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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 15.05.2007
Aktenzeichen: 9 U 117/06
Rechtsgebiete: VVG, AKB


Vorschriften:

VVG § 1
VVG § 49
VVG § 61
AKB § 12 Abs. 1 I a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 17. Mai 2006 verkündete Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 20 O 352/05 - teilweise abgeändert und unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 40.700 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 7. Juli 2005 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der im Jahr 1940 geborene Kläger arbeitete bis zu einem Herzinfarkt im Frühjahr 2003 in seinem Wohnort M. als Arzt. Im Juni 2003 kaufte er einen Gebrauchtwagen (Erstzulassung 1997), einen Pkw Royal Sabre, ein Liebhaberfahrzeug, das aussieht wie ein Wagen aus den 30-iger Jahren, tatsächlich in der Technik aber weitgehend einem Ford Scorpio entspricht. Wenige Wochen später, am 26. August 2003, wurde das Fahrzeug (amtliches Kennzeichen xx - xx xxx), für das bei der Beklagten eine Kaskoversicherung bestand, durch einen Brand beschädigt. Der Schaden beläuft sich unstreitig auf 41.000 € (43.000 € Wiederbeschaffungswert - 2.000 € Restwert), wovon der Kläger unter Berücksichtigung der vereinbarten Selbstbeteiligung 40.700 € geltend macht.

Das Landgericht, auf dessen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen und ausgeführt, es sei von Eigenbrandstiftung auszugehen.

Mit der Berufung greift der Kläger das Urteil an.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn 40.700 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 26. Dezember 2003 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze und eingereichten Unterlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 30. März 2007 verwiesen. Die Akten der Staatsanwaltschaft Köln 91 Js 248/03 sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

II.

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung des ihm durch den Brand seines Fahrzeugs entstandenen Schadens, §§ 1, 49 VVG in Verb. mit § 12 Abs. 1 I a AKB.

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Brand durch den Kläger oder auf seine Veranlassung gelegt worden ist, so dass Leistungsfreiheit der Beklagten gemäß § 61 VVG nicht zu bejahen ist.

Eine dem Versicherungsnehmer zuzurechnende Eigenbrandstiftung hat der Versicherer zu beweisen. Ist dieser Beweis - so wie dies hier der Fall ist - nur durch Indizien zu erbringen, so muss eine Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller Umstände des Schadenereignisses stattfinden. Die vom Versicherer zu beweisenden Indizien müssen in ihrer Gesamtschau keine unumstößliche Gewissheit ergeben, es genügt vielmehr ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Die tatrichterliche Beweiswürdigung muss auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruhen, und die vom Gericht gezogenen Schlussfolgerungen dürfen sich nicht als bloße Vermutungen erweisen. Eine mathematische, jede Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs ausschließende, von niemandem mehr anzweifelbare Gewissheit ist indessen nicht erforderlich (st. Rspr. des Bundesgerichtshofs und des Senats, vgl. z. B. BGH - IV ZR 21/05 - RuS 2007, 59-62 m. w. Nachw. und Senat - 9 U 156/04 - RuS 2006, 21-23 = ZfSch 2006, 161 ff.; siehe auch Prölss in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 61, Rn. 23; Römer/M.heid, VVG, 2. Aufl., § 61, Rn 90). Die hier gegebenen Indizien reichen für diesen Grad an Gewissheit nicht aus.

Nach den Feststellungen des Sachverständigen O. M., der im Rahmen des Strafverfahrens vom Amtsgericht Wipperfürth mit der Erstattung eines Gutachtens (BA 299 ff.) beauftragt wurde, ist von einer Brandstiftung auszugehen. Der Kläger hat sich (GA 57) mit der Verwertung des Gutachtens ausdrücklich einverstanden erklärt. Danach ist - unter Berücksichtigung des Klägervortrages - davon auszugehen, dass der Täter dem mit geöffnetem Verdeck abgestellten Fahrzeug einen Benzinkanister entnahm, den der Kläger hinter dem Beifahrersitz mit sich führte. Der Täter öffnete den Kanister, warf die Verschlusskappe in den Fußraum des Beifahrersitzes und verteilte das Benzin auf der Motorhaube und auf der Außenseite der Fahrertür. Den weitgehend geleerten Kanister warf er dann zur Verschlusskappe. Wie das Benzin gezündet worden ist, muss als ungeklärt angesehen werden. Soweit in einem von der Beklagten eingeholten Gutachten des Sachverständigenbüros M. ein T-Shirt als eventuelles Wurfgeschoss angesehen wurde, erscheint dies schon wegen des Spurenbildes zweifelhaft (so überzeugend der SV M.).

Es ist ungeklärt, wer den Brand gelegt hat. Unergiebig sind die Beobachtungen der beiden Zeuginnen, die erst auf den Brand aufmerksam wurden, als der Kläger bereits die Feuerwehr benachrichtigt hatte. Soweit die Beklagte vorträgt, die Polizisten hätten von Anfang an eine (Eigen-) Brandstiftung für möglich gehalten, ist das - abgesehen davon, dass dem keine wesentliche Bedeutung zukäme - nicht richtig. Vielmehr ergibt sich aus einem Vermerk vom 3. September 2003 das Gegenteil (BA 3): Die Polizei sah zunächst keine Anhaltspunkte für ein vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten.

Das Landgericht hat angenommen, aufgrund seiner eigenen Angaben komme nur der Kläger als Täter in Betracht. Diese Betrachtungsweise erscheint unter Berücksichtigung aller Umstände als nicht überzeugend.

Ein Motiv des Klägers für eine Eigenbrandstiftung ist nicht ersichtlich. Dies hat auch das Landgericht nicht anders beurteilt. Weder die wirtschaftliche noch die persönliche Lage des Klägers geben Anhaltspunkte dafür, dass er ein Interesse an einer Beschädigung des Fahrzeuges und der Herbeiführung eines Versicherungsfalls gehabt haben könnte. Er hatte den Wagen nach dem Verkauf seiner Praxis erworben und besaß ihn erst kurze Zeit. Auch für Kaufreue ist nichts ersichtlich.

Die Ungereimtheiten, die zur Leistungsverweigerung der Beklagten und zur Bejahung einer Eigenbrandstiftung durch das Landgericht geführt haben, reichen nicht aus, um die erforderliche Gewissheit für eine Täterschaft des Klägers zu begründen. Das Landgericht hat eine Eigenbrandstiftung letztlich angenommen, weil der Kläger den Schadenverlauf unterschiedlich dargestellt habe und weil ein Dritter nach der Schilderung des Klägers keine Gelegenheit gehabt habe, den Wagen anzuzünden, ohne dass der Kläger dies bemerkt hätte.

Der Kläger hat tatsächlich unterschiedliche Angaben dazu gemacht, wie weit er von seinem Fahrzeug entfernt war und welche Beobachtungen er zum Brandereignis gemacht hatte. Indes können die insoweit gegebenen Widersprüche nicht ausreichen, um die Überzeugung zu begründen, dass er allein als Täter in Betracht kommt. Der Kläger hat bei seiner Anhörung vor dem Senat nachvollziehbar und glaubhaft geschildert, er sei durch das Brandgeschehen sehr mitgenommen gewesen. Dies habe zu der unrichtigen Einschätzung der Entfernung, aus der er den Rauch wahrnahm, geführt, die er mit nur 30 m angegeben habe. Er hat ebenso nachvollziehbar und plausibel den Spazierweg beschrieben, auf dem er sich befand und den er wegen des Brandereignisses abbrach. Aus seiner Schilderung, die im Wesentlichen den Angaben bei seiner polizeilichen Vernehmung am 29. Oktober 2003 (BA 21) entsprach, ergeben sich andere - nämlich deutlich größere - Abstände als sie der zunächst isoliert angegebenen Meterzahl zu entnehmen sind. Hinzu kommt die Besonderheit, dass der Wagen sich nach den Feststellungen der Sachverständigen während des Brandgeschehens in Bewegung setzte. Der Abstellort des Wagens lag - bezogen auf den Spazierweg des Klägers - deutlich weiter weg als der Ort, an dem das Fahrzeug letztlich ausbrannte, so dass ein Dritter den Brand grundsätzlich legen konnte, ohne dass der Kläger dies bemerken musste. Die Positionsänderung des Fahrzeugs während des Brandgeschehens erschwerte eine Schilderung des korrekten Ablaufs und führte möglicherweise bei dem durch den Brand betroffenen Kläger zusätzlich zur Verwirrung.

Soweit der Kläger vorträgt, er habe den Benzinkanister kurz nach dem Brandgeschehen im Fahrzeug gesehen und sogar in der Hand gehabt, steht dies zwar in Widerspruch zu den Ausführungen des Sachverständigen M. Dieser hat in seinem Gutachten ausgeführt, der von der Beklagten beauftragte Sachverständige habe ihm "bestätigt", dass der Kanister und der darunter liegende Schraubverschluss von ihm mit dem Teppichmaterial "verbacken" vorgefunden wurden. Trifft dies zu, so kann die Schilderung des Klägers in diesem Punkt nicht zutreffen. Indes kann ungeklärt bleiben, welche Darstellung zutrifft, denn eine unrichtige Darstellung zu diesem Detail kann - auch in Verbindung mit den übrigen Besonderheiten im Aussageverhalten des Klägers - nicht ausreichen, um von einer Eigenbrandstiftung auszugehen.

Bedenken gegen eine Täterschaft des Klägers ergeben sich nicht nur aus seinen späteren - nachvollziehbaren - Korrekturen und Erklärungen zu den ursprünglichen Angaben, sondern insbesondere auch aus weiteren unstreitigen Umständen.

Der Kläger war in M., dem Ort des Brandgeschehens, auf Grund seiner mehrjährigen Tätigkeit als Arzt in der Bevölkerung bekannt. Unter den Personen, die sich in der Nähe des Brandortes aufhielten, und alsbald den Brand beobachteten, befanden sich dementsprechend ehemalige Patienten (Zeuginnen C. und X., BA 156 ff., 159 ff.). Der Platz, an dem der Kläger seinen Wagen abgestellt hatte, liegt eher exponiert in der Landschaft auf einer Anhöhe. Der niedrige Wagen wird zwar von Plätzen unterhalb der Kuppe schlecht zu sehen gewesen sein. Einsehbar war die Stelle jedoch zumindest vom nahe gelegenen Wald aus. Dort parkte ein Mercedes, von dem später festgestellt wurde, dass er von der Zeugin C. gefahren wurde (BA 22, 105, 143). Der Kläger musste damit rechnen, dass der Fahrer des Wagens jederzeit zurückkehren konnte. Außerdem lag der Abstellort an einer Art Kreuzung. Auch wenn dort selten Autos passieren mögen, zeigt der Ablauf, wie er den Strafakten zu entnehmen ist, dass tatsächlich Fahrzeuge vorbeikamen. Hinzu kommt, dass der Kläger ein auffallendes Fahrzeug fuhr, das ihm von allen, die es kannten, notwendig zugeordnet wurde. Diese Umstände lassen es nicht nachvollziehbar erscheinen, dass der Kläger, wenn er beabsichtigte, das Fahrzeug in Brand zu setzen, seinen Entschluss an dem Ort ausgeführt hätte, an dem es zum Brand kam. Es hätte vielmehr nahe gelegen, den Ort einer geplanten Brandstiftung so zu wählen, dass eine Beobachtung des Täters erschwert und eine Identifizierung des Klägers als Täter weniger naheliegend war.

Diese Überlegungen gelten auch dann, wenn man zu Lasten des Klägers unterstellt, er sei im Fall seiner Täterschaft davon ausgegangen, die Brandstiftung werde sich nicht feststellen lassen, die Feuerwehr werde von einem technischen Defekt ausgehen. Die Gefahr, dass der Kläger tatsächlich schon während der Tatausführung beobachtet werden konnte, war an der gegebenen Stelle so groß, dass das Vertrauen, die Tat könne dort von ihm unbeobachtet ausgeführt werden, nicht nachvollziehbar erscheint. Es bleibt vielmehr die Möglichkeit, dass ein Dritter sich spontan - aus welchen Gründen auch immer - entschloss, den im Auto mitgeführten Benzinkanister zu leeren und einen Brand zu legen. Dass der Kläger selbst zunächst Angaben zum Zeitablauf und seiner Entfernung zum Tatort machte, die dies unwahrscheinlich erscheinen lassen, genügt jedenfalls nicht, um die Tat eines Dritten als so gut wie ausgeschlossen erscheinen zu lassen.

Die Schadenshöhe und der zu berücksichtigende Selbstbehalt sind unstreitig.

Zinsen sind in der zuerkannten Höhe erst ab Rechtshängigkeit zuzusprechen (§ 291, 288 Abs. 1 BGB). Für einen früheren Verzugszeitpunkt ist nichts vorgetragen (vgl. Römer in Römer/M.heid, VVG, 2. Aufl., § 11 Rn. 4).

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ein Anlass, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, besteht nicht. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 40.700 €

Ende der Entscheidung

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