO § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b
ZPO § 1060 Abs. 2 S. 1
InsO § 38
InsO § 39
InsO § 87
InsO §§ 174 ff.
InsO § 179 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
9 Sch 8/06 9 Sch 9/06

Tenor:

Der Antrag, den von dem Internationalen Schiedsgerichtshof der ICC (ICC International Court of Arbitration), Aktenzeichen 11833/DK/RCH, durch den Einzelschiedsrichter Frans Leonard Joseph van Wersch am 31. Mai 2005 erlassenen Zwischenschiedsspruch (Interim Award) und den am 7. März 2006 erlassenen Schiedsspruch (Final Award) für vollstreckbar zu erklären, wird unter Aufhebung beider Schiedssprüche abgelehnt.

Die Kosten beider Verfahren (9 Sch 8/06 - Interim Award - und 9 Sch 9/06 - Final Award) hat die Antragstellerin zu tragen.

Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin kann die Zwangsvollstreckung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegner vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin betreibt ein Anlagenbauunternehmen, das sich auf die Herstellung von Kompostierungsanlagen spezialisiert hat. Der Antragsgegner zu 1) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der C Energy GmbH (im Folgenden C), der Antragsgegner zu 2) wird als Insolvenzverwalter über das Vermögen der N-Chemietechnik GmbH (im Folgenden N) in Anspruch genommen. Die Antragstellerin erhielt den Auftrag zur Errichtung einer Kompostierungsanlage in L. Sie beauftragte C (damals D GmbH) im Jahr 1997 mit der Erstellung und Inbetriebnahme einer bestimmten Komponente, nämlich der Eindampfanlage für Vergärungswasser. In den Vertrag wurden allgemeine Geschäftsbedingungen der Antragstellerin ("P") einbezogen, die in Ziffer 72 im Fall von Streitigkeiten die Anrufung eines Schiedsgerichts entsprechend der Schiedsordnung der Internationalen Handelskammer (ICC) vorsehen. Im Jahr 1999 kam es zu Vereinbarungen, die dazu führten, dass N für C die weitere Ausführung der vertraglichen Verpflichtungen übernahm. Die rechtlichen Folgen dieser Vereinbarungen sind zwischen den Parteien umstritten.

Nachdem sich Schwierigkeiten bei der Vertragsabwicklung bzw. bei der Inbetriebnahme der Kompostierungsanlage ergaben, forderte die Antragstellerin den gezahlten Werklohn zurück und machte Schadensersatzansprüche geltend. Am 2. November 2001 beantragte sie beim Schiedsgerichtshof der Internationalen Handelskammer in Paris (ICC) die Einleitung eines Schiedsverfahrens gegen C und N. Im Rahmen des sich anschließenden Verfahrens wurde am 18. Januar 2002 Aachen zum Schiedsgerichtsort bestimmt. In den eingereichten Schriftsätzen vertrat C die Ansicht, eventuelle Ansprüche könnten nur gegen N bestehen, und N vertrat die Ansicht, mangels vertraglicher Beziehungen zur Schiedsklägerin könne sie nicht in Anspruch genommen werden, erst recht nicht im Rahmen eines schiedsrichterlichen Verfahrens.

Mit Beschluss vom 1. September 2002 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der C mit gleichzeitiger Anordnung der Eigenverwaltung eröffnet (GA 342). Diese Anordnung wurde durch Beschluss vom 1. Juli 2003 aufgehoben, und der Antragsteller zu 1) wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der N wurde mit Beschluss vom 1. Juni 2004 (GA 361) eröffnet. Der Schiedsrichter wurde insoweit jeweils zeitnah informiert und führte den Schriftverkehr anschließend mit den Antragsgegnern, die der Fortsetzung des Schiedsverfahrens widersprachen und beim Schiedsgericht keine Schriftsätze zur Sache einreichten.

Die Antragstellerin meldete wegen des Sachverhalts, der Gegenstand des Schiedsverfahrens war, in beiden Insolvenzverfahren identische Hauptforderungen zur Tabelle an, die von den Antragsgegnern - jedenfalls zunächst - jeweils "vorläufig bestritten" wurden (vgl. GA 358, 379). Wegen der Einzelheiten wird auf die Anmeldungen vom 29. Oktober 2002 (GA 344-357) und dem 9. Juli 2004 (GA 362 ff) Bezug genommen, die sich hinsichtlich der Höhe und der Begründung der einzelnen Positionen ebenso wie hinsichtlich der Gesamtsumme von den im Schiedsverfahren geltend gemachten Forderungen unterscheiden (vgl. den Schiedsspruch vom 7. März 2006).

Am 31. Mai 2005 erging ein Zwischenschiedsspruch (Interim Award), in dem der Einzelschiedsrichter, ein niederländischer Rechtsanwalt, seine Zuständigkeit bejahte und ausführte, auf die vertraglichen Beziehungen finde nach den Geschäftsbedingungen der Antragstellerin deutsches Recht Anwendung. C und N wurden gesamtschuldnerisch zur Erstattung eines anteiligen Kostenvorschusses an die Antragstellerin verurteilt, die den erforderlichen Gesamtvorschuss für das Schiedsverfahren gezahlt hatte. Im Beschluss heißt es u. a., eine Vereinbarung mit der Antragstellerin über eine Übernahme der vertraglichen Verpflichtungen durch N sei nicht nachgewiesen, so dass C nach wie vor Vertragspartnerin sei. N sei nach den getroffenen Vereinbarungen jedoch in den bestehenden Vertrag einbezogen worden. N habe sich auch mit der Anwendbarkeit der von der Antragstellerin verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (P) einverstanden erklärt, in denen die maßgebliche Schiedsklausel enthalten sei.

Auch der am 7. März 2006 ergangene endgültige Schiedsspruch (Final Award) richtet sich gegen C und N. Die Antragsgegner sind in beiden Entscheidungen als gesetzliche Vertreter der Schiedsbeklagten bezeichnet. Mit dem Final Award wurde der Antrag auf Zahlung einer Vertragsstrafe von 148.000 DM abgewiesen. Im Übrigen wurden die Schiedsbeklagten hinsichtlich der Hauptforderungen antragsgemäß als Gesamtschuldner verurteilt. Hinsichtlich der Kostenentscheidung bezieht der Schiedsspruch vom 7. März 2006 die Verurteilung ein, die bereits im Zwischenschiedsspruch erfolgt war. Auf die Schiedssprüche wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

Die Antragstellerin hat zunächst - unter Umrechnung von z. T. in US-Dollar ausgeurteilten Beträgen - und unter Berücksichtigung von bezifferten Zinsforderungen (vgl. GA 7) - beantragt,

1. den von dem Schiedsgericht der International Chamber of Commerce (ICC), vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Frans Leonard Joseph von Wersch als Schiedsrichter am 31.05.2005 erlassenen Zwischenschiedsspruch (Interim Award), durch den die Antragsgegner verurteilt worden sind, an die Antragstellerin gesamtschuldnerisch € 27.301,83 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.03.2006 zu zahlen, für vollstreckbar zu erklären und

2. hilfsweise, den in Ziff. 1 genannten Schiedsspruch mit der Maßgabe für vollstreckbar zu erklären, dass die zugrunde liegende Forderung für die Antragstellerin in Höhe von jeweils € 27.301,83 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.03.2006 zur Insolvenztabelle festgestellt wird,

3. den von dem Schiedsgericht der International Chamber of Commerce (ICC), vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Frans Leonard Joseph von Wersch als Schiedsrichter am 07.03.2006 erlassenen Schiedsspruch (Final Award), durch den die Antragsgegner verurteilt worden sind, an die Antragstellerin gesamtschuldnerisch 1.727.524,57 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.10.2001 zu zahlen (Punkt 17.1 des Schiedsspruchs), mit der Maßgabe für vollstreckbar zu erklären, dass die zugrunde liegenden Forderungen für die Antragstellerin hinsichtlich des Antragsgegners zu 1 in Höhe von 1.847.694,02 €, hinsichtlich des Antragsgegners zu 2) in Höhe von 2.048.691,42 € zur Insolvenztabelle festgestellt werden, und

4. hilfsweise, den unter 3. genannten Schiedsspruch mit dem dargestellten Leistungsanspruch für vollstreckbar zu erklären,

5. den von dem Schiedsgericht der International Chamber of Commerce (ICC), vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Frans Leonard Joseph von Wersch als Schiedsrichter am 07.03.2006 erlassenen Schiedsspruch (Final Award), durch den die Antragsgegner verurteilt worden sind, an die Antragstellerin gesamtschuldnerisch weitere 125.152,03 € (Punkt 17.2 des Schiedsspruchs) nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für einen Betrag von 19.152,03 € seit dem 07.03.2006, für einen weiteren Betrag von 106.000,00 € seit dem 11.08.2005 zu zahlen (jeweils Punkt 17.3 des Schiedsspruchs), für vollstreckbar zu erklären,

6. hilfsweise, den unter 5. genannten Schiedsspruch über den dargestellten Leistungsanspruch mit der Maßgabe für vollstreckbar zu erklären, dass die zugrunde liegenden Forderungen für die Antragstellerin in Höhe von jeweils 125.152,03 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für einen Betrag von 19.152,03 € seit dem 07.03.2006, für einen weiteren Betrag von 106.000,00 € seit dem 11.08.2005 zur Insolvenztabelle festgestellt werden.

Nach Hinweis auf sprachliche Unklarheiten hat sie die Anträge wie folgt gefasst:

Der Schiedsspruch des ICC vom 31.05.2005, durch den die Antragsgegner verurteilt worden sind, als Gesamtschuldner an die Antragstellerin USD 33.500,00 zu bezahlen, wird für vollstreckbar erklärt.

Der Schiedsspruch des ICC vom 07.03.2006, durch den die Antragsgegner verurteilt worden sind, als Gesamtschuldner an die Antragstellerin 1.727.524,57 € als Schadensersatz nebst Zinsen gemäß den §§ 247, 288 BGB (Fassung Oktober 2001) vom 12.10.2001 bis zum Tag der Zahlung sowie 23.500 USD für die Kosten des Schiedsverfahrens (einschließlich der vom Gericht auf 57.000 USD festgesetzten Verwaltungskosten, Honorare und Unkosten des Einzelschiedsrichters), 75.000 € für die Kosten, die die Antragstellerin ihren Anwälten und Vertretern gezahlt hat und 31.000 € für interne Kosten der Antragstellerin nebst Zinsen gemäß den §§ 247, 288 Abs. 2 BGB (Fassung Januar 2002) auf die Kostenbeträge von USD 57.000 seit dem 07.03.2006, auf die gezahlten Anwaltskosten von 75.000 € seit dem 11.08.2005 und auf die internen Kosten der Antragstellerin von 31.000 € seit dem 11.08.2005 jeweils bis zum Tag der Zahlung zu zahlen, wird für vollstreckbar erklärt.

Die Antragstellerin beantragt nunmehr,

nach den ursprünglichen Anträgen in der später geänderten sprachlichen Fassung zu entscheiden.

Die Antragsgegner beantragen,

die gestellten Anträge abzulehnen bzw. zurückzuweisen.

Die Antragsgegner sind der Ansicht, das Schiedsverfahren habe nach Eröffnung der Insolvenzverfahren nicht fortgesetzt werden dürfen. Der Schiedsspruch setze sich über zwingende Bestimmungen des deutschen Insolvenzrechts (§§ 87, 114 ff. InsO) hinweg, die zum ordre public zu rechnen seien. Der Antragsgegner zu 2 meint, das Schiedsverfahren habe gegen die N schon nicht durchgeführt werden dürfen, weil - unstreitig - zwischen ihr und der Antragstellerin keine Schiedsvereinbarung getroffen worden sei.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Anträge auf Vollstreckbarerklärung der Schiedssprüche sind zulässig.

Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Köln ergibt sich aus den §§ 1025 Abs. 1, 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO. Der vom Schiedsrichter in der ersten Sitzung vom 18. Januar 2002 (vgl. Ziffer 3 des Zwischenschiedsspruchs) festgelegte Ort des schiedsgerichtlichen Verfahrens ist Aachen, er liegt im hiesigen Bezirk. Die Schiedsabrede in dem zwischen der Antragstellerin und C geschlossenen Vertrag (Anlagenkonvolut ASt 5: P, Ziffer 72) enthielt keine Vereinbarung über den Schiedsort, sie ist dementspechend für die Beurteilung der Zuständigkeit ohne Belang.

Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung beider Schiedssprüche ist jedoch unbegründet. Ihre Anerkennung würde zu einem Ergebnis führen, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspräche, § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO, so dass sie aufzuheben sind, vgl. § 1060 Abs. 2 S. 1 ZPO.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegner kann ein Verstoß gegen den ordre public allerdings nicht bereits in der Fortsetzung des Schiedsverfahrens nach Eröffnung der Insolvenzverfahren gesehen werden. Die Eröffnung der Insolvenzverfahren führte nicht zur Unterbrechung des schiedsgerichtlichen Verfahrens. § 240 ZPO war vom Schiedsrichter nicht zu beachten. Dies entspricht ganz herrschender Meinung (BGH KTS 1966, 246; Uhlenbruck § 85 Rn. 27 m. Nachw.; Heidbrink/v.d.Groeben ZIP, 2006, 265, 269 m. ausf. Nachw. in Fußnote 38). Das Schiedsverfahren konnte jedenfalls nachdem die Antragsgegner die zur Tabelle angemeldeten Forderungen bestritten hatten, grundsätzlich fortgesetzt werden. Dem Umstand, dass (jedenfalls zunächst) ein "nur" vorläufiges Bestreiten erfolgte, kommt keine Bedeutung zu (vgl. BGH Urteil vom 5.7.2007, IX ZR 221/05, ZIP 2007, 1760 ff.).

Der Verstoß, der zur Aufhebung der Entscheidungen führt, ist darin zu sehen, dass das Schiedsgericht, das bei seiner Entscheidung deutsches Recht anwendete, maßgebliche Bestimmungen der Insolvenzordnung nicht beachtet hat, die für die Abwicklung eines Insolvenzverfahrens von wesentlicher Bedeutung sind und Einfluss auf den Inhalt bzw. den Umfang der zu treffenden Entscheidung hatten. Die erforderliche Einordnung der im Schiedsverfahren geltend gemachten Ansprüche in das von der deutschen Insolvenzordnung vorgegebene System ist unterblieben.

Die Antragstellerin ist hinsichtlich der "zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensansprüche gegen den Schuldner" Insolvenzgläubigerin im Sinne des § 38 InsO, während sie wegen der später fällig werdenden Zinsforderungen nur nachrangige Insolvenzgläubigerin i. S. des § 39 InsO ist. Auch hinsichtlich der Kostenforderungen ergeben sich aus der Insolvenzordnung zu berücksichtigende Besonderheiten. Die Antragstellerin hätte dem Rechnung tragen und ihre Anträge der Rechtslage anpassen müssen. Sie hätte statt des Zahlungsantrags einen Antrag auf Feststellung zur Tabelle stellen müssen (vgl. z. B. Ehricke ZIP 2006, 1847 ff [1850 m. Nachw]). Dies ist nicht geschehen.

Der Schiedsrichter hat ohne Rücksicht auf die sich aus den genannten Bestimmungen in Verbindung mit § 39 InsO ergebenden Beschränkungen seine Entscheidung getroffen.

Die Frage, ob die Schiedssprüche im Rahmen des vorliegenden Verfahrens möglicherweise teilweise, nämlich in dem Umfang, in dem Ansprüche der Antragstellerin als Insolvenzgläubigerin im Sinne des § 38 InsO zustehen, und mit der Maßgabe einer Feststellung zur Tabelle (statt Zahlung) für vollstreckbar erklärt werden könnten, bedarf keiner Klärung. Es kann auch dahinstehen, ob eine Vollstreckbarerklärung des zur Zahlung verurteilenden Schiedsspruchs (hinsichtlich der zur Tabelle angemeldeten Forderungen) ohne eine Einschränkung zulässig wäre, weil die Antragsgegner nach einer erfolgten Vollstreckbarerklärung den Zahlungstitel gemäß § 179 Abs. 2 InsO möglicherweise als eine titulierte Zahlungspflicht ansehen müssten, die dann (von ihnen) zur Tabelle festzustellen wäre. All diese Fragen stellen sich schon deshalb nicht, weil nicht einmal festgestellt werden kann, dass der Schiedsrichter -zumindest hinsichtlich einiger Ansprüche - nur über zur Tabelle angemeldete Forderungen entschieden hat. Indem er es unterlassen hat, darauf hinzuwirken, dass Feststellung zur Tabelle beantragt wurde, hat er auch die Voraussetzungen, unter denen er nach der Eröffnung der Insolvenzverfahren noch entscheiden durfte, letztlich verkannt.

Alle Insolvenzgläubiger können gemäß § 87 InsO ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Nur so lässt sich die Gleichstellung der Gläubiger sichern (BGH Urt. vom 23.10.2003, IX ZR 165/02, WM 2003, 2429 ff. juris Rz 24). Dies bedeutet für ein vor Gericht geltend gemachtes Feststellungsbegehren, dass vorrangig das Anmeldungs- und Prüfungsverfahren nach den §§ 174 ff. InsO betrieben werden muss. Die Durchführung dieses Verfahrens ist Prozessvoraussetzung für eine Klage, mit der die Feststellung einer bestrittenen Forderung verfolgt wird (BGH a.a.O. Rz 20).

Dies ist bei Verfolgung der zur Tabelle angemeldeten Forderungen im Rahmen eines Schiedsverfahrens nicht anders zu beurteilen (vgl. Ehricke a.a.O.; Flöther, Auswirkungen des inländischen Insolvenzverfahrens auf Schiedsverfahren und Schiedsabrede, S. 110; Schlosser, Das Recht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl., Rn 881). Würde man dies anders sehen, so könnte ein Schiedsspruch über eine nicht angemeldete Forderung ergehen, der dann unter Umgehung des § 87 InsO nach Vollstreckbarerklärung vom Insolvenzverwalter zu berücksichtigen wäre. Oder es könnte eine Entscheidung über Forderungen ergehen, die über die angemeldeten hinausgehen. Die Missachtung von § 87 InsO ist als Verstoß gegen den ordre public anzusehen (MünchKommInsO-Schumacher, Vorbem vor §§ 85-87 Rn. 53), der zwingend zur Aufhebung des Schiedsspruchs führt. Eine solche Situation liegt hier vor.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass eine Vollstreckbarerklärung - unabhängig von allen weitere Problemen - nicht in Betracht kommt, wenn der Schiedsspruch der Antragstellerin (Haupt-) Forderungen zuerkennt, die nicht zur Tabelle angemeldet sind. Auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Antragstellerin im nachgelassenen Schriftsatz lässt sich nicht ausschließen, dass eine Entscheidung des Schiedsgerichts ergangen ist, die über die Anmeldungen hinausgeht. Vielmehr ist sogar davon auszugehen, dass nicht alle im Schiedsspruch zuerkannten Forderungen zur Tabelle angemeldet worden sind. Folgende Beträge sind zuerkannt:

 DMEUR
Rückzahlung Werklohn 1.100.023,00 562.432,82
fehlgeschlagenes warmes Anlaufen 916.320,77 468.507,37
Kosten für Suche nach alternat. Lösungen für Amoniakwäscher 977.913,65 499.999,31
Kosten Abwasserbehandlung 228.963,29 117.067,07
Folgeschäden 155.523,69 79.518,00
Summe 3.378.744,40 1.727.524,57

Die letzte Position ist im Schiedsspruch (wie u. a. die Addition zeigt) aufgrund eines Schreibfehlers fälschlich mit 97.518 € angegeben. Bei der ersten Position hat das Schiedsgericht eine Gutschrift in Höhe von 170.200 DM berücksichtigt, weil der Antragstellerin ein entsprechender Betrag aus einer Bürgschaft zugeflossen war. Da diese Gutschrift bei den Anmeldungen zur Insolvenztabelle anderweitig verrechnet wurde, lassen sich die jeweiligen Forderungen besser vergleichen, wenn man sie erst von der Summe aller Forderungen abzieht. Es ergibt sich dann folgende Aufstellung:

 DM EUR
Rückzahlung Werklohn 1.270.223,00 649.454,71
Kosten für das Unterlassen des warmen Anlaufens und der Übernahmetests 916.320,77 468.507,37
Kosten für Suche nach alternat. Lösungen für Amoniakwäscher 977.913,65 499.999,31
Kosten Abwasserbehandlung 228.963,29 117.067,07
Folgeschäden 155.523,69 79.518,00
Summe 3.548.944,40 1.814.546,46
abzüglich Bürgschaft 170.200,00 87.021,88
Ergebnis 3.378.744,40 1.727.524,58

Die im Schiedsverfahren zusätzlich geltend gemachte Vertragsstrafe bzw. ein Verzugsschaden wegen der verspäteten Inbetriebnahme der Eindampfanlage in Höhe von 15 % des Vertragspreises (148.000 DM/75.671,20 €) wurde abgewiesen. Die im Schiedsverfahren geltend gemachte Gesamtforderung (Hauptforderung) betrug dementsprechend 1.803.195,78 € (1.727.524,58 € + 75.671,20 €). Die Differenz zu dem insoweit im Schiedsspruch genannten Betrag von 1.803.200,89 € (Übersetzung S. 14) dürfte ihre Ursache in Umrechnungsdifferenzen haben.

Zur Tabelle angemeldet wurden in beiden Insolvenzverfahren folgende Forderungen (wobei die Bürgschaftssumme zur besseren Übersicht auch hier erst am Ende abgezogen wird, während sie in den Anmeldungen bei der Position "15% Schadensersatz" abgezogen wurde).

 DM EUR
Rückzahlung Werklohn 1.473.458,68 753.367,46
Schadensersatz 15 % Auftragssumme 222.000,00 113.506,79
Verzögerungsschaden, hauptsächl. Personal für warme Inbetriebnahme des Eindampfers 531.806,00 271.908,09
Abwasserentsorgung 780.515,00 399.070,98
Ersatzmaßnahmen 655.063,00 334.928,39
sonstige Schäden: Ausfall, Kosten für Nichtabschließung lfd Bankbürgschaften, Reputationsverlust etc 1.500.000,00 766.937,82
Summe 5.162.842,68 2.639.719,53
abzüglich Bürgschaft 170.200,00 87.021,88
Ergebnis 4.992.642,68 2.552.697,65

Sieht man die Forderung eines pauschalen Schadensersatzanspruchs als abgewiesen an und lässt man die unterschiedliche Höhe des zurückgeforderten (bzw. zuerkannten) Werklohns außer Acht, so ergibt sich bei einem Vergleich der Positionen folgendes:

Im Schiedsverfahren wurden als Schadensersatz 2.278.721,40 DM (1.165.091,75 €) zuerkannt, nämlich 916.320,77 DM (468.507,37 €) + 977.913,65 DM (499.999,31 €) + 228.963,29 DM (117.067,07 €) + 155.523,69 DM (79.518,00 €). Für die fraglichen Schäden wurden in den Insolvenzverfahren aber nur 1.967.384 DM (1.005.907,46 €) angemeldet, nämlich 531.806,00 DM (271.908,09 €) + 780.515,00 DM (399.070,98 €) + 655.063,00 DM (334.928,39 €). Die zusätzlich angemeldeten 1.5 Mio DM beziehen sich nach ihrer Begründung auf andere Schäden, die nicht Gegenstand des Schiedsverfahrens waren. Soweit man sie überhaupt als substantiiert angemeldet ansehen kann, sind sie jedenfalls nicht geeignet, die verbleibende Lücke von 311.337,40 DM auszufüllen. Die tatsächliche Differenz zwischen den angemeldeten und den im Schiedsverfahren zuerkannten Beträgen wird noch größer, wenn man berücksichtigt, dass in den zur Insolvenztabelle angemeldeten Beträgen die Kosten, die mit der Entsorgung des unbehandelten Abwassers verbunden waren, auf 780.515 DM beziffert sind, während im Schiedsverfahren insoweit nur 228.963,29 DM geltend gemacht wurden. Die dann verbleibenden Kosten für "Ersatzmaßnahmen" (531.806 DM) und den "Verzögerungsschaden" (655.063,00 DM) belaufen sich nach den Anmeldungen auf 1.186.869,00 DM, während die diesen Positionen wohl entsprechenden Kosten für das "Unterlassen des warmen Anlaufens" (916.320,77 DM) und die "Kosten für alternative Lösungen" (977.913,65 DM) im Schiedsverfahren in Höhe von immerhin 1.894.234,42 DM zuerkannt wurden.

In der gegebenen Situation fehlt es nach den vorstehenden Ausführungen ersichtlich an einer Übereinstimmung des Anspruchsgrunds zwischen den zur Tabelle angemeldeten und den im Schiedsverfahren verhandelten bzw. zuerkannten Ansprüchen (vgl. zur Erforderlichkeit der Übereinstimmung ausführlich BGH, Urt. vom 23.10.2003, IX ZR 165/02, NJW-RR 2004, 1050 ff., juris Rz 21). Es wird nicht verkannt, dass die Positionen, aus denen ein Schadensersatzanspruch sich zusammensetzt, nicht als selbständige Ansprüche anzusehen sind. Dennoch ist es nicht möglich, die Begründung der einzelnen Positionen, also die ihnen zugrunde liegende Tatsachengrundlage, für belanglos anzusehen und nur auf das Gesamtergebnis abzustellen. Die Voraussetzungen für Ansprüche auf Ersatz aufgewendeter Kosten können durchaus unterschiedlich sein. Sie unterliegen einer dem Inhalt der Ansprüche entsprechenden Prüfung etwa darauf, ob es sich um sogenannte Sowieso-Kosten handelt. Die erforderliche differenzierende Betrachtung würde außer Acht bleiben, wenn man nur auf die Summe von Beträgen abstellen würde.

Auch der Zwischenschiedsspruch ist aufzuheben. Eine Vollstreckbarerklärung einer solchen Entscheidung kann grundsätzlich in Betracht kommen (vgl. zum Problem BGH Beschluss vom 18.1.2007, III ZB 35/06, WM 2007, 1050 f). In der hier gegebenen Situation teilt die Zwischenentscheidung das Schicksal des endgültigen Schiedsspruchs. Sie hat ihren Charakter geändert. Nachdem sie in die Fassung des endgültigen Schiedsspruchs einbezogen wurde, ist sie als Teil des endgültigen Schiedsspruchs anzusehen und schon aufgrund dieser Verknüpfung aus den dargelegten Gründen aufzuheben. Hinzu kommt, dass es auch hinsichtlich der Kostenzahlungspflicht an einer Einordnung der Forderung in das System des Insolvenzrechts fehlt.

Nach alldem kann dahinstehen, ob die gegen die Insolvenzschuldnerinnen ergangenen Schiedssprüche im Wege der Auslegung als gegen die Antragsgegner wirkend anerkannt werden könnten, ob man etwa den Fehler, der in der Verkennung der Rolle eines deutschen Insolvenzverwalters liegt, als eine nur fehlerhafte Parteibezeichnung ansehen könnte, zumal die Insolvenzverwalter - wenn auch "als gesetzliche Vertreter" der Schuldnerinnen - während des Schiedsverfahrens stets rechtliches Gehör erhielten. Dass nach deutschem Recht ein Parteiwechsel eingetreten war - oder einzutreten hatte - (vgl. MünchKommInsO-Schumacher, a. a. O. Rn 54), wurde verkannt. Die sich insoweit stellenden Fragen bedürfen aber keiner Entscheidung, weil die Schiedssprüche aus den dargelegten Gründen ohnehin aufzuheben sind. Entsprechendes gilt für weitere Probleme, über die hier auch nicht zu entscheiden ist, insbesondere für die Frage, in welchem Umfang die Entscheidung des Schiedsgerichts zu überprüfen ist, soweit eine zwischen N und der Antragstellerin bestehende Schiedsvereinbarung bejaht wurde. Nur bei einer Verneinung von Aufhebungsgründen wäre über alle geltend gemachten Einwände zu entscheiden (vgl. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl., Kap. 25 Rn 16; unklar Zöller/Geimer, ZPO, 24. Aufl., § 1059 Rn.9).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO; der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO analog (vgl. MünchKommZPO-Münch, 2. Aufl., § 1064 Rn 9).

Gegenstandswert (entsprechend dem Hinweis vom 21.6.2007):

2.730,18 € für das Verfahren 9 Sch 8/06

185.267,66 € für das Verfahren 9 Sch 9/06

Ende der Entscheidung

Zurück