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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 30.05.2000
Aktenzeichen: 9 U 1/99
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, WG


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt.
WG § 61
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 1/99 15 0 21/98 LG Bonn

Anlage zum Protokoll vom 30.05.2000

Verkündet am 30.05.2000

Meinecke, JHS'in als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 11.04.2000 durch die Richterin am Oberlandesgericht Keller, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Halbach und die Richterin am Landgericht Kretzschmar

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 21.07.1998 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 15 0 21/98 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung des Beklagten ist unbegründet.

Das Landgericht hat zu Recht der Klage auf Rückzahlung der geleisteten Kaskoentschädigung stattgegeben.

Die Klägerin kann von dem Beklagten die auf Grund des Unfallereignisses vom 13.06.1996 auf der B.straße , Gemarkung B., gezahlte Entschädigung aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB zurückverlangen.

Die Zahlung der Klägerin ist nämlich ohne Rechtsgrund erfolgt. Die Klägerin ist leistungsfrei, weil der Beklagte den Unfall durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat, §§ 61 WG.

Grobe Fahrlässigkeit setzt in objektiver und subjektiver Hinsicht eine aus dem normalen Rahmen der Fahrlässigkeit herausfallende gröbliche Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Im Bereich des Straßenverkehrs liegt sie vor, wenn das Verhalten des Versicherungsnehmers objektiv grob verkehrswidrig und subjektiv schlechthin unentschuldbar ist (vgl. OLG Hamm , VersR 1996, 181; OLG Köln, r + s 1989, 174; VersR 1990, 390; Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 26 Aufl., § 12 AKB, Rn 68; Stiefel/Hofmann, AKB, 16. Aufl., § 12, Rn 90 ff , jeweils mit Einzelfällen). So liegt der Fall hier.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Beklagte in einer besonders gefährlichen Kurve mit überhöhter Geschwindigkeit verbotswidrig überholt und dabei ein entgegenkommendes Fahrzeug gefährdet hat. Bei diesem Fahrmanöver hat der Beklagte sein Fahrzeug beim Wiedereinscheren nach rechts verrissen und ist nach rechts von der Fahrbahn abgekommen.

Dies ergibt sich aus dem vom Senat eingeholten Gutachten des Sachverständigen T. und den Bekundungen der Zeugen Sch. und H.. Wie aus dem Gutachten des Sachverständigen und den von ihm gefertigten Farbfotos hervorgeht, befinden sich circa 250 m vor der vom Beklagten durchfahrenen Rechtskurve je rechts und links der Fahrbahn ein Schildermast mit den drei Hinweisschildern: Oben: Rechtskurvenverlauf angezeigt; mittig: "besonders gefährliche Kurve" und unten: 70 km/h - Begrenzung. Bei weiterer Annäherung an die Kurve, circa 150 m vor dem Kurvenbeginn, steht jeweils rechts und links der Fahrbahn ein Hinweisschild mit Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h. Etwa 50 m vor der Kurve beginnt die durchgezogenen Mittellinie, die im weiteren Verlauf auf der linken Fahrbahnseite aus Sicht des Beklagten von einer parallellaufenden unterbrochenen Mittellinie begleitet ist.

Wie der Gutachter nach sorgfältiger Analyse des Unfallgeschehens ausgeführt hat, ist der Audi - PkW des Beklagten auf Grund des Fahrfehlers, Überreißen der Lenkung bei hoher Geschwindigkeit im Zusammenhang mit einer Rechtslenkung, instabil geworden. Die Ausgangsgeschwindigkeit bei Einleitung des instabilen Fahrzustands könne bei 70 km/h bis 90 km/ h eingegrenzt werden. Ein Frontalzusammenstoß mit dem Wagen des Zeugen F. ist nach dem Gutachten nur durch spontanes Überreißen der Lenkung nach rechts vermieden worden. Zur Geschwindigkeit des Fahrzeugs des Beklagten hat der Zeuge Sch. in Übereinstimmung damit bekundet, dass der Beklagte "unvermindert mit deutlich höherer als der erlaubten Höchstgeschwindigkeit" gefahren sei.

Aus dem Sachverständigengutachten und den Aussagen der Zeugen H. und Sch. ist darüber hinaus zu entnehmen, dass der Beklagte nicht nur mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit gefahren ist, sondern auch verbotswidrig überholt hat. Der Zeuge H. konnte sich noch gut daran erinnern, dass sich die Stelle, an der der Beklagte mit seinem PKW wieder nach rechts eingeschert ist, dort befindet, wo auf dem Farbfoto ( Bl.181 oben) der zweite Strich links von der durchgezogenen Linien sei. Dies hat der Zeuge Sch. im Wesentlichen bestätigt. Er hat ausgesagt, dass das, was er unter dem frischen Eindruck des Geschehens unter dem Datum des 02.07.1996 im Fragebogen gegenüber der Ordnungsbehörde (Bl. 13 der Beiakte (Kreisverwaltung A. .....) angegeben habe, alles richtig gewesen sei. Dort hat er erklärt, der Beklagte habe "kurz vor der Rechtskurve" mit relativ hoher Geschwindigkeit zum Überholen angesetzt. "In der Kurve" sei er etwa auf gleicher Höhe mit seinem Wagen gewesen. Der Gutachter hat das Überholen im Bereich der durchgezogenen Mittellinie bestätigt.

Damit ist belegt, dass der Beklagte verbotswidrig durch Überfahren der durchgezogener Mittellinie (Zeichen 295 bzw. 296 im, Sinne von § 41 StVO) überholt hat. Der Überholvorgang muß grundsätzlich vor Beginn der Verbotsstrecke abgeschlossen sein (vgl. Jagusch / Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 34. Aufl., § 5 StVO, Rn 37 mit weiteren Nachweisen).

Dass diese Überholmanöver besonders gefährlich gewesen ist, schildert glaubhaft der Zeuge H.. Er bekundet, dass er zunächst hinter dem Audi 80 des Zeugen Sch. hergefahren sei. Er habe noch überlegt, den langsamer fahrenden Wagen des Zeuge Sch. zu überholen. Davon habe er aber abgesehen, weil er die Strecke nicht habe überblicken könne. Das Gras sei ziemlich hoch gewachsen gewesen. Hieraus ergibt sich, dass der Beklagte in einer unübersichtlichen Situation geradezu auf gut Glück über die Mittellinie gefahren ist und die Gegenfahrbahn in Anspruch genommen hat. Dabei mußte er in Kauf nehmen, dass ihm ein Fahrzeug entgegenkam und die Möglichkeit einer unabwendbaren Kollision bestand.

Dies ist - entgegen der Auffassung der Berufung - keine Fehleinschätzung, wie sie auch einem durchschnittlichen Fahrer im Straßenverkehr jederzeit unterlaufen kann, etwa unter besonderen Umständen bei Überholen in der begründeten Annahme, den Vorgang besonders schnell abschließen zu können (vgl. dazu OLG Hamm, VersR 1990, 43).

Vielmehr ist aus dem heranzuziehenden äußeren Verhalten und den Beweisanzeichen (vgl. BGH, VersR 1972, 944; OLG Köln, VersR 1990, 390; VersR 1989, 552) zu entnehmen, dass dem Beklagten auch subjektiv ein grobes Fehlverhalten vorzuwerfen ist, das nicht entschuldbar ist. Obwohl er nicht wußte, ob Gegenverkehr sich näherte, scherte er gleichwohl in der durch ein deutliches Hinweisschild als "besonders gefährlich" bezeichneten Kurve aus. Zudem war ihm die Gefährlichkeit der Kurve bekannt, wie der Beklagte im Termin vor dem Landgericht erklärt hat. Beim Ausscheren mußte er mit entgegenkommenden Fahrzeugen rechnen, die plötzlich auftauchen konnten, ohne dass die Möglichkeit der Reaktion und des Ausweichens verbliebe. Ein solches Verhalten ist in subjektiver Hinsicht nicht entschuldbar (vgl. OLG Hamm, VersR 1996, 181; r + s 1995, 8; OLG Karlsruhe, r + s 1995, 47; OLG Köln, VersR 1990, 390).

Demnach konnte die Berufung des Beklagten keinen Erfolg haben.

Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Der Wert der Beschwer ist nach § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzen.

Streitwert für das Berufungsverfahren und Wert der Beschwer des Beklagten: 25.063,97 DM.

Ende der Entscheidung

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