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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 25.02.2003
Aktenzeichen: 9 U 118/02
Rechtsgebiete: AKB


Vorschriften:

AKB § 12 Abs. 1 II. e
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 118/02

Anlage zum Protokoll vom 25.02.2003

Verkündet am 25.02.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 21. Januar 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Münstermann, die Richterin am Oberlandesgericht Keller und den Richter am Landgericht Dr. Kunkel

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 23. Mai 2002 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 O 341/01 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Klägerin versicherte bei der Beklagten einen Lkw (Vollkaskoversicherung), der dem Transport von Containern dient (amtliches Kennzeichen ####). Sie verlangt Ersatz restlicher Reparaturkosten (ohne Mehrwertsteuer), die auf einen Vorfall vom 26.4.2000 zurückzuführen sind, bei dem der beladene Lkw umkippte, als er auf einer Deponie auf sandigem Boden anfuhr. Der durch den Aufprall entstandene Schaden wurde von der Beklagten ersetzt. Nachdem der von ihr eingeschaltete Sachverständige hervorgehoben hatte, der Verwindungsschaden sei vor dem Aufschlagen des Fahrzeugs eingetreten, verweigerte die Beklagte insoweit den Ausgleich. Bei dem Verwindungsschaden handele es sich um einen nicht versicherten Betriebsschaden. Die insoweit entstandenen Reparaturkosten von 12.090,20 DM sind Gegenstand der Klage.

Die Klägerin hat behauptet, der Boden sei, nachdem ein gefüllter Container aufgeladen war, unter dem anfahrenden Fahrzeug weggebrochen.

Das Landgericht hat die Klage nach Vernehmung des Lkw-Fahrers abgewiesen. Es hat angenommen, auch hinsichtlich des Verwindungsschadens sei von einem versicherten Ereignis auszugehen. Da aber unklar geblieben sei, aus welchen Gründen es zum Unfall gekommen sei, müsse die Klage abgewiesen werden. Der Fahrer habe möglicherweise eine Bodenunebenheit übersehen oder diese (durchdrehende Räder) selbst "geschaffen".

Mit der Berufung rügt die Klägerin die Beweiswürdigung. Der Lkw sei durch ein plötzliches, nicht vorhersehbares Wegsacken des sandigen Untergrunds umgekippt. Für die Spekulation des Landgerichts über andere mögliche Ursachen gebe die Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte. Gegebenenfalls müsse der Zeuge erneut vernommen werden.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6.181,62 € (=12.090,20 DM) nebst 9,26 % Zinsen seit dem 11.9.2001 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten, die auf die Beseitigung des Verwindungsschadens entfallen, § 12 Abs. 1 II. e AKB. Nach dem Wortlaut von § 12 Abs. 1 II. e AKB liegt kein (vom Versicherer zu ersetzender) Unfallschaden vor, wenn von einem "Betriebsschaden" auszugehen ist. Ein solcher liegt hier in Bezug auf den Verwindungsschaden vor, so daß die Beklagte insoweit nicht zum Ersatz verpflichtet ist.

Der streitgegenständliche Vorfall ereignete sich nach der im Verhandlungstermin ergänzten Darstellung der Klägerin auf dem Gelände einer Mülldeponie. Die Klägerin hatte dort einen leeren Container abgestellt, der mit Eisenteilen beladen wurde, die aus Bauschutt stammten. Nachdem der gefüllte Container aufgeladen war, wollte der Fahrer auf demselben sandigen Weg zurückkehren, den er zuvor - ohne Schwierigkeiten - befahren hatte. Er war auf die Besonderheiten des Geländes und die erforderliche besondere Vorsicht von der Klägerin hingewiesen worden und hatte dies beachtet. Der Boden gab unerwartet so stark nach, daß der Lkw in Schieflage geriet und schließlich umkippte.

Auch dann, wenn man diese ergänzte Sachverhaltsschilderung der rechtlichen Würdigung zugrunde legt, ist der Verwindungsschaden am Fahrzeug, der vor dem Aufprall entstand, als nicht versicherter Betriebsschaden anzusehen. Nach der Rechtsprechung des BGH (VersR 1969, 940 f), die einen dem vorliegenden Fall vergleichbaren Sachverhalt betrifft, ist zwischen dem Verwindungsschaden, der (noch) Betriebsschaden ist, wenn kein ungewöhnliches, von außen her einwirkendes Ereignis vorliegt, und dem Schaden, der durch den Aufprall entstanden ist, zu unterscheiden (vgl. auch BGH r+s 1998, 9). Wenn der Boden aufgrund seiner Beschaffenheit unter dem rechten Vorderreifen so stark nachgab, daß der linke in der Luft hing (so die Bekundung des Zeugen N GA 76), dann ist der hierbei entstandene (Verwindungs-) Schaden als Betriebsschaden anzusehen. Ein auf das Fahrzeug von außen her einwirkendes Ereignis könnte hinsichtlich des Verwindungsschadens nur bejaht werden, wenn er auf einem nicht einzukalkulierenden, spektakulären Vorfall beruhen würde. Ein solcher hat nach der eigenen Darstellung der Klägerin nicht vorgelegen. Während es in der Klage zunächst hieß, der Sandboden habe unter dem beladenen (!) Fahrzeug beim Anfahren "nachgegeben" (das wäre ein Betriebsschaden), heißt es dann an anderer Stelle, der Boden sei "weggebrochen". Diese Darstellung erweckt den Eindruck, es sei zu einem spektakulären Ereignis gekommen, das über einen auf sandigem Boden einzukalkulierenden Vorgang hinausging, also keinen Betriebsschaden mehr darstellte. Das Landgericht hätte vor Beweiserhebung Anlaß gehabt, auf einen eindeutigen Sachvortrag hinzuwirken. Jedenfalls gibt es nach der Aussage des Fahrers und dem klarstellenden Vortrag der Klägerin in der Berufungsinstanz keinen Anhaltspunkt für ein "Wegbrechen" des Untergrundes. Das Fahrzeug ist vorne rechts eingesackt und dann auf die Seite gekippt. Die Berufungsbegründung spricht von einem "Wegsacken".

Der BGH führt (VersR 1969, 940 f) für einen vergleichbaren Vorfall überzeugend aus, die erste Schadenursache, die zur Verwindung führt, liege in einem Betriebsvorgang. Für die über die Verwindung hinausgehende Schadenentstehung sei dann das Aufschlagen auf den Boden ursächlich. Die Abbremskraft, die beim Aufprall auf den festen Boden von diesem ausgehe, sei als von außen wirkende Gewalt anzusehen. Das Umkippen eines Fahrzeugs sei auch nicht so häufig, daß es gerechtfertigt wäre, den hierdurch entstandenen Aufprallschaden als Betriebsschaden vom Deckungsschutz auszunehmen (so auch BGH r+s 1998, 9).

Gerade bei Nutzfahrzeugen (vgl. Prölss/Martin/Knappmann, VVG, 26. Aufl., § 12 AKB Rn. 56) ist die Abgrenzung eines Unfalls von einem Betriebsschaden problematisch. Die Abgrenzung soll entsprechend dem Wortlaut der AKB dazu führen, daß der Versicherungsnehmer einen Schaden, der als Auswirkung des normalen Betriebsrisikos anzusehen ist, selbst trägt.

Zweifelsfrei liegt ein Betriebsschaden immer dann vor, wenn ein Bedienungsfehler vorliegt. Von einem solchen Fehler kann hier nicht ausgegangen werden. Im übrigen kommt es für die Abgrenzung darauf an, ob der Schadeneintritt im Bereich des Voraussehbaren und Einkalkulierbaren liegt (Prölss/Martin/Knappmann a.a.O. Rn. 55). Der BGH stellt vorrangig darauf ab (VersR 1969, 940 f), ob ein von außen her einwirkendes Ereignis bejaht werden kann. Bei Fahrzeugen, die - wie hier - auf unebenem Untergrund, Baustellen etc. eingesetzt werden, sind übliche Unebenheiten bzw. solche, mit denen grundsätzlich zu rechnen ist, als Betriebsrisiko zu werten (P/M/K a.a.O. m. Nachw.). Dementsprechend ist das Einsinken auf der Baustelle (OLG Köln VersR 1987, 581) ebenso wie ein Wegsacken auf frisch aufgeschütteter Böschung (OLG Hamm r+s 1991, 43) dem Betriebsrisiko zuzurechnen, wenn keine Besonderheiten vorliegen (etwa die Entfernung einer zuvor vorhandenen Abdeckung), für die im vorliegenden Fall nichts ersichtlich ist. Nur dann, wenn es zu einem Vorgang kommt, der nicht mehr dem normalen Betriebsrisiko zuzurechnen ist (Sturz in den Abgrund nach plötzlichem Erdrutsch (BGH VersR 1969, 27, 28) und der als ein von außen her einwirkendes Ereignis angesehen werden kann, liegt ein Unfall i. S. des § 12 AKB vor. Unter Beachtung dieser Grundsätze ist der hier eingetretene Verwindungsschaden noch dem normalen Betriebsrisiko zuzurechnen und dementsprechend von der Ersatzpflicht ausgenommen.

Ein Anlaß, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, besteht nicht. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 6.181,62 €

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