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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 23.01.2007
Aktenzeichen: 9 U 11/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, VVG, EGBGB, StGB


Vorschriften:

BGB § 195
BGB § 199
BGB § 288
BGB § 291
BGB § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt.
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 852
ZPO § 529 Abs. 1
ZPO § 543
VVG § 12 Abs. 1
EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 1
EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 4
StGB § 263
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 7.12.2005 - 20 O 648/04 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

(abgekürzt nach §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO)

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Das Landgericht hat zu Recht der Klage stattgegeben.

1. Der Klägerin steht nach § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB ein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Entschädigung in Höhe von 9.050,00 € gegen den Beklagten zu. Die Versicherungsleistung ist ohne rechtlichen Grund erbracht worden. Ein Anspruch des Beklagten auf Zahlung von Entschädigung hat nicht bestanden.

a) Im Rückforderungsprozess hat der Versicherer die Beweislast. Beweiserleichterungen kommen der Klägerin nicht zugute (vgl. BGH VersR 1993,1007).

Vorliegend hat die Klägerin zur Überzeugung des Senats bewiesen, dass die Entschädigung zu Unrecht an den Beklagten geleistet wurde.

b) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Landgericht und den übrigen unstreitigen Umständen ist bewiesen, dass der gemeldete und von der Beklagten entschädigte Diebstahl unter Beteiligung des Beklagten vorgetäuscht und der PKW Audi 100 (amtliches Kennzeichen xxx - xx 80) über die Grenze "verschoben" worden ist. Gemäß § 529 Abs. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellungen gebieten. Solche Zweifel haben sich nicht ergeben.

Wie aus der vom Senat beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Köln - 82 Js 916/00 - (Bl. 22 ff) hervorgeht, ermittelte die Polizei, dass der polnische Staatsangehörige L. am 7.10.1999 am Grenzübergang U. mit dem Fahrzeug des Beklagten die Grenze Polen / Weißrussland passierte. Hierbei legte er einen zu dem Wagen des Beklagten gehörigen Fahrzeugschein vor. Der Senat ist davon überzeugt, dass es sich bei diesem Fahrzeugschein um das Original handelte, das der Beklagte dem Täter zur Verfügung gestellt hat. Der an der Grenze vorgelegte und dort von dem Beamten fotokopierte Fahrzeugschein wies die unverwechselbare Besonderheit auf, dass das Datum der Ausstellung zu weit nach links angebracht ist, so dass es in den Buchstaben "n" von "M., den" hineinreicht. Dieses Merkmal entspricht dem Originalfahrzeugschein, wie aus den dem Inhalt der Ermittlungsakte hervorgeht (Bl. 6, 24 EA) und auch von dem Zeugen J. vor dem Landgericht bestätigt worden ist. Damit steht fest, dass den Grenzbeamten kein gefälschter oder fremder Fahrzeugschein vorgelegt worden ist.

Der Zeuge A. konnte zwar nicht ausschließen, dass an der Grenze eine Kopie vorgelegt wurde. Er hat jedoch glaubhaft bekundet, er könne aus seiner Erfahrung sagen könne, dass man mit einer Kopie nicht durchgelassen worden wäre. Die polnischen Grenzbeamten würden nach seiner persönlichen Erfahrung ausgesprochen gründlich kontrollieren und könnten sehr gut unterscheiden zwischen Original und Kopie. Wenn eine Kopie hergestellt worden wäre, so wäre dieser Umstand nach der ständigen Praxis mitgeteilt worden. Gegen die Annahme, dass eine Kopie vorgelegt wurde, spricht auch, dass bei einer gründlichen Kontrolle aufgefallen wäre, dass bei einer Kopie die Papierbeschaffenheit nicht dem Original entspricht. Im übrigen ist nicht ersichtlich, wer zeitnah vor dem Diebstahl eine solche Kopie hätte herstellen können. Die vom Beklagten angesprochenen Möglichkeiten für Dritte können unberücksichtigt bleiben. Sie stehen in keinem zeitlichen Zusammenhang mit dem vom Beklagten behaupteten Diebstahl und erklären nicht, warum der Diebstahl ausgerechnet während eines Krankenhausaufenthaltes - und nicht im zeitlichen Zusammenhang mit der Herstellung der Kopie - verübt worden sein soll.

Auch wenn die Zeugin Z. bekundet hat, der Beklagte habe den Fahrzeugschein mit ins Krankenhaus genommen, führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Im Gegenteil: Der Umstand, dass der Fahrzeugschein nicht im Hause aufbewahrt worden ist, lässt es um so mehr als ausgeschlossen erscheinen, dass ein unbekannter Täter eine Kopie angefertigt hat. Entscheidend für die Annahme, dass der Beklagte den Fahrzeugschein aus der Hand gegeben hat, spricht nach der Überzeugung des Senats der Umstand, dass der Beklagte in verschiedener Hinsicht mehrfach seine Angaben gewechselt hat und damit seine Schilderung insgesamt unglaubhaft ist:

Bei seiner Vernehmung im Ermittlungsverfahren hat er angegeben, er habe den Fahrzeugschein zu Hause aufbewahrt, und zwar ganz oben im Schrank (Bl. 32 EA). Im vorliegenden Rechtsstreit hat er vorgetragen, dass der Fahrzeugschein von seiner Ehefrau verwahrt worden sei (Bl.18 GA). Ein weiterer Widerspruch ergibt sich bei den Angaben zum Abstellen des Fahrzeugs. So hat er bei der Strafanzeige vom 15.10.1999 angegeben, der Wagen sei im Zeitraum vom 9.9.1999, 10.00 Uhr, bis 15.10,1999, 17.30 Uhr, entwendet worden (Bl. 1, 13 EA). Bei seiner Vernehmung am 10.11.1999 hat der Beklagte erklärt, er habe das Fahrzeug am 3.9.1999o abgestellt und den Diebstahl am 9.9.1999 um circa 17.20 Uhr bemerkt. (Bl. 12 EA). Am 6.9.2000 hat der Beklagte schließlich bei der Polizei angegeben, es sei nicht richtig, dass er den Diebstahl am 9.9.1999 bemerkt habe. Wenn er noch einmal genau überlege, so habe er den Wagen am 3.9.1999 abgestellt und am 15.10. 1999 den Diebstahl bemerkt (Bl. 28, 29 EA).

Auch nach dem Zeitablauf war es möglich, dass Schlüssel und Papiere des Fahrzeugs nach der Verbringung nach Weißrussland und nach einem Grenzübertritt am 7.10.1999 anschließend absprachegemäß wieder an den Beklagten zurückgelangt sind, so dass dieser am 15.10.1999 bei der Polizei in M. Anzeige erstatten konnte. Auch die Klinikaufenthalte stehen damit in zeitlichem Einklang. Der Beklagte suchte am 9.9.1999 das Krankenhaus in M.-T. auf. Am 5.10.1999 fuhr mit dem Taxi vom Krankenhaus in die Reha-Klinik. In Unterbrechung des Aufenthalts dort begab sich der Beklagte am 15.10.1999 mit Erlaubnis des behandelnden Arztes für das Wochenende nach Hause. Der Einholung eines Schlüsselgutachtens bedurfte es danach nicht.

Nach alledem ist bewiesen, dass der Diebstahl nur vorgetäuscht worden ist.

2. Der Rückforderungsanspruch ist auch nicht verjährt. Bei einem Anspruch auf Rückzahlung zu Unrecht geleisteter Entschädigung gilt § 12 Abs. 1 VVG nicht (vgl. BGH VersR 1992, 479; OLG Köln VersR 1997, 225). Die Verjährung des Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung war nach §§ 195, 199 BGB, Art. 229 § 6 Abs. 1 und 4 EGBGB zum Zeitpunkt des Eingangs (27.12.2004) der "demnächst" zugestellten (§ 167 ZPO) Klage noch nicht abgelaufen. Anstelle der früheren dreißigjährigen Frist ist mit Wirkung ab 1.1.2002 eine von diesem Tag an zu berechnende dreijährige Frist getreten

Zudem würde auch § 852 BGB eingreifen, weil der Beklagte auf Kosten der Klägerin den Entschädigungsbetrag durch unerlaubte Handlung erlangt hat. Denn der Beklagte haftet auch aus dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung nach den §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB. In diesem Fall gilt der Rechtsfolgenverweis des § 852 BGB n. F. mit der verlängerten Verjährungsfrist von zehn Jahren. § 852 BGB a. F. würde sogar zu einer dreißigjährigen Verjährung führen. Auf Einzelheiten zur Anwendung alten oder neuen Rechts muss daher nicht eingegangen werden.

3. Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 291, 288 BGB.

4. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor. Die Bedeutung der Sache geht nicht über den Einzelfall mit seinen Besonderheiten hinaus. Eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 9.050,00 €

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